Der Geizhals und sein Schatz Erst die Verwendung gibt dem Reichtum Wert. Ich frage alle, deren Leidenschaft Nur Geld und immer wieder Geld errafft, Was sie denn wohl für einen Vorzug haben Vor dem, dem weniger irdisches Gut beschert, Der aber Nutzen zieht aus seinen Gaben. Diogenes ist grad so reich wie sie, Und jeder Geizhals lebt wie er so schlecht; Die Wahrheit dieses Spruchs beweist so recht Äsop, der ihm ein Beispiel lieh. Es sagt uns von dem Mann, der einen Schatz verborgen Und dieses Gut voll Angst und Sorgen Nur für das Grab zu hüten schien; Nicht er besaß den Schatz, der Schatz beherrschte ihn! Er hatte in der Erde ihn verborgen Und weilte nun vom Abend bis zum Morgen, Vom Morgen bis zum Abend bei dem Schatz; Sein ganzes Herz hing an dem heiligen Platz. Er war vor Wachen matt und krank. Er kam und ging, er aß und trank; Doch tat er dies nur wie im Traum, Denn sein Bewußtsein hatte keinen Raum Für etwas andres als das tote Gut, Das er der Erde gab in Hut. So oft trieb er sich an dem Ort herum, Daß schließlich einer, der nicht dumm, Erriet, daß hier ein Schatz zu holen sei, Ihn suchte, fand und heimlich stahl. Da war denn nun mit einemmal Das Nest geleert. – O, welche Heulerei Hub da der alte Geizhals an! Er raufte sich das Haar und machte solch Geschrei, Daß einer fragte, was ihm zugestoßen sei. »Mein Schatz gestohlen! All mein Gold ist fort!« »Dein Gold? Wo war es denn?« – »Hier unter diesem Stein!« »Ja, sollte denn der Feind im Lande sein, Daß du dein Gold gerade dort Verbargst, statt es im Haus zu lassen, Wo du aus deinen vollen Kassen Stets schöpfen konntest nach Bedarf?« »Was stets? Was schöpfen?« rief der Alte scharf, »Kommt denn das Gold so schnell, wie's geht? Ich rührte nie daran.« – »So sag mir doch,« Sprach jener da, »wozu du klagst und schreist? Da du das Gold nicht zu verwenden weißt, So lege einen Stein an seinen Platz; Der ist von gleichem Werte wie dein Schatz.«