Amor und die Torheit An Amor ist alles Geheimnis: die Pfeile, Der Köcher, die Fackel, die Jugendlichkeit. Wer wollte erschöpfen in Tageseile Was alles Gott Amor gehört und geweiht! Ihn völlig erklären, ich könnt es mit nichten; Mein Ziel ist geringer: will eins nur berichten, Wie hier dieser Blinde aus Götterchor Das kostbare Licht seiner Augen verlor, Und wie der Verlust eine Folge gebar – Die schließlich zu Amors Bestem war. (Ein Liebender richte – ich sage nichts.) Als Amor noch nicht seines Augenlichts Beraubt war, spielte er gern und oft Mit Torheit, die gleichfalls ein rechtes Kind. Und wie so spielende Kinder sind, Geschah es einmal unverhofft, Daß beide heftig stritten. Zum Rate der Götter will Amor geschwind, Gerechtes Urteil erbitten. Doch Torheit schnellere Rache sinnt. Mit zornig kräftigem Schlage Entgilt sie dem andern die Plage – Und Amor verlor das Augenlicht. Frau Venus, die Mutter, führt Klage, Sie weint und jammert und ruhet nicht Und fordert ein göttliches Strafgericht. Ein Weib und Mutter – ihr könnt euch denken, Daß ihr Geschrei recht lästig war; Es störte die ganze himmlische Schar Und mußte besonders Jupiter kränken. Wie stellte Venus das Schreckliche dar! Ihr Sohn könne nur am Stock noch gehn, Als blinder Jäger kein Ziel mehr sehn, Und Nemesis müsse, das sei klar, Der Täterin Sühne auferlegen, Und keine Strafe und keine Pein Könne zu schwer und schmerzlich sein! Nach vielem Prüfen und Erwägen, Besorgt ums Wohl der Menschen alle – Und Amors auch in diesem Falle – Beschlossen die Richter: Die Torheit nütze Zur Sühne dem Amor als Stab und Stütze, Sie habe ihm immer zur Seite zu schreiten Und jeden seiner Schritte zu leiten.