Die Taube und die Ameise Zu schwach ist keiner und zu klein – Er kann dem andern dienlich sein. Aus einem klaren Bächlein trank Ein Täubchen in dem Augenblick, Als eine Ameis niedersank Ins Wasser, das für sie ein Meer. Sie hätte nie ans Land zurück Sich retten können, wenn ihr nicht Die Taube beigesprungen wär. Die fühlte des Erbarmens Pflicht Und warf ein Hälmchen Gras hinab, Das der Ertrinkenden die Brücke gab, Auf der sie eilig lief zum Uferrand. Als sie auf festem Boden sich befand Und ihre Retterin zum Baum geflogen, Da kam ein wilder Mann des Wegs gezogen Verlumpt und barfuß, der die Taube sah Und gierig griff zu Pfeil und Bogen. Er meinte, daß der Vogel da Als guter Schmaus ihm sei gesandt, Und will ihn töten. Wie er spannt Die Sehne und verborgen zielt, Da beißt die Ameis ihn ins Bein, Wobei er sich nicht still verhielt, Denn solch ein Biß bereitet Pein. Nun merkt die Taube, was ihr droht, Und schnell enteilet sie dem Tod. Lebwohl, du schönes Festgericht, So billig war die Taube nicht!