138b.
Im Kampe des Schulzen zu Riemke (Kirchspiel Deilinghofen) springt ein Quell vortrefflichen Waßers am Fuß einer alten Eiche. Dahin fürchten die Mädchen nach Sonnenuntergang zu gehen, denn an dem Borne hat man oft eine weiße Junfer wandeln und spinnen gesehen.
Woeste in Wolf's Zeitschrift, II, 97. Dies Riemke und jenes bei Bochum sind verschiedene Ortschaften, und eine etwanige Verwechselung durch den Erzähler liegt nach den Erkundigungen, die ich von Woeste einzog, nicht zu Grunde. Da nun an beiden Orten ein klarer Quell, der unter Bäumen entspringt, das Lokal des Aufenthalts der
witten wîwer
oder weißen Junfer bildet, so lag die Vermuthung nahe, daß der Name beider Orte Aufschluß über die Lokalisirung der Sage geben möchte; eine Anfrage an Woeste gab denselben denn auch in erwünschter Weise. Er schrieb mir Folgendes: »Bezüglich der Namensform verweise ich auf Seibold, Westfälische Urkunden, II, 525, aus dem 14. Jahrhundert: 1
mans. in Rynbeke in parochia Dedelinchouen;
weiter unten auf derselben Seite, aber aus dem 15. Jahrhundert steht:
curt. Rymbeke in parochia Dedinchouen.
Zu vergleichen vom Jahre 1302:
Rynhere,
jetzt Rynern bei Hamm. Verdorbenes
regin,
wie Bender es in Rimbeck findet, kann
Ryn
nicht wohl sein; ich halte es wegen
Riem,
gespr.
Rîm
oder
Reîm,
für
Rîn
und möchte irgend eine Bedeutung des
ags. hrînan
zur Erklärung verwenden.
Ich vermuthe, daß nach Besiegung der Hattuarier-Franken mancher Hof im dortigen Grenzlande (Westmark) von Sachsen aus der östlichen Mark und dem Gaue Engern (zwischen Ruhr und Hönne) besetzt und nach dem alten
uodil
benannt wurde.« Der alte Name von Riemke war also Rynbeke, beide Oerter haben demnach ihre Namen von den dort entspringenden Quellen; was bedeutet nun
ryn
oder
rîn?
Man möchte zunächst wegen der angegebenen Beschaffenheit des Waßers an das gothische
hrains,
rein, denken, was Grimm, Deutsche Sagen, II, Nr. 113, nebst dem Flußnamen
Rîn (Rhenus
) ebenfalls zu
hrînan (sonare, clamare
) zu stellen geneigt ist, während er das neuhochdeutsche
rein (limes
) zu derselben Wurzel mit der Bedeutung
tangere
ziehen möchte (vgl. auch Grimm, Grenzalterthümer, S. 5). Graff, II, 522, stellt, obwol nicht ganz entschieden,
Rîn
und
rain
zu
hrînan, tangere
als die begrenzenden. Aber gegen eine Ableitung von
hrains,
niederdeutsch
rên
(westfälisch
rain,
Comparativ
renner,
Woeste in der Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung, II, 196) spricht wol das reine
î
unserer Namen, ich glaube daher, daß wir auch für sie auf den Präsensstamm von
hrînan
zurückgehen müssen, und zwar in der Bedeutung
tangere,
welche sich im Heliand bei diesem Verbum und seinen Compositis (vgl. die Stellen in Schmeller's Glossar) allein zeigt; vielleicht schieden sich
rîn
und
rein,
niederdeutsch
rên,
in der Art, daß, wie jenes (die Verbindung von
rein
und
stein,
Grimm, Grenzalterthümer, a.a.O., zeigt es) nur Furche und aufgeworfenen
Erd
streif, dieses nur die Waßergrenze bezeichnete. Demnach wäre
Rynbeke
Grenzbach, wie nach Graff der Rhein Grenzstrom. Dieselbe Bedeutung zeigt sich im ostfriesischen
rienschloot,
Grenzgraben, Stürenburg,
Ostfriesisches Wörterbuch,
s.v.,
vgl. auch Bremer Wörterbuch,
s.v. sloot.
Da uns nun die
witten wîwer
und weißen Junfern entschieden zur Unterwelt weisen, so halte ich
Rynbeke
für den Ober- und Unterwelt begrenzenden Bach, mit welcher Bedeutung aber auch vielleicht in der Vorzeit noch die Bedeutung der politischen Grenze verbunden war, was um so wahrscheinlicher wird, wenn man den Rhein als Grenzstrom alter Zeit und den von ihm umgehenden Volksglauben mit herbeizieht. Ueber diese Seite desselben hat kürzlich Hocker (Stammsagen, S. 21, 94 fg.) gesprochen und manche Gründe dafür vorgebracht, daß er Todtenfluß (besser Grenzfluß zwischen der Ober- und Unterwelt) sei; der schlagendste läge offenbar in der aus Cäsar von Heisterbach (Wolf, Deutsche Sagen und Märchen, Nr. 340) entnommenen Sage, wonach zum Rheine gehen und sterben als identische Begriffe erscheinen; der todte Mönch geht, wie Wolf schon angenommen, offenbar zum Rheine, weil dort die Seelenüberfahrt stattfindet, wie wir sie von Speier bereits kennen und Hocker und Schade (Ursula, S. 123) sie vom Niederrhein vermuthen, allein der Kirchhof des Klosters soll auf dem andern Ufer liegen, und danach würde sich die Redensart als eine rein lokale ergeben. Dagegen liegt auch Brittia, nach welchem die Seelen überfahren, dem Prokop der Rheinmündung gegenüber, und die Seelenfahrt nach Britannien, wie Wackernagel nachgewiesen hat, erhielt sich noch bis ins Mittelalter, ja dieser Glaube dauert in den Fahrten der Mahren nach Engelland noch heute fort. Wenn aber
Wuotan,
wie ich nachgewiesen zu haben glaube, einen Theil des Jahres in der Unterwelt weilte, und diese nun jenseit des Rheins gedacht wurde, so erklärt sich vielleicht jener in den Liedern vom Martinsvögelchen stets wiederkehrende Zuruf,
daß es über den Rhein fliegen solle (Wolf, Beiträge, I, 53), wobei nur Bedenken erregen könnte, daß der Martinsvogel eher dem
Donar
als dem
Wuotan
heilig war (vgl. zu Gebräuche, Nr. 303). Galt etwa von beiden die gleiche Vorstellung? Darauf möchte wenigstens deuten, daß der Teufel sich meist am engsten mit
Donar
berührt, und daß dessen Hammer acht Meilen tief unter der Erde verborgen wird, aber allmählich wieder heraufrückt, sowie der Donnerkeil sieben Jahre braucht, um wieder an die Erdoberfläche zu rücken; Grimm, Mythologie, S. 165.
Die auf diesem Wege gefundene Erklärung des Namens
Rînbeke
wird auch nicht wenig durch die genau entsprechende Oertlichkeit mit dem Namen
Helleborne
in den Niederlanden unterstützt, von der Wolf,
Wodana,
IV, berichtet:
»Bronnen schynen vooral aen Hellia gewyd to zyn: zy ontspringen uit de geheimryke diepte, waer de godin woont en over negen werelden heerscht. De bekendste onder dezelve is seker de Helleborne, die haren naem ook aen het wonderdadige beeld van Onze Lieve Vrouwe ter Helleborne gegeven heeft. Dit beeld hangt in een kastjen
aen eenen eikenboom, aen wiens voet de bron ontspringt, die in haren verderen loop den naem van Hellebeke ontvangt.
Het water van de Helleborne is goed tegen de koorts.«
(Vgl. Wichmann,
Brabantia Mariana, s.v.
)
Der in Nr. 86 geschilderte Aufenthaltsort des Grînkenschmieds stimmt ganz zu den hier geschilderten Oertlichkeiten, ich möchte daher auch den Namen
Grînkenschmied
als aus
Hrînbekenschmied
entstanden ansehen; in diesem Namen wäre dann auch der anlauten
de Guttural der Wurzel, der übrigens meist eher wie
Ch
denn wie
G
gesprochen wird, enthalten; dagegen könnte nur einmal das
n
statt des aus
nb
zu erwartenden
m,
dann das
s
von
Grînkeswell
sprechen, doch scheint gerade diese Form spätern Ursprungs, da ich wenigstens überall die Bezeichnung
Grînkenschmied
oder
Chrînkenschmied,
nirgends
Grînke
hörte. Will man diese Namenserklärung nicht gelten laßen, so scheint mir nur die aus mittelhochdeutsch
rinke fibula,
althochdeutsch
hringa, hrinka, idem,
etwa zuläßig, obwol wegen des
k
kaum recht wahrscheinlich.