219. Der Bergmönch. Mündlich aus Clausthal. In den Harzbergwerken um Clausthal und Andreasberg hat sich sonst ein Geist sehen laßen, den man den Bergmönch geheißen. Er hat sich wie ein Mönch getragen, ist aber von riesiger Größe gewesen und hat stets ein großes Inseltlicht (Unschlittlicht) in der Hand gehabt, das nie verlosch. Wenn die Bergleute des Morgens eingefahren sind, hat er mit seinem Licht über dem Fahrloch gestanden und sie unter sich durchfahren laßen, aber auch in den Schächten sind sie ihm oft begegnet, und zwar ist er da wie ein Geschworner einhergefahren. Bei Andreasberg war nun mal ein Bergmann, der arbeitete in der Samsel (Samson), dem größten Schacht daselbst; es ging ihm aber traurig und er wußte nicht, wie er seine Frau und Kinder ernähren sollte; da hatte er denn schon oft an den Bergmönch gedacht, und wie er nun eines Morgens mal wieder einfahren will, sagt er noch zu seiner Frau: »Wollte Gott, es begegnete mir heute der Bergmönch, ich wollte ihm so recht mein ganzes Leid klagen, er würde mir vielleicht helfen!« Die Frau will ihm das zwar ausreden, aber er bleibt dabei und in dem Ge danken geht er fort. Als er nun an den Schacht kommt und einfahren will, steht der Bergmönch da und tritt heran und drückt ihm Inselt auf seine Lampe; dann winkt er ihm anzufahren. Der Bergmann will ihn zwar anreden, aber der Bergmönch winkt ihm nochmals, ruhig an seine Arbeit zu gehn, und da gehorcht er. Als er nun aber am Abend ausfährt, da tritt der Bergmönch wieder an ihn heran und drückt ihm einen Knorpel in die Hand und winkt ihm, er solle heimgehn. Da eilt er fort; als er aber nach Hause geht, wird der Knorpel immer schwerer, und wie er endlich ankommt und den Knorpel bei Licht besieht, ist's ein großes Stück Gold; an dem Inselt aber, das ihm der Bergmönch auf sein Grubenlicht gedrückt, hat er Zeit seines Lebens genug gehabt, denn es hat sich nie vermindert. Jetzt hat man lange nichts mehr vom Bergmönch gesehen, und einige sagen, er sei ins Mönchthal bei Clausthal gebannt; auch soll als Wahrzeichen dort ein Mönch in den Stein gehauen sein, den man da heut noch sehen könne; wer freilich nicht recht Bescheid weiß, findet ihn nicht.