Ferdinand Lassalle Franz von Sickingen Eine historische Tragödie [Motto] Die höchste Macht der Begünstigung eines Stoffes bleibt doch der Poesie gegeben. A. von Humboldt Personen Personen. Kaiser Karl V. Kurfürst Ludwig von der Pfalz, Pfalzgraf und Herzog in und bei Rhein. Richard von Greifenklau, Erzbischof und Kurfürst von Trier. Philipp, Landgraf von Hessen. Der päpstliche Kardinal-Legat. Hans Renner, kaiserlicher Minister und Rat. Franz von Sickingen. Ulrich von Hutten. Graf Wilhelm von Fürstenberg, Graf Eitelfritz von Zollern, Frowin von Hutten, Großhofmeister und Kämmerer des Kurfürsten Erzbischof Albrecht von Mainz, Ritter Philipp von Rüdesheim, Ritter Heinrich von Schwarzenberg, Ritter Wilhelm von Waldeck, Ritter Heinrich von Dhan, Ritter Philipp von Dalberg, Ritter Wolf von Türkheim, Ritter von Venningen, Ritt er von Falkenstein, Ritter Hartmuth von Kronberg, Ritter Fritz von Sombreff, , Freunde und Anhänger Sickingens. Oecolampadius, lutherischer Hauskaplan Sickingens. Balthasar Slör, Sickingens Geheimsekretär und Vertrauter. Hauptmann Jörg von Augsburg, Büchsenmeister im Dienste Sickingens. Jos Fritz, ein Bauernagitator. Marie, Sickingens Tochter. Der Geheimsekretär des Pfalzgrafen Ludwig. Ein trierscher Ritter. Graf Solms. Ein Hauptmann trierscher Lanzknechte. Ein Reichsherold. Ein Herold im Dienste Sickingens. Kurt ein Knappe Sickingens. Ein Gastwirt. Ein Arzt. Zwei Boten. Ritter, Lanzknechte, Mönche, Knappen, Bauern, Bürger und Frauen von Trier. Vorwort Vorwort Die nachstehende Tragödie ist zum größten Teil im Frühjahr 1857 noch während meines, Aufenthalts im Düsseldorf von mir geschrieben worden. Andere Arbeiten hinderten mich, sie früher als im Winter 1857/58 zu vollenden. Noch wahrend ich hiermit beschäftigt war, hatte ich die Freude, David Strauß' Leben Ulrichs von Hutten erscheinen und hierin einen Beweis mehr zu sehen, wie zeitgemäß und fast unwillkürlich die Rückwendung auf jene Periode unseres größesten und entscheidendsten geschichtlichen Wendepunktes dem gegenwärtigen Geiste ist – Im Frühjahr 1858 fertigte ich eine äußerst verkürzte und mit Rücksicht auf die Bühnenbedürfnisse eingerichtete Umarbeitung des Stückes an Besonders im ersten, zweiten und vorzüglich im dritten Akt sind diese Umänderungen bedeutend. So mußte im dritten Akt unter anderem die durch ihre Länge vielleicht selbst an einen epischen Ton hinstreifende Schilderung des Lebens Huttens sowie des Reuchlinschen Streits vor dem Bedürfnisse des Bühnendramas nach rasch abrollender Handlung fortfallen. Im Literaturdrama aber erschienen mir nach einigem Zaudern die merkwürdige Lebensgeschichte jenes Mannes sowie der große, in seinem tiefsten Wesen vielleicht noch lange nicht hinreichend gewürdigte humanistische Kampf viel zu wertvoll in sich selbst, viel zu eng zusammenhängend mit der tragischen Idee des Dramas, viel zu bedeutsam für den Geist und Konflikt jener Zeit, um sie hier nicht in unverkürzter Gestik stehenzulassen. – Ein als Manuskript gedrucktes Exemplar der Bühnenausgabe ließ ich im Juli 1858 durch einen Freund anonym der Intendantur des Kgl Hoftheaters hierselbst überreichen. Es war mein Wunsch, das Stück, ehe ich es dem Publikum im Druck übergab, anonym zur Aufführung gebracht zu sehen, um ihm so eine ganz objektive Aufnahme von selten der Nation zu sichern. Am 31 Jan 1859 erfolgte endlich die Ablehnung seitens der Kgl Intendantur, und ich beeile mich daher nunmehr, nachdem jene Rücksicht fortgefallen, das Literaturdrama als solches dem Publikum zu übergeben. – 1. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt Zimmer auf der Ebernburg. Marie, eine Handarbeit, an der sie beschäftigt war, zusammenlegend. Balthasar, ein Mann von einigen sechzig Jahren, mit ganz weißem Haar, aber noch in voller Kraft. Breite, feste Stimme. Ich weiß nicht, Balthasar, der Vater ist Seit ein'ger Zeit nicht mehr so froh wie sonst. Er zieht sich häuf'ger in die Einsamkeit Zurück; zumal wenn Briefe kommen, finde Ich seine Stirne meistens tief umwölkt. Die Folge ist's von seinen – mit Verlaub Ich bin gewohnt, stets grad heraus zu reden – Die Folge ist's von seinen – Dummheiten! Wie, Balthasar! Der Vater Dummheiten? Und ist es recht, zur Tochter das zu sagen? Je nun, mein gnäd'ges Fräulein, seid schon flügge Und könnt auch schon ein freies Wort ertragen. Zudem wißt Ihr ja wohl, seid Ihr die Tochter auch, Liebt Ihr Franziskus doch nicht mehr als ich. ihm mit Rührung die Hand reichend. Ja das ist wahr, Ihr seid ein treuer Diener. Hat sich was, treu zu sein! 'ne rechte Kunst! Ich müßt' mir selbst nicht treu sein, wenn ich's ihm Nicht wäre! – Seht, als man mich unterdrückte, Der herrschbegier'ge Magistrat von Worms Mich eigenmächtig austrieb, widerrechtlich Die Habe mir entriß und mich zum Bettler machte – Wer hat sich da denn meiner angenommen? Ich schrie umsonst zu Kaiser und zu Reich! Die große Stadt war mir zu übermächtig, Der Kaiser brauchte sie, es wollte niemand Um meinethalb mit ihr sich überwerfen. Da wandt' ich mich in meiner höchsten Not An Euren Vater. – Traun, das ist ein Rechtsanwalt! So einer lebt im ganzen Land nicht mehr! Er nahm mich auf und prüfte meinen Handel, Und als er klärlich sah, daß mir Gewalt geschehn, Da sagt' er mir ganz einfach: Balthasar, Kann's Schreiberdienst nicht sein, sei's Reitersdienst! Und wie nun sein Verwenden Worms verlachte, Sich mir zu Rechtens nicht erbieten wollte, Vielmehr im Übermut mit Achtgesuch Bei Kaiser und bei Reich ihm drohen tät, Nahm er so ein zehntausend gute Gründe – Ich meine Pickelhauben, Fräulein – zog Damit vor Worms und gab sich Euch jetzt an Ein Demonstrieren und ein Distinguieren – Ja, Fräulein, der versteht's! – Er distinguierte, daß die Mauern wichen! Nicht Kaisers Zorn, nicht eigene Gefahr Konnt' ihn von meiner Sache schrecken. – Fräulein, Man wär' ein Schelm, wenn man so was vergäße! Ihr seid ein treues, redliches Gemüt! Schön Dank, mein Fräulein! – Doch, trotz alledem Und vielem andern noch, um dessenthalb Ich den gestrengen Ritter liebe, macht Die Liebe diese alten Augen doch Für seine – Dummheiten nicht blind. mit Humor. Aha, ich seh, Ihr kehrt zum Angriff wieder. Es drückt Euch etwas auf dem Herzen, Meister. Gewiß hat Euch der Vater wieder nicht gefolgt! Mit komischem Pathos. Nun wohl, so klagt vor unserm Tribunal, Wir sind bereit zu hören, mein getreuer Stand! Recht soll Euch werden! Nehmt darauf Hier Unser kaiserliches Wort. Ihr schäkert, Mutwill'ges Wesen! Aber Balthasar Spricht ganz im Ernst. – Ihr wißt doch, edles Fräulein, Daß König Franz von Frankreich Eurem Vater Den Marschallsstab verliehn? in ihrer obigen Weise, mit Grandezza. Wir haben das gehört. Ihr wißt auch, wie das kam? wie oben, etwas verlegen. Nein – ja – zum Teil! – Bei den Regierungssorgen haben Wir Zum Teil das schon vergessen! beiseite. Welch ein Herzallerliebster Affe das! fürwahr, Könnt' sie trotz meiner grauen Haare küssen! Zu Marie. Nun seht. Als Euer Vater Lothring's Herzog – Der uns seitdem zum Bundsgenossen wurde – Im Kriege überwältigt – als er drauf Das starke Metz aus höchst gerechtem Grund, Weil man dort andern, so wie mir in Worms Getan, die sich an ihn um Hülfe wandten, Bekriegte und mit zwanzigtausend Mann Zu Fuß, zweitausenden zu Roß belagerte Und so die Stadt bedrängte, bis sich die Patrizier drinnen den Vertriebenen Zu Abbitt' und Ersatz verstehen mußten – Da wurde König Franz ob dieser Taten Aufmerksam auf den Ritter, der auf eigne Hand So mir nichts dir nichts Heere stellen konnte, Wie sie der Kaiser selber große Plage Zusamm'n zu bringen hat und sie gar oft Auch nicht zusammenbringt. Er wollt' ihn gern Für sich gewinnen, lud nach Sedan ihn, Dort schickt' er ihm den Grafen von der Mark, Den Herzog Bouillon hin und Marquis Fleuranges. Die mußten erst ihn durch halb Frankreich führen Mit großen Ehren, fürstlichem Empfang, Und endlich mußten sie nach Amboise An König Franzens Hof ihn bringen. Da ging es an ein Karessieren erst! – Der König tat, als könnt' er ohne ihn Nicht leben, hing in großer Hofversammlung Ihm selber eine goldne Kette um Und überreicht' ihm selbst den Marschallsstab, Mit eigner Hand! Die Großen mußten tun, Als wollten sie vor Liebe schier ihn fressen! Auch waren sie nicht wenig drob verwundert, Wie Euer Vater hingeritten kam. Denn hinter ihm, als sein Gefolge, ritt Der erste Adel Deutschlands, mächt'ge Grafen Des Reichs, viele weit vornehmer als er Und aus weit älterm Haus – die alle folgten ihm Und bildeten ihm eine Edelgarde. Noch immer, Kläger, will es uns bedünken, Als sahn wir keinen Klagegrund. 's ist auch Einleitung erst! So kommt von Eurer Einleitung Zur Sache denn! Der Reichstag dehnt sich lang. Sonst setz ich Euch 'ne andre Tagfahrt aus. Lachend. Ich muß mich um die Tafel noch bekümmern. Das wird Brigitte schon besorgen! – Fräulein, Ihr sprächt nicht so, wenn Ihr die prächt'gen Damen Gesehen an des fränk'schen Königs Hof. schnell. So? sind die schön? Blitzweiber das! Mein Seel! Und plaudern, daß das Wasser einem gleich Im Mund zusammenläuft. Die alle waren Trefflich einexerziert und bildeten Das schwer Geschütz, womit der König Franz Den ehrenfesten Ritter jetzt beschoß, Denn bei dem Nachbar, Fräulein, seht, da sind So Männer wie auch Frauen gleichmäßig Zu ihres Königs Dienst! Doch alles das War, wie bei mir, so auch bei König Franz Nur Einleitung. Der Kaiser Max war alt Und mußte bald das Zeitliche gesegnen, Das war der Grund, der König spekulierte Auf unsre Kaiserkrone, hatte schon Den Pfälzer und den Trierer sich gewonnen. Doch wußt' er wohl, daß unser Ritter Franz, Ist er gleich keiner von den Sieben, die In Frankfurt dort das Privilegium haben, Käm' es zur Wahl, soviel mitstimmen würde Wie jene Sieben all mitsamtgenommen. Wie nun der Kaiser Max die Augen schloß, Da schickte Franz 'ne eigene Gesandtschaft An den Franziskus ab. – Je nun, Ihr müßt Euch doch Des zierlichen Franzosen noch erinnern, Der damals auf der Ebernburg eintraf? lachend. Ob ich mich sein entsinn! Ganz Samt und Seide, Mit Goldbrokat durchwirket war sein Wams. Ich hätte mich gescheut, ihn anzurühren, Aus Furcht, ihm etwas zu verderben! Sicher, Er war der schönste Mann, den ich gesehn, Wenn er nur schwieg! Denn wenn er redete – Ja, dann war's aus! Er schnitt mir Komplimente Viel spitz'ger noch als seine Schnabelschuhe, So zuckersüß, daß ich mich halten mußte, Nicht ins Gesicht ihm manchmal frisch zu lachen. Der arme Mann! So seinen ganzen Vorrat Von Artigkeiten, aus Paris gebracht, Hier nutzlos zu vertun! – Hätt' ihm gern all Die kostbar-süßen Dinge wieder eingepackt, Damit er hier in Schaden nicht gekommen. Nun, Fräulein, wenn der Mann Euch so gefiel – Er war von mächtigem und großem Haus, Was kam's drauf an denn, was er redete? Er hätte Euch zuliebe auch geschwiegen. Ihr hättet, traun, ein stattlich Paar gegeben. Ach, Balthasar! Seht, das versteht Ihr nicht. Uns Weibern, sagt man, wohnt die Seel' im Auge; Kann sein. Ich weiß es nicht. Doch das weiß ich, Daß in der Zunge sie den Männern wohnt. So? Habt Ihr darin schon Studia gemacht? Habt Ihr's vielleicht schon an Euch selbst erfahren? errötend. Ach, Balthasar! Was Ihr nun wieder schwätzt! Gewiß, Ihr wißt wohl, wie ich's meine, wollt Mich mit Gewalt nur mißverstehn. Dem Manne, mein ich, ziemt ein großer Sinn, Der gibt sich durch die Worte zu erkennen. Sowohl das Wie als mehr noch, was er sagt, Zeigt klärlich uns des Mannes innre Seele. Hm! Hm! Versteh! – Ich seh, an Kurfürst Albrechts Hof Von Mainz, wo Ihr nun eine Zeit geweilt, Wo Wissenschaft und Künste mächtig blühn, Da haben sie die neuen Zeitideen Euch auch schon in den Kopf gesetzt. Vor kurzem, Da wußt' ein deutscher Mann nur noch von großen Hieben. Jetzt wollen sie auch großen Sinn. Nun, nun, Ich tadle Euch drum nicht, mein Fräulein; bin ich Doch selbst ob dieser Ändrung herzlich froh! Und Euch gerad geziemt es, so zu denken, Des Sickings Tochter, der das Neue all So mächtig schirmt. Auch konnte Euch gar wohl Des eignen Vaters Beispiel so begeistern, Denn Sinn wie Rede ist bei ihm gleich groß. Marquis Fleuranges, der alle Großen kennt In Deutschland wie an Frankreichs Hofe, wo Man sich der Worte zierlich gar befleißt, Der sagt' einmal zu mir, daß er sein Lebtag So mächt'gen Redner nirgend hab' gesehn. Und in der Tat, wenn er sich aufschließt, Fräulein, Dann strömt es ihm wie Feuer von der Zunge Und reißt dahin mit brausender Gewalt. Gewöhnlich zwar, da spricht er nicht gar viel, Hält mit sich Haus und läßt die andern reden. So, Balthasar, hab ich weit lieber Euch, Wenn Ihr den Vater lobt, als wenn Ihr ihn Mir schelten wollt! Ganz recht, mein Fräulein, Ihr Erinnert mich dadurch, zu meinem Faden Zurückzukehren. Der Franzose nun, Der Euch so schöne Komplimente machte – Dem Ritter bracht' er noch viel schönere Von König Franz, und viel solidrer Art. Er bot ihm dreißigtausend Kronentaler bar Und außerdem für seine Lebensdauer 'ne Jahresrente von achttausend Kronen Auf Land und Leute fest ihm zu verbriefen, Wenn er verspräch', ihm treulich beizustehn Mit seinem Einfluß bei der Kaiserwahl, Und wollt' er etwa mehr, ließ er ihm sagen, So sollte es ihm auch an mehr nicht fehlen! Doch Ritter Franz in seiner törichten Anhänglichkeit für Karl als Maxens Enkel Wies alles barsch zurück und schrieb sofort An König Karl, den Handel ihm zu melden. heftig auffahrend. Pfui, schämt Euch, alter Slör! Nie hätt' ich das Von Euch gedacht, daß Ihr den Vater darum Mir schelten würdet, weil er nicht gewollt Für niedres Gold die Kron' dem Auslande Verkaufen. Beißt mich nicht, mein edles Fräulein – Blitz! Was des Sickings Blut in diesem Kinde wallt! – Das war's ja gar nicht, was ich tadeln wollte. Obschon, wenn man es reiflich überlegt, Karl, wenn auch Maxens Enkel, auch kein Deutscher ist. Und andrerseits ließ König Franz damals Durch die Gelehrten überall beweisen, Er sei ein Deutscher, da von Kaiser Karl Dem Großen er entstamme. Merkwürdig! Sowie sich's um die Kaiserkrone handelt, Da sind sie alle Deutsche! Aber ist Das deutsche Reich einmal in Nöten – will Niemand sich der Verwandtschaft mehr entsinnen! Doch sagt nun selbst, ob großer Unterschied Sich zwischen Franz und Karl befunden hat? Beide sind Ausländer. Es handelt sich nur Um ein paar Ahnen mehr, die sie von Deutschland trennen. Den Unterschied, den hätten, sollt' ich meinen, Die vielen Kronen reichlich wettgemacht. Jedoch – das ist es nicht, wovon ich spreche. Die kleine Torheit hätt' ich Eurem Vater Gar leicht verziehn. Er hat des Guts genug, Braucht nicht des Franzens Taler. Und es kann Ihm füglich gleich sein, ob auf deutschem Thron Ein Franz sitzt oder Karl. – Kömmt doch auf eins hinaus! Nein, Fräulein, nein, weit größre Dummheit ist's, Die ich ihm nicht verzeih! Entfliehen ließ er Die Stunde, die vielleicht ihm niemals mehr Zurückkehrt. War auf seinen Vorteil er Bedacht, hätt' er ganz anders handeln mögen! Was gab's denn noch? Mein edles Fräulein! Seht, Vielleicht erleb ich noch die Stunde, wo Es gutzumachen – vielleicht kömmt sie erst, Wenn längst der alte Bahhasar schon tot! In diesem Fall bind Euch ich's auf die Seele, Ihn anzutreiben. Euch folgt er vielleicht Einst mehr als jetzt dem alten Balthasar. Trotz Eurer Munterkeit und heitrem Sinn Hab ich schon lang in Eurer Seele Tiefen Ein heldisches Gemüt entdeckt, das leicht Von allem Großen hingerissen wird Und ihm dann standhaft folgt. – 's wird sich entwickeln noch! mit komischem Pathos. Bei diesem Heldensinn, mir selber unbekannt, Den Ihr in mir verspüret, schwör ich Euch, Was Ihr gefordert, zu verwirklichen! Ich kann's mit um so leichterem Gewissen tun, Als ich Euch auch – kein Wort verstanden habe! So hört mich doch nur! – Seht, als es nun endlich Zur Kaiserwahl in Frankfurt wirklich kam, Da warb Eu'r Vater, um auf Karl die Wahl Zu lenken, und den rechten Einfluß auf Des Reiches fromme Kurfürsten zu üben, Ein Heer von über zwanzigtausend Mann Und zog damit vor Frankfurt, lagert' sich Gemächlich vor den Wällen dieser Stadt. Es war 'ne Freude da mit anzusehn, Wie der Franziskus Hahn im Korbe war! Selbst unser Kurfürst von der Pfalz – der einz'ge Fürst, Den außerm Mainzer unser Ritter liebt –, Er tät umsonst dagegen protestieren. Seht! Da war Euer Vater Herr des Augenblicks! Sie mußten all nach seiner Pfeife tanzen, Es hätte ihnen alles nichts genützt! Er hatte Adel wie Nation für sich – Zu ihrem Besten eben wär's gewesen – Und hatt' ein Heer, das sich in Stücke gleich Für ihn hätt' reißen lassen! – Ach, was habe Ich da zu Schanden mich geredt! Er hatte Die Kurfürsten, die sieben, all beisammen – Mit einer Pantomime. Klatsch – hinter der Szene. Gebt meinem Gaul zu fressen, hat das Futter Sich reichlich heut verdient. auffahrend. O still, der Vater! 2. Auftritt Zweiter Auftritt Die Vorigen. Franz von Sickingen. schnell eintretend. Guten Morgen, Kind! ihm an den Hals springend. Geliebter Vater! sie betrachtend. Blitzmädel das! Wie hübsch sie ist! Gib mir 'nen Kuß, du muntres Ding. küßt ihn. Wie gern! Ihr schaut Ja heute sehr vergnügt. Wie freut mich das! Ich habe einen tüchtgen Morgenritt Getan, da hat der Wind mich frisch gekühlt. Guten Morgen, Balthasar! Schön Dank, gestrenger Herr! Franz. Ich hört' euch ja gar heftig perorieren. Zu Balthasar. Du hast gewiß dir wieder gütlich mal Getan und mich so recht herausgestrichen. schalkhaft. Darüber, Vater, könnt Ihr dieses Mal Euch eben nicht grad allzusehr beschweren! Wir spielten Reichstag, Vater. Balthasar Verklagt' Euch hart, und ich – ich war der Kaiser! lachend. Ja, von dem Tribunal, wo du, mein alter Slör, Zum Kläger wider mich erstehst, da werd ich Wohl schwerlich je etwas zu fürchten haben. Ihr irrt, Herr! Wüßt ich nur ein Tribunal, Das Euch zu ändern Macht hätt' – wollte schon Euch Kläger werden! Eben war ich dran, Im besten Zuge schwer Euch anzuklagen All Eurer sieben Todsünden, die ich So oft vergeblich schon an Euch bekämpft, Unzeit'ger Großmut, übertriebener Uneigennützigkeit, wo Hand in Hand Eu'r eigner Nutz mit dem gemeinen ginge, Zu viel Vertraun, als wären andre auch wie Ihr, Und wie die Sünden alle heißen, die An Euch noch mal gar schwer sich rächen können. Versteh ich recht? Wahrhaftig, Balthasar – Ich glaube gar, hast mit – dem Mädel da Politisiert?! Schämst dich nicht, alter Graukopf? Mitnichten, Herr. – Margreth von Parma Ist 'ne Regentin, die fürwahr so weise, Wie kaum ein Fürst uns in Europa lebt! Wo würde sie das herbekommen haben, Wär' es ihr früh nicht tüchtig eingeschult? Ja, Balthasar, ich sehe wohl – mit dir Wird nie ein Mensch im Leben recht behalten. Ich weiß, es ist ein kaiserlicher Rat An dir verdorben! mit Betonung. Eure Schuld nur, Herr, Wenn ich's nicht jetzt schon bin. Aha! Ich merke, Willst wieder hoch hinaus! Er setzt sich. Von etwas anderm! Der hochgelehrte würdige Reuchlin, Der Wissenschaften Wiederhersteller, Hat mir nun schon den zweiten Brief geschrieben. Die Kölner Pfaffen, jene Dunkelmänner, Die scheiterhaufengier'gen Glatzköpfe, Sie lassen ihn noch immer nicht in Ruh. Sie pein'gen, quälen ihn, sie wollen ihm Die Kosten nicht ersetzen des Prozesses, Vielmehr nach Rom jetzt appellieren, um Ihn doch als Ketzer noch verdammt zu sehn! – Schreib doch dem Provinzial nach Köln, es ließe Franziskus sich gehorsamst ihm empfehlen, Und wollte, daß er endlich – Ruhe hielte. Auch wünsch ich, daß du ihnen deutlich schreibst! Sag ihnen, daß ich hoff, sie würden hören, Wo nicht, so würd' ich Sprachröhr' brauchen müssen; Du weißt – Versteh Euch, Herr! Versteh vollkommen! Kenn Eure Sprachröhr'! sind ganz eigner Art, Taub müßte sein, wer da nicht hören wollte! Könnt' sie Euch alle nennen. Erst: die Nachtigall, Sodann: der Hahn, und wie sie alle heißen, Die trefflichen Kartaunen, Hauptstück', Falkonette, Feldschlangen, welche Euch der Meister Stephan Von Frankfurt zierlich hat gegossen. – Hab Euch Damit vor Worms und Darmstadt sprechen hören. Philipp von Hessen hat es heute noch In allen Gliedern stecken, wie Ihr damals So deutlich mit ihm spracht! Schreib denn, ich wolle binnen Monatsfrist Die Sache gänzlich ausgeglichen sehn, Und wär's genau nicht auf den Tag geschehn, So sollten sie den Ritter Sickingen Vor Köln dann kennenlernen. Herr, Ihr könnt Unmöglich mir 'nen liebern Auftrag geben. Ich wollte nur, die Glatzköpf' achteten Sich nicht darnach. Wie sollten sie gar bald Zu ihrem Schutzpatron, dem heiligen Dominikus, zu beten kriegen! Doch – Die Freude muß ich mir vergehen lassen; Sie kennen Euch zu gut. Nun will ich mal Ein ernstes Wort hier mit dem Mädel sprechen. Indem er sich zu Marie umwendet, tritt ein Diener ein. zu Franz. Ein Ritter hält vorm Tor, Einlaß begehrend, Ulrich von Hutten nennt er sich. freudig auffahrend. Was? Ulrich? errötend für sich. Ulrich von Hutten! Schöner Tag! Nie ritt Ein beßrer Gast ein auf die Ebernburg. Zu Marie. Du wirst den besten Mann in Deutschland sehn! Zum Diener, der noch dasteht. Was stehst du, Bursche, noch? Eil dich, nimm Flügel Und führ ihn schleunigst her. Diener ab. Wieder zu Marie gewendet. Siehst du, mein Kind, Als Deutschland noch im tiefsten Schlafe lag, Als keine Brust noch aufzuatmen wagte, War er der erste, der es mächtig weckte! Vor Luther noch hat er das Wort ergriffen Und mutig seinen Handschuh hingeworfen Dem mächtigen Rom, in seines Herzens Drang Aller Gewaltherrschaft den Krieg verkündet, Der eine Mann! Mit seinem stolzen Wahlspruch » Ich hab's gewagt!« hat er sich frei erhoben. »Wach auf, du edle Freiheit« war der Ruf, Den kühn er schallen ließ ins deutsche Land, Gewaltig der geknebelten Nation Das Männerherz im tiefsten Busen regend, Ein Auferwecker der Nation, wie keiner! – Schau dir ihn merklich an, mein Kind, damit Du lernst, wie große Männer aussehn. befangen. Vater, Ich kenn ihn schon. Ich sah ihn ja am Hof Albrechts von Mainz, wo ich vier Monde weilte. Halb zögernd. Bei dem Turniere, das der Kurfürst gab, Da trug der Ritter meine Farben. So? Hat er vielleicht ins Auge dir geschaut? Ich weiß es nicht. Beinah kam es mir vor, Als wär's mehr Euch zu Ehren, Vater – Seht, Er war gar nicht so wie die andern Herren Hinter uns Fräuleins stets einher, gab sich Im ganzen wenig mit uns ab. Glaub's gern! Hat eben mehr zu tun! schnell. Doch wenn er bei uns war, Da hat er stets mich sichtlich ausgezeichnet. So? Freilich, bist 'ne wichtige Person! Ich glaube gar, er hat dich stolz gemacht. 3. Auftritt Dritter Auftritt Vorige. Ulrich von Hutten. schnell eintretend und mit ausgebreiteten Armen auf Franz zu. Franziskus Sickingen! ihm eben so entgegeneilend. Ulrich von Hutten! Beide umarmen sich ausdrucksvoll. hat jetzt erst Marie bemerkt, er macht einen Schritt auf sie zu, und verbeugt sich. Nehmt, edles Fräulein, meinen ehrerbiet'gen Gruß, Wie froh macht's mich, daß ich Euch wiederseh. Habt Dank, Herr Ritter! Glaubt, mich freut es auch. Ich hör, Ihr kennt Euch schon von Mainz. Ja wohl. Bei dem Turnier trug ich des Fräuleins Farben, Obwohl mit minderm Glück als gutem Willen. Ich hielt mich ziemlich. Meine Lanze hatte Wohl drei bis vier der Ritter schon entsattelt, Da kam so ein Zyklop aus Brandenburg, Vom Bruder an des Albrechts Hof gesandt, Vierschrötig und an Kraft fast einem Stiere gleich, Der brachte mich gar unsanft da zu Fall. Herr Ritter, glaubt, mir tat's im Herzen weh, Als ich Euch stürzen sah um meinethalb. Ich fürchtete, der schwere Fall hätt' Euch Geschädigt. Nimmer hätt' ich's mir verziehn! sich lächelnd verbeugend. Das war es nicht, mein Fräulein, was mich schmerzte. Schnell abgeschüttelt war der leichte Fall; Doch daß ich Eure Farben nicht, wie sie's Verdient, zum Siege bringen konnte – daß Ich Euch vielleicht in minder günst'gem Licht Erscheinen konnte, als ich wünschte, Fräulein, – Das schmerzte mich. mit Feuer, obwohl verschämt. Wie könnt Ihr also sprechen! Wer trifft nicht in den Waffen seinen Meister? Und ist das rohe Schwert die einz'ge Waffe Die mit Bewundrung uns am Mann erfüllt? Ihr schwingt noch andre, mächtigere Waffen, Es sagt der Ruf, daß sich mit Eurer Feder Nichts in der Christenheit vergleichen könne! Dies helle Geistesschwert – Ihr schwingt es für der Menschheit höchste Güter, Für Freiheit und für Licht, für alles Große, Für alles Edle schwingt Ihr's heldenhaft Mit siegender Gewalt! Sie tritt tief errötend, als habe sie sich zu weit hinreißen lassen, zurück. lächelnd zu Balthasar. So sieh doch, Balthasar, Was dieses Ding da plötzlich sprechen kann! Auf Marie und Ulrich zugehend. Ein großes Wort hast da gesprochen, Kind. Den Arm auf Hutten legend. Auf dieser Feder ruht des Landes Hoffnung, 's gibt keine beßre in der Christenheit! Und doch ist sie das Größte nicht an ihm. Vielleicht wird's einst gleich gute Federn geben, Vielleicht noch bessere – doch niemals Gibt's bessern Mut und deutschere Gesinnung! auf Hutten zugehend. Nehmt hin, Herr Ritter, jetzt auch meine Huldigungen. Von einem Manne kommen sie, dem Ihr Das alte Herz oft warmgeschrieben habt. ihm die Hand schüttelnd. Ihr seid Herr Slör? Wer sollte Euch nicht kennen! Weit geht im Lande Euer Ruf und Eurer Diplomatie gewaltig Lob. Man sagt, Ein halbes Heer wär't Ihr dem Sickingen. Man hat nicht Unrecht. Wollt' er nur nicht immer So hoch hinaus – ein fähigerer Kopf Wär schwerlich wohl zu finden. – Doch, Herr Ritter, Ihr kommt, wenn ich nicht irre, jetzt von Brüssel Von Kaisers Hof? mit einem Seufzer. Wohl komme ich daher! Berichtet uns! Wie habt Ihr Karl gefunden? mit abgewendetem Haupt. Ich hoff auf keinen Fürsten mehr. zu Franz. Da seht Ihr's! Da habt Ihr Euren Karl – ihn unterbrechend, sehr ernst. Schweig, Balthasar, Und triumphiere nicht. – Wenn es so ist – Nun, um so schlimmer dann für mich wie ihn. Zu Ulrich. Gleichwohl, berichtet. Ich muß alles hören. Herr, kurz ist mein Bericht. Ich zog nach Brüssel, Um bei dem neuerwählten Kaiser für Die reine Lehr' und für die große Sache Der deutschen Freiheit mächtig hinzuwirken. In dieses Jünglings Seele hoffte ich Begeisterung, der Jugend reines Erbteil, Zum Tatendurst gewaltig zu entzünden, Aus dessen Drange diese Welt verjüngt Und herrlicher erstanden wäre. – Ihr wißt, es, welche Hoffnungen wir alle, Das ganze Deutschland und Ihr selbst zumeist, Auf dieses Jünglings Haupt gesetzt. – Er hält inne. Sickingen macht ihm mit der Hand Zeichen, fortzufahren. Nun seht! Mit halb unterdrücktem Unwillen. Nicht mal zur Audienz könnt' ich gelangen, Nicht bei dem Kaiser, noch bei seinem Bruder, Erzherzog Ferdinand! nachdenklich für sich. Schlimm, wahrlich schlimm! Hört weiter! Von Romanisten und von Kurtisanen, Des Papstes Kreaturen, fand ich Des Kaisers Ohr umlagert. Unheimlich Und wie von tückischem Triumph belebt, Gehoben von geheimer Schadenfreude, Weilte mit Hohn auf mir der Feinde Blick! Bald kam's heraus! Die Freunde kamen angstvoll angestürzt: Papst Leo hab' befohlen, mich zu greifen Und mich nach Rom gebunden ihm zu liefern. Des Kaisers und der Fürsten weltlichen Arm Hab' er zu der Vollstreckung aufgefordert. unwillig ans Schwert greifend. Wär's möglich! So weit sollten sie es treiben! Glaubt man, wir würden's dulden? Ihr, der Ihr Euch gegen die Gewalt im freien Mut Erhoben habt um Eures Volkes Sache, Ein Sprecher der Nation, Ihr solltet jetzt So schmahliche Gewalt, Ihr selbst, erleiden? Oh, nimmermehr! Der Unschuld mir bewußt, Auf meine reine Sache kräftig bauend, Lacht' ich der Warnung erst. Doch immer mehr Der Zeichen kamen, immer ängstlicher Stürmten die Freunde flehend auf mich ein. Der Kaiser werde heft'ger stets gedrängt! Bis ich aus sichrer Quelle denn erfuhr, Ich hätte – keinen Tag mehr zu verlieren! Das war nicht alles, Ritter! Ich erfuhr, Ja, ich erfuhr, daß, wenn der Kaiser zögre, Ich um so sichrer nur verloren sei. Beschlossen hab' der Romanisten Haß, Durch Gift und Schwert mich heimlich zu verderben. Gleich sei das Mittel! Fortgetilgt Müßt' ich von dieser Erde schleunigst werden! Ich müßte eilends fliehn! Nicht eine Stunde Könnt' ich des Leibes länger sicher sein. die, ebenso wie Balthasar, dem Bericht mit der gespanntesten Aufmerksamkeit gefolgt ist und ihn mit ihrem Gebärdenspiel begleitet. Gerechter Gott! Von solcher Hand kam mir die Kunde, ward Bestätigt durch so vieler Aussagen, Daß ich unmöglich länger zweifeln durfte. So floh ich eilends denn! – Und wie nach Deutschland Ich nun geritten kam, den Rhein hinauf, Da traf ich ein'ge Deutsche, die aus Rom Soeben kamen. Diese sagten mir, Schon freue man in Rom sich meiner Ankunft. Es kenne sich der Papst vor Zorn nicht mehr. Ja, in den Städten traf ich üb'rall schon Von meinem Untergang den lauten Ruf, Ich sei gefangen, hieß es, oder tot. Wie ich in Mainz und Frankfurt einritt, kamen Der Freunde viele weinend mir entgegen, Die für verloren mich bereits gehalten, Begrüßten mich wie einen Totgeglaubten Und hingen schluchzend mir am Hals! O armer Mann! mit Bedeutung. Jetzt seid Ihr wohlgeborgen, Ulrich! mit wehmütigem Ausdruck fortfahrend. Gar viele Freunde freilich traf ich auch, Die kleinmütig und scheu sich jetzt von mir Zurückezogen, angstvoll vor des Papstes Bann. Die einen offen, andre wolltens nicht So grad heraus mir sagen, doch ich sah Gar wohl, wie ich zu Lasten ihnen war. Die dritten endlich, welche meine Stimme In böser Zeit gar tröstlich hat gestärkt Und denen ich ein Anker war gewesen In manchem Sturm – die sagten jetzo mir, Sie wollten heimlich Freund und wohlgesinnt mir bleiben, Doch könnten sie, wie ich begreifen würde, Sich öffentlich nicht fürder mit mir zeigen. Sie könnten es mit Rom nicht ganz verderben! Er hält einen Augenblick inne. Seht, Herr, von Freunden das erfahren müssen, Denen man stets mit willigem Gemüt Und freier Liebe hingegeben war, Oh, das schmerzt hart! Er hält schmerzlich inne. Herr Ulrich, seid ein Mann. Laßt Euch nicht grämen das Gewöhnliche, Den staubgebornen Wankelsinn der Menschen. Wie sollt' es Euren großen Sinn betrüben, Daß Ihr an Euch erleben müßt, was eben Gleich sehr natürlich – wie verächtlich ist! Es hält sie alle Rom in seinen Banden, Durch Furcht und mehr noch – durch Intresse! Es will ein jeder dies und jenes haben, Und mehr noch, dies und jenes nicht verlieren, Was er schon hat! Wer gar nichts für sich will, Der hat doch Brüder, Schwestern, hat doch Kinder, Um derentwillen er's mit der Gewalt Nicht ganz verderben mag. So werden selbst Die heil'gen Bande der Familie – Die großen Lehrmeister der Sittlichkeit, Die uns Natur hienieden hat gegeben, Die uns bedeuten sollen, daß der Mensch Über sein kleines Ich sich soll erheben – Uns Antrieb und Verführung zum Gemeinen, Durch der Gefühle haltlose Sophistik Den Bessern selbst zum Kot hinzerrend. Wohl wußten jene Päpste, was sie taten Als sie, den großen Zweck der Weltherrschaft im Auge, Um eine Streitmacht sich zu schaffen, die Von allem Kleinen frei und unbeirrt Das eine Ziel mit ganzer Kraft verfolge, Der Geistlichkeit das sündhafte Verbot Der Ehe auferlegt! – Doch Ihr, Herr Ulrich, Ihr müßt Euch durch den schmerzlichen Gewinn Solcher Erfahrungen die Kraft nicht lahmen lassen. Wer Euerm mächtigen Berufe folgt, Der muß sich solche Schlangen unbekümmert Und frei um seinen Busen spielen lassen Und fester nur den Panzer schnallen, der Ihn gegen ihren Biß, den gift'gen, sichert. Schnallt fester jenen Panzer, Ritter, der Euch ziert, Der Euch gar herrlich angeboren ward! Begeisterung, die leuchtende, sie wird Euch nicht verleugnen! – Die Wahrheit, die Ihr kündet, Sie wanket nicht, wenn auch die Menschen wanken. mit Feuer. Oh, wohl erkenn ich, daß ich vor dem letzten Von Deutschlands Helden stehe! Sickingen, Mit Recht malt Euch der Ruf gleich groß In Wort wie Tat. Die deutsche Tugend, Sie lebt in Euch noch einmal mächtig auf. Verhüte Gott, daß ich der letzte wäre! Ihr selbst sagt mir, daß Ihr der treuen Freunde Noch viel gefunden, die sich nicht gewandt. Wohl fand ich deren, doch sie selber trieben Mich eifrig drängend aus den Städten fort, Fürchtend, mich gegen offnen wie geheimen Anschlag der Feinde schützen nicht zu können. Papst Leo soll geschworen haben, jeden, Der mich nicht ausliefre, als seinen Feind Betrachten und verfolgen ihn zu wollen. Ihr wißt – die Stadt', in denen Wissenschaft Und Bildung mächtig ihren Aufschwung nimmt Und auch gar edlen Freiheitssinn erzeugt, Sie sind der reinen Lehre Freund. Jedoch, Ihr wißt ja wohl, wie es zu gehen pflegt. Die Mehrzahl jener gravität'schen Herrn, Die herrschend sitzen in der Städte Rat, Sind gar bedenklich und bedächtig, wollen In Händel nicht verwickelt werden, scheuen Mit diesem oder jenem Fürsten, der Des Papsts Befehl gemäß mich ausbegehre, In Streit zu kommen – Einen Moment innehaltend. Vielleicht hätten sie Mir doch ein still Asyl geschenkt; jedoch – Sie wissen, daß ich selbst nicht ruhen kann! Ich kann nicht schweigen, kann durch Schweigen nicht Mir Obdach und des Leibes Sicherheit erkaufen! Mit immer steigendem Feuer und einer wilden Begeisterung. Mich treibt der Geist! Ich muß ihm Zeugnis legen, Ans Herz schlagend. Kann nicht verschließen, was so mächtig quillt. Je härter anwächst die gemeine Not, Daß in Verzweiflung, wie wenn Pest uns schreckt, Ein jeder still ins eigne Haus sich birgt, Lautlos am anderen vorüberschleichend – Nur um so mehr treibt mich des Geists Gewalt, Entgegen der Verheerung mich zu werfen, Je mehr sie droht, je mehr sie zu befehden! O hätt' ich tausend Zungen – grade jetzt Mit allen tausenden wollt' ich zum Lande reden! Viel lieber will ich, elend wie ein Wild gehetzt, Von einem Dorfe mich zum andern tragen, Als an der Wahrheit schweigend zu verzagen! Wohl mag es der Gewalt, mich zu verderben, glücken, Des Geistes Stimme soll sie nie mir unterdrücken. Das ist der Heldensinn, der Euch geziemt. Ist's doch, als ob die ganze Kraft der Zeit In zween Männer nur gefahren wäre; Ihr und der Luther stellt sie leuchtend dar! Was sind wir andern neben diesen Riesen! – Gebt Eure Hand. Was Ihr mir hier gesagt, Es würde zur Bewunderung mich treiben, Wenn ich sie nicht schon lange Euch gezollt. Lobt mich nicht drum, Franziskus! Viele leben, Die mich darum schon hart getadelt haben. – Und doch, wenn ich es recht erwäge, glaub ich Nicht Tadel und nicht Lob drum zu verdienen. Wenn ein Gemüt mir mitgegeben ward, Dem der gemeine Schmerz weher als andern tut, Dem mehr als andern die gemeine Not Zu Herzen geht – ich kann's nicht ändern, Herr! Es ward mir eingepflanzt! Er halt einen Augenblick inne. Die Freunde wußten das, Drum trieben sie in banger Sorge drängend Mich aus den Städten fort; mit Euch, Franziskus, Sollt' ich beraten. Wahrlich, weisern Rat Vermochten Euch die Freunde nicht zu geben. Ihr habt an eine feste Mauer Euch Gelehnt, Herr Ulrich, welche stürzen kann, Doch die kein Sturm zum Wanken bringen wird. Sie rieten, Herr, Euch doppelt weise. Traun! So weise für sie selbst, als wie für Euch. So steh ich denn wie ein Geächteter, Franziskus, vor Euch da! Er tritt auf Franz zu und ergreift seine Hand. O seht, es schmerzt mich doch, 's ist nicht die Sorge um den eignen Leib, Nein, etwas andres, Ritter, schmerzt mich tief. Warum denn trag ich solche Fahr und Not? Warum so groß Beschwerde? Weil gemeinem Nutz Ich mich ergeben. Um der Huld und Liebe, Der Wahrheit und des Vaterlandes trag ich sie. Und mich will die Nation zuschanden werden lassen? Einer hat sich für alle frei erhoben – Und alle wollten nicht den einen freudig schirmen? Wo ist die Redlichkeit, wo ist die Tugend Der Deutschen hin? Wo ihre Stärk' und Mannheit, Davon des Erdballs Völker singen, sagen? Den wollen sie geruhig binden lassen, Der sie der Bande alle wollt' entled'gen? Das zeigt beim Volk noch einen dumpfen Sinn! Läßt's Euch nicht anfechten. – Es gleicht das Volk 'nem Kinde, das Ihr erst erziehen müßt, Wenn Freude Ihr daran erleben wollt. Wie wollt Ihr, daß bei diesem Pfaffendruck, Bei dieser künstlichen Verdummung sich Das Edle in dem Volk entfalten sollte? Ja, wär' das möglich – traun, wir hätten dann, Ihr müßt es selbst gestehn, weit mindern Grund Zur Klage wider dies System. – Was Euch betrifft, so wollt' ich nur, daß ich Die allgemeine Not so leicht wie Eure Beseit'gen könnte! – Er geht nachsinnend auf und ab. Doch auch was die Sache Des Landes und den Kaiser anbelangt, So wollen wir den Mut noch nicht verlieren; Ich will ihm schreiben, will ihn sprechen selbst, Mich soll er sprechen – lebhaft einfallend. Überall erzählt man Gar Großes von der hohen Gunst, in der Ihr bei dem Kaiser steht; wie er in Aachen Bei seiner Krönung vor den Fürsten allen Euch gar gewaltig ausgezeichnet hat. Und sicher – er hat guten Grund dazu. Einstimmig geht durchs ganze Land der Ruf, Daß Euch die Kaiserkrone er verdankt! Doch nun zu Euch. Ich stelle meine Burgen Euch alle zur Verfügung. Schaltet drin So wie ich selbst – und hier mein Wort, Herr Ulrich, Vor Reich und Kaiser schütz ich Euch, dafern Es nötig werden sollte! Doch ich denke, Es wird vom Sickingen Euch niemand fordern. – Wählt Euren Aufenthalt, doch wollt Ihr mir Ein Liebes tun, so bleibt Ihr hier bei mir Und nehmt die Ebernburg zur Herberg' an. Beim drittletzten Verse haben sich alle drei im Halbkreis um Ulrich gruppiert. mit gehobener Stimme. Herberge der Gerechtigkeit will ich sie nennen, Weil nur in ihr das freie Recht noch wohnt. Im Lied soll sie die spätste Nachwelt kennen, Und durch Unsterblichkeit sei ihr gelohnt. Auch sollt Ihr mir nicht feiern, sollt nicht schweigen. Ich will Euch Eure Batterien schaffen, Die uns so trefflich und so recht zur Zeit, Das Wort in eine Kugel zu verwandeln, Die weithin in das fernste Ziel einschlägt, Der Gutenberg vor noch nicht hundert Jahren Erfunden hat; will Euch 'ne Presse hier errichten. Da feuert tapfer denn ins Land hinaus, Ermahnt, belehrt, verbreitet, stachelt an! Klärt auf, erregt, entzündet die Nation! Zeigt was der Geist vermag. Verscheucht die Finsternis, Wies Licht der Sonne Nebelwolken scheucht! Ich selbst will mit der schwachen Kraft Euch helfen. Auch könnt Ihr Euerm Freund, dem Luther, schreiben, Dem andern großen Rufer in dem Streit: Wenn es ihm dort nicht mehr geheuer sei, Wenn man die Feder ihm beengen wolle – Hier auf der Ebernburg fand' er nicht nur Bereit Asyl – er fänd' auch Druckfreiheit! Braucht' sich um keinen Kurfürst mehr zu kümmern; Und käm' es schlimm, so müßte an den Wällen, Den unbezwinglichen, der Ebernburg Gar manches Heer sich erst den Kopf einrennen, Eh' sie auch nur ein Haar ihm krümmen sollten! Auch treffet Ihr auf unsern Burgen schon Gar manchen Hirt der neuen Lehre an, Manch trefflichen Verkündiger des Worts, Der sich in gleichem Schutz geborgen hat Und der Euch tröstlich an sein Herz wird schließen. Auch ich will bieten Euch, was ich vermag, Wie wenig es auch sei! Ihr liebt, ich weiß, Gesang. Wenn Gram Euch übermannt, will ich die Sorgen Verscheuchen Euch mit meinen schönsten Liedern! Doch jetzo kommt, die neue Herberge Euch zu besehn, die Ihr bewohnen sollt. Auch hab ich noch allein mit Euch zu reden. Wie wird in diesem liebenden Vereine Das Herz mir weich und doch von Kraft erfüllt! Wie wird mir in der tiefsten Brust der reine Drang nach Verständnis mächtig hier gestillt! Wie unterm warmen Liebesblick der Sonnen Das Saatkorn sich zur reifen Frucht entfaltet, Fühl ich in dieses Augenblickes Wonnen Wie reifre Kraft mich plötzlich neu durchwaltet. Es strömen in mir frische Lebensbronnen, Zur Klarheit wird das Dunkle mir gestaltet. Hier find ich erst des Wortes Glutgewalten, Und was ich bin – werd ich erst hier entfalten! Er wendet sich bei den letzten Worten stürmisch um und stürzt, von den andern gefolgt, der Tür zu. Der Vorhang fällt. Ende des ersten Akts. 2. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt Eine Burg in der Nähe von Worms. Die Bühne stellt den Rittersaal der Burg dar. An der linken Seite der Szene ein Kabinett. In der halb geöffneten Tür desselben steht, sich verbeugend, im Begriffe, das Kabinett rückwärts gehend zu verlassen, das Gesicht also nach dem Innern des Kabinetts gekehrt, der kaiserliche Rat Hans von Renner. im Innern des Kabinetts. Und habt Ihr alles dies mit ihm geordnet, So meldet's mir. – Für niemand anders bin ich Zu sprechen. sich verbeugend. Kaiserliche Majestät, ganz wohl! Er zieht die Tür des Kabinetts zu und nähert sich dem Vordergrund. Merkwürd'ger Jüngling, dieser Karl! Es sitzt Auf seinen einundzwanzigjahr'gen Schultern Ein Haupt, das seine fünfzig Jahre zählt, So ernst-verständig und so klug bedacht, Wie es der Jugend kaum gegeben ward! Fast ist es wider die Natur, so reif In seinem Alter, so verschlossen schon Zu sein! – Wer könnte ihn durchschauen? Wer Durchblicken das, was er verbergen will? Nur eins ist klar! Ein nicht gemeiner Geist Weilt in des Jünglings streng gemeßnem Wesen! Er ist einen Augenblick in Sinnen verloren. Und doch! nicht einen Zug von ihm! Ja, Max, Du warst ganz anders' du warst noch ein Kaiser, Wenn deiner ich zurückgedenke – denke, Wie du in deiner guten Zeit so vor mir Standest – ist's mir, als ob sich mindere Die Last der siebzig Jahre, die mich drückt! Vor meinem Auge hast du nie gealtert, Stets sehe ich in Jugend-Fülle dich, Wie dir das blonde Haar lang runter floß, Die blauen Augen, deren heller Glanz Wie Sterne funkelte, die freie Stimme, Die mild und sicher wie Musik ins Herz Der Menschen drang, die offne, lichte Stirn – Die war ein Spiegel! Da könnt' jeder lesen, Was drauf geschrieben stand, und las doch nur Die edelsten, die deutschesten Gedanken. O Max, warum bist du vor mir gestorben! Mir ist's, als hättest du mit fortgenommen Alles, was dieses Herz erfreuen kann. Geändert ist die Welt, die mich umgibt, Du warst der letzte deutsche Ritter noch, Der letzte Mann – Franziskus tritt auf. Doch nein, was klage ich! Da kömmt noch einer, der ihm gleicht! Ein Deutscher, Wie Max es war und den er selbst geliebt, Wie ich ihn liebe! – Gott zum Gruß, mein wackrer Franz! 2. Auftritt Zweiter Auftritt Renner. Franz. Gott grüß Euch, edler Freund! Ihr wißt, es war Mir stets ein Feiertag, wenn ich Euch sah. Ja, unsre Freundschaft ist von gestern nicht Und hat durch keiner Zeiten Lauf gealtert. Gut, daß Ihr da seid! Pünktlich seid Ihr, Franz, Und doch erwartet Euch der Kaiser schon Mit Ungeduld. Wollt Ihr mich bei ihm melden? Ich soll zuvor Geschäfte mit Euch ordnen. Wenn Karl mit mir Geschäfte hat – er konnte Mir keinen lieberen Vermittler wählen. Ich dank ihm diese Wahl. So war es auch Von Karl gemeint. Er wollte Euch wie mich Verbinden. Denn nicht nur Geschäfte – nein! Auch hohe Gunst soll hier Euch widerfahren, Und darum grade nahm der Kaiser mich, Das alte Erbstück vom Max'milian, Aus Worms von allen seinen Räten mit, Weil er die Freundschaft kennt, die uns verbindet. Denn wie er wußte, daß für mich Genuß Es wäre, Euch die Ehren anzukünden, So glaubt' er auch, daß Ihr noch lieber sie Aus meiner, als aus andrer Hand empfangt. Sieh, sieh! Ein feiner Menschenkenner, dieser Jüngling! Ja wohl; und Euch vor allen gnädig! Seht, Herr Franz, Der Kaiser hatte Euch – Ihr hattet ihn Zu sprechen während dieses Wormser Reichstags; Doch weil der Kaiser von der alten Fehde Gehört, die Euch mit Worms veruneint hat, So glaubte er, es könne Euch vielleicht Aus manchem Grund beschwerlich sein, wenn er In Eurer Feinde Stadt Euch hin entbieten wollte. Und darum zog er – Euch zuliebe, Franz, Auf ein'ge Tage her in diese Burg Und gab Euch hier das Stelldichein. Für keinen Kurfürsten, glaub ich, hätt' er das getan! Mich freut so zarte Rücksicht. Hab ich auch Die Fehde lang vergessen, und die Wormser Nicht minder, wie ich hoffe, ihren Haß, Muß ich die Absicht dankend doch erkennen. Doch nun zur Sache, Freund! Was wünscht der Kaiser Von Sickingen? Herr, ohne Einleitung! Fällig ist jetzt das Anlehn, wie Ihr wißt, Von zwanzigtausend Goldgulden, das Ihr Dem Kaiser machtet. Doch in Kaisers Tasche Ist gleiche Ebbe, wie in seinem Herzen Flut ist für Euch! – Der Kaiser kann nicht zahlen. Die Rüstung wider Franz, die Kaiserwahl – Sie haben unsern Säckel so erschöpft, Daß wir den einz'gen Grund mit klaren Augen sehn, Der kaiserlichen Räten imponiert, Den Grund, der greifbar – und doch körperlos, Der hohl und nichtig wie ein Schatten – und Dennoch hart fühlbar ist, wenn man auch nicht Hinfühlt – des Säckels Grund! – Und weitre Rüstung Und größere wird gegen König Franz Gar bald vonnöten sein. Drum bittet Euch Der Kaiser, ihm das Darlehn zu verlängern. In wen'gen Jahren zahlt er's Euch zurück. Mein würd'ger Freund – Nein, hört zu Ende erst; Denn wohl weiß ich, was Ihr mir sagen könnt. Glaubt mir – ein kaiserlicher Rat ist des Verkehrs mit widerwill'gen Gläub'gern so Gewohnt, daß er die Gründe alle Euch Zum voraus auswendig an seinen Fingern Herzählen kann, die er sich hinterher Voller Geduld von jedem Gläub'ger wieder Immer aufs neue muß auftischen lassen. Ich habe vierzig Jahre jetzt geborgt! Seit ich bei Maximilian eintrat, war Mein Sorgen – Borgen, seht, was wollt Ihr da, Ihr unerfahrner Freund, mir Neues sagen? Doch ohne Scherz! Der Kaiser weiß gar wohl, Daß es Euch Opfer kostet zu willfahren Es ist 'ne große Summe – und nie war Das Geld so knapp und rar wie eben jetzt. Wir liegen alle in der Fugger Händen! Sie sind die wahren Könige der Zeit! Es ist, als ob 'ne große Saugmaschine Zu Augsburg aufgerichtet wäre, welche Mit ihren Schläuchen alles Land umstrickt Und alles fluss'ge Geld in ihre Taschen pumpte! Ja, wenn die Fugger dazumal nicht hätten Karls Wechsel eingelöst und Franzens seine Zurückgeschickt mit schimpflichem Protest – Wer weiß, auf welchem Haupt die Kaiserkrone Heut säße! – Glaubt, niemals vergißt Euch Karl, Wie Ihr damals, die Fugger seinem Willen Geneigt zu machen, selber Euch verbürgt Sprecht nicht davon – Nein! Laßt mich davon sprechen Doch eben darum, weil man stets von Euch Großes gewohnt ist, bleibt nicht hinter Euch Diesmal zurück und weigert nicht das Anlehn. Doppelte Sicherheit will Karl Euch geben, Er will auf Land und Leute Euch die Summe Förmlich verbriefen und zu solchem Satz, Das Ihr gar hohen Vorteil haben sollt, Wenn bei Verfall er nicht die Summe zahlt. Doch wollt Ihr's lieber, nun, so bietet Euch Margreth von Parma ihren Schmuck zum Pfand, Daß pünktlich – Herr, ich bitt Euch, haltet ein! Mir bietet Ihr den Schmuck der hohen Frau? Ich soll das Diadem der Kaisersbase Als Pfand in meine Kisten tun? – Wie lange, Hans Renner, haben wir uns nicht gesehn, Und welch Gerücht hat des Franziskus Namen So arg bei Euch verleumdet, daß Ihr mir Solch Anerbieten macht? – Nein, Herr, Ihr hattet Mich mißverstanden, als Ihr unterbracht Beim ersten Wort stand schon mein Wille fest Nur die Gewohnheit Eures langen Amts Hat Euch mit irriger Voraussetzung Getäuscht! – So sagt denn Eurem Karl von mir: Wenn er mit gier'gen Krämern, Juden und Mit unsres Reiches – Fürsten handelt, dann Mag er an jene Schmuck, an diese Länderein Verpfänden – doch verhüte Gott, daß auch Der deutsche Ritter so verkennen sollte Die Pflicht zu seinem Herrn und Kaiser Und so gering sich selber achtete, Von seinem kaiserlichen Herrn, der sich Wider des Reiches Feinde rüsten will, Ein Unterpfand zu heischen oder nehmen Und ihn um seine Länder zu betrügen. Bewilligt ist das Anlehn, und noch mehr, Wenn Ihr's bedürft und ich's vermag. – Setzt selbst Den Zahltermin; doch nichts von Schmuck und Landschaft, Mir vollgenügt ein kaiserliches Wort! für sich. Seltsamer Gläub'ger das! Mein Seel, ich treffe Nach vierzigjähr'ger Praxis heut zuerst Auf einen nimmer dagewesnen Fall! Zu Franz. Ihr seid, wie stets, die Blume und der Spiegel Der Ritterschaft! Ja, grad heraus gesagt, Beschämt bin ich, daß ich nach der Routine Grundsätzen hab mit Euch verfahren wollen. Im ausgetretnen Gleise der Erfahrung Vergißt man beinah, daß noch etwas lebt, Das auf des Lebens breiter Heerstraße Sich nicht erfährt! Daher der Weisen Torheit Und knabenhafte Täuschungen im Hirn Des vor Gescheitheit dumm gewordnen Greisen! – – Ich hatte andres noch mit Euch zu ordnen, Doch vorher drängt's mich jetzo auszuschütten Das Füllhorn kaiserlicher Gunst, Franziskus, Auf Euer Haupt! Vernehmt! Gefertigt liegt, Bedruckt mit Kaisers großem Insiegel Schon das Diplom, das Euch und Eu'r Geschlecht Auf ew'ge Zeiten in den Stand der Grafen Des deutschen Reichs erhebt. Zurücktretend und sich verneigend. Reichsgraf von Sickingen! Der erste grüß ich Euch mit diesem Titel, Und nur die erste Staffel ist's, befahl Der Kaiser Euch zu künden, welche Ihr Erklimmet auf der Leiter seiner Gunst. lächelnd. Dann steig ich, teurer Freund, gewiß nicht hoch, Denn schon die erste Staffel, wie Ihr's nennt, Sie bleibt mir unersteiglich. Wie? Was sagt Ihr? Ich faß Euch nicht. Und ist doch leicht zu fassen! Ich muß die Gunst – ängstlich. Was, Franz! Ihr werdet doch nicht? Ablehnen, Freund. Renner tritt erstaunt zurück. Ich bin ein simpler Ritter, Ich bin der Franz – und seht – der will ich bleiben! sehr erregt. Ich bitt Euch, scherzet Ihr? Warum – weshalb Wollt Ihr so hohe Gunst schimpflich verschmähn?! mit Ernst und Bedeutung. Ich sagt's Euch schon, und wenn Ihr's wohl erwägt, Lag hoher Ernst in kurzer Rede! – Freund, Ich habe selbst den Titel mir gezimmert! Mein Titel ist mein Name, lieber Herr! Das ganze Reich nennt mich nur den Franziskus. Gemeinschaftlich ist vielen dieser Name, Und doch ist stets der eine nur gemeint. Mit einem leisen Anflug von Ironie. Schwer lernt der Mensch! Wozu denn sein Gedächtnis, Das widerwillige, mit neuen Titeln Abmühen, die ihm niemals doch so gut Ins Ohr tönen wie der gewohnte Klang. Sagt Eurem Karl, ich wolle Männer nicht Umwandeln zu Schulbuben und sie zwingen Zu neuem Lernen. Nein, bei Gott! Ihr dürft Diesmal nicht Eurem trotz'gen Stolze folgen. Bedenkt sein stolz Gemüt! Solche Verletzung! Zurückzuweisen – Nein, besinnt Euch recht! Ihr dürft nicht, sag ich Euch – nehmt es zurück. mit Größe. Gleich unerschütterlich wie dieser Erde Gewalt'ger Bau, steht des Franziskus Wort! Milder. Mein Freund, seht mich nicht also bittend an! Es ist nicht Stolz bloß, der mich sprechen läßt. Wozu Euch alle Gründe sagen? Seht – Wenn meine Banner wehn, so folgen viele Von dieses Reiches Grafen ihnen nach, Und auch nicht einer mehr, weil ich gegraft, Doch viele weniger von der Ritterschaft. Und auch noch anderwärts tät es mir Abbruch: Zu jenen Titelsücht'gen würde man Mich werfen, welche eigne Hoheit suchen Ohne Nutz und Vorteil des gemeinen Wesens. Nein, niemals nehm ich andre Größe an Als solche, welche mir zugleich die Größe Des Wirkens mehrt für dieses Reiches Wohl. Ich kenne Euch – des Nordpols Eisgebirge Zerschmölz' ich leichter mit des Mundes Hauch Als Euren Willen! – Doch was sage ich Als Grund dem Kaiser für die Weigerung? Sagt ihm, ich hätt' es ausgeschlagen – würde, Falls er's begehrt, ihm selber Rede stehn. Sei's drum, seltsamer Mann! Doch wenigstens Erzeigt dem Willen Karls Euch fügsamer Beim letzten Punkt. – Ernannt hat Euch der Kaiser Zu seinem Feldhauptmann und Kämmerer Und kaiserlichem Rate. Eine Leibwach' Von zwanzig Kürassieren sollt Ihr Euch Auf seine Kosten halten. Anderm Manne Würde man das als hohe Gunst verkünden. Jedoch mit Euch, der, wo er geben soll, Weich ist wie Wachs, und wo empfangen, spröde Wie Diamant, ist's klüger, nicht zu listen! Drum sag ich's, Franz, Euch gradezu heraus: Ihr seid's, der Karl verpflichtet, wenn Ihr annehmt. Gar sehr bedarf der Kaiser Eurer, rechnet Dringend auf Euren Feldherrnarm und Anhang. Drum nehmet an, denn wenn Ihr nehmt, so gebt Ihr! Es ist das Amt was andres als der Rang. Denn Amt heißt Pflicht, stammt nicht so wie der Rang Aus Eigenem, geht nicht aufs Eigene. Die Krone selber, die Karolus trägt, Sie ist ein Amt! Vom Fürsten-, Kaiseramte Sprechen die Völker, wenn sie der Bestimmung, Der mächtigen, der Völkerhirten denken; Uneingedenk derselben sprechen jene Vom Fürstenrange, wenn ins eitle Selbst Sie sich versenken, kindisch auf sich blähn, Vergessend ihres Daseins Zweck und Wurzel. Des Kaisers Feldhauptmann, wenn wider seine Und Reiches Feinde er mich wenden will – Das nehm ich an! Doch leih ich mich damit nicht jedem Dienst, Zuvörderst nehm ich aus die Freunde und Die Bundsgenossen, denen ich gesippt – Macht Eurer Klauseln doch, so viel Ihr wollt! Genug, daß zu der Sache selber Ihr Bereit seid! – Aber, Franz, jetzt bitt ich Euch – Ich geh jetzt zu dem Kaiser, Euch zu melden – Gebt eine Bitte mir mit auf den Weg! Erfüllt habt Ihr, was man von Euch gefordert, Was man Euch geben wollte, ausgeschlagen. Glaubt mir, das trägt er nicht! Das drückt 'nen Stachel Ihm in die stolze Kaiserseele. – Fast Sieht's aus wie Rollentausch! Ich bitt Euch, Franz, Und sei's auch mir zuliebe nur, um mir Zu mindern des Berichtes Mißlichkeit – Erbittet was! Wohl denn! Der Kaiser zürnt Dem Kurfürst von der Pfalz, und irr ich nicht, So könnte sich ein schweres Ungewitter Über des Pfalzgrafs Haupt gar bald entladen. Er ist mein Lehnsherr und von Alters her Mir hold und wohlgesonnen wie ich ihm. So sagt dem Kaiser denn, wenn Gnade er Erzeigen wolle dem Franziskus, mög' Er Den Zorn, gleichviel ob wohl ob schlecht berechtigt, Durch der Vergebung sanfte Hand erwürgen. Ihr spielt mit Worten, Freund. Gern melde ich's Dem Kaiser – doch das heißt nicht bitten, wie Ich's meinte. Statt für Euch was zu verlangen, Mittelt Ihr jetzt für andre, gleichsam um Zu zeigen, daß Ihr selber unbedürftig Dasteht und viel zu hoch, als daß Karls Gnade Aufklimmen könnte zu des Thrones Stufen Der göttergleichen Selbstgenugsamkeit, Auf dem Ihr sitzt! – Franz, Franz! Verwundet nicht Den Kaiser! Würdet Ihr an Kaisers Stelle Mit unverletzter Seele tragen können, Den Untertan zu brauchen, der Euch selbst Nicht braucht? Laßt das, mein Freund! Ihr könnt auch irren. Vielleicht hab ich vom Kaiser selbst so viel – So viel zu bitten, daß nur Klugheit mich Abhält zu schwächen des Kredits Gewicht, Weil vielleicht selbst das unverkürzte Pfund Seiner Gnad' und Huld mit einem Mal Geworfen in die Waagschale noch nicht Auf wiegt der Bitte Schwere, die ich stellen will! – Ich stand bisher Euch Rede, Freund! Laßt mich, Die Rollen wechselnd, eine Frag' Euch stellen. Was Karl mit dem Franziskus will – das weiß ich jetzt, Was ich mit ihm will – davon habt Ihr noch Kein Wort gekündet. Sagt, wie nahm er auf Den Inhalt meiner Briefe? Und wie steht's Mit dieses Reichstages großer Sache? Luther meint Ihr? Es kann noch viele Wochen dauern, eh' Dies Schisma zur Verhandlung kommen wird. Bis dahin wird kein Mensch vom Kaiser können Erfahren, was er in der Seele hegt. Bald scheint es so, bald so, und stets nur scheint es! Verschlossen ist das Grab nicht so wie seine Brust, Und eher wird Natur Euch ihren innersten Gedanken lesbar aufschließen, als er Die Tat vor ihrem Tun erraten läßt! Doch jetzt vergönnt, daß ich Euch melde. – Sieh, Wer naht sich da? – Ei seht, die Kurfürsten Von Pfalz, von Trier und Philipp von Hessen. Die drei genannten Fürsten treten auf. 3. Auftritt Dritter Auftritt Die Vorigen. Kurfürst Ludwig von der Pfalz. Erzbischof Richard von Trier. Landgraf Philipp von Hessen. ihnen entgegen, sich verbeugend. Willkommen, meine hochgnädigen Herrn! Was steht zu Eurer Kurfürstlich und Fürstlich Gnaden Befehl? Es trugen unsre Rosse Von Worms uns her, Herr Rat, weil wir Geschäfte Von Wichtigkeit mit Seiner Majestät Verhandeln müssen. Zu Ludwig. Glaubt, Herr Pfalzgraf, besser Als irgendwo geht Eure Sache hier Zu ordnen. Der Legat, mein Jugendfreund, Der einz'ge noch, der Einfluß hat auf Karl Und mit ihm hier ist, hat mir fest versprochen, Mir beizustehn, und selber diesen Schritt Für Euch mir angeraten. Meine gnäd'gen Herrn! Zwar lautet mein Befehl, niemand zu melden, Da Majestät zu wichtiger Besprechung Den Ritter herbeschied. Doch wag ich nicht, Solch hohen Fürsten gegenüber an Dem Wortlaut meiner Ordre festzuhalten. Mit einer Verbeugung ab ins kaiserliche Kabinett. 4. Auftritt Vierter Auftritt Die Vorigen ohne Renner. einen Schritt auf den Pfalzgrafen zu machend und sich verbeugend. Franziskus grüßt Euch, gnäd'ger Herr, und freut sich Aus vollem Herzen, Euch so wohl zu sehn. sich ihm nähernd und ihm die Hand schüttelnd. Gott grüß dich, Franz. Wie geht's in deinem Haus? Was macht die schöne Tochter? Hast ja immer Versprochen, sie nach Heidelberg einmal An meiner Frauen Hof zu schicken. Während sie leise miteinander sprechen. zu Landgraf Philipp. Ei seht! Wir treffen hier gleich beide Kaiser Beisammen, Karl – und jenen Gunstkaiser Der großen Meng', den Gegenkaiser Deutschlands. Wer weiß, wer von den beiden noch den andern Zum Strohmann macht! – Seht nur, in welcher Gunst Der Kurfürst bei dem stolzen Ritter steht. Fast könnten wir die Müh' bei Karl uns sparen, Da er so gnädig hier empfangen wird! Ihr habt's gesehn, ihm galt allein sein Gruß, Uns hielt er eines Kopfnickens nicht wert. Das ist mir lieb. Denn ungern nur hätt' ich Entschlossen mich, 'nen Gruß ihm rückzugeben. Glaub's gern! Es muß ein eigentümlich Jucken Ergreifen Eure Haut, sooft Eu'r Fürstlich Gnaden Den Ritter sieht, der Euch – so in der Tasche trägt! auffahrend. In seiner Tasche mich? Wie meint Ihr das? Je nun, ich spreche von der Obligation, Die er in jenem lust'gen Vogelschießen, Das er, um sein Geschütz sich einzuüben, Auf Euer Darmstadt hielt, Euch abgewann. heftig. Herr, Euer Spott – Wer spottet denn, Herr Philipp? Und spotte ich, so spott ich ja weiß Gott So gut auf mich wie auf Eu'r fürstlich Selbst! – Im Ernst, hat man es je erlebt, daß also Von einem simpeln Ritter umgesprungen wurde Mit einem Fürsten? Sagt, was wurd' aus Euch, Wenn er dem Markgraf Badens nicht zulieb Euch halb gerupft entließ? – Und doch, Herr Fürst, Habt Ihr schon mal berechnet, auf wie lange Der Mond- und Sonnenschein in Euren Landen All Euer Gold und Silber bilden wird, Wenn er die Schuldverschreibung, mit der Ihr Den Frieden kaufen mußtet, einkassiert? Ihr wollt mich stacheln! Doch für ungültig Hat Kaiser Max die Obligation Erklärt, wie Euch bekannt. Allein ich hörte, Daß Ihr zum voraus in dem Instrument Verzichtet habt auf jede Einwendung, Gestützt auf Kaisers oder Reiches Spruch. So könnt' Euch Maxens Ausspruch wenig helfen, Wenn Franz, wie man mir neulich hat berichtet, Gelegentlich sie einzufordern denkt. Gleichviel! Ich fuße auf des Kaisers Urteil. Mein Schwert – Ist noch dasselbe, dünkt mich, wie damals! Wohl steht es anders mit des Ritters Schwert; Denn im Verhältnisse zu heut war jener Zeit Klein seine Macht zu nennen. Wahrlich, Ein Giftbaum schießt sie riesig in die Luft, Sein Schatten hat bald für uns alle Platz! Und sei's! Meint Ihr, der Kaiser könn' es dulden, Daß er die Schuldverschreibung, die sein Ahn – Sprecht Ihr vom Kaiser Karl? Geht doch, Herr Philipp! Habt Ihr vielleicht allein schon ausgewittert Karls Pläne? – Glaubt Ihr, daß der stolze Jüngling, Der unumschränkte Herrscher Spaniens, An unsrer Macht und Unabhängigkeit Gar große Freude hat? – Das ist's ja eben, Was uns bedroht. Karl und Franziskus! Das sind zwei Karten, die sich niemals hätten Zusammenfinden solln im Spiele einer Zeit! Jeder ergänzt den andern, kann ihm Mittel Zum Größten sein! Alles hängt davon ab, Wie sie der Zufall aufeinander mischt. Mich soll's nicht wundern, wenn, des Vorteils kundig, Statt sich, wie möglich noch, einander Trumpf zu bieten, Jeder den andern bis zum Himmel hebt. 5. Auftritt Fünfter Auftritt Renner aus dem kaiserlichen Kabinett zurückkehrend. Die Vorigen. Hochgnäd'ge Fürsten! Wollt entschuldigen, Des Kaisers Majestät vermag Euch nicht Zu sprechen, weil sie herbeschied den Ritter Von seiner Burg. In Worms hofft übermorgen Der Kaiser Euer Anliegen zu hören. Bald naht er selbst. Nach diesen Worten, bei deren Beginn Ludwig von seiner Unterhaltung mit Franz zu den andern Fürsten zurückgekehrt ist, geht Renner auf die entgegengesetzte Seite der Bühne auf Franz zu. zu den beiden Fürsten, welche bei dem Bescheide Renners sichtlich befremdet zurücktreten, mit einer höhnisch-triumphierenden Miene. Sagt, merkt Ihr was? Er spricht leise. Die Gruppierung ist jetzt diese, daß auf der einen Seite der Bühne Franz mit Renner, auf der entgegengesetzten die drei Fürsten stehen. zu Franz. Franziskus! Gnädiger noch, als ich geglaubt, hat Karl Vernommen unsres Zwiegesprächs Bericht. Spricht leise zu Franz. Gewiß, 's ist unerhört! Drei Fürsten Deutschlands, Zwei Kurfürsten, um einen bloßen Ritter So abzuweisen! Sonderbar ist es – Ich leugn' es nicht. Ich bitt Euch! 's ist nur Anfang! Der Ritter, sag ich Euch, frägt uns noch alle Dereinst, wie teuer unsre Kurhüt' sind! Ihr haßt ihn, weil er römisch nicht gesinnt, Weil er den Luther stützt. auf Philipp deutend. Der Fürst hier ist Ein Freund von Luther – doch darum nicht blind! Auch Ihr seid's, Kurfürstlich Gnaden, nicht, Wenn Ihr auch Eure Augen absichtlich Zu schließen liebt. Erinnert Ihr Euch nicht, Wie Karl zu Aachen bei der Kaiserkrönung Zu seiner Rechten vor den Fürsten allen Den Ritter sitzen ließ? Sie sprechen leise. zu Franz. Gar sehr gnädig Nahm er die Bitte für den Kurfürst auf, Und Euch zuliebe hat er's zugesagt. Soll ich dem Pfalzgraf nicht zu wissen tun, Was er Euch dankt? Nein! Tut das nicht. Es würde Sein Selbstgefühl verletzen. Gern erspar ich's ihm. Schon kann die Abweisung ihn kränken, und – Mit einem Blick auf die Fürstengruppe. Ich sehe ohnehin, wie röm'scher Stachel In kleiner Kränkung Wunde emsig wühlt. zu Ludwig. Sagt, was Ihr wollt! Wenn Euer Lehnsherr dort – Verzeiht, ich wollte Lehnsmann sagen. Seht, Worte verwechseln sich gar leicht, fast ganz So leicht wie Rollen, und wer weiß, was noch Die Zukunft bringt! – wenn also, wollt' ich sagen, Eu'r jetz'ger Lehnsmann Euch auch noch so gnädig Vorhin empfing, so bin ich doch noch nicht So angesteckt vom Zauber seiner Huld, Um als Beleid'gung es nicht zu empfinden, Wenn man mich ins Gesicht schlägt seinethalb. nachdenklich. Halb habt Ihr recht in manchem, was Ihr sagt. Ich denk Euch auch die andre Hälfte noch Gar klärlich darzutun. Doch jetzo kommt. Schlecht stünde es uns an, hier abzuwarten, Bis Karl mit seinen hohen Augenbrauen Uns aus dem Saal fortblickt. Kommt, edle Herrn, Und manches künd ich Euch, wovon Ihr selbst Urteilen mögt, ob es Zusammenhang Mit meinen Reden hat und dem was wir erlebt. Indem sie abgehen, öffnet sich das Kabinett, und der Kaiser tritt herein. Beim Erscheinen des Kaisers geht Renner langsam ab. Franz verbeugt sich tief und bleibt in dieser Stellung. 6. Auftritt Sechster Auftritt Karl. Franz. im Alter von 21 Jahren, seine Kleidung ganz schwarz, sein Wesen und seine Haltung würdevoll und gemessen. Er betrachtet Franziskus mit einem langen und aufmerksamen Blick. Seid mir willkommen, Franz! noch in gebeugter Stellung. Mein kaiserlicher Herr! Tretet näher. Franz richtet sich auf und macht einen Schritt auf ihn zu. Franz, ich bin mit Euch Zufrieden – bin's auch nicht. Ja, beinah zürn ich! Obwohl ich gern Euch zugestehen will, Daß niemand noch mir Grund zu solchem Zorn Gegeben. Kaiserliche Majestät – Sagt frei mir an, Franziskus! Warum schlugt Ihr Den Reichsgraf aus? sich verneigend. Erhabner Herr – Warum? Sprecht ohne Hehl! Wohlan! Zwei Worte fassen es. Ich habe frei und unabhängig Euch gedient, Und frei und unabhängig will ich's weiter tun! für sich. Bei Gott, sehr stolz! Laut. Ja, das war kurz und scharf! Vielleicht – zu scharf, Franziskus. Herr! – Der Schranzen Habt Ihr genug. Wenn Ihr Franziskus fragt, So ist's, dünkt mich, um Wahrheit zu vernehmen. Wenn Ihr Franziskus fragt, erwartet nicht – Der Schmeichelei Sirenenstimme? Wohl! Hierin habt Ihr ganz recht und kommt entgegen Dem eignen Wunsche. Nicht auf gleiche Weise darf Bedient von allen sein, wer gut bedient Sein will! – Doch Euer frei und unabhängiger Dienst, Wie Ihr's genannt – mit Wärme einfallend. Ist um so treuer nur, Nur um so ungemeßner, Majestät. Bezahlte Dienste haben ihre Grenze – Grenzenlos ist Uneigennützigkeit! ihn mit Teilnahme betrachtend und mit Betonung. Ich glaube Euch – Er hält etwas inne. Und dennoch, Sickingen, Würd' es dem Kaiser schlecht geziemen, müßt' er Eu'r Schuldner bleiben – und der bin ich noch, Noch von der Kaiserwahl, ich leugn' es nicht. Mein kaiserlicher Herr! ihr habt dem Pfalzgraf Um meinethalb verziehn – mit reicher Gunst Dadurch die kleine Rechnung wett gemacht! Nein, Franz! Verstellt Euch nicht. So denkt Ihr nicht! Zu wohl kennt Ihr des eignen Handelns Wert. So denk auch ich nicht! – Und wenn Ihr durch Rücksicht, Die man auf Freund' und treue Dienste nimmt, Mir Anlaß seid geworden, meinen Zorn Zu sänftigen, so habt Ihr in der Tugend, Welche vor allen Fürstentugend ist, Mich mehr befestigt – einen neuen Freund Im Pfalzgraf mir zurückgegeben, doppelt Somit von neuem Euch um mich verdient. Darum erbittet Euch etwas, Herr Ritter, Daß ich die Kaiserhuld Euch leuchten lasse. Meint Ihr, ich sei zu arm, um Euch zu geben? mit Feuer. Ihr arm, in dessen Hand das Weltenschicksal, Das Schicksal liegt der deutschen Nation? – Verhüte Gott, daß ich mit Euch, mein Kaiser, Den Stolzen spielte! Doch wenn Euch in seiner Huld Der Schöpfer eine Bitte frei ließ – würdet Ihr Auf dies und das den Augenblick vergeuden, Was man von Menschen sonst mit Dank empfängt? Vielmehr für eines Zeitmomentes Dauer Teilhaftig seiner Allmacht, griffet Ihr Nach dem, was Schöpferallmacht zur Erfüllung fordert! – Dies ist mein Fall, erhabner Herr! – Ihr habt Die Kaiserwahl erwähnt. Erfüllt die Gründe, Aus denen auf Eu'r jugendliches Haupt Das Diadem der Christenheit Deutschland Gedrückt hat – und zum überreichsten Mann Habt Eurer Diener ärmsten Ihr gemacht. Die Wahlkapituiationen enden Niemals in Eurem Lande, wie es scheint! – Und doch – wohl rnöcht' ich frei von Euch vernehmen, Aus welchen Gründen Ihr mich habt gewählt. Drei Gründe sind es, Herr, und doch nur einer. – Zuerst, weil Ihr der Enkel Maxens seid! Dies bürgte uns für deutschen Sinn. Zum zweiten, Weil Ihr Hispaniens König seid; – dies schien uns Bürgschaft, Daß es Euch nicht an Kraft gebrechen würde, Gegen die wilde Fürstenanarchie Des Reiches Einheit mächtig zu bewahren. Zum dritten, seht, weil Ihr ein Jüngling seid. Bürgschaft war das, daß Ihr nicht eingetrocknet Im saftlosen Erfahrungsschlendrian, Nicht in den Banden dumpfen Vorurteils Gefangen seid, daß Euer junges Herz, Bewegt vom Drang der Zeit und ihm geöffnet, Nicht tragen werde das Vasallentum, Das röm'scher Priesterlug dem Herrn der Welt Aufbürden will. – – Wenn ich Euch anseh, Herr, Der Zeichen denke, welche Euch umflammen, So jung und schon zum Thron der Welt berufen, In einem Alter, in dem selbst das Größte Zu Größrem noch den Tatendurst antreibt, Drei Reiche einend in der einen Hand, Und gleichsam durch die Stunde der Geburt Mit einem zugeteilten Werkzeug ausgerüstet, Wie es des Himmels seltene Gnade Nur alle tausend Jahr herniederschickt – Ist mir's kein Zweifel, daß Ihr ausersehn, Wie ein Messias mächtig zu verjüngen Der Erde Los und dieses Reiches Schicksal In neuer Größe Bahnen umzuleiten! Er tritt, sich verbeugend, zurück. Auf diesem Reichstag wird sich's, Herr, entscheiden, Ob Ihr des Himmels Werkzeug zu benutzen, Des Himmels Sendung – zu vollbringen wißt! Vom Luther sprecht Ihr, Franz. – Da ist es, wo Ich Euch erwartet hab. Ihr bergt den Anteil nicht, Den Ihr an dieses Mönches Sache nehmt. Ihr habt mit Briefen vielfach mich bestürmt, Und der Verleumdung selbst hat Euch bereits Des Herzens reger Eifer ausgesetzt. Man sagte mir – man wollte mich bereden –, Ihr habt in Eurer Lieb' zu Luther, fürchtend, Daß ich das frei Geleit ihm brechen könnte, Das ich zu diesem Reichstag ihm versprach, Hier in der Näh' von Worms fünfhundert Ritter Und Reisige auf Eurer Freunde Burgen Gelegt, um mit Gewalt ihn zu befrein, Wenn's nötig wär'! – Ihr seht, wie wenig Glauben Ich dem Berichte schenke, wenn Euch selbst Ich frage, nur damit Ihr's Lügen strafen könnt, Und Eure Antwort – gelte wie Beweis. Das kann sie, Herr! Niemals wird Lüg' entweihn Franziskus' Zunge! – Der Verleumder Mund – Denn das, fürwahr, sind sie trotz alledem – Hat diesmal lautre Wahrheit Euch berichtet. für sich. Bei Gott, sehr kühn! Laut, strenge. Wie, Sickingen! Ihr wagt, So offen ins Gesicht rebell'sches Tun Mir zu gestehn, und scheut nicht meinen Zorn? Nein, Herr! Den unverdienten scheu ich nicht. Für Euern Ruhm, wie für des Landes Sache, Hätt' ich gehandelt – wurde Handeln not. An einem Konstanz hat Deutschland genug! Nur Dank, nicht Zorn, hätt' ich von Euch verdient, Wenn ich Euch hinderte an schwerer Schuld. Und traf mich Euer rascher Jünglingszorn, – besser, mich traf der Zorn, als Euch – die Reue! Ihr gabt dem Luther Euer Kaiserwort. So groß ist dieses Wortes Majestät, Geltung und Kraft, daß es sofort zum Recht, Zum allgemeinen wird, das vor Euch selbst Ein jeder schützen und verteid'gen darf. Es gilt Eu'r Wort – doch Euer Wortbruch nicht! für sich. Ich seh, von jenem ausgestorbenen Geschlecht Der deutschen Helden, das uns Sagen schildern, Steht heut ein letzter Abkömmling vor mir. Zu Franz. Da Ihr mit solcher Offenheit Euch selbst Zu jenes Planes Wagnis frei bekennt, So habt Ihr mir vielleicht noch weitres zu gestehn. Man fand zu Worms an allen Straßenecken Zu nächt'ger Zeit geheftet einen Anschlag Mit Trostzuspruch an Luther und voll Drohung, Falls man Gewalt ihm täte; – das Plakat Schlossen in fürchterlicher Hinweisung Zu dreimal wiederholt die Worte: Bundschuh! Bundschuh! Des Bauernaufstands furchtbares Symbol! – Wie? Könnten meine Edlen sich so weit vergessen, Gemeine Sache mit dem Bauer selbst Wider die Ordnung dieses Reichs zu machen? Sagt an, kam es von Euch? Ich will es wissen, redet! Kaiserlich Majestät – ihn schnell unterbrechend. Nein, schweigt! Schweigt, Ritter, lieber! Gefährlich ist es, seh ich, Euch zu fragen, Und leicht erführ' ich mehr, als mir zu wissen dient. Besser für mich wie Euch, ich weiß es nicht! – Ich will's nicht wissen, Ritter! Schweigt davon! Er hält inne. Wohl seh ich, Franz – nicht mit demselben Maßstab Wie andere darf man Euch messen. Leicht Verzeiht man Euch, was keinem sonst. Ich zürne Euch nicht, ob dem was Ihr mir habt gesagt. Doch seltsam bleibt's, daß Ihr – ein solcher Kriegsheld, Den Pfaffenzank sonst wenig pflegt zu kümmern, Euch also ganz an diesen Mönch hingebt. Nach Große, glaubt' ich, dürste Euer Sinn, Nach meines Landes Größe durstet er! Und ist die also eins mit diesem Mönch? So eins, daß, wer durch innern Trieb und Mannespflicht Und wer durch Amtsberuf der einen dient, Gezwungen ist, dem anderen zu huld'gen. Und wär' es selbst so – glaubt Ihr wirklich, Franz, Wider der Kirche heil'ge Satzungen, Die gottgegebnen, meinen Sinn zu wenden? Mein Kaiser! Die Antwort laß ich Euch so wenig gelten Wie Ihr vorhin die meine. – Wahr sprach ich Mit Euch – sprecht wahr mit mir! Karl macht eine Bewegung der Betroffenheit. Mein hoher Herr! Hell ist Eu'r Blick! Der Blindheit Binde wird Um dieses scharfe Aug' kein Pfaffenblendwerk ziehn. Und wenn ein Feind nur in Europa lebte Dem Papste – dieser Todfeind wär' der – Kaiser! Ihr müßt sein Feind sein, seid es durch Bestimmung Wie durch Geburt. Erblich ist zwischen Euch Durch Eurer Vorfahrn lange Reihn der Haß. Auch Amtsvorfahren, wenn sie unsern Stab Mit Ruhm und Große führten, wiegen schwer Wie Blutsvorfahren, wiegen schwerer noch. Es schreit herab auf Euer junges Haupt Ein Racheerbteil von fünfhundert Jahren; Des großen Heinrichs denket, dem das Herz Brach in Canossa, als das Knie er beugte, Des Barbarossa denkt, des Heldenleben Im langen Kampfe aufgerieben ward, Gegen des Fußkuß' Schmach umsonst ankämpfend; Denkt jener wunderbaren Glanzgestalt, Des zweiten Friedrich denkt, dem Rom die Söhne Zu Gegenkaisern stellte – Vatermord Segnend, wenn es dem deutschen Kaiser galt! – Solang es Päpste gab und Kaiser, hat In seines Lebens rotes Stammbuch sich Mit seinen schärfsten Waffen eingeschrieben Jeder dem andern. Es umschweben Euch Die Geisterstimmen Eurer Vorgänger, Zu Euch empor die Hände flehend hebend, Beglückter! rufen sie auf Euch herab – ihn unterbrechend, sehr bewegt. Ich bitt Euch, haltet! Hin reißt Euch das Feuer. leidenschaftlich fortfahrend. Du auserwählter Träger unsres Schwerts, Dir hat's der Himmel in die Hand gegeben, Zu ziehn aus dieser Erde Fleisch den Dorn, Den Marterpfahl, an dem wir alle sind Verblutet und mit uns verblutet unser Volk! Woran wir uns in langer Qual vergeblich Gewunden – du, du kannst es jetzt vollbringen! Du schwingst das Rüstzeug, das zerschmetternde! Verrate nicht unser gebrochnes Auge – Zertritt den Priester, gegen den wir alle, Wir, unser Volk, Geschichte aller Zeiten, Als Blutzeugen an deiner Seite stehn. – – Fürwahr – wenn Ihr dem Papst Euch einen könnt, So schlagt Ihr aus der Art der deutschen Kaiser Und weiht dem Fluche Deutschlands Euren Stamm! wie oben. Noch einmal bitt ich: mäßigt Euch! Fast reißt Ihr Mich hin – und doch darf nimmer Hinreißung Entscheiden in so ernst-bedächt'ger Sache. Ihr glüht und Eure Stimme – Dröhnt wie die Posaune, Welche das Zeitenurteil künden soll. In ihren Wogenschall branden zusammen Vergangenheit und Zukunft, lauten Schreis Ans taube Ohr der Gegenwart anschlagend. – Und wenn es möglich wär', wenn Euch die Reihe So vieler Helden nicht bewegen könnte; Denkt Eures Blutes, Maxens, Eures Ahns Des Leben sechs der Päpste überdauert Und dann mit jenem Schmerzensrufe schloß: Nun hat mich auch der letzte noch betrogen! Denkt Eurer selbst, des erster Schritt bereits Auf jene angestammte Feindschaft stieß Vom Papst, der Höll' und Himmel aufbot, Eure Wahl Zu hintertreiben, weil er selbst nicht glaubte, Ihr könntet zu Roms Knecht geboren sein! Wenn seine Hand der Papst anmaßend ausstreckt Nach meiner Krone weltlich Recht – glaubt mir, An Abwehr soll es und an Ernst nicht fehlen. Ein andres ist es, in dem Reich des Glaubens Der Kirche Herrschaft freventlich bestreiten. Gleich unwahr ist ein Anspruch wie der andre, Und gleich gefährlich sind sie beide Euch! Die Herrschaft in dem Reiche der Gewissen – - Das ist die giftgetränkte Waffe, welche Siegreich im Kampfe widers Kaisertum Die Gregore, die Innocenze schwangen. Wie? kann die Teilung Euch Genüge tun? Im Bau des Menschen folgt der Leib der Seele, Zum Leichnam wird der Körper ohne Geist. Den lassen sie getrost zum Anteil Euch, Gewiß, am Seelenbande ihn zu halten, Um grade dann, wenn Ihr am meisten zählt Im Drang des Streits auf Eures Zepters Macht, Durch einen Zauberschlag, von tausend Leitern Im Nu durch alle Glieder hinverbreitet, Den wachgerufnen Leichnam Euch entgegen, Entgegen Eure Völker Euch zu werfen! Ein Schattenkaiser sitzt Ihr auf dem Thron, Solang Roms Kurie in ihrer Hand Den Stempel trägt zu Eures Volks Gewissen! Und dieses alles soll der Luther ändern? Der Augustinermönch, der unbekannte, Von dem Ihr selber fürchtet, daß ich ihn Mit einem Federstrich ins Nichts rückwerfe? Ihr irrt Euch, Herr! Lernt diesen Mönch erst kennen. Auf seiner Zunge wohnt die Seele der Nation. Des Himmels Blitze sprühn aus seinem Auge, Auf seiner Stirne, breit wie Ewigkeiten, Zuckt des Gedankens Allmacht wetterleuchtend, Und wenn er spricht, regt sich's im Völkerherzen, Wie wenn der Erde Schoß der Frühling schwellt, Wie die Geburt im schwangern Leib des Weibes Mit neuen Daseins Ahnung sie entzückend! Der Geisterherrscher steht er mächtig da, Der Sendung Ächtheit so beglaubigend. Ihn unterdrücken, Herr? Viel eher schriebe Der Mönch Euch selbst um Krone und um Reich! Reif ist mein Volk und hängt an seinem Mund, Kein Fürst so mächtig, ihn ins Nichts zu stoßen! Meint Ihr? – – O gebt Euch nicht der Fürstentäuschung hin, Der alten, ewig wiederkehrenden! Beschleun'gen könnt Ihr – könnt verhindern nicht, Gestalten könnt Ihr – könnt nicht unterdrücken, Nicht wenden, nicht verzögern das Notwend'ge, Das mit des Lebens Kraft zur Selbstentfaltung drängt! Die schwierige Geburt kann vor der Zeit Der weise Arzt mit kühnem Schnitt befrein, Ein Kaiserschnitt – nennt es des Zufalls Spiel. Doch wenn des neunten Monats Stunde schlägt, Kann alle Macht in eine Hand geballt Verschließen nicht den Mutterleib, verhindern Nicht zu gebären die Gebärende! Es sprengt der Fruchtandrang die arme Hülle, Und – Tod austeilend tritt ans Licht des Seins Das Leben selbst, das wir zurückgestoßen! Und ist es so – was fleht Ihr dann bei mir? Was seid Ihr meiner Hülfe noch benötigt? Gestalten sagt' ich, könnt Ihr! Alles liegt In dieses Wortes Zauberring verschlossen! Die Zeit vollzieht sich – doch vollzieht sie sich Anders mit Euch – und anders gegen Euch. Weh Euch, wenn sie sich gegen Euch vollbringt! Ich sprach bisher Euch nur von Rom – doch fast Gibt es noch Größeres hier zu bedenken – Wollt Ihr den Luther fallen lassen in Der Fürsten Hände? Ihnen selbst den Hebel Hinwerfen, der aus ihren letzten Angeln hebt Des Landes Einheit und die Kaisermacht? In Eurer Hand ist er ein göttlich Werkzeug, Des Reiches Größe herrlich zu erneuen, Die er in ihrer – nur in Trümmer schlägt! O gebt nicht fort des Papsttums reiches Erbe! Erloschen sind, eint Ihr Euch mit dem Luther, Die Bistümer, Abteien, Pfründen – Euch, Dem Reiche fallen wieder sie anheim. Durch diesen Machtzuwachs verschwindet neben Euch Ins alte Nichts die Fürstenanmaßung, Die übermächtig Euren Thron umringt; Der schnöde Mißbrauch selbst, durch welchen sie Den kaiserlichen Auftrag und das Amt In Eigentum verwandelt, Diebstahl übend An Kaisers und an Reiches Majestät – Gekommen endlich ist die Stunde, wo Verjährtes Unrecht in sein Recht sich löst Und wieder heimfällt dem rechtmäß'gen Herrn Der Raub der ungetreuen Amtleute. – Getragen von dem Volk, das Euch umjubelt Wie einen Gott, der's Schöpfungswort gesprochen, Seid Ihr allmächtig und stellt wieder her, Ein größrer Karl der Große, dieses Reich In alter Einheit, altem Glanz. Dann schaltet Frei wieder über dieses Reiches Lehen Die Kaiserhand – dann habt Ihr in Vasallen Die Übermächtigen zurückgewandelt, Dann erst seid Ihr, was Ihr jetzt heißt – ein Kaiser! Und seid es durch des Luthers Hand. schnell, mit unwillkürlicher Lebhaftigkeit. Und warum Ist er nicht auf die Ebernburg gekommen, Wohin Ihr ihn in meinem Auftrag ludet, Zur Unterredung und Zusammenkunft Mit meinem Beichtvater, dem Glapio? Auf Eure Briefe, Euch zuliebe ging ich's ein; Ich schickte Euch, treu meinem Wort, den Glapio, Doch hat den Luther er umsonst erwartet. Was kam er nicht zur Unterhandlung? Redet! mit Feuer. Herr, mit der Wahrheit ist kein Unterhandeln! So unterhandelt mit der Feuersäule, Welche einherzog vor dem Volke Israel, So unterhandelt mit dem Bergstrom, welcher Des Laufs gewiß, sich durch die Niedrung stürzt! Ich schrieb ihm, ja, und lud ihn ein zu kommen, Doch jener Gottgesandte kennt nur eine Furcht: Die Feinde nicht, die Freunde fürchtet er, Die in der Liebe banger Sorgnis ihn, Des eignen Herzens Schwäche mächtig weckend, Die in uns allen auf der Lauer liegt, Zu einem Nachlasse bestimmen könnten Von dem, was ihm der Geist in seine Seele schrieb. Verhängten Zügels, schreibt er, dräng' es ihn Entgegen seinen Feinden sich zu werfen. Vor Reich und Kaiser will er feierlich Die ganze Wahrheit kühn und frei bekennen. Es sei von Gott – und gelte da kein Dingen! einige Schritte durchs Zimmer machend, dann nach einer kleinen Pause gemessen. Seht Ihr? Nicht unterhandeln kann man mit dem Mann – Und ich soll blindlings mich ihm hinergeben? Wie dem Komet der Schweif folgt, dieser neuen Lehre Folgen in die noch unermeßne Bahn? Sind wir ein Spieler, der aufs Unbekannte Alles für alles setzt? – Nichts mehr davon! Auch andre Gründe, für Minutendauer Von Eures Atems Sturm zurückgehaucht, Erlangen gleich dem Baum, der nach dem Wetter, Das ihn gebeugt, in neuer Kraft sich hebt, Wieder die ihnen zugehör'ge Macht. – Von Größe spracht Ihr. Doch gibt es nicht andre noch, Als Ihr verfolgt? Drei Kronen, sagtet Ihr, Eint diese Hand, und eine neue Welt Erhebt sich meinem Zepter zukunftsvoll Jenseits des Ozeans. Zur Wahrheit will Der alte Anspruch dieser Kaiserkrone, Der Thron der Christenheit, so scheint es, sich gestalten. Doch wie durchs Weltall ein Gedanke zuckt, Ist's einer Kirche unsichtbare Macht, Welche, des Weltalls Kitt, das All zusammenhält! Ein Glaube ist der Titel jenes Anspruchs, Ein Glaube eint die Völker meines Reichs, Die Zunge, Recht und Sitte mächtig trennt, Des Universums Herrschaft kann nur Abbild sein Der einen Kirche, die in Christi Statthalter In ihren Demantknauf sich faßt. – Ein Papst, Ein Kaiser! – Beide, selbst wenn kämpfend, dennoch Sich gegenseitig so bedingend Wie Seel' und Leib! Die röm'sche Kaiserkrone, – Was ist sie ohne ihn? Zum Landesfürstentum Wär' sie mit seinem Sturz herabgesunken. – Zujauchze, sagt Ihr, Deutschland dieser Lehre, Doch bin ich Deutschlands Kaiser nicht allein. Und glaubt Ihr, daß ihr nüchterner Gedanke, Der uns des Übersinnlichen lebend'ge Verkörp'rung raubt, auch Spaniens, auch Neapels Völker jemals ergreifen wird? Soll ich Mit eigner Hand den Einheitsreif zertrümmern, Der sich um diese meine Reiche zieht, Und meines Südens priestergläub'ge Seelen, Die Erblande, vielleicht in Haß mir wenden? Gefährden, was schon mein, und selbst aufgeben Die stolze Tradition der Weltherrschaft, Die sich an diese Kaiserkrone knüpft? warm. O sucht nicht auf der Freiheit, auf des Geistes Kosten die Größe nicht, die sicher Euch entflieht. Der Baumeister, der in dem Menschengeist Dome errichten will, muß aus dem Geist Heraus sie baun, wenn er nicht Knaben gleicht, Die in den Sand für Augenblickes Dauer Figuren ziehn! – All diese Willkürslinien Verwischt, löscht aus die erste Völkerwelle, Die über Eure Träume sich ergießt. Die Weltherrschaft reizt Euch? Nur wenn Germanien, Durch Einheit stark, begeistert Euch umjauchzt, Könnt Ihr den Traum zur Wirklichkeit erheben. Nicht Spaniens ist dies Rechtm – nicht sein die Kraft! Schon einmal hat Germanien mit dem Schwert Erobert diese Welt und mit dem Geist erobert! Kein Papst hat sie zum Anteil ihm verliehn, Die eigne Größe dankt er jenem Karl, Nicht dieser ihm! Wo ist die Scholle dieses Weltteils, Die nicht gedüngt ward durch Germanenblut? Wir haben neuem Leben ihn erobert. Unser – Wenn jemandes, ist durch Befruchtung diese Welt! Durch uns nur könnt Ihr, was Ihr nie sonst könnt. So weit die Ufer sich Europas breiten, Sind sie verjüngt durch des Germanen Stamm, Europas Herz behielt er rein sich vor, Vom Herz der Mutter geht noch einmal aus Der Ruf, der weckende! Verstopft ihm nicht Europas Ohren – und den Widerhall Wird in der Völker Pantheon er finden. Die Freiheit ist ein Same, der, weislich gepflegt, In jedes Erdreich leicht sich hin verpflanzt – Der Sklaverei künstlich gezogne Pflanze trägt Der Boden, der sie ausstößt, nimmermehr! O opfert nicht leeren Befürchtungen Den Quell, dem Eure stärkste Kraft entfließt, Opfert die Krone Eurer Kronen nicht, O opfert Deutschland nicht Neapel auf! Genug – erwogen ist es und beschlossen. Ich kann nicht, wie Ihr wollt! – Wär' ich ein Deutscher, Wär' ich nur Deutschlands Kaiser – möglich ist's, Ich dächte, Franz, wie Ihr – und täte so. Doch wer ist frei in dieser Welt des Drangs? Wer bildet selbst sich die Entschließungen Und findet sie sich nicht schon vorgezeichnet Durch seiner Lage ehernes Gesetz? – Die Huld, die ich Euch bot, habt Ihr verschmäht, Doch eine Huld erwies ich Euch, der keiner Sich rühmen kann, der lebt! Ich sprach mit Euch, Als wär's ein Zwiegespräch mit meinem Selbst, Und bis ans Ende will ich redlich gehn. Drei Gründe, sagt Ihr, haben mich gewählt. Drei Gründe hindern auch, daß ich Euch folge. Zuerst, weil ich kein Deutscher – dann, weil ich Hispaniens König. – Drittens endlich, weil Die Krone, die Ihr meiner Kronen Krone nennt, Von Stamm zu Stamme unstet wandernd geht. Ja, trüg' ich erblich dieses Kaiserzepter Wie das Hispaniens und hinterließ ich Dem eignen Stamm dies große deutsche Reich, Ganz anders ständ' es dann! – Doch jeden Eingriff In dieses Wahlrechtes Nomadentum – Ihr selber, Franz, Ihr würdet ihn vielleicht ... Er wirft innehaltend einen aufmerksam forschenden Blick auf Franz. mit Betonung. Angriff – auf Deutschlands Freiheit nennen. einen Schritt zurücktretend, kälter. Seht Ihr? – Und mit der Fürsten altverjährtem Recht, Mit jener zähen Kraft, die Mißbrauch hat, Soll ich den Ringerkampf auf Tod und Leben eingehn? An diesen Zweck des Daseins Dauer setzen, Um einst nach so viel qualdurchwachten Nächten, Wenn ich gesiegt, so machtumstrahlter Krone Unschätzbar Kleinod, das an Glanz dann reich Die Kronen all Europas überragt, In dunkeln Schatten meine Lande drückt, Dem fremden Mann zum Erb' zu hinterlassen? Für einen Nachfolger vom Sachsenstamm etwa Soll ich dies alles tun? – Nein, Franz, Ihr seht, Ich hab es reiflich überdacht –- nicht heut zuerst, Wenn heut vielleicht auch sorglicher denn je, Und unerschüttert bleibt der alte Schluß. Unmöglich ist's – dabei muß es bewenden. Es steht mein Wort auf wohl erwognem Grund. Wohl sprecht Ihr wie jemand, der reiflich überlegt Und mit Bewußtsein dann – das schlechtre Teil erwählt! finster und streng. Dies Wort – verzeih ich Euch, Herr Ritter, doch Mit dem Beding, daß ich's nie wieder höre. macht eine stumme Verbeugung. nach einer Pause mit gütiger Stimme. Getäuschte Hoffnung macht Euch bitter, macht Euch ungerecht; doch hoff ich, daß die Zeit Zu beßrer Überlegung Euch zurückführt. Gebt auf, was doch unmöglich zu erreichen. Es gibt noch andre Zwecke als die Euren, Nicht minder strebenswert. Wenn Ihr die meinen Zu Eures Wollens Inhalt machen könnt – dann, Franz, Dann sollt Ihr steigen durch die Kaiserhuld So hoch, wie noch kein Fürst gestiegen ist. Er hält inne, einen langen, forschenden Blick auf Franz werfend. Dieser schweigt regungslos. Bis dahin – seid Ihr entlassen, Ritter! Franz verbeugt sich tief und geht schweigend ab. ihm nachsehend. Der Mann ist groß – doch ist es nicht die Größe, Welche ich suche und gebrauchen kann. Ab ins Kabinett. Verwandlung. 7. Auftritt Siebenter Auftritt Kabinett des Kardinal-Legaten im andern Flügel der Burg. Aus einem Seitengemach treten der Kardinal-Legat und der Erzbischof. So trug sich's zu, wie ich Euch hab erzählt. Bedenklich, höchst bedenklich! – Und der Ausgang Des Zwiegesprächs, Ew. Liebden kennt ihn nicht? Ich ging, als Karl erschien. Doch hinter mir Sah ich Hans Renner auch den Saal verlassen. Selbst der Minister schien zur Überlast, Und ganz allein wollt' Karl mit ihm verhandeln. Seltsam! – Doch was sie auch verhandelten Und wie sich's endete – ein Dorn ist uns Der Mann – der Hasser Roms, der Freund von Hutten, Der Schutz Reuchlins – Und Luthers beste Stütze! Des Adels Seele, der sich um ihn schart, Den mit dem eignen Geiste er durchdringt Und uns bereits zum Feinde umgewandelt. Es gilt ihn auszureuten, diesen Dorn. Ja, reutet nur, Herr Kardinal! Er wird Die Finger Euch gar unsanft blutig stechen. Was hat Ew. Liebden vor? Sagt's grad heraus. – Ich weiß, habt Ihr Gefahr einmal erkannt, Sinnt Ihr sofort, sie auch zu bändigen. Am Sinnen liegt's auch nicht. Ich sann schon lange. Heut war der Zufall mir um etwas günst'ger; Ist es nicht viel, ist's doch ein Hoffnungskeim. Jedoch sprecht Ihr zuvor: könnt Ihr den Kaiser nicht Erregen wider Franz? Zum Angriff ihn Auf Sickingen bestimmen? Ganz unmöglich! Zu tief steht er in des Franziskus Schuld, Ist noch zu jung, dies gänzlich zu verachten! – Jedoch – wenn andere den Ritter überziehn, In böse Händel ihn verwickeln, könnt' ich Vielleicht – vielleicht, sag ich, Herr Erzbischof – Zum ruh'gen Gehenlassen ihn vermögen. achselzuckend. Wenn Ihr nicht weiter seid, dann müssen wir noch lang Ertragen die Gefahr, die uns bedroht! So lang vielleicht, bis ganz versäumt die Stunde, Da wir sie etwa meistern noch gekonnt. Jedoch Ew. Liebden sprach soeben selbst Von eines Zufalls Gunst? Ich nützte sie Soweit es ging! Ihr wißt, mit welchen Augen Gerechter Furcht und Sorge lange schon Der Fürsten Mehrzahl auf Franziskus blickt. Der Pfälzer nur hing fest an ihm, und freilich Hat er der Gründe viel, ihm Dank zu wissen. Nun seht, hierin war mir der Zufall günstig heut. Es war ein harter Strauß – doch endlich wich er Der Furcht, die ich in ihm heraufbeschwor, Und seines Standes fürstlichem Intresse. Drei Fürsten haben wir, der Pfälzer, ich Und Hessens Philipp, heut den Bund geschlossen – rasch einfallend. Bund wider Sickingen? So ist sein Name nicht, Doch so sein Sinn; dem Schein nach haben wir Ein altes Bündnis nur erneut, das früher schon Von Hessen, Trier und Pfalz errichtet ward, Ein Schutzbündnis, das jeden von uns dreien Nicht nur zu stetem Schirm dem anderen verpflichtet, Sondern, bis alle eingewilligt, auch Am Friedensschluß ihn hindert. mit Bedeutung. Ich verstehe! Und dieses ist mein Sinn! Was Franz auch unternimmt, Ich werfe mich in seinen Weg und mit mir Der dreien Fürstentümer ein'ge Macht. So glückt es uns vielleicht, Gefahr zu mindern, Eh' sie zum Abgrund wird, der uns verschlingt. Gar große Zeitung kündet mir Ew. Liebden, Und folgenschwere Frucht kann sich gar leicht Entwinden ihrem Schoß. In also böser Zeit Nimmt man das Kleinre selbst wie Großes auf Und schätzt gleich Hülfe – schwachen Hoffnungsstrahl. Wohl habt Ihr Recht! Wohl ist es böse Zeit. Nie war der Kirche Wohl so sehr bedroht, Nie war sie selbst in ihren tiefsten Festen So sehr gefährdet, Herr, wie eben jetzt. Was diesen Tagen sich entwinden wird, Die Frucht, zu der der Same jetzt gestreut – Sie droht der Kirche ihren Untergang! Wem sagt Ihr das! 'nem Manne, dessen Haar Grau färbte dieser letzten Jahre Lauf! Auch braucht sich's nicht mehr zu entwinden erst, zu reifen – Es steht gereift in voller Stärke da! Wenn dieser Luther weiter um sich greift, Wenn schneller Sturz ihn eilends nicht verschlingt – So sinkt der Bau des Vatikans in Trümmer! Der Luther ist's, der also Euch beängstet? Wer sonst? Wen anders könnt Ihr selber meinen Als diesen Dämon, der nun seit vier Jahren Mit immer kühnrem Angriff uns bedrängt, Das Reich verwirrt, in unsern eignen Reihn, In jedem Stand sich Freund und Anhang zeugt, Vier Jahre schon und ungestraft bis heut! Sorgt nicht! Luther soll untergehn. Er soll Und muß es – doch die wirkliche Gefahr Stammt nicht von ihm und stirbt mit ihm nicht ab. O unterschätzt ihn nicht! Täuscht Euch nicht selbst. Es handelt sich diesmal um keine Häresie, Es gilt diesmal nicht einen Arnold bloß, Einen Savonarola zu bekämpfen! Der deutsche Geist steht wider uns in Waffen – Sein Fahnenträger kämpft der Luther vor! Ich schätz ihn, wie Ihr sagt. Doch seh ich die Gefahr So nahe nicht wie Ew. Liebden – wenn vielleicht Auch um so größer nur. – Euch schreckt die Ungewißheit, Ob Karl für uns Partei ergreifen wird. So mancher Fürsten und des Adels Neigung Zu Luther ängstigt Euch! Ihr überseht, Daß unsre beste Macht im Herz der Völker wurzelt. Da eben ist es, wo er sie bedroht! Ihm ist's, sie zu entwurzeln, nicht gegeben. Was ein Jahrtausend brauchte, still sich zu verbreiten, Fest zu verwachsen mit des Menschen Geist, Mit seinem Denken, Fühlen, der Gewohnheit Leis unbewußter Regung zu verwachsen – Meint Ihr, daß wirklich dies erliegen werde Der neuen, in sich selbst gespaltnen Lehre, Die prüfend glauben, glaubend prüfen will? Die auf des Geistes Zeugnis sich beruft Und doch ihn bindet an ein totes Wort? Ein Buch für göttlich nimmt und dennoch wagt, Nach eigenem Belieben es zu deuten? Die Forschung und Gnade ratlos ringt, Die unvereinbaren, in eins zu binden? Von einer Lehre, die gen Himmel blickt, Wird nie der Todesstoß der Kirche drohn, Solang man glaubt, wird man an uns auch glauben! So glaubt Ihr an die Ewigkeit der Kirche? O sprecht so fort, denn selige Gewißheit Tönt Euer Wort in mein besorgt Gemüt. gedankenvoll. Ewigkeit sagtet Ihr? – In dieses Wortes Dunkelen Falten lau'rn Medusenhäupter, Versteinernd den, der in die Falte späht. Ich bitt Euch, sprecht! Sagt Eure Meinung ganz Und rätselt nicht in dunklem Widerspruch, Gefahr bald fürchtend und sie leugnend bald. Wer leugnet sie? Doch heißt sie mir nicht Luther! In andrer Tiefe seh ich ihren Quell. An unserm eignen Busen liegt der Feind, Und grade wir, Italiens Kirchenfürsten, Wir nähren ihn mit unserm eignen Blut. Verflucht das Danaergeschenk, das uns Der Moslem gab! Als nach dem Fall der Stadt Des Konstantins die flücht'gen Griechen kamen, Zu uns verpflanzend, unter uns verbreitend Die Trümmer ihrer Kunst und Wissenschaft, Ja, da begann's! Unseliger Verblendung voll Hingen an ihrem Hals im Götterrausche Die Bembos, Medicis, Italiens Beste alle! Die junge Schlange säugten sie heran. Aus schöner Formen ewigen Gesetzen Ergoß ein Geist des Diesseits und Hienieden, Goß eines schönren Menschtums dunkle Ahnung Sich in die Brust der jenseitsgläub'gen Welt, Uns dienend erst, um sichrer uns zu täuschen! Aus Rafaels Madonnen schaut heraus Des Heidentumes schöne Götterfratze, Und schwellend predigt eine neue Lehre Des Tizians Fleisch! Zu allen Völkern ging Von uns die Regung aus – ihr Selbstverständnis Findend bei Euch! Im Kampf Reuchlins, da ward Es klar, welch neuer Drang die Welt bewegt. Schaut um Euch her! Wer sind des Luther Stützen! Hat in der Pfaffen Reihen dieser Pfaffenstreit Nahrung und Anhalt sich zuerst erzeugt? Die Hutten, Crotus, Reuchlin und Erasmus, Sie sind's, die ihn mit lautem Jubel grüßten. Die »Humanisten« nennt sich dieser große Bund, Im Namen schon verratend sein Geheimnis. Ein neues – Menschheitsevangelium, Das ist der Kern, der in dem Proteus steckt, Der sich uns kämpfend jetzt entgegenwirft. Luther – nur seine erste schnell entschwundne Häutung! Doch grad im Drange unsrer eignen Schläge Entpuppt er sich, wirft von sich Haut auf Haut, Wächst durch Enthüllung steht zuletzt dann da Im Feuerglanze seines eignen Lichts! Schreit durch die Welt » Ich bin's! « greift in der Völker Herzen, Schreibt Diesseits und Genuß auf seine Banner, Reißt ein den Himmel, rast durch Raum und Zeit, Ein jedes neu erspäht Naturgesetz Und jeden Fund verklungener Geschichte Zu einem Bolzen schmiedend, den er abschießt In unsres Glaubens Allerheiligstes, Und stellt sein Evangelium des Menschen Entgegen kühn dem von dem Menschensohn! – Dann wird es heiß! es senkt sich unsre Schwinge, Dann wenden sich die Völker von uns ab, Der neu errungnen Braut, der Wirklichkeit, In ihre üpp'gen Arme feurig stürzend. Vor des Genusses roter Sonne lischt Verblassend aus der fahle Stern des Jenseits, Dann – naht sich unsre Götterdämmerung! Er hat zuletzt wie in einer Art von Vision gesprochen und fährt jetzt mit nach oben ausgestreckten Armen fort. Doch nein! Wie wunderbar sind Deine Wege, Herr! Durch Dunkel führst Du uns zu Deinem Licht, Verwandelst in Triumph, was Sturz uns droht, Und die Gefahr selbst muß, gleich einem Sklaven, Den Thron uns schmieden, der uns fester trägt. Eu'r Auge glüht, und über diese Erde Schwingt sich Eu'r Geist, von Gott emporgehoben. Das Nächste seh ich hell, jedoch vor Eurem Blick Liegt selbst der Zukunft großes Buch entsiegelt! So sprecht! Entschleiert, was der Geist Euch zeigt. Wie soll uns die Gefahr den Sieg verleihn? Befest'gen uns, was Sturz uns drohen muß? Was heut uns schmerzt und uns mit Sorg' erfüllt, Ist unsrer Fürsten feindliches Verhalten, Die neidisch unsrer Macht und selbst nicht ahnend Den Dämon, den sie arglos auferziehn, Sich auf die Seite unsrer Gegner reihn. Und lange noch wird diese Prüfung währen. – Doch wenn erfüllt sich hat der Kreis der Zeit, Wenn jene Stunde der Gefahr sich naht, Das Reich des Antichrists, das uns verkündet ward, Wo frevelnd sich auf seinen eignen Boden Der Menschengeist gestellt – dann hat er auch Im gleichen Angriff feindlich mitumstrickt Den Stab des Bischofs und des Fürsten Zepter! Dann tritt die Umkehr ein – von neuem wird Das weltlich Schwert zum will'gen Arm der Kirche, Kehrt reuig wieder in den Mutterschoß, Und eine Doppelkette windet sich In unzerreißbar eherner Umarmung, Die geistliche und weltliche Gewalt, Erwürgend um das Haupt des Antichrists, Des Menschengeists, der auf sich selber fußt! Dann stehn wir fest in Fülle neuer Macht, Und aus dem Leichnam trotziger Vernunft Schlägt neuen Keim der Kirche Herrlichkeit! ihn umarmend. Und Amen! ruft mein Herz für alle Zeiten! Vorhang fällt. Ende des zweiten Aktes. 3. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt Ulrichs Zimmer auf der Ebernburg, mit Büchern und Waffen ausgeschmückt. einen offnen Brief in der Hand haltend, in den er mit der größten Aufregung hineinstarrt. Sein Anblick ist in hohem Maße aufgeregt und verstört. Der Luther in des Reiches Acht und Aberacht Zu Worms erklärt! Mit allem Anhang, allen, Die Schutz ihm leihn! O Karl, o deutsches Reich – So ist das Ärgste denn jetzt eingetreten! Er hält inne und sieht wieder in den Brief. Der Kurfürst Friedrich selbst zieht scheu zurück, Er hat ihn heimlich fangen, zu geheimem Schirm Ihn auf die Wartburg bringen lassen, weil Vor Kaisers Zorn er dran verzagt, noch länger Ihn frei und offen zu beschützen! Er wirft sich in einen Sessel, mit schmerzlichstem Ausdruck. O Deutschland! Deutschland! Armes Vaterland! So geht die letzte Hoffnung uns zu Grabe! Erbleichend sinkt dein Freiheitsstern, der mir An deinem Himmel leuchtend aufgegangen, Und wiederkehrt die alte, finstre Nacht. Er schweigt einen Augenblick stier vor sich hinsehend. Ihr rabenschwarz Gefieder höhnisch schüttelnd Breitet sie's übers Land gleich einem Sargtuch aus, – Und stille wird es unterm Todesfittich – Ganz still! Er bedeckt sein Gesicht mit den Händen, nach einer kleinen Pause mit schmerzbewegter Stimme. Wo ist noch Hoffnung, wenn der Kaiser selbst Zum Mordwerkzeug in röm'scher Hand sich leihend Den Todesstoß ms Herz des Volkes führt? Wo Hoffnung, wenn der mächt'ge Kurfürst selbst Verzagend rücktritt?! Er ist einen Augenblick in düsteres Sinnen verloren und fährt dann mit den folgenden Worten vom Stuhl auf. Wo? Bei ihm! Bei der Nation! Er wird sie um sich sammeln, Er kann's und wird es! Muß es wollen! Er, Er nur allein kann noch zum Retter werden! Auf, hin zu ihm! In seine Heldenseele Den Feuerbrand der meinigen zu schleudern, In Glut zu wandeln seinen deutschen Sinn! Er wird ins Land die Fackel mächtig werfen, Zur lichterlohen Flamme es entzünden, Aus der zum Phönix Deutschland sich verjüngt! Er hat diese Verse in immer steigender Begeisterung gesprochen und stürzt bei den letzten Worten auf die Tür zu, bleibt aber gleich nachsinnend stehen. Wie? Hast du auch bedacht, was du beginnst? Den Freund willst du in solches Wagnis stürzen, Im wagnisvollen Kampf dem Untergang, Vielleicht des Vaters schwarzem Lose ihn Entgegentreiben? – – Pause, dann halb in sich verloren. Darf deine ruhelose Seele auch, In ihren eigenen Kometenlauf Verstrickend, was sich liebend ihr genaht, Des Freundes Haupt aufs Spiel, das Ungewisse, setzen? Doch warum zögre ich, mit kleinem Zweifel, Er schweigt wieder einen Augenblick. Sein selbst unwürdig, mir Beschwerde schaffend! Nicht bleibt uns Wahl, wo uns die Pflicht gebeut. Die Möglichkeit zu leisten ist hienieden Uns auch der Leistung Maß und ihre Pflicht, Gebieterisch das Handeln uns bestimmend. Er kann's vollbringen – darum muß er's auch. Hätt' ich zehn Leben – alle setzt' ich ein! Und darf ich von dem Freund geringer denken? – – Und wenn's mißlingt – das neu erwachte Leben Der Nation im Blute wird erstickt, Was liegt am Dasein, was an mir und ihm? Wo wäre Schwankung da bei solcher Wahl! Gelingt es, bleibt der Freiheitskeim gerettet, An den sich treibend Sproß auf Sproß ankettet, Und kann er auch das Höchste nicht vollenden – Den Untergang kann er vom Lande wenden! Er hat diese Verse mit immer steigendem Feuer gesprochen und stürzt auf die Tür zu. Als er diese zu erreichen im Begriff ist, öffnet sie sich und herein tritt Marie. 2. Auftritt Zweiter Auftritt Marie ein Buch in der Hand. Ulrich. Die Stunde ist's, Herr Ritter, wo Ihr mir Die alten Dichter zu verdeutschen pflegt. Denn nicht begnügt Ihr Euch, durch eigenen Gesang Uns zu bezaubern – alles Herrliche, Was Roms und Hellas' Dichter einst gesungen, Habt Ihr mir schlichtem Mädchen offenbart, Die Blüten aller Zeiten, aller Völker Zu einem Kranze windend, dessen Duft In eine höh're Welt berauschend uns erhebt. der bei ihrem Anblick zuerst starr stehengeblieben, dann einige Schritte zurückgewichen ist. O Gott, noch diese Prüfung! Spracht Ihr was? Sie betrachtet ihn mit Aufmerksamkeit und erschrickt bei seinem Anblick. Herr Ritter, sagt, was ist Euch? Euer Anblick Ist unstet und verstört, ein wildes Feuer rollt In Euren Augen! Niemals habe ich Euch so gesehn! Um Gott, was ist Euch? Sprecht! O Folterqual! o grauenhaftes Los! Wie? Ihren Vater, der Geliebten Vater Soll ich dem Untergang entgegen wagen, Sie selbst vielleicht zur Waise machen? die ihn mit immer wachsender Aufmerksamkeit und Angst betrachtet hat. Ihr Antwortet nicht? Was ist Euch? – Zürnt Ihr mir? Ihr schweigt, Herr Ritter? Womit hab ich das Um Euch verdient? Ich bitte Euch – verzeiht – Vieledles Fräulein – dringende Geschäfte – Ein großer Kummer hindern heute mich. Beiseite. O wüßte sie, was meine Seele leidet, O könnte sie in meinem Herzen lesen, Was ich für sie empfinde – und was ich zugleich Ihr antun soll! Ein Kummer, sagtet Ihr? Was kann Euch sein? Ich bitt Euch, sprecht! Es schneidet in die tiefste Seele mir, Euch also leidend vor mir stehn zu sehn. Wenn sie den Ton nur änderte! O wüßte sie, Wie mir der weiche Ton das Herz zerreißt! Ich – kann nicht mehr, was ich doch muß! Habt Ihr 'nen Kummer, der Euch plötzlich traf, Oh, so vertraut ihn mir! Schon das ist Lindrung. Ihr wißt gewiß, daß ich Euch freund gesinnt – So fordr' ich meinen Teil an Eurem Schmerz, Ich und der Vater wollen treulich ihn Euch tragen helfen! der die ganze Zeit im heftigsten Kampfe dagestanden, auffahrend. Auf, du starke Seele! Befreie dein Gefieder, schüttle ab Mit mächt'gem Flügelschlag des Körpers Trägheit, Die angeborne Erbsünd' des Geschlechts! Er ist bei diesen in der höchsten Leidenschaft gesprochenen Worten der Türe zugestürzt. Als er diese erreicht hat, öffnet sie sich und herein tritt Oecolampadius. 3. Auftritt Dritter Auftritt Die Vorigen. Oecolampadius. Oecolampadius an der Hand ergreifend und mit ihm einige Schritte zurückkehrend. O frommer Herr! Ehrwürdiger Oecolampadius! Euch trifft es gleich wie mich. Sagt, wißt Ihr schon die große Trauerbotschaft? das Haupt wehmütig senkend. Wohl weiß ich sie. Vom Ritter komm ich eben, der Sie mir verkündet. hastig. Und was sagte er? Er sagte nichts. Auf seiner Stirne lag Des tiefsten Schweigens feierlichster Ernst. Ich aber ging in meine Kammer hin, Mein überfließend Herz vor Gott zu schütten Und im Gebete mich zu kräftigen. O daß wir diesen Tag erleben mußten! mit Feuer. Verzaget drum nicht! Noch ist nichts verloren, Noch soll kein Kaiser das Palladium Der Nation uns durch sein Machtwort rauben, Noch lebt in deutschen Männern deutscher Sinn, Und unser Arm weiß noch das Schwert zu schwingen! Bald soll sich wenden, was Euch niederdrückt. Er will mit großen Schritten zum Zimmer hinaus, wird aber von Oecolampadius zurückgehalten. Wie, Herr! Versteh ich recht? Ihr wollt doch nicht Zum Aufstand greifen wider Kaisers Majestät? Die reine Lehr' des Evangeliums Durch rohe irdische Gewalt beflecken? Bedarf es des? Glaubt Ihr, das Heilige, Das Licht der Wahrheit und Vernunft, das uns Ist aufgegangen, könnte jemals in Dem Zeitenlauf der Unvernunft erliegen Und würde nicht sich durch sich selbst verbreiten? von Oecolampadius zurückgehalten und einige Schritte zurückkehrend, mit Leidenschaft. Ehrwürd'ger Herr! Schlecht kennt Ihr die Geschichte. Ihr habt ganz recht, es ist Vernunft ihr Inhalt, Doch ihre Form bleibt ewig – die Gewalt! Er will wieder fort, wird aber von neuem von Oecolampadius, der ihm in den Weg tritt, zurückgehalten. Bedenkt, Herr Ritter! Unsre Liebeslehre Wollt Ihr durchs Schwert, das blutige, entweihn? Ihr wollt – halb unwillig und mit gesteigerter Leidenschaft. Ehrwürd'ger Herr! Denkt besser von dem Schwert! Ein Schwert, geschwungen für die Freiheit, ist Das fleischgewordne Wort, von dem Ihr predigt, Der Gott, der in die Wirklichkeit geboren. Das Christentum, es ward durchs Schwert verbreitet, Durchs Schwert hat Deutschland jener Karl getauft, Den wir noch heut den Großen staunend nennen. Es ward durchs Schwert das Heidentum gestürzt, Durchs Schwert befreit des Welterlösers Grab! Durchs Schwert aus Rom Tarquinius vertrieben, Durchs Schwert von Hellas Xerxes heimgepeitscht Und Wissenschaft und Künste uns geboren. Durchs Schwert schlug David, Simson, Gideon! So vor- wie seitdem ward durchs Schwert vollendet Das Herrliche, das die Geschichte sah, Und alles Große, was sich jemals wird vollbringen, Dem Schwert zuletzt verdankt es sein Gelingen! Er stürzt ab, indem ihn Oecolampadius umsonst zurückzuhalten sucht. 4. Auftritt Vierter Auftritt Oecolampadius. Marie. Er eilt dahin! O Fräulein, eilt ihm nach, Besänftiget sein ungestüm Gemüt, Das sich in zu gerechtem Schmerze windet. Führt ihn zurück zu ruh'gem Überlegen. Gern will ich's tun, ehrwürd'ger Herr! Ich folge ihm, Im Garten such ich ihn, wo er zu weilen pflegt, Wenn ihn Gedanken mächtig überwallen. Sie geht ab. allein. O schwere Zeit! Viel Unheil seh ich kommen, Unsdiuld'ges Blut an allen Ecken fließen! O wend es, Herr, mit der gerechten Hand Auf derer Haupt, die es verschuldet! Geht ab. 5. Auftritt Fünfter Auftritt Franzens Kabinett. Franz tritt aus einem Seitengemach, zwei offene Briefe in der Hand, die er auf einen Schreibtisch legt. Später Hutten. Zwei Briefe inhaltsschwer! Wie sehr verschieden –- Und dennoch weisend auf denselben Punkt. Straßburg und Karl! – Karl und Straßburg – – beide Botschaften Sich so entgegen – beide dennoch wie Zwei Fäden, die durch unsichtbarer Geister Hand In ein Gewebe magisch sich verschlingen. – Hält etwas inne. Karl! Karl! Du hast mein Hoffen schlecht gelohnt. Luther geächtet! Jede Hoffnung tot Von deiner Seite! Dieses Reiches Kaiser – Hast du des Reiches Feinden dich gesellt! Er geht nachsinnend auf und ab. Und Straßburg – Brav gearbeitet, Mein alter wackrer Slör! Du schickst mir hier Des großen StraKburgs Bündnis. Lothrings Herzog Ist lange mir verbündet – der von Bouillon auch, Mit Straßburg ist mir jetzt der ganze Oberrhein Nicht nur gewiß, sein mächt'ges Beispiel wird Auch Schwabens, Baierns, Frankens Städte alle Mit leichter Müh' mir einen – Er bleibt sinnend stehen. Höchster Drang Und höchste Möglichkeit des Widerstands, Sie treffen beide wie auf ein dämonisch Gegeben Stelldichein in einer Stunde Verhängnisvoll sich mir zusammen! – Er macht wieder einige Schritte durchs Zimmer, in Gedanken versunken. Zerrissen, Karl, hast du durch diesen Schritt Jedwedes Band – – zum Retter der Nation, Zum Hersteller des Reichs wollt' ich dich machen, Mit Herzleid sah ich, wie du es verschmäht; Doch nicht einmal das träge Gehenlassen Genügte dir – das Äußerste fügst du uns zu. – Doch gerade aus dem Äußersten kann auch Äußerstes Heil sich rettend uns erzeugen! Pause, dann aus dem Nachsinnen, in das er verloren, auffahrend. So oder so! – Du selber hast geworfen Mir oder dir die eh'rnen Würfel. Fest Und ohne Wanken hebt mein Wille sich, Und Götterruhe thront in meinem Innern, Wie nur ein reiner Vorsatz sie erzeugt. Hutten ist eingetreten. Da kommt mein Hutten! Seine reine Seele, Sie sei mein Kompaß und beseitige Den letzten Zweifel, der sich regen kann. Er wendet sich Hutten zu, der inzwischen mit verstörter Miene und in seinen Anblick vertieft vor ihm stehengeblieben ist. Mit heitrem Ton. Nun, Freund! Es lagert sich des Unmuts Wolke Auf deiner Stirn. Dein Auge blickt verstört? Du kennst die große Wormser Kunde – – Freilich! Ja, leider kenn ich sie! 's ist schlimme Mähr', Doch laß dich nicht zu Boden drücken. – Komm, Ich will Dir was Ergötzliches erzählen, Um deine finstre Miene aufzuhellen. halb zerstreut. Ergötzliches? Ja wohl! 's gibt Fehde, Ulrich? Horch auf! Mir hat der Erzbischof von Trier, Der Kurfürst Richard, Luthers schlimmster Feind, – – Derselbe, welcher für französ'sche Kronen Die Kaiserkron' an König Franz verkaufte, Wenn ich nicht mächtig Einhalt ihm getan – Zu einem lust'gen Handel Grund gegeben. Du hörst nicht, Ulrich? auffahrend. Doch, ich höre schon. Du weißt, der Hilchen Lorch hat lange schon Mit Trier Span und tät ihm künden. Drauf Fing er zween Trierer Vornehme und hielt In Haft sie. Diese wollten gern der Haft Entledigt sein und wählen mich zum Obmann Der Sache, die ich dahin schlichten tät', Daß sie ein Lösgeld zahlen sollten. Jene Beschwören's auf die Bibel. Lorch läßt sie Auf meine Bürgschaft ziehen. Doch der Pfaff, Der Erzbischof, entbindet sie des Eides, Verbeut so Zahlung wie auch Haftstellung. – Ich denk's dem Pfaffen tüchtig einzutränken; Kannst auch dabei den Unmut dir verkühlen! Doch straf mich Gott, du hörst ja nicht? ernst. Verzeih, Wenn mich in diesem Augenblicke, wo Zugrunde geht des Reiches große Sache, Schutzlos die Nation dem Untergang verfällt, Der kleine Handel wenig nur berührt. Pause, mit Wärme. Und sollte Sickingen nicht auch so fühlen? Wär's möglich, daß es dich erfreuen könnte, In dieses Augenblickes schwerstem Drang Die Kraft in kleiner Fehde zu zersplittern! Wie, Sickingen! Kann dir's genügen, Auf deinen Burgen müßig hier zu liegen, Gelegentlich dem gier'gen Wolf ein Lamm Aus dem gefräß'gen Rachen zu entreißen? Mich schützest du, wie du Reuchlin geschützt. Wen schütz'st du nicht? Aquila, Hausschein, Bucer – Wie könnt' ich alle künden, all die Freiheitslehrer, Die Unterdrückten alle, die auf deinen Burgen Sichres Asyl vor Pfaffenhaß und Tyrannei, Vor röm'scher Vergewaltigung gefunden! Doch ist dies alles, was gemeine Not Verhoffen darf von deinen Riesenkräften? Willst du, zum Schirm des einzelnen bemüht, Das große Ganze aus dem Aug' verlieren? Ist's alles, was der ungeheure Druck, Der Deutschlands Freiheit eisern niederhält, Der ebenso ertötend wie entehrend Am Marke frißt der deutschen Nation, Des Volkes Gut verpraßt, mit Bann und Acht Die Geister tötet, unsres Reiches Größe Darniederhält, den Aufschwung der Nation Zur edlen Freiheit, die wir wachgerufen, Erstickt – in einer mördrischen Umarmung So Leib wie Seele uns zugleich erwürgend, – Ist's alles, was des Landes Schreckenslage Erheischen darf von seinem besten Helden!? Pause, mit Wärme. Sieh, Franz, nur kleine Seelen bleiben hinter dem Vermögen, doch der große Mann erfüllt Das ganze Können in der großen Sache. Und wenn in Ungewisser Waage schwankt Dem ernsten Prüfungsblick die eigne Kraft, Gemessen mit der Seele großen Zwecken – Dann schwingt er sich getrost zum Halbgott auf, Läßt hinter sich des Staubs Bedenklichkeiten, Verbrennt in heiliger Begeistrung Feuer Sein irdisch Teil und stürmt titanenhaft Selbst den Olymp! Das sind der Vorzeit Mähren, Das der Titanenkampf, der ewig wird geschlagen, Solang es Männer gibt und einen großen Zweck! Sprich deutlich, Ulrich. Wo willst du hinaus? Deutlich begehrst du? Und ich sprach dir doch Von der gemeinen Not des Vaterlands, Die also deutlich dieses Reich bedrückt, Daß jeder Sinn zum Aug' wird, sie zu sehn! – Fürwahr, ich treff dich heut in sondrer Stimmung an! – – Warst sonst nicht so, wenn ich dir redete Von der gemeinen Sach'! Traun, Franz – du bist – Sehr frostig heut! Meinst du? Doch was es sei, Was dich für eines Augenblickes Dauer Dir selbst entrückt – ich rufe schnell dich zu Dir selbst zurück. Leg ab den kalten Ton, Entzünde dich, entflamme deinen Willen Am stolzen Anblick deiner eignen Kraft. Sieh, Franz, wer steht wie du in Deutschlands Gauen? Auf dich hofft jeder Freund der neuen Lehre, Auf dich blickt jeder Stand im weiten Reich! Der ganze Adel ehrt als Führer dich, Der Städter sucht dein Bündnis, folgt getrost, Ermutigt, wenn du führst, von deinem großen Namen. Der Bauer hegt zu dir nur sein Vertrauen, Denn stets bist du des Schwachen Hort gewesen, Und wenn Gewalt und ungerechter Druck Ihn rings mit Groll füllt gegen unsern Stand – Du bist's, auf den er schaut in seiner Not. Auf deinen Ruf drückt rings ein Bauernheer Die Pike in die harte Hand. Es strömt, Wenn die fünf Kugeln wehn im offnen Feld, Vom Donaustrom, von Lothringen, vom Belt, Vom Alpensaum, wo er in Schlachtenliedern Verherrlicht deiner Waffentaten Ruhm, Der Lanzknecht her zu deinen Siegesfahnen. Die Fürsten scheuen dich. Es scheltet dich Den »Gegenkaiser« selbst der Feinde Menge, Im Schimpf noch ehrend und erkennend deine Macht! Sag, ist's nicht so? Es ist so, wie du sagst. Ist so; zum Teil. Doch weil die Eiche prangt Und mächt'gen Schatten ringsum breitet, soll ich Die Axt anlegen an den starken Stamm? groß. Es ist die Macht das höchste Gut des Himmels, Wenn man sie nützt für einen großen Zweck; Ein elend Spielzeug, wenn zum Flitterstaate Sie nur die Hand beschwert, in der sie ruht. Wie? Hast du dich dein Lebelang geplagt, Sie großzuziehn, um ihres Rufes willen In hundert Schlachten deinen Leib zerhämmert, In hundert Fehden sorglich sie gemehrt, Bei groß und klein, bei Vornehm und Gering Des Namens Größe mühvoll dir errungen, Um jetzt, wo sie in herrlicher Entfaltung Dein Haupt gleich einem Heil'genschein umprangt, Dein Ruhm in Burgen wie in Hütten strahlt, Sie der Verwesung nutzlos preiszugeben? Um dir in eitler Selbstbespiegelung Drin zu gefallen? Fluch auf solche Macht! Selbst Gottes Macht wär' Eitelkeit und Sünde, Wenn er zur Schöpfung sie gekehrt nicht hätte! Pause; gemäßigter. Und wär's denn möglich, daß du anders dächtest? Hast du nicht selbst mit mir die Schriften ausgesendet, Die an des Landvolks Herzen mächtig greifen, Dich ihm als Haupt und Führer künden sollten Im großen Kampf? Denk an den Karsthans – denke So manchen Funkens, den wir angefacht! Wie? Wär' dir in der Stunde der Entscheidung Dein Sinn vertauscht? Du solltest deinen Willen, Den ich wie Götterspruch stets hab geachtet, Gleich unverrückbar und unwandelbar – Du solltest ihn jetzt nicht mehr wollen? – Nein! Das ist unmöglich, Franz! – Du schweigst? Ich schweige, Weil's wohltun muß, von so beredtem Munde Das eigne Herz sich klargelegt zu sehn. hastig. Jetzt bist du wieder ganz du selbst! Du irrst. Bin dir nicht näher als im Anfang; war Im Anfang dir nicht weiter. Sprich heraus! Das Ziel nicht zeige, zeige auch den Weg. Denn so verwachsen ist hienieden Weg und Ziel, Daß eines sich stets ändert mit dem andern Und andrer Weg auch andres Ziel erzeugt. Der Weg ist klar; 's ist einer nur, der hilft! Wirb an ein Heer, laß deine Banner flattern, Ruf zu dir deine Stützen, fordre dann In Waffen Religionsfreiheit vom Kaiser! Die großen Städte scharen sich um dich, Die Fürsten selber, die der neuen Lehre freund, Sie müssen, wenn auch neidisch dir gesinnt, Dich unterstützen, können wenigstens Nicht gegen dich. Du meinst, ich soll Vom Kaiser einen Religionsabschied Erkämpfen? Sieh – das will ich eben nicht! Sieh zu, daß uns auf solchem Wege nicht Des Spieles Einsatz den Gewinn verschlingt! Und welcher Einsatz wäre wohl zu hoch, Wo es sich um des Geistes Freiheit handelt? sich erhebend; bedeutend. Bis jetzt hat Rom das Reich doch nur beherrscht – Soll's jetzt uns auch noch – teilen? Kleine Pause. Sieh, du weißt, Wie ich der neuen Lehre zugetan, Wie Rom aus voller Seel' ich hasse; doch – Ich bin kein Glaubensdoktor! Darum eben, Darum besonders haß ich's, weil es in Verfall Des Reiches Größe uns gewandelt hat, Der Nation gewesne Herrlichkeit Uns in ein elend Schattenbild gemindert, Den Aufschwung deutschen Geistes uns verkümmert, Der seine eignen Wege gehen will! Vom vierten Heinrich bis zum zweiten Friedrich, Wo war ein Kaiser, wo ein deutscher Mann, Der Großes wollte für das Reich vollbringen, Und diese Schlange nicht an seiner Ferse fand, Durch seine Bischöfe hat Rom das Reich Beherrscht, durch seine Pallien-, Ablaß-, Annatengelder hat's uns ausgesaugt, Durch seinen Bann und Pfaffentücken hat's Den Fürsten Mittel, Vorwände geliehn, Die Kaiser uns zu schwächen, widers Reich Selbstherrisch sich zu setzen, und uns so Herabgebracht, daß wir zum Spotte noch Den ein'gen starken Nachbarn werden sollen – Das hat dich stets nicht weniger ergrimmt Denn mich, das willst du ändern! sturmisch. Alles Blut In meinen Adern setz ich freudig dran! Und ist es denn geändert, wenn wir auch Vom Kaiser uns der neuen Lehre Freiheit Erkämpfen? Wird dann Rom drum weniger Im Reich durch seine Pfaffenfürsten herrschen? Wird's wen'ger in der deutschen Römlinge Gebiet das Land ausrauben? – Ja, noch mehr: Ich seh gar wohl, wie alles kommen würde, Kann dir's genügen, wenn die reine Lehre, Das Wort, das uns zum Heil verkündet ward, Zum – Fürstenprivilegium herabsinkt, An jeder Grafschaft Grenze seine Grenze hat Und so, wie Zufalls Willkür launenhaft Den Fürsten an den Papst hin wirft, den an Den Luther, obsiegt oder unterliegt? Willst du der Nation gemeine Sache Zur Herrensache machen? für sich. Wahr, zu wahr! Und doch ist alles dies das Ärgste nicht. Das Schlimmste kömmt noch! leidenschaftlich. Welcher Dämon wohnt Schwarzer Beredsamkeit auf deiner Zunge, Daß du die Lebenshoffnung selber mir In Tod umwandelst? Traun! Das ist das rechte Wort! Sieh zu, daß wir nicht selbst statt neuen Lebens Den Todesstoß der Nation erteilen! Durch solchen Religionsabschied wird Deutschland Entzwei geteilt, nicht bloß in zween Teile, Ein römisch und ein evangelisch Deutschland – Es wird in hundert Stücke klein gerissen! Zerschnitten wird das letzte Band, das noch Den Kaiser und das Reich zusammenbindet – Es wird zum Kaiser jeder Fürst in seinem Land! Bitter lachend. Darum sind sie der neuen Lehre Freund! – Du weißt, wie ich die deutschen Fürsten schätze; Sie sind's, die nach den Pfaffen ich zumeist Haß und verabscheue. Sie sind der wahre Feind Des Reichs und der gemeinen Freiheit. Lüstern Streckt ihre maßlos eigennütz'ge Zunft Nach jedes Standes Recht im weiten Reich Die gier'gen Krallen aus; sie sind im Herzen Dem Adel, Bürger, Bauer gleich sehr feind. Wenn sie den Adel jetzt am meisten hassen, Die Städte freundlich zu begünst'gen scheinen, So ist's, weil sie uns fürchten noch. Gib acht, Sind wir erst ihnen fürchterlich nicht mehr, Wie schnell sie, um den Städter zu erdrücken, Auf uns sich stützen würden. Denn nur Herrschsucht wohnt In ihren für das Ganze toten Herzen Und schwellt zum Schwamm sie auf, der in sich saugt Die Lebenssäfte des gemeinen Wohls! Wie? Soll ich ihrem frevlen Ehrgeiz mich Zur Brücke machen? Gegen Kaisers Majestät Deshalb mein Schwert ziehn? Dieses große Reich, Das einst die Welt beherrscht und dessen Krone Die erste jetzt noch heißt der Christenheit, Zerfetzt in hundert Lappen ihnen hin Zur Beute werfen? – Da sei Gott für, Ulrich! Dann ständen wir am Grabe der Nation, Am Sarge Deutschlands und am Sarge auch Des deutschen Sinnes. Seine Totengräber, Nicht seine Auferwecker wären wir! – Du willst des Geistes Aufschwung mächtig heben? Glaubst du, wenn man das Reich in Fetzen stückelt Und Deutschland nichts mehr als ein wüster Haufen Von groß und kleinem Grundbesitz geworden, Es solle sich in solchen Fürstengütern, Bunt durcheinanderliegend, ränkesüchtig, Jedes dem eigenen Intresse folgend, Ein großer Sinn entfalten? – Täuschung wär's! Es streicht nicht mehr die Zugluft der Geschichte Durch solche Landparzelln. Du könntest eben gut Den Sturm in einem Wasserglas entfesseln. Die weite Ebne liebt er, wo er mächtig braust! Dann siegt der Krämergeist, der Höh'res nichts Als seine eigne Pfefferdüte kennt! Ins Kleinste schrumpft jedweder Sinn zusammen, Das Eigenste, das Nächste gilt allein; Einrosten ins Erbärmliche die Seelen, Zugrunde geht der alte Heldensinn, Der machtvoll tönt aus unsres Lands Geschichte Und deutscher Männer Busen einst bewegt, Das höchste Erbteil unsres großen Volks, Das uns ans Ohr wie Pflichtruf mahnend klingt. Der Geist auch stirbt mit dem gemeinen Wesen – O glaube nimmer, in Pygmäenleibern Uns Riesenseelen großzuziehn! der mit steigender Bewegung zugehört, im äußersten Affekt. Mann – Franz! Verzweifelst du an deines Volkes Zukunft? Kannst du das schwarze Los des Untergangs Im Geiste werfen über die Nation? bewegt. Verzweifeln lieber wollt' ich an dem eignen Heil Als tatlos an dem Vaterland verzagen! Das ist mein Sinn nicht! Gern will ich die Haut Zu Markte tragen für die große Sache, Fürs wahre Wohl des Landes. Was wir wollen, Das ist ein ein'ges, großes, mächt'ges Deutschland, Zertrümmrung alles Pfaffenregiments, Vollständ'ger Bruch mit allem röm'schen Wesen, Die reine Lehr' als Deutschlands ein'ge Kirche, Wiedergeburt, zeitmäßige, der alten, Der urgermanischen gemeinen Freiheit, Vernichtung unsrer Fürstenzwergherrschaft Und usurpierten Zwischenregiments Und, machtvoll auf der Zeit gewalt'gen Drang Gestützt, in ihrer Seele Tiefen wurzelnd, Ein – evangelisch Haupt als Kaiser an der Spitze Des großen Reiches! – Sieh, nur deine Seele Werf ich gleich einem Spiegel dir zurück. achselzuckend. Treu ist das Bild. Doch kannst du immer noch Von Karl das hoffen? Niemals, niemals wird So Riesenhaftes er beginnen! Niemals Von seinem Papsttum lassen. Kann's dich freun, Den Geist in müß'gen Bildern zu ergötzen, Für welche niemals sich Erfüllung naht? Aus frommen Wünschen quillt uns keine Hülfe. langsam, gemessen. Auf Karl noch länger hoffen – wäre Wahnsinn. Nichts mehr von ihm! Es hat in seiner Brust Der Fürst und Pfaff' den Kaiser tot gemacht. leidenschaftlich. Auf was, auf wen denn hoffst du? Welcher Fürst – ihn unterbrechend. Auf Fürsten doch wohl nicht! – Verschloßnes Rätsel, brich dein Schweigen endlich, Spann mich nicht auf die Folter! Ungeheures Verkündet deine Stirne, sinnest du! der einige Male wie nachsinnend im Zimmer umhergegangen, vor Ulrich stehenbleibend, gedankenvoll. Sieh, wie sich Kleines oft zum Großen findet Und just durch seine unscheinbare Hülle, Gleichwie in magischer Verknüpfung uns Zum Mittel wird, das Größte zu vollenden, Den Zufall selbst zur Schicksalsfügung wandelnd. – Entsinnst du dich, was ich vorhin dir habe Von meinem Span mit Triers Erzbischof erzählt? Es hat der Pfaff den beiden Trierern, sagt' ich, Die Zahlung wie die Haftstellung verboten. Du hörtest nicht. Doch, doch, ich hab's gehört. Jetzt kommt der Handel nun auf mich zurück, Der ich auf jener Flehn zum Bürgen wurde. So hab ich, deucht mich, höchst gefügen Grund, Dem Kurfürst Fehde anzukünden. Und Was soll zu unsrer großen Sache der Geringe Handel? Just des Handels Kleinheit Ist's, die in wundervoll verschlungner Fügung Der großen Sache Sieg verleiht! Ich ziehe Mit Heereskraft vor Trier. Niemand wird Mehr als gewohnte Händel drin vermuten. Um eine Schätzung, glaubt man, handle sich's, Und niemand, als vielleicht ein Reichsbefehl, Ein lahm-papierner, wird zum Kurfürst stehn. Ist er allein, genüget mir die Hälfte Von meiner Macht, die Stadt mir zu erobern. Doch hab ich Trier erst erstürmt, so drücke Den Kurhut, von des Pfaffen Haupt gerissen, Ich kühnlich auf die eigne Stirne mir. Verweltlichung der Kurhüt' ist schon lang Bei allen, die der neuen Lehre huld'gen, Der dumpfe Ruf weitaus im deutschen Land. Karl liebt den Kurfürst ohnehin nicht, hat Ihm noch den fränk'schen Handel nicht vergessen. Und hab ich mir den großen Waffenplatz Erbeutet erst – wer wollte mich auch hindern? – Dann erst entbiet ich meine ganze Macht, Ruf alle Freund' in Waffen um mich her; Dann kann ich kühn mit Kaiser und mit Reich Den Tanz bestehn. Es wär' ein harter Schlag Für Rom! Und eine Bresche wär' es für Das Evangelium. Doch immer noch – Laß mich vollenden. Prologus nur wär's, Das Vorspiel nur zu weitrem, größrem Tun. Schmückt erst der Kurhut diese Stirne – dann – gespannt. Dann? ganz nahe an ihn herantretend, laut. Dann bin ich von dem Holz, aus dem man – Kaiser schnitzt! Ulrich fährt zusammen. nach einer kleinen Pause langsam fortfahrend. Ich weiß, 's ist Hochverrat, was ich da sage. Doch ist's nicht eitle Ehrsucht, die mich lockt. Verderben über mich, wenn mich die Gier Nach eigner Größe treibt! Mich treibt allein Des Landes höchste ungestüme Not Und dieser Zeit gebieterischer Drang. Nur einer von uns beiden konnt's vollbringen, Karl – oder ich! Ich sehe keinen Dritten, Der es vermag. – Was gäb' ich drum, wenn Er's In seine Kaisershand genommen hätte. Ich selbst hab mächtig an sein Herz gegriffen – Es war umsonst! Taub für den Schrei der Zeit, Erstorben für der deutschen Freiheit Ruf, Beherrscht von Pfaffen und von span'schen Schranzen, Hat er's verschmäht! – So weih ich männlich mich Dem schweren Lose, das mir ward geworfen. Auf ihn, auf mich nicht, die Verantwortung. Weit über meine Pflicht zum Kaiser geht Die Pflicht, die mir das Leben der Nation, Der deutschen Freiheit Wehruf und der Untergang Des Vaterlandes mächtig auferlegt! Ich war's, der ihm die Krone hat verschafft. Seltsame Schickung muß ich drin erkennen, Doppelte Mahnung willig drin verehren, Die schlecht vergebene ihm wieder zu Entreißen. – Jetzt hab ich vollendet, Freund! Weißt du 'nen andern Weg zum selben Ziel, So sprich, ich bin bereit, ihn einzuschlagen. – Jetzt ist's an mir zu fragen: Schweigst du, Ulrich? feierlich. Ich schweige, weil durch meine Seele zittert Der ganze feierliche Ernst der Stunde. Wie groß, du Held, stehst du vor meinem Blick! Hier weih ich deinem heil'gen Unternehmen, Dies reine Herz, den letzten Tropfen Bluts! Und kann ich auch nicht Reisige und Mannen Dir in dein Lager führen, will ich Größres tun. Zur Werbetrommel soll die Feder werden, Hinreißen in Bewunderung mein Volk, Halb Deutschland soll sie in dem Lager führen, Wenn du dem Kaiser gegenüberstehst, Zum Riesenfittich will ich aus sie breiten, Der dich begeistert auf zum Ziele trägt! Sie stürzen sich in die Arme und halten sich einige Zeit umschlungen. Und wann beginnt die Fehde gegen Trier? Gerüstet bin ich, unverweilt den Tanz Mit Trier zu beginnen. – Es haben meine Werber mir geworben Ein ziemlich Heer. Bei Straßburg sammelt sich's, Das eben meinem Bündnis beigetreten; Von dort will ich's gen Triers Mauern führen. Doch hab zuvor nach Landau ich berufen Den ganzen Adel Schwabens, Frankens und Des Rheinstroms, fester sie an mich zu knüpfen, sie Zu Schutz und Trutz mir kräftig zu gesellen. Dorthin geh ich jetzt stehnden Fußes ab. Willst du die Edeln all nach Trier entbieten? Das ist nicht Not. Hätt' ein gefährlich Aussehn. Nur Fürstenberg, und ein'ge wen'ge, die Mir näherstehn und die ich wohl bedacht Nach Landau grade nicht entboten habe – Dein Vetter Frowin unter andern auch – Die sollen mich geleiten. So genügt's. Später kommt für die andern auch die Zeit. Ich folge dir nach Landau. Nein. Ich habe Für dich ein anderes Geschäft. Du sollst Nach Mainz zum Kurfürst Albrecht hin. Du weißt, der Brandenburger ist mein alter Freund, Hat viel mit mir gesponnen, liebt auch dich. Er ist der bessern Sache unverloren. Es kämpft in seinem schwankenden Gemüt Das Alte mächtig mit dem Neu'n, und wenn er Als Erzbischof die neue Lehr' verfolgt, Tut er's doch nur zum Schein, mit Widerstreben. Zu ihm zieh hin. Er ist des Trierers Nachbar, Darf ihm nicht Vorschub tun; auch muß ich In seinem Land den Rheinstrom überschreiten; Die Übergänge will ich offen finden. – Am besten wär' es freilich, er entschlösse sich, Mit offner Macht mich frei und grad heraus Zu unterstützen; 's gäbe guten Schein Und hielt auch andre Naseweise ab, In meinen Handel sich zu mischen. Glaubst du, daß er so weit sich wagen wird? Unmöglich wär's nicht. Sieh, ich habe ihn Schon lang durchschaut. Er möchte gar zu gern Den Kurhut, den er trägt, in einen weltlichen Auf seinem eignen Haupt verwandeln. Das zieht ihn auch zu Luthers Lehre hin! Doch könnt' das lange währen, denn gar weit bei ihm Ist jene Brücke, die vom Wollen zum Entschließen führt. Sag ihm vom Ritter Franz, Es gelte: Zug um Zug. Er weiß gar wohl, Franziskus hält sein Wort so gut als käm' es Von Kaiser und von Reich! – Nun lebe wohl! Sag deinem Vetter, daß ich ihn erwarte, Vor Trier im Lager findest du mich wieder. Er umarmt ihn und geht ab. ihm nachsehend. O welch ein Held! Nicht eine Tugend gibt es, Die an des Altertums Heroen wir, An Roms und Hellas' sangverklärten Helden, Staunend bewundern und die nicht an ihm, Dem einen Mann, erhöht sich wiederfände! Will fort, als Marie erscheint. 6. Auftritt Sechster Auftritt Marie. Ulrich. Ihr hier, Herr Ritter? Ihn betrachtend. Welche Änderung Hat sich inzwischen mit Euch zugetragen? Mich schreckte Euer Ansehn, als Ihr mich Vorhin verließt, und jetzt find ich Euch wieder Mit heitrem Blicke. Euer Auge strahlt, Der Seelenfriede lacht aus Euren Zügen, Und wunderbar mit tiefer Ruh' sich einend flammt Begeistrung leuchtend von der Stirne Euch! Das macht, ich hab den Seelenarzt gefunden, Der mir den Frieden schnell zurückgegeben hat. schnell, lebhaft. Wie glücklich macht mich das! Verwirrt, sich mäßigend. Ich wollte sagen, Ich bin sehr froh darum – um Euretwillen – auch Um meinetwillen – nein, des Vaters wegen – – Ihr müßt darauf nicht hören, was ich sage; Der schnelle Wechsel der Empfindungen Hat in Verwirrung mich gebracht. Genug, Ich bin recht froh. Die schönen Tage kehren Zurück, die ich entflohen schon geglaubt. Der heitre Kreis, der Musen holder Sitz, In den Ihr diese Burg verwandelt habt, Bleibt unversehrt, und wieder lausch ich Euch, Wenn Ihr der Dichtkunst hohe Meisterwerke, Des Altertums Gesänge uns verkündet. Mein edles Fräulein! Von dem Lärm des Tages wird Zum Schweigen jetzt der Muse Lied gebracht. Doch nein! Falsch drücke ich mich aus: Es will Zur Wirklichkeit die Dichtung sich erheben, Umdichtend greift sie in die Welt hinaus. – Ich muß von hinnen, Fräulein, muß ein flüchtig Lebt wohl Euch sagen! erschrocken und erblassend. Wie? Ihr wolltet fort? In dieser Stunde noch. mit steigender Angst. Wohin? Warum? Kehrt Ihr uns bald zurück? Wohl lange nicht! Ich zieh in Fehde, edles Fräulein. zusammenschreckend und leichenblaß. Fehde? In Fehde, Ulrich, Ihr? Aufstand – Gott, meine Ahnung! Sie sinkt bei diesen Worten zusammen, Ulrich eilt ihr zu Hülfe und fängt sie in seinen Armen auf. Ulrich ruft Ihr? Was für ein Ton? – Wär's möglich! Hingerissen. Marie! – – in seinen Armen, halb bewußtlos, leise. Ulrich! in höchstem Feuer. Nein, es ist keine Täuschung! Marie, Ihr liebt mich wie ich Euch! zu sich kommend, sich aus Ulrichs Armen losreißend und wie außer sich nach der Ecke der Bühne fliehend, aber auf Ulrich zurückblickend, der die Arme nach ihr ausgestreckt stehenbleibt. O Gott! Sprecht, sagt' ich was? – Ich habe nichts gesagt! Nichts sagte ich! Hört Ihr? – Und dennoch – doch – In dem vollsten Erguß der Leidenschaft. Ja – doch – ich sagte! – Fliehe hin Du mädchenhafte Scham, unwürdiges Verstellen! Ist Er ein Mann wie andre? Warum soll ich Mich dessen schämen, was doch stolz mich macht? Was kann ein Weib auf Erden Größres tun, Als ihn zu lieben? Ist es nicht, als ob Ich all das Große, Edele, das Ihr Vollbringt und seid, mir selbst zulege – Teil An Eurer Seele hohem Fluge nehme, An Eurem mächtigen Vollbringen Teil, Wenn ich Euch liebe? – Wenn Liebe uns veredelt und erhöht – Warum sich freudig nicht Wie einer Andacht offen ihr ergeben? Wer bin ich zwar, daß ich es wagen sollte, Empor zu Euch die Augen aufzuschlagen? Doch ist es uns gegeben, ist es schön, Vor uns das Vorbild, Das leuchtende, zu sehn und nicht Im tiefsten Herzen für es zu entbrennen? – Ja, Ulrich – ich gesteh's – ich liebe Euch, Lieb Euch mit aller Kraft des reinen Busens, Dem Ihr der Menschheit Ideal bedeutet! Ich liebe Euch – und sehet her, was mir, Indem ich's sage, von der Stirne flammt, Ist der Begeistrung nur, und nicht der Scham, Erröten! Schon früh war meine Neigung Euch gewandt, Als ich an Albrechts Hof Euch kennenlernte. Das heitre Kind zog Euer ernstes Wesen Gar mächtig an! Es flocht der Ruhm Um Eure Stirne eine Aureole, Die mich halb schreckte und halb fesselte. Bei Eurem Namen regte sich der Besten Blut, Und wenn Ihr spracht, so tönte es wie Ahnung Von einem Höh'ren in mein kindliches Gemüt. Ich wußte nicht, daß ich Euch liebe – eins Nur wußt' ich, daß die andern Männer Mir neben Euch so klein – so klein erschienen! Doch seit Ihr bei uns seid – seit Ihr mir hier Die Himmel alle selber habt erschlossen, Die Ihr in Eurem Herzen tragt – seit Ihr Zu neuem Dasein, neuem Denken Des Kindes Seele mächtig großgezogen – Da wußt' ich auch, – ich liebe Euch! Könnt' Ihr mir, Ulrich, Gleiches schenken, Bin ich die Glücklichste, die je auf Erden war – Und könnt Ihr's nicht – doch soll's mich nie betrüben, Daß ich das Größte konnte, mußte lieben! Du engelreines Wesen! Lang hab ich dich im Herzen still geliebt. Nie würdest du's von mir erfahren haben, Wenn du nicht selbst die Zunge mir entfesselt! So will ich preisen jenen Schreck, der mich Erst überwältigt – und dann Mut mir gab! Doch ach! – Indem ich mich daran erinnre, Fällt wieder mir der dunkle Grund aufs Herz, In meiner Freude hellen Jubelton Wie eine schwarze Hand der Götter greifend. In Fehde wollt Ihr ziehn? Sagt Ihr nicht so? In Fehde? und vielleicht in – Schlimmers noch Als bloße Fehde? – Sagt mir, gegen wen? Dem Kurfürst Richard gilt sie, Erzbischof von Trier. Nur gegen ihn? Ein mächtig Haupt, ein gar Gewaltiges, und dennoch bin ich froh, Daß sie nur ihm gilt – Schlimmres hatt' ich schon Besorgt! Doch nein – ich kann mich jetzt nicht fürchten! Seit mein Geheimnis von den Lippen floh, Ist's mir, als hätt' ich eine Zentnerlast Von meinem Busen abgewälzt. Mir ist's, Als ob mich höh'rer Mut seitdem durchdringt, Als hätte jetzt ich mich erst selbst gefunden, Als sei ich meiner und der Welt gewiß! Es schaut mich alles jetzt so sonnig an, Das Herz lacht freudig in die Welt hinaus, Die Welt mir liebend in das Herz hinein! Nein, nein, es kann nicht sein – ich kann Euch nicht Im selben Augenblick gefunden und – Zugleich verloren haben! – Glaubet Ihr, Ulrich, nicht auch an eine höh're Fügung? mit Bedeutung. Das große Ganze kann auf sie wohl bauen! In eigner Weisheit planvoll sich verschlingend, Führt es sich seinem eignen Ziele zu, In allen Windungen sich nie verlierend; Gleichwie ein Reigentanz nur scheinbar sich Von sich entfernt und in Verwirrung löst, Doch innerlich der Ordnung stets gedenkend Ununterbrochen nach sich selber strebt. Ja selbst was sich dem stumpfen Eintagsblick Als Hindernisse darzustellen pflegt, Sind grad nur Mittel für das Weltgeschick, Die zur Vollbringung es zurecht sich legt. Er hält etwas inne. Der einzelne – steht auf des Zufalls Pulvermine, Auffliegend sprengt sie in die Lüfte ihn! Nein, Ihr habt Unrecht! Weil Ihr Männer nur Fürs Ganze Herzen habt, wollt Ihr auch nur Im Ganzen Lieb' und Ordnung gelten lassen. Ich bin gewiß, ich werd' Euch wiedersehn. Mir sagt's das Herz! Ihr kehret sieggeschmückt Aus diesem Krieg. Dann tretet Ihr vor meinen Vater, Begehrt der Tochter Hand – dann sind wir glücklich, Ulrich! auffahrend, in heftigem Kampf. Ich um Euch freien? Niemals! betroffen. Wie sagt Ihr? Ihr wollt nicht um mich freien? Fürchtet Ihr, Daß Euch der Vater meine Hand wird weigern? O glaubt es nicht. Ich weiß, er liebt Euch so, Fast wie mich selbst! Er wird es nicht versagen. düster. Das ist es nicht! – Ich freie nicht um Euch! zurückfahrend, ihr Gesicht mit den Händen bedeckend. Ulrich! mit tiefer Trauer. Was Ihr mir hier gesagt, Marie, es hat Unendlich glücklich mich gemacht – jedoch Gleich einem Traumbild muß es allzuschnell verschwinden. Verweht sei jedes Wort! – Mit abgewendetem Gesicht. Nehmt hier Euch selbst zurück! Ich kann Euch nicht – darf Euch nicht an mich binden. Mit Leidenschaft. Ich sollt' in meines Lebens unstet Wirrsal Dies Kind, das lebensfrohe, mit verstricken? Auf dem Vulkane meines eignen Daseins Täglich ihr Haupt mit Zittern zu erblicken? Wenn ich im regellosen Laufe mit dem Erdball Zusammenschmettere, zerstört in hundert Stücken, Im ungeheuren Stoß sie mit mir zu erdrücken? O nimmer darf das sein! die erst bei den letzten Versen die Hände vom Gesicht genommen. Ulrich, Ihr sprecht In Fieberhitze! Kaum versteh ich Euch – Kaum hört' ich Euch! Als Ihr mich habt – verschmäht, Schlug es wie Wogen brausend über mich zusammen. Mißkenn mich nicht, Marie! Ich darf dich nicht Verflechten in dies kampfgeweihte Leben! So weit mein Blick zurückreicht, trifft er nur Auf jedes Elend, welches Menschen hassen. O kenntest du die Hälfte meines Schicksals, Du würdest mich verstehn – du selbst trügst Scheu, Dem Unglück, seiner angetrauten Braut, Dies qualverfallne Dasein zu bestreiten. Wie seid Ihr ungerecht wider Euch selbst! Ihr, den Natur mit ihren reichsten Gaben Verschwenderisch beschenkt, Ihr, Ulrich, nennt Euch – sie leidenschaftlich unterbrechend. Auf meiner Fußspur zieht ein Dämon nach, Den Keim des Glückes selbst in Unglück wandelnd. Eilf Jahre zählt' ich kaum, als mich bereits Begabung, die man an mir wahrnahm, zu Lebendigem Begräbnisse verurteilt. In Fuldas Klostermauern sollte ich, Zum Mönch bestimmt durch meines Vaters Willen, Vertrauern dieses sonnenhelle Dasein! Fünf Jahre litt ich, da erfaßte mich der Geist. Ein Kind von sechzehn Jahren floh ich heimlich Des Klosters Nacht. Nach Erfurt zog ich, dort An seiner Hochschule, der weitberühmten, In gier'gen Zügen mir des Wissens Durst zu stillen. Abzog der schwer durch diesen Schritt gereizte Vater Die Hand von mir – von fremder Menschen Gnade Mußt' ich des Lebens dürft'ge Fristung mir erflehn! Was war mir das! – Erschlossen waren uns seit kurzem Des Altertumes goldne Schätze! Inbrunstvoll Lag ich an seinen Brüsten, mich berauschend An jener Milch der Freiheit, welche ewig Aus ihnen frisch und unvergänglich quillt! Aus seiner Dichter leuchtenden Gebilden Den Atem einer freiern, großern Menschheit In die bewegte Seele mächtig saugend. Doch wie Kometen hinter sich den Schweif herziehn, Zog mir das Unglück auf der Ferse nach. Ich war kein Jahr in Erfurt – kam die Pest, Sprengte die Hochschul'! Schlagend, drohend Vertrieb mit seinem Schwert der Würgengel So Lehrer wie Studierende! – Nach Köln Zur Universität zog ich! – Hier herrschte noch in ungestörter Blüte Wie noch bis heut der Finsterlinge Schar, Der Dunkelmänner schmachvolles Gelichter, Die Nachtkobolde, welche wie Vampire Verzehrend saugen an der Menschheit Blut. Hier herrschten, feist vor krasser Ignoranz, Von Blutdurst trunken, Menschenfleisch-gefräßig, Arnold von Tungern, Gratius und andre, Vor allen andern Jakob Hochstraten, Das flammenspeinde Ungetüm! Sprich, was du willst – er kennt nur eine Antwort: Das Feuer ruft er stets auf dich herab! Nicht jenes, welches leuchtet und erwärmt – O nein, des Holzstoßes, des Scheiterhaufens Stupide Flamme kennt er nur. Ob wahr, Ob falsch, was du gesagt – sein Wort ist: Feuer! Wenn recht, so Feuer! Feuer auch, wenn irrig; Von Feuer ist er ganz, aus seiner Kehle Schlägt züngelnd stets die lohe Flamm' heraus! Hier, weil den Götterreiz der alten Poesie Ich weihend andern Jünglingen enthüllte, Traf mich der Blitzstrahl aus der Finsterlinge Hand. Für dies Vergehn ward ich als ein Verführer Der Jugend, als ein Schänder der Religion, Von jener Hochschul' schimpflich ausgestoßen. – So griff ich denn zum drittenmal zum Stab! – Erstanden war ein neuer Ort des Lichts, In ferner Mark, an Frankfurt an der Oder, Ein neuer Sitz der Wissenschaft gegründet. Der freien Künste Lehrer lebt' ich hier In würd'ger Freunde gleichgesinntem Kreis. Doch hier – ergriff mich eine Schreckenskrankheit, Furchtbar des Lebens Mark an seiner Quelle dörrend, Von der ich niemals ganz geheilet ward. Kaum halb genesen, faßte mich der Geist, Der niemals rastende; mich trieb der Drang, Die Wissenschaft dem Leben zu verbinden, Nach Wirklichkeiten drängt' es unklar mich. Ich wollte Menschen, Länder, Städte sehn. In einem Ostseehafen schiffte ich mich ein, Doch nicht ertragen konnte mich das Schiff, Zusammen brach es unter mir! – Entsetzlich! Entblößt von allem, halb verhungert Kam ich nach Greifswald. Doch von hier vertrieb mich Wertloser Menschen übermüt'ger Stolz. Ich ging – doch nicht entging ich ihrem Haß. Des Meuchelmordes Beute wurde ich, Der mich halb nackt auf offner Heerstraße, Mit meinem Blut das Eis des Bodens wärmend, Schutzlos dem Winterfrost zum Raube ließ. Mit meiner Spur des Weges Länge rötend, Schleppt' ich, erliegend fast, nach Rostock mich. O armer Mann! Und fiel kein Sonnenstrahl In diese Nacht? Nennt's Qual, nennt es nicht Nacht! Es fiel der Sonnenstrahl, er zeigte mir Hell meines Daseins Zweck, endlose Reihe Von neuen Qualen mir zugleich erzeugend. Nicht lang nach jener Zeit war es, daß sich die Phalanx, Die festgeschlossene der Dunkelmänner, Wider die neu erwachte Wissenschaft Im mächt'gen Haß erhob! Schon fühlten sie vom Hauch des Altertums Verscheucht die finstre Glaubenstyrannei Des mönchischen, verruchten Truggewebes Und auf des Geistes sonnenhellen Flügeln Befreiung dringen in der Völker Herz. Es galt im Keim den Keim der Freiheit zu ersticken! Der Nestor deutscher Wissenschaft, Reuchlin, Ward ausersehn, an seinem greisen Haupt Den Streich, den tödlichen, zu führen. Der Kölner Streit brach los. Auf Reuchlins Schriften wurde Der Kirche Anathem herabgerufen, Von Erfurts, Mainz', Paris' und Löwens Fakultäten Sein Buch als ketzerisch verdammt – in Köln, Der deutschen Residenz der Pfaffentücke, In feierlichem Aufzuge verbrannt. Im ganzen Deutschland regt' es sich, allüberall Scharten sich um Reuchlin des Geistes Kämpen, Und jenseits der Scholastiker und Bettelmönche Gedrängte Reihn. Wie Guelf und Ghibellin, So flog der Schlachtruf teilend durch das Land. Da lag auf einmal meines Lebens Zweck Mir licht vor meiner Seele ausgebreitet, Hell ward, was Ahnung bis dahin gewesen. Der Drang nach Wissenschaft, der Drang nach Wirklichkeit, Die bis dahin sich meine Brust geteilt, Zusammenwuchsen sie in ein befriedigt eins. Ich wußte jetzt, wozu ich ward geboren, Wozu so hart gehämmert in des Unglücks Esse! Wie sich ins Meer die Woge tosend stürzt, Wie Brandung von dem Ufer widerschlägt, So stürzte ich mich flammensprühnden Auges, Zitternd vor Leidenschaft, vor Wollust rasend, Kopfüber in den ungeheuren Streit. Des Zornes Axt, des Spottes Stachelkeule Schwang ich zermalmend auf der Gegner Haupt, Unter Europas lautem Beifallklatschen Und seines schallenden Gelächters Wucht Ihr Jammerdasein auf der Parodie Schaubühne an den offnen Pranger schlagend. Doch eine Welt von Haß erzeugt' ich mir, Die mit mir ringt, der ich entgegen ringe Auf Tod und Leben, Brust an Brust gedrängt! Er hält einen Moment inne. Hin trieb's mich mächtig nach Italien, Es drängte mich, auf meines Feindes Wunden, Die eiternden, die Finger selbst zu legen Und des Verderbens ganzen Abgrund zu durchspähn. Ich griff zum Wanderstab – ein fahrnder Schüler, Im schmutzigen, zerrissenen Gewand, Von milder Menschen Almosen, ein Bettler, lebend, Durchzog ich Ostreich, Böhmen und Tirol. Marie macht eine stumme Gebärde des Schreckens. Soll ich dir sagen, Mädchen, wie ich in Pavia, Vom Feind im eignen Haus belagert, Schon auf mich gab, wie ich mich schon Gekommen glaubte an des Elends Grenze Und mir im Lied die eigne Grabschrift setzte! Wie ich gefangen ward, entfloh und dann, Furchtbar durchschüttelt von des Fiebers Frost, Furchtbarer noch von Mangel und von Armut, Die Schlangen gleich in wilder Üppigkeit An meinem abgezehrten Leib sich mästeten, Vom – Hunger, der nicht Wahl mir ließ, getrieben, Als ein gemeiner Lanzknecht in Italien Eintrat in Kaiser Maximilians Heer, Wie ich dort – ihn laut aufschreiend unterbrechend. Ulrich, haltet ein! Ich kann – Ich kann das Gräßliche nicht langer hören! Ich wollt' Euch längst schon unterbrechen, doch es war, Als ob der Schreck die Zunge mir gelähmt, Die Sprache mir geraubt – noch mehr gesteigert, Schenkt er sie jetzt mir wieder! Fürchterlich Ist dieses Unglücks lange Graunverwicklung! Ist's möglich, daß so aufgehäuftes Elend Auf eines Menschen Haupt sich sammeln konnte, Auf Eures, Ulrich! Ist es möglich, Daß einer alles dies ertragen konnte? – Ich kannte nur den Sonnenschein des Glücks, Und keine Ahnung hatt' ich von dem Schatten. Ich fühl es, wie Eu'r furchtbarer Bericht Sich über meines Herzens Knospen alle, Die zu der Freude Licht aufatmend streben, Ausdörrend, trocknend, wie ein Samum legt Und unter seinem gift'gen Todeshauche Mir eine nach der andern hin verwelkt! Wie Unglücksahnung zieht es über mich. O haltet ein! – Auch hören heißt erleben! Macht eine Pause – sie unterbrechend. Längre Pause nicht, Als auch mein Unglück Pause hat gemacht. Wenn's dich gelüstet, Mädchen, mich zu lieben, So kenn zuvor den Fluch, von dem ich bin getrieben! Ein Fluch auf Euch? Ihr mißversteht mich, Ulrich. Ihr werdet mich nicht schrecken! Euretwegen Bricht es die Seele mir, so Gräßliches zu hören; Doch selbst der Leiden lange Kette macht Euch nur noch teurer meinem Frauenherzen; Es liebt das Weib den Sohn der bittern Schmerzen. Sie hält inne. Nein, Ulrich, nein! Auf Eurem reinen Haupte wohnt Kein Fluch! Kein Fluch, sagt Ihr? Ihr irrt, Marie! Es ist der mächtigste, der unabwendbarste Von allen, die aufs Haupt der Sterblichen Ein Gott im Ingrimm seiner Liebe schleudert! Oh, ewig bleibt die alte Fabel wahr! Als sich im alten Rom ein Abgrund öffnete, Pest und Verderben drohend jener Stadt, Da sagten die Orakel: nur das Kostbarste, Geworfen in den Schlund, könne die Götter sühnen. Und sieh, auf hohem Roß im festlichen Geschmeide Des Waffenschmucks sprang Curtius hinein, Den Unterirdischen, den Finsteren sich weihend! Die Besten müssen springen in den Riß der Zeit, Nur über ihren Leibern schließt er sich, Nur ihre Leiber sind der seltne Samen, Aus dem der Völkerfreiheit üpp'ge Pflanze Grünend hervorschießt, eine Welt befruchtend. Das ist der Fluch, der auf den Besten lastet, Dämonisch sie und was sich ihnen naht Dem finsteren Verderben weiht! Wohl! diesen Fluch Ich will – wie gern! – ihn mit Euch teilen, Ulrich, Der Streich, der Euch zerschmettert, treff' auch mich. Du starkes Mädchen! Dir geziemt es, so Zu denken, doch würd' es auch mir geziemen, In solches finstre Opfer einzuwill'gen? Einsam muß gehen durch die Welt, wer sich Den dunklen Todesmächten hat geweiht. Hör mich, Marie! Ich will nicht länger dir Mit meines Leids ausführlichem Bericht Dein weiblich Herz, das fühlende, zerfleischen. Verschleiert seien all die einzeln' Züge Des großen Trauerspiels, das ich gelebt. Eins nur vernimm! Ich hatte lange Jahre Ein schmählich und verächtlich Armut still getragen, Als mir der Vater starb. Jetzt fielen mir, Dem Erstgebornen, der Familie reiche Güter Anheim! Doch sollte ich bei meinen Planen, Die täglich mich dem Sturz zutreiben konnten, Auch meiner Brüder, auch der Mutter Haupt In meinen Untergang mit mir verflechten? Das wollt' ich nicht! Und ich verzichtete Auf das Familiengut! Verzichtete Auf jede Lebensfreude, die der Reichtum Uns gütig schöpft mit seiner vollen Hand, Auf des Besitzes sicheres Gefühl. Ein Bettler blieb ich wie zuvor, und nichts, Nichts nenn ich mein als Schwert und Feder. Und was ich für die Brüder, für die Mutter Getan, ich sollte es für dich nicht tun? Marie will ihn unterbrechen. Nein, unterbrich mich nicht! Hör mich erst aus. Wenn's dir gelänge, mich zu überreden, Hast du die Folgen für mich selbst bedacht? Wenn mich bisher des Unglücks wilder Strudel An alle Lebensklippen tosend angeschmettert – Ich war doch glücklich, denn ich hatte mir Des Busens freud'ge Einigkeit bewahrt. Doch wenn mich weiter jetzt die Brandung wirft, Wenn ich dich, Mädchen, Arm in Arm mit mir Anschmettern seh an jeder Felsenkante, Dich leiden, was ich selbst gelitten habe – Der Flucht, der Armut, des Gefängnisses, Des Elends, der Verfolgung, des Exils, Der bittern Erdenleiden alle, alle, In einen Kranz geflochtne Dornenkrone Auf deinem Kindeshaupt, dem glückgewohnten, schaue – – Wenn ich dein mut'ges Engelsantlitz sehe, Den Schmerz verschließend, der dann doppelt nagt, Auflächeln zu mir, um mich mehr nicht zu belasten – Glaubst du, Marie, ich könne das ertragen?! Was ich bisher gelitten habe, War nur des Unglücks Schein. Was litt ich denn? Ich war ja einig, einig mit mir selbst! Nichts konnte mir die klare Seelenruh' Des starken zweckbewußten Herzens, Das innre Glück – nichts konnte es mir rauben! Die ungezähmte Kraft, die meine Seele Stets freudig schwellte, daß des Unglücks Schlägen Sie stolzer noch entgegenschlug – Du willst sie brechen, Willst Spaltung in den ein'gen Busen bringen, Den Demantschild willst du mir jetzt entwinden, Der gegen eine Welt von Feinden mich gedeckt, Den Panzer von mir reißen, daß der Feinde Schwerter Endlich den lang umsonst gesuchten Weg Zu meines Herzens rotem Leben finden! Den innern Zwiespalt willst du mir erregen, Der einzig wahren Unglücks Quelle ist. Wenn ich dich mit mir leiden säh', Marie – Wär' dann nicht jedes Leid ein Widerhaken In meines Herzens innre Fügung ein sich beißend, Jeder mir eine andre Seelenfiber fassend Und im entsetzlichen Verzweiflungsriß Den Bau des Herzens auseinanderwindend? Des Elends tiefsten Abgrund soll ich kennen, Um dich zu würgen, soll ich mein dich nennen? Der Streich, der mir entreißt, was mir beschieden, Was mir allein kein Elend konnte wenden, Die freud'ge Kraft, der Seele heitern Frieden – Er soll mich treffen aus der Liebe Händen? Vorn droht die Welt mir Tod mit wildem Hassestriebe, Im Rücken droht Verzweiflung mir die Liebe! langsam, sehr ernst. Es reift zum Weib in einer Nacht die Jungfrau, Man sagt, daß wohl ein Tag des herben Grams Das blühnde Haar des Scheitels bleichen könne; So fühl ich mich im Laufe dieser Stunde Gereift, ich möchte sagen fast – gealtert! Die ganze Leiter der Empfindungen, Vom Gipfel des Entzückens bis zum tiefsten Schwermüt'gen Schmerz habt Ihr im kurzen Raum Von einer Stunde mich durchlaufen lassen, Und schwerer wiegt sie, als mir Jahre wogen. – Es sei so, wie Ihr sagt. Vieles hab ich gelernt. Ich sah die Welt, ich fühl es, irrig an. Wie alles sich im Sonnenscheine wärmt, Wie in dem güt'gen Glanze der Natur Die kleinste Mücke harmlos freudig spielt, So glaubt' ich an das Glück! Ich hielt es für ein Recht, Ein allgemeines, jeder Kreatur. Ich seh, ich irrte. Anders als in der Sich jedem gleich hingebenden Natur Hat in der Welt der Haß der Menschen sich Des ruhelosen Daseins Last gestaltet. Das Glück, ich seh's, es muß nicht sein; zwar spät, Doch um so herber nur kommt mir die Lehre. Ich will nicht meiden meinen Anteil an Dem allgemeinen Los der Sterblichen, Will meines Busens selige Befried'gung nicht Auf Kosten Eurer Kraft, um Eures Elends, Um Euerer Verzweiflung Preis erkaufen, – Es sei so, Ulrich, wie Ihr sagt; doch seht! Ich bin noch jung, kann so mit einmal nicht Von jeder Lebenshoffnung Abschied nehmen, Bin noch nicht festgehämmert, so wie Ihr, In dieser herben Schule der Entsagung; Zur Hoffnung reißt sich noch die Seele auf, Zum Licht des Daseins strebt sie noch empor. Die Hoffnung laßt mir, Ulrich, raubt sie nicht! Wenn Ihr aus dieser Fehde seid gekehrt – Dann geht's in größre Fehde. mit Bedeutung. Ich weiß es jetzt. Doch seht! Auch diese Fehde endigt. Es endigt ja sich jeder Traum im Leben, Der finstre wie der schöne; alles endet! Das Glück selbst endet, wie ich jetzt erfuhr, Warum nicht auch das Unglück? Warum sollt' es, Es ganz allein, mit dem Entsetzensvorrecht Endloser Dauer ausgestattet sein? Wenn Ihr dereinst aus jener Fehde kehrt, Dann, Ulrich – mit Leidenschaft. Dann, wenn ausgetobt der Kampf, Erreicht des Lebens treibende Bestimmung, Dann darf ich Euch an meinen Busen drücken, Durch Eueren Besitz zum Gotte mich beglücken. Ich einer hätte dann erschöpft die Welt, Zur Neige ausgeleert, was sie enthält An Glück wie Unglück! Eine Welt im kleinen, Würd' ich das ganze Los der Menschheit in mir einen! Doch fürcht ich, neidisch sind des Schicksals finstre Mächte Und dulden nicht, daß man sich Götterkronen flechte! Er geht schnell ab. ihm lange nachsehend. Beschütze, Himmel, ihn! – Du hast in Deinen Reichen Kein Kleinod, welches ihm sich könnte gleichen! Geht ab. 7. Auftritt Siebenter Auftritt Rittersaal auf dem Rathaus zu Landau. Der Saal ist mit Fahnen und Schilden ausgeschmückt. Im Hintergrund eine Estrade, zu deren beiden Seiten dichtgedrängte Reihen der Ritter bis in den Vordergrund stehen. Unter ihnen Graf Wilhelm von Fürstenberg, Philipp von Dalberg, Philipp von Rüdesheim, Heinrich von Dhan, Heinrich von Schwarzenberg, Wilhelm von Waldeck, Hilchen Lorch, von Venningen, Balthasar von Falkenstein, Wolf von Türkheim und andere. Zwischen den beiden Reihen Sickingen, welcher sich im Augenblicke des Szenenwechsels, wie die Ritter gleichfalls, dem Vordergrunde ganz nähert. Das ist es, edle freie Männer, was Mit treuem und wahrhaftigem Gemüt Ich euch schon lang ans Herz hab legen wollen. Das sind die Mittel, diese Not zu heben. Durch diesen Bund wird die geeinte Kraft Das Fürsten- wie das Pfaffenjoch zerbrechen, Abtun die Willkürherrschaft, die mit ihren Ehernen Ketten jeden Stand erdrückt. Vor allen andern nennt ihr euch die Freien Des deutschen Landes! – ihr vor allen müßt, Nicht achtend eurer eigenen Gefahr, Wenn ihr zu Schranzen nicht zusammenschrumpfen wollt, Vorangehn, um dem Land die alte Freiheit, Die unterdrückte, wieder zu erobern! Selbst die Gefahr, sie schwindet, wenn wir einig – Drum, wollet ihr, so wie ich's euch verkündet, Schließen den Bund – Wir wollen ihn! Wir alle! Den Bund! Den Bund! Geschlossen ist er schon in unsren Herzen, Die Lippe nur hat noch den Schwur zu sprechen. Gut! Wollt ihr ihn, sei dies sein erst Gesetz: Wir wollen fürder keine Satzung anerkennen, Die nicht im strengen Recht gegründet ist Und die des Landes Freiheit widerspricht. Als ein Verräter an uns allen sei Behandelt jeder, welcher anders denkt. Gemeinschaftlich von allen sei bekriegt, Wer unsern Satzungen zu widerstreben wagt. Er sei's! Wir alle wollen es! Er sei's! Wenn einer der Genossen unsres Bundes, Von wem es immer sei, befehdet wird, So sind wir alle in den Krieg verwickelt. Wir wollen stehn mit unsrer ganzen Macht, Mit unsrer Habe, unsern Sippen, alle Für einen, bis auf unser letztes Blut. Einer für alle, alle auch für einen! Und Glück und Unglück sei gemeinschaftlich. Das sei Gesetz! Das wollen wir beschwören. Alle für einen, einer auch für alle! Als meineidig sei aus der Männer Zahl Gelöscht, wer dies nicht hält! So sei's! Man bringe Das Evangelium, daß wir die Treue Dem Bündnis schwören, will'gen Dienst dem Haupt, Das wir dem Bunde jetzt erwählen wollen. Dem Oberhaupte steh es zu, zum Krieg Die Macht des ganzen Bundes aufzubieten. Für Krieg wie Frieden sei die Leitung sein. So sei's! Wir wollen folgen seinem Ruf, Hold und gewärtig in der frei gewählten Pflicht. 's ist unser aller Wille, einstimmig! dem man ein großes Evangelium bringt. Wohl! So entblößt die Häupter, zieht das Schwert Und sprecht mir alle nach den Schwur, den ich Mit meinen Lippen nicht, nein, mit dem Herzen Vorsprechen werde! Edle Deutschlands, schwört mit mir! Er entblößt sein Haupt und legt zwei Finger auf das Evangelium. Alle entblößen ihre Häupter und ziehen die Schwerter. Bei jener Freiheit, die allein dem Leben In Männer-Augen Wert und Glanz verleiht, Bei jener Freiheit, die aus diesem Buche Vor fünfzehnhundert Jahren mächtig quoll Und jetzt sich uns noch reicher will entfalten – stürmisch die Schwerter erhebend. Schworen wir! Bei unsrer Lieb' zum Lande, bei der Ehre, Dem Stern des Mannes, der im Schiffbruch selbst, Wenn wie ein Wrack des Lebens Hoffnung sinkt, Ihm freudig leuchtet, Rettung winkend in Dem Ruhm der Nachwelt – wie oben. Schwören wir! Bei jeder Ahnung eines Höheren, Das in Natur und Geist uns offenbart, Das Männerherz zu großen Taten treibt, Des Lebens Anker in des Lebens Sturm; Beim Blut der Besten, welche jemals litten Für dieser Menschheit große Sache – wie oben. Schwören wir! Standhafte Treue diesem Bündnisse, Willige Folge seinem Oberhaupt; So sei verflucht, wer diesen Eidschwur bricht! wie oben. Verflucht! Verflucht! Wir schwören es! Vernommen Haben's die Himmlischen, die Zeugen unsres Eids! Alle stürzen sich in die Arme und umhalsen sich. Auf eures Eides Fittichen hebt sich Mächtigen Schwungs empor des Landes Freiheit! Geschlossen ist der Bund. Wählt jetzt sein Haupt! Was ist da lang zu wählen! Du allein, Du nur kannst unser Hauptmann sein! Nur du! Du ganz allein! Es gibt gar keine Wahl. Du bist schon lange unser aller Auge, Bist unser Arm, bist unser Schild und Schwert! Du nur kannst auch das Haupt des Bundes sein. die Schwerter erhebend. Einstimmig wählen wir, Franziskus, dich Zu unserm Haupt und schwören Folge dir! Ruf uns, du wirst bereit uns finden. Wie Ihr mir, So schwör ich Treue euch! Bei meinem Heil, Ein Hauptmann will ich euch, ein Ziska sein Des ganzen deutschen Volks! – Bald sollt ihr weitres Von mir vernehmen. Seid bereit indes, Mehrt eure Macht durch kluge, zeit'ge Rüstung, Vor allem aber schärf ich eins euch ein: Keiner von uns darf mit den Städten fürder In Fehde sich verwickeln! Nur zu viel Haben wir alle wohl in früh'rer Zeit, In unreifer, hiegegen uns versündigt. Geändert ist die Zeit und ihr Gebot; Die Städte sind es, deren mächt'ger Drang Nach Recht und Freiheit uns zum Bundsgenossen Im großen Kampfe werden soll. Der Bürger Und der Gewerke freiheitsreger Sinn, Die Macht, die sich in ihren Mauern birgt, Bewegt von dieser Zeit lichtvollem Trieb – Sie sind die festen Pfeiler unsres Baus. Hegt sie! Den Landmann schont! Bereit ist er, Das Pfaffenjoch, das härter noch als uns Ihn selbst bedrückt, vom Nacken abzuwerfen. Nicht uns, die Fürsten haßt er, wird mit uns, Wenn wir Gerechtigkeit zum Mittler nehmen, Sich leichtlich einen. Einmal schon ging uns Im Kampfe gegen Fürstentyrannei Voran der Bau'r! Denkt an den armen Koontz! Er ward besiegt, doch wen'ge Jahre drauf – Und selber mußten wir die Lanze fällen Gen Herzog Ulrich, Würtembergs Tyrann, Der unsres Rechts gleich wenig achtete Als auch des Bauern. Wenn dereinst durchs Land Der Kriegsgott tobt, der männerwürgende, Das Reich in zween Lager auseinanderkrachend, – Der Landmann ist es, dessen starke Faust, Zur rechten Zeit entfesselt, mächtiglich Im eh'rnen Spiel den Ausschlag geben wird, Entscheidend unsres Reiches großes Schicksal! – Bedenket das! – Und jetzt, ihr Freunde, zieht Zu meiner Wohnung, wo euch meine Schreiber Ein Instrument zu Unterschrift und Siegel Vorlegen werden, das ich fert'gen ließ, Um in unscheinbar kleinlichem Gewand Den großen Zweck des Bundes zu verhüllen, Beschwichtigend den stets bereiten Argwohn Der Fürsten, wenn sie von der Einung hören. Denn früher nicht, bis reif der Augenblick, Darf man durchschaun, was hier gestiftet worden. Wohlan, wir ziehen! Heil, Franziskus, dir! Heil unsrem Hauptmann, Heil! ein Getöse mit den Schwertern erregend. Heil, Heil, Franziskus dir! Das alte Glück wird deinen Fahnen folgen! Sie gehen ab bis auf Fürstenberg, Dalberg, Lorch und Rüdesheim, die sich um Franz gruppieren. hastig, während die Ritter abgehen, auf Franz zutretend. Noch einmal, Franz, du hast groß Unrecht, dünkt mich, Die Edlen alle nicht sofort nach Trier Mit ihren Mannen zu entbieten. Großer Machtzuwachs wär's, und schwerlich wirst du sie So bald in so bereiter Stimmung treffen. Nein, sag ich dir! Gewinn nicht, Schaden brächt' es, Wollt' ich nach deinem Rate tun! Wenn ich Mit unsres Landauer Konvents Genossen, Mit aller reichesfreien Ritterschaft Vor Trier aufreite, reiß ich selbst die Augen Den Fürsten auf und zwinge sie zu sehn, Daß es sich um gemeine Sache handelt. Nein, sag ich dir! Das käm' zu früh! Das würde Mehr schaden als des Heeres Mehrung nützt, Die mir für Trier nicht vonnöten ist. Nein, Fürstenberg, sie sollen's jetzt annoch Für meine eigene Privatfehde Ansehen, wie ich sonst sie wohl geführt. – Es ist das Maß, das diese Welt beherrscht, Zu viel kann schaden, grade wie zu wenig. Nun, wie du meinst; ich will mit deinem Blick, Dem sieggeübten, nicht in Streit mich geben. Jetzt, Lorch, ein Auftrag, den du gerne hörst. Ruf mir den Herold. Draußen harrt er schon. Wohl hör ich's gern. Ich sprengte meilenweit, Um solchen Auftrag schneller zu vollbringen. Geht ab. Ich aber zieh mit meinen Mannen mit. Ich gleichfalls! Weder du noch er! Bezähmt Die Ungeduld, denn für euch alle wird's Im künft'gen Jahr vollauf zu tun noch geben. Lorch mit dem Herold erscheint. Doch Lorch zieht mit, dieweil er ohnehin In diesen Handel schon verwickelt ist. Zum Herold. Herold, tritt vor! Nimm diesen Brief und reite Spornstreichs nach Trier. Tue dort zu wissen ihm, dem Hochwürd'gen Fürsten, Herrn Herrn Richardus, Erzbischof zu Trier Des heil'gen röm'schen Reichs in Gallien, Des Königreiches Arclat Frzkanzler Und Kurfürst und so weiter, künde ich, Franziskus Sickingen, hiermit die Fehde an Und wollte sein sein abgesagter Feind. – Das andre findet er im Brief! Sag ihm, Er müßt' sich eilen! Denn ich folgte schnell. Herold ab. Vollständig ist doch kein Genuß im Leben! Wieso? Was meint Ihr, Herr? Je nun, ich traure, Daß ich nicht kann dabeisein, das Gesicht Zu sehn, das der Hochwürd'ge schneiden wird, Wenn ihm die Nachricht kommt. Glaub mir, sie wird Ihm nicht mehr überraschend kommen. 8. Auftritt Achter Auftritt Balthasar. Die Vorigen. eilig und erhitzt auftretend. Herr! Von Straßburg komm ich eilends angeritten. Geschäft'gen Laufes sprengt mit tausend Zungen Die Fama aus, Ihr wollt das Heer, das sich Euch dorten sammelt, wider Trier führen. Weiber und Kinder schon erzählen sich's. Der Bettler und der Vagabunden Lungen Jagen gleich Blasebälgen durch das Land Das Lauffeuer des zündenden Gerüchts. Diesmal, mein Balthasar, lügt Fama nicht. Ich wußt' es wohl, unmöglich sei es, lange Geheimzuhalten solchen Heers Bestimmung. So war dies wirklich dieser Rüstung Zweck? Und Ihr seid fest entschlossen? Überlegt – Es gibt hier nichts zu überlegen, Freund! Verhängten Zügels sprengt der Herold schon Auf Trier zu mit meinem Fehdebrief. nachdenklich. Dann freilich – steht es nicht zu ändern mehr, Ich seh es wohl! Gar lange war ich fort Von Euch, in Straßburg und noch anderwärts Für Euch zu werben. War ich bei Euch, traun! Ich hätte Euch vielleicht ganz andern Rat Gegeben – minder klugen Rat und doch Vielleicht zugleich auch klügeren. – Doch das Ist jetzt vorbei! So sei's denn drum. Doch eins Versprecht mir, Herr! Was gibt's, mein Balthasar? Herr, als ich jetzt von Straßburg zog, da ritt ich Zuvor ins Lager, nach dem Heer zu schaun; Dort traf ich Dietrich Späth, Eueren Schwäher, Der sagte mir, in wen'gen Tagen schon Wollt Ihr Euch auf den Zug gen Trier machen. Und warum hat dies deinen Beifall nicht? Herr! Noch ist erst das halbe Heer beisammen; All die Verstärkungen, die Euch aus Kleve Der Ritter Renneberg, aus Braunschweig Minkwitz Zuführen soll, die in dem Kölner Land, Die in Westfalen, Luxemburg, den Niederlanden Für Euch geworben werden, fehlen noch. Erwartet erst, daß sie beisammen sind, Mit ganzer Macht zieht wider Trier dann. Ihr wißt, es sitzt ein klug energisch Haupt, Ein kraftvolles, auf Kurfürst Richards Schultern, Und groß ist er an eigner Macht wie Freundschaft. Und darum soll ich Zeit ihm geben, beide Aufs allerbeste um sich zu versammeln? Sprich, Balthasar, wie groß ist jetzt das Heer, Das mir bei Straßburg steht? Fünftausend Reisige, Zehntausend Mann zu Fuß und außerdem Noch des Geschützes reichliche Bedienung. Auch sind mit ihren Mannen schon herein Die Grafen Eberstein, von Geroldseck, Der Eitelfritz von Zollern – Zu Fürstenberg. Eure Leute Sind gleichfalls, Herr, schon da. Ganz recht, das stimmt Mit meiner Hauptleute Bericht. Sieh, Alter, Du bist ein erzgescheuter Kopf! Ein Feldherr, Der bist du nicht! In jedes Feldherrn Kodex Ist Schnelligkeit das erste Zehngebot. Ich rücke in Eilmärschen in das Land Des Pfaffen, breche Burgen ihm und Städte; Zum Überfluß weit mehr als zum Bedarf Trifft mich vor Trier dann der Zuzug an. Das gibt dem Lanzknecht frischen Mut und löst Ihn ab, wenn immer neue Fähnlein lustig Trompetenschmetternd in das Lager rücken. Meinst du, ich soll aus allen den Provinzen Sie erst nach Straßburg schleifen, um von da Zurück nach Trier wieder sie zu zerren? Willst du dem Franz 'nen Krebs ins Banner setzen? Ich halt es mit der Meute, welche sich Von allen Seiten auf das Wild losstürzt; Das beste Stelldichein – ist Feindes Eingeweide! Zu den Rittern. Auf jetzt, Ihr lust'gen Jäger! Diesmal gilt es Gar hohe Jagd! Der Freiheit Hüfthorn tönt! Das Halali, es gilt des Reichs Despoten! abgehend. Zur Jagd! Zur Jagd! Die Treiber auf die Posten! Bald soll der Boden Feindes Herzblut kosten! Vorhang fällt. Ende des dritten Aktes. 4. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt Saal im Pfalzgräflichen Schlosse zu Heidelberg. Es treten auf der Geheimschreiber des Pfalzgrafen und ein Ritter des Erzbischofs von Trier. Dann Kurfürst Ludwig. So argen Drang erleidet Euer Herr? Erzählt doch weiter, kargt mit Worten nicht. So arg, daß ich zwei Pferde ritt zu Tod, Die Zeit um ein'ge Atemzüge zu betrügen! Es kann die Stadt mit jedem Tage fallen. Wo weilt Eu'r Herr, und warum führt Ihr mich Nicht hin zu ihm? Er wird bald hier erscheinen. Geduldet Euch indes und stillet mein Verlangen. Wenn Euer Herr so stattlich Heer gesammelt, Was zog er nicht entgegen ihm, die Stadt Im offnen Feld mit seiner Brust zu decken, Vermeidend so die Furcht des Hungers wie Verrats? Freilich, wenn Ihr, Herr Sekretarius, Erst Feldherr wärt – Ihr würdet sicherlich Den Franz in offner Schlacht besiegen! Wer Bezweifelt es?! Wir andern Sterblichen Sind nicht so kühn. Wo der Franziskus führt, Verwandelt jeder Lanzknecht sich zum Helden Und ficht, als könnt' er Kronen sich erbeuten! Der Pfalzgraf tritt auf. Doch seht, da naht sich endlich Euer Herr. Sich verneigend. Heil, hoher Herr! Seid Ihr der trier'sche Ritter? Ich bin es, den an Eu'r kurfürstlich Gnaden In seiner höchsten Not mein Herr, der Erzbischof, Abschickt, an die Verträge Euch zu mahnen. Wie steht die Sache Eures Herrn? Sagt an! Gnädiger Fürst! Maßlos schwillt an die Flut. Schon hält der grimme Ritter Trier selbst In eherner Umarmung fest umschlossen Und preßt die Stadt so ungestüm ans Herz, Haß ihr des Busens Eisenmieder springt Vom wilden Druck so grauenvoller Liebe. Indem ich spreche, fließt der Edlen Blut, Wankt unter der Geschütze Last die Mauer – Wer weiß was uns die nächste Stunde bringt! Wie konnte in so kurzer Zeit Franziskus So um sich greifen? Auf die erste Kunde Von Eurem Herrn hab ich ihm zugesendet Vertragsgemäß von Reisigen und Mannen Stattlichen Zuzug, und ein Gleiches wurde Von andern Freunden ihm zuteil. Wie kommt's, Daß er an seines Adels, seines Landvolks Spitze, Durch solche Hülf' verstärkt, das Landgebiet Nicht länger wider Franz verteid'gen konnte? O fragt nicht, Herr; da war kein Halten möglich! Des Namens Schrecken flog vor ihm einher, Ein Gorgobild, den Widerstand versteinernd. Wie einem zweiten Holofernes zogen Ihm mit Trompetenschall und Paukenklang entgegen Gemeinden, Magistrate, weißgeschmückte Jungfrauenreihn. Was widerstand, das mähte In ungestümen Schwingungen sein Schwert. Grimberg, St. Wendel, Bliescastel nahm er Mit Sturmeshand und wälzte sich sodann, Wie eine Feuersäule laufend wächst, Vor Trier. Der Kriegsgott selbst, wenn er vom Himmel stieg, Hatt' seiner Furie Einhalt nicht getan! Heut schon war Trier in seiner Hand, wenn nicht Ein Zufall oder Wunder uns gerettet. Was meint Ihr? Sprecht! Derweil Franziskus, Herr, Burgen und Städte brach, gen Trier rückend, Warf unser Kurfürst in die Eifel sich, Den Landsturm seines Volkes aufzubieten. Doch Franz ersieht's; das linke Moselufer Läßt er vom Bastard von Sombreff besetzen, Dem Erzbischof die Rückkehr abzuschneiden. Der tolle Bastard aber, hingerissen Vom Obereifer seines eignen Muts, Dringt ja die Eifel vor, dem Kurfürst folgend. Der täuschet ihn durch klug verschlungne Märsche, Find't frei das Ufer und erreicht zwei Tage, Eh' Franz vor Trier anlangt, seine Stadt. – Fand der Franziskus Trier ohne Herrn, Warf zitternd sich die Stadt an seine Brust Und im Gebirge irrte jetzt der Kurfürst Flüchtig, geschreckt von jedes Spähers Tritt. Kein Zufall, Gottes Fügung war es, welche Solch Unglück hat von seinem Haupt gewandt! – Doch jetzt, gedeckt durch Triers starke Mauern, Die mondenlang wohl der Belagrung trotzen, Wie kann er fürchten also schnellen Fall? O Herr, wie lange soll so zahlreicher Besatzung Der Vorrat währen in der eingeschloßnen Stadt? Doch ist's nicht das allein. Ein Teil der Bürgerschaft – – Aus aufgefangnen Briefen weiß es unser Herr – Hält's murrend mit Franziskus. Selbst die Beßren, Sie werden schwierig, wenn sie Tag und Nacht Zur Abwehr bald und bald zum Löschen ruft. Als ich mich wandte, schickt' er grad sich an, Die Stadt mit glühnden Kugeln zu beschießen, Und vielen Stürmen hält sie schwerlich Stand. Doch, Herr, auch frohe Botschaft künd ich Euch. Von Philipp, Hessens Landgraf, bring ich Nachricht, Den ich in Darmstadt sprach zu gleichem Zweck. Des edlen Fürsten Wange glühte zornig, Als er des Bundsgenossen Drang erfuhr. Eh' sich die sechste Sonne senkt ins Meer, Schwur er zu stehn an eines Heeres Spitze. Ein Gleiches, Herr, erwartet er von Euch; Ihr sollt bestimmen ihm den Sammelort, Zu Triers Entsatz vereint dann vorzurücken. zögernd. Ein Heer zu rüsten in so kurzer Zeit – Denkt Ihr daran? – Das ist unmöglich, Freund! Zudem – O zaudert nicht, mein kurfürstlicher Herr! Denkt des Vertrags! Bedenkt, daß jede Stunde Im Schoß kann führen nie zu Änderndes. Gern tu ich, was ich kann. Ich will von neuem Ein Fähnlein Euch zu Hülfe senden. bitter. Ja! Und sputet Euch, damit's noch zeitig eintrifft, Um mitzuzechen bei Triers Leichenschmauß. Nach einer kurzen Pause, während welcher der Pfalzgraf sinnend auf und ab geht, mit bittendem Ton. Mit halber Hülfe ist hier nichts getan; Nur Eure ganze Macht, mein Fürst, kann retten. Ahmt nach des Hessen edles Beispiel, Herr! Ein Heer schart um Euch, rückt vereint mit Philipp Gen Trier vor, sonst sinkt die Stadt in Trümmer. Bald könnt Ihr selbst nicht mehr, was Ihr noch heute könnt! stehenbleibend, für sich und mit innerer Bewegung. Ich sollte wider Franz an Heeres Spitze ziehn? – Das wär' ein Kampf auf Tod und Leben! Niemals Verzeiht er's mir – und nie ich ihm, geh ich so weit! – Nein! Mag das Philipp tun, wenn er's mit seinem Lutherischen Gewissen einen kann! Mich bindet andre Pflicht. – Franz! Franz! So weit Sollt' ich vergessen jahrelanger Liebe, Der Treue, die du und dein Haus – – vor meinen Augen Steigt Schweickhardts, Deines Vaters, blutiges Gespenst herauf, das Haupt abmahnend schüttelnd – drängend. Entschließt Euch, Herr! Indem wir sprechen, fallen Die eh'rnen Lose, die der Kriegsgott wirft. mit Bestimmtheit zum Ritter. Es kann nicht sein! Unmögliches begehrt nicht. Philipp reicht hin. Verstärkung send ich ihm, Und – alles ist das, was ich leisten kann. Dann ist es aus, und große Dinge wird Mitanschaun dieses Jahres Sonne noch, Und unabwendbar in Erfüllung bringt sich Des Franzens Wort! Will gehen. Was für ein Wort, Herr Ritter? Es hatte in St. Wendels Mauern sich Der beste Adel Triers eingeschlossen: Bruno von Schmidtburg, Waldecker von Keimt, Otto von Kettig und noch andre mehr, Des Erzstifts Säulen, feierlichen Schwurs, Den Platz zu halten, sei's ihr Untergang. Zweimal vergeblich stürmt der Ritter an, Abschlägt ihn dieser Tapfern Heldenmut. Doch heißer nur zu grimmer Wut entflammt, Rast an Franziskus, und beim dritten Sturm Zerbricht wie Glas er Mau'r und Widerstand. Wie er nun steht im Schloß des Erzbischofs, Umringt von seiner Kriegsobristen Schar, Und des gefangnen Adels lange Reihn An sich vorüberführen läßt – die schlagen Zur Erde ihren gramgebeugten Blick – Da drängt im frohen Übermut der Stunde Des sonst so schlau Verschlagnen Herz zur Lippe sich. »Ihr Herren«, ruft er aus, »schaut froher drein! Ihr habt 'nen Fürsten, der, wenn er es bleibt, Des Guts genug besitzt, um Euch zu lösen; Doch wenn, was wie Ihr seht auf bestem Wege ist, Geschmückt mit seinem kurfürstlichen Purpur, Franziskus treten sollte in der Sieben Reihn Und Ihr dann seinem Banner folgen wollt, Soll Euch Gewinn nur bringen dieser Tausch!« sehr hastig und erregt. Franziskus in der Sieben Reihen? Wie? Das sagte er? Bei meinem Heil, Herr Pfalzgraf! – Ja, jeder Lanzknecht in dem Heer des Franz Schwört laut, sein Herr werd' Kurfürst – oder mehr! So fahre hin denn, Unentschlossenheit! Hier schwindet jede Rücksicht! Wie, Franziskus! Du mit dem übergreifenden Gemüt Den kurfürstlichen Purpur dir erbeuten? Den Kurhut auf so ruhelosem Haupt? – So täuschte Mich mein gerechter Argwohn also nicht, Das war der Zweck der Landauer Vereinung? O niemals, Franz! – Jetzt tut's zu handeln Not. Fliegt hin zu Philipp, tut von mir ihm kund, Ich denke der Verträge, die wir schlossen. Im Fluge rüst ich mich mit ganzer Macht, Send ihm noch Botschaft, wo ich zu ihm stoße; Er soll bedenken, was Minuten wiegen! Eilt, eilt! Zum Geheimschreiber. Laß schnell ein frisches Roß ihm geben. Fort jetzt, Herr Ritter! nehmt des Sturmwinds Flügel! sich verneigend. Heil Euch, mein Fürst! So große Freudenbotschaft Verwandelt mich zum Pfeil! Verlaßt Euch drauf! Geht schnell mit dem Geheimschreiber ab. allein. Den deutschen Brutus nennt man dich im Volk, Jetzt gilt's zu wissen, Franz, ob du der Brutus bist, Der siegreich die Tarquinier vertrieb – Ob jener, der umsonst ermannt, zuletzt Sich mit dem eignen Schwert durchbohren mußte! Geht schnell ab. 2. Auftritt Zweiter Auftritt Sickingens Lager vor Trier. Es treten auf Graf Wilhelm von Fürstenberg, Graf Eitelfritz von Zollern und Hartmuth von Kronberg. Bald nachher Frowin von Hutten. Ich sage Euch, es gibt noch heute Sturm! Seit dreien Stunden reitet schon Franziskus Die Mau'rn der Stadt im Halbkreise entlang. 's wär' frühe Wiederholung. Deucht Euch nicht? Ei, 's ist nur, daß die Pfaffenwänste drin Des Spiels Gewohnheit nicht verlernen sollen. Mir ist es nie zu früh, geht es zum Sturm. Dem Streiter für die Sache seines Gottes Wird nur im Sturm das volle Herz so leicht. Fanfaren hinter der Szene. Horch! Hört Ihr das? Nochmaliges stärkeres Fanfarengeschmetter. Das klingt wie Kriegesgruß, Als zögen neue Fähnlein lustig ein. Seht, starken Schritts naht dort ein Ritter sich. Es ist Frowin! Frowin von Hutten tritt auf. Grüß Gott, Frowin! ihm entgegen. Grüß Gott, Frowin von Hutten! Dank und Gruß Euch, Herrn! Sie schütteln sich die Hände. So kommt Ihr endlich! Bald kamt Ihr zu spät Und doch zu beßrer Stunde noch. Wie nehm ich das? Je nun! Wenn seine Ordre nicht der Sombreff brach, Fandet Ihr im Besitz der Stadt uns schon. Es war ein dummer Streich. Pah! macht nichts aus. Wie's Liebchen sich auch sperrt, es muß dran glauben. Das geb ich zu. Doch hätt's viel Blut erspart. Blut, das zu Gottes Ehre fließt, befruchtet Der Erde Schoß, gibt erst dem Leben Weihe! Und wie hätt' es Frowin gegrämt, kam er Zu spät zum Tanz! Ich konnte früher nicht; Der Fähnlein Rüstung hielt mich lange hin. Doch wie steht's hier? Stillt meine Neugier, sprecht! Habt Ihr Franziskus selbst noch nicht gesehn? Doch! Auf dem Hügel traf ich ihn, der Stadt Genüber. Seiner Lanzknecht' Hauptleute Umgaben ihn. Er hörte eilig ab, Was ich ihm meldete, doch fürs Erzählen Verwies er mich an Euch. So ließ ich denn Den Vetter ihm zurück und sprengte her. Kurz statt ich Euch Bericht. Zwei Probestürme Gab es bereits, und trügt mich alles nicht, – Kommt Ihr zum dritten grade heut zurecht. Der Bischof hält sich gut? Ein ganzer Mars Steckt in dem Pfaffen. Schade ist's um ihn! Er schwingt das Schwert, als wär's ein Weihwedel. Ja, und nicht minder gut die Brandfackel, Brennt Klöster nieder grad wie ein Hussit! Klöster, der Pfaff? Wie das? Ihr kennt die prächtige Abtei St. Maximin, die Trier gegenüber Auf einer Anhöh' sich erhebt; vom Erzstift Unabhängig und unter Reiches Schutz, Erregte sie der Trierer Neid schon lang. Wohl kenn ich sie. Es ist ein günst'ger Ort, Belagerungsgeschütz dort zu postieren, Durch ihre Mauern und Gehöft gedeckt Die Stadt von ihrer Höh' aus zu beschießen. Ja wohl, es ist! Sagt nur, es war! Zwei Tage Vor unsrer Ankunft langt, von Sombreff durchgelassen, Der Erzbischof in Trier an. Das erste, Was er beginnt – sagt selber Euch, wie süß Klugheit und Haß sich da dem Pfaffen einten! – Ist, daß er, achtlos auf das Schrein der Mönche, Niederzureißen die Abtei befiehlt. Geplündert wird sie, freigestellt den Glatzen, Nach Trier zu ziehn. Gepanzert und geharnischt, Den Feuerbrand schwingend mit eigner Hand, Leitet der Pfaff selbst das Zerstörungswerk. So war's. Von seinen eignen Reis'gen einer Reißt voll Verehrung ihm die Fackel fort. Hochwürd'ger, ruft er, laßt das mir, dem besser In Lachen ausbrechend. Mordbrennen ziemt als also frommem Herrn! Ha, ha! So war's, verlaßt Euch drauf. Und was Das Feuer nicht verschlang, zerbrach die Hacke. Grad wie wir mit der Vorhut anlangten, Da zog er ab. Nur Trümmer fanden wir. Daran erkenn ich Richard! Jetzo habt Ihr Neuigkeit von uns; doch jetzt gebt selber Nachricht. Wie steht's mit Albrecht, mit dem Mainzer? Sprecht, Will er mit offner Macht Franz unterstützen? O ganz unmöglich wär' das noch für jetzt! Was heimlich kann geschehn, das tut er gern Und wird es ferner tun; doch öffentlich – Noch wär's zu früh. Ich selbst, als ich die Qual sah, In welcher er schwer sinnend sich verzehrte, Ich trat vor ihn und sagte: Hoher Herr, Zurück leg ich die Siegel, die ich führe, In Eure Hand. Ich habe mitgefochten Des Franzens Fehden alle, will's auch diesmal tun, Doch nicht als Eu'r Großhofmeister und Rat. – Mit seinen großen Augen sah er mich Gar gütig an und sagte mir: Frowin, Ihr habt ganz Recht, und wisset, offen halt ich Euch Euern Platz an meinem Hof und Herz! Weiß es schon Franz? Es wird ihn schier verdrießen. Das tat es nicht. Wir haben sein nicht not, Rief er gleichmütig aus. Da hat er recht! Das mein ich auch: wir haben sein nicht not. Dann lächelt' er in seiner list'gen Weise Und sprach: Der Mainzer will mitessen, aber Mitkochen nicht! Hm! Seine Schüssel werde Ich dennoch ihm verehren von dem Schmaus. nach dem Hintergrunde zeigend. Da naht sich Franz. Ja wohl, und wicht'ge Kunde Bringt er, wie's scheint; denn es geleiten ihn Des Heeres Hauptleute. 3. Auftritt Dritter Auftritt Franz mit Ulrich von Hutten, von mehreren Hauptleuten der Lanzknechte gefolgt. Die Vorigen. Ich grüß Euch, liebe Herrn! Heil dir, Franziskus, Heil! Ihr edlen Herrn, Ich komme, Kriegsrat jetzt mit Euch zu halten, Ob wir schon heut die Stadt mit drittem Sturm erproben – Man hört eine einzelne Trompete. Alle horchen auf. Nun, was war das? Mein Seel! Das klang ja wie Parlamentärsignal. Der Pfaffe will Doch nicht noch unterhandeln? tritt auf. Herr, ein Herold Des Reichs ist angelangt. Er bringt, sagt er, Ein kaiserlich Mandat. So führ ihn her. Lanzknecht ab. Ich soll des Regimentes alte Geigen Noch einmal klingen hören – nun, zum letztenmal! 4. Auftritt Vierter Auftritt Herold von dem Lanzknecht gefolgt. Die Vorigen. Wen grüß ich hier Franziskus Sickingen? Du stehst vor ihm. Franziskus Sickingen! In Kaisers und in Reiches Namen hab ich Ein doppelt Reichsmandat allhier zu künden So dir wie deinem Heer. So sprich zuerst zum Heer, Damit du siehst, die Antwort, die dir wird, Sie stammt, durch mich heraufbeschworen nicht, Aus dieser freien Männer eigner Brust. Zum Lanzknecht. Ruf alle Hauptleut' meines Heers herbei, Daß jeder höre, was ihn selbst betrifft. Lanzknecht ab. Pause. Mählich füllt sich die Bühne mit Hauptleuten und Rittern. Wir sind versammelt jetzt. Ihr Obersten – Halt, Herold, noch! Du kömmst sogleich zu Wort. Er schreitet auf die gegenüberstehende Reihe der Hauptleute zu. Wo ist mein Jörg von Augsburg? vortretend. Herr! Tritt näher. Er spricht leise mit ihm. Jörg macht eine Verbeugung des Einverständnisses; dann halblaut zu Jörg. Und ist's so weit, so laß die Hörner schmettern, Die Kriegsmusik soll mir das Zeichen geben. Jörg verbeugt sich und geht rasch ab. Franz tritt wieder in die Mitte der Bühne in seine frühere Stellung. Jetzt, Herold, sprich und künde deinen Auftrag. Ihr Grafen, Edle, Ritter, Obersten Des Heers, das sich vor Trier gelagert hat, So spricht der Kaiser Karl durch meinen Mund: Aufruhr, Empörung und Landfriedensbruch Ist dieser Krieg, in den Euch Franz verstrickt, Zuwider allen Ordnungen des Reichs, Der goldnen Bulle und den Satzungen, Die aufgerichtet Kaisers Majestät. Darum gebietet Euch der Kaiser, stracks Heimwärts zu ziehn und in die Scheide wieder Zu stoßen Euer wutentbranntes Schwert! – So sei Verzeihung Euch und Huld zuteil. Wo nicht, trifft Euch des Reiches Achtverdikt, Ja, nicht nur schwere Pön an Leib und Gut – Nein, wenn Ihr weiter Franzens Fahnen folgt, Fällt Euer Haupt – der Kaiser schwört es Euch! Bewegung unter den Rittern und Hauptleuten. Ihr habt gehört, womit Euch Karl bedroht. Wir hörten es und halten treu an dir. Wir folgen Franz! Wir folgen seinem Banner! zum Herold. Zeuch hin und sage, daß in Franzens Lager Du Männer nur, nicht Memmen hast gefunden! Heil Franz! Wir folgen dir bis in den Tod! So wend ich mich, Franziskus, nun zu dir! Der frühern Lieb' erinnert dich der Kaiser; Du sollst gedenk sein seiner alten Huld, Sollst unverzüglich rückführen dein Heer, Das seinen Neffen und sein Stift bedroht. Wo nicht, so trifft auch dich des Reiches Acht Und seiner Gnade ernstlicher Verlust. Doch hast du Fug und rechtliche Beschwer Wider den Kurfürst, soll das Reichsgericht Dir nach Gebühr und unverzüglich – Karl Verbürgt dir's selbst – erweisen volles Recht. – Dies ist mein Auftrag, wäge ihn im Geist. Bang harr ich deiner ernsten Antwort, Herr. Herold, zieh hin und künde deinem Herrn: Vorüber ist die Zeit der Worte jetzt, Und inhaltsschwer klopft der Entscheidung Stunde Mit eh'rnem Finger an das Tor der Zeit! In Zuckungen liegt dieses Reich am Boden, Nicht durch Gesetzesfloskeln mehr wird abgetan Der Streit, der es bewegt! – Schau dorthin, Herold! Siehst du die Donnerbüchsen, die Kartaunen stehn? Aus ihren Mündungen schöpft diese Zeit Ihr ungestümes Recht – ich führe selbst Das Reichsgericht in meinem Lager mit, Will eine neue Ordnung machtvoll gründen Und eines Tuens mich erfrechen, dessen Kein röm'scher Kaiser je sich unterfing! Herold wendet sich zum Gehen; in diesem Augenblick erschallt hinter der Szene rauschende Kriegsmusik. Halt, Herold, nimm zu Ende deine Antwort. Hörst du die Hörner schmettern und Fanfaren? Sie rufen uns, ihr Herrn, zum Sturm hinaus! Statt Kriegsrat diente mir des Herolds Ankunft, Dem trägen Strom der Zeit Beschleun'gung winkend. In wen'gen Stunden, Herold, nimmst du mit Den Gruß, den Franz aus Trier Karl entbietet. Das Schwert ziehend. Und jetzt zum Sturm, Ihr Herrn! die Schwerter ziehend. Zum Sturm, zum Sturm! Das Feldgeschrei sei Luther und Franziskus! Die erste Leiter leg ich selber an. vortretend. Nein, Herr! Vergönnt mir, daß ich zahle jetzt Die schwere Schuld, die meine Brust bedrückt. Mein sei der ersten Leiter Vorrecht, Herr. Ich sühne heut, was ich versah; wenn nicht – So glaubt mir, lebend weich ich nicht zurück. ernst. Ich bill'ge das, Sombreff. Dein Leben ist Durch vieler Brüder frühen Tod belastet; Gehört nicht dir mehr; wirf's zerschmetternd an An Triers Mauern. Was von beiden bricht – Es ist Gewinn, sei es für dich, für uns! – Und nun zum Sturm! Die Sonne neigt sich blutig, Ihr neuer Strahl treff' uns in Trier an. Zum Sturm, zum Sturme! Luther und Franziskus! Alle ab. 5. Auftritt Fünfter Auftritt Marktplatz von Trier. Es ist Nacht. Die Stadt brennt an mehren Punkten. Der Feuerschein beleuchtet die Bühne. Alle Glocken läuten. Von Zeit zu Zeit hört man das Krachen der Geschütze. Weiber fliehen händeringend, Kinder nach sich ziehend und auf den Armen tragend über die Bühne. über die Bühne stürzend. Gerechter Himmel! all mein Hab und Gut! ein Kind an der Hand über die Bühne stürzend. Rettet Euch! Am Koritzer Tor dringt ein Der Feind! ein Mädchen an der Hand auf die Bühne eilend, sich rings umsehend. Fritz, Fritz? Wo bist du? Fritz! Jesus Maria hilf! Mein Kind, mein Kind! Stürzt wieder nach der Seite zurück, von der sie gekommen. Haufen Bürger treten von verschiedenen Seiten tumultarisch und murrend auf, mit Piken, Schwertern und Streitäxten bewaffnet. 's ist nicht zu halten mehr. Die halbe Stadt Brennt schon. Es dauert keine Stunde, hat Der Feind die Simeonskirch'. Verlaßt Euch drauf. Der Feind? Was schwatzt Ihr da im Ton der Pfaffen! Ist denn Franziskus mein und Euer Feind? In seinem Aufruf hat er fest versprochen, Er hab' es mit dem Pfaffen nur. Kein Bürger Sollt' Kränkung leiden nicht an Leib noch Gut. Jawohl, es ist der Glatzköpf' Handel nur, Den wir mit unserm Hab und Blut bezahlen. Wie stets! Ein dummes Handwerk treiben wir, Zu fechten wider unsern eignen Vorteil Und für des Pfaffendrucks Verlängerung. Jawohl, sehr wahr! Nein, nein! Still, keine Spaltung! Soviel steht fest: was Franz mit Richard hat, – Die Stadt geht es nichts an. Warum dann aber Zieht der Hochwürd'ge nicht mit seinem Adel Ins Feld hinaus, um selber seine Fehde Draußen mit Franz in offner Schlacht zu schlichten? Warum verteidigt er statt dessen sich Mit unsern Häusern, die in Brand aufgehn? Macht uns zu Sündenböcken seines Streits? Wer von Euch allen ist so pfaffentoll, Daß freudig für die Sache der Geschornen Er Haus und Hof und Weib und Kind und noch Den Leib dazu nach in die Flammen wirft? Nein, Niemand! Niemand! Hin zum Bischof! Hin! 6. Auftritt Sechster Auftritt Kurfürst Richard tritt auf mit Graf Solms, von einer Abteilung Lanzknechte gefolgt. Der Kurfürst ist ganz gepanzert; in der Hand das bloße Schwert, den Helm auf dem Haupt; über der Rüstung das erzbischöfliche Pallium. Ich sag Euch, Solms, umgeben bin ich von Verrätern; An meiner eignen Tafel sitzen sie! Er gewahrt den Bürgerhaufen und schreitet auf sie zu, die ihrerseits bei seiner Annäherung scheu, aber murrend zurückweichen. Was macht ihr hier? Warum nicht auf die Mauer? Ist's Zeit zum Feiern jetzt? Die breiten Mäuler Zusamm'nzustecken? Wollt ihr schleunigst fort! Murren. Die Stadt ist nicht zu halten mehr. Wer murrt? vortretend. Gestrenger Herr! Nutzlos geht unser Hab Und Gut in Flammen auf. Wir denken, wenn Euer Kurfürstlich Gnaden mit den Rittern Zum Tor hinaus tät' ziehn, die Schlacht zu bieten, So schützte das vor gänzlicher Vernichtung Euer Hochwürden treue Stadt. Der Sieg bleibt schwerlich Euern gebenedeiten Waffen aus! Jawohl! Zur Stadt hinaus! Verräter ihr! Ein Strafgericht will unter euch ich halten, Das euch die meuterische Lust benehmen soll. 7. Auftritt Siebenter Auftritt In dem Augenblicke, wo Richard auf den zurückweichenden Haufen eindringen will, tritt ein Hauptmann mit einer Schar Söldner auf, einen gefangenen Sickingschen Lanzknecht bringend. Vorige. zu Richard. Herr Kurfürst! Diesen Lanzknecht fingen wir, Mit einer Schlinge von der Mau'r ihn reißend. Kund kann er tun des Feindes Plan und Stärke. zum Lanzknecht. Du hörst, was man von dir begehrt. Gib Auskunft, Wenn dir dein Leben lieb! Tritt ein in meinen Dienst. Viel lieber sterb ich in Franziskus' Huld, Als daß ich leb, ein trierscher Pfaffenknecht! So stirb, du Hund! Er ersticht ihn. Pause. Schafft diesen Leichnam fort! Der Hauptmann ab mit den Söldnern, die die Leiche des Lanzknechts mitnehmen. Zu den Bürgern. Euch aber sag ich: laßt euch diesen Toten Ein Beispiel sein! Zur Leiche mach ich den, Der eine Miene nur verzieht! Zur Mauer, fort! leise zum Vierten. Reizt ihn jetzt nicht – ich spreche noch mit Euch; Wir bringen's doch noch auf das Unsrige. Verschwenderisch an euern Toren gießt Der beste Adel hin die roten Ströme Aus seinem fürstlichen Geäder – und Ihr wolltet sparen euer Pöbelblut? Eu'r niedres Dasein schonen, wo der Kampf Für dieses Lebens Heiligtümer rast? Der fromme Mönch sogar, des Schwerts unkundig, Bewehrt die Hand, des Betens nur gewohnt, Wirft opfernd sich dem Tod entgegen, kämpft Für seinen Glauben, seinen Gott! – Und ihr Wollt denken an eu'r elend Hab und Gut? Man hört einen Choral der Mönche hinter der Szene. Erste Strophe. Spe mercedis et coronae stetit martyr in agone ad mortem obediens morte Christum imitatus fide firmus et firmatus firmo gressu gradiens. Seht her, da nahen sich die frommen Streiter, Entschlossen freudig, eine zweite Mauer Der Stadt zu bilden aus der eignen Brust. Es erscheint auf der Bühne die Prozession der Mönche, das Allerheiligste und die Fahne mit dem Muttergottesbilde voran. Zweite Strophe. Furit furor militaris ut vir sacer sacris aris immoletur hostia quem occidunt saevientes introducunt nescientes ad aeterna gaudia. Wie das Allerheiligste auf der Bühne erscheint, fallen der Erzbischof und alle Anwesenden auf die Knie. Der Zug zieht, die zweite Strophe des Chorals absingend, langsam und hin und wieder anhaltend über die Bühne. Wie das Allerheiligste die Bühne passiert hat, erhebt sich der Erzbischof und nach ihm die andern Anwesenden. die Arme segnend ausbreitend. Steht auf, gestärkt jetzt durch des Himmels Segen! Der Herr der Heerscharn selber ficht mit euch Und wendet von euch ab des Feindes Schwerter, Die heil'ge Jungfrau schwebet euch voran, Sie winkt euch zu aus ihrem Himmelsglanz. Selig, wer heut sein Blut vergießet! Denn Gleichwie das Blut des Herrn, also löscht aus So sel'ger Tod des Lebens Sünd' und Irrtum. Geöffnet sind ihm Seiner Glorie Himmel, Die Paradiese Seiner Herrlichkeit. Die Heil'gen jauchzen preisend ihm entgegen, Zur Rechten Seines Thrones wird er stehn, Verklärt im ew'gen Glanze seines Lichts! Auf denn! Zur Mau'r! Ich selber führe euch. Als euer Feldgeschrei ruft an die heil'ge Jungfrau. Zur Mauer auf! Trier und die heil'ge Jungfrau! Sie stürzen ab, vom Erzbischof geführt. 8. Auftritt Achter Auftritt Feld vor Trier. Mählich beginnt der Morgen zu dämmern. Lanzknechte treten auf, den tödlich verwundeten Sombreff tragend. Später Ulrich von Hutten. Legt hier mich hin; gleich gilt es, wo ich sterbe. So schlimm wird es nicht sein, Herr Ritter. Hülfe Will ich Euch rufen. Mir hilft keine Hülfe mehr. Kehrt in den Kampf zurück. Ulrich von Hutten mit einigen Bewaffneten tritt auf. Wer da! Gebt die Parole! Luther und Franziskus! sich mühsam halb aufrichtend. Hutten, Ihr seid's? Fritz Sombreff, Ihr? Und schwer verwundet, seh ich! Sagt nur, zum Tod getroffen. Armer Freund! Ihr hieltet allzugut, was Ihr verspracht. Wie steht der Kampf? O gebt mir Auskunft! Noch schwankt die eh'rne Waage rastlos hin und her! Vom Moseltore komm ich, wo wir blutig Zurück des Feindes wüt'gen Ausfall schlugen. Voran den Seinen focht der Erzbischof, Entgegen würgt' ihm Franz, des hast'ges Schwert Den Priester suchend, den ihm Mars entrückt, Die Reihn der Feinde widerwillig fast In dichten Garben achtlos niedermähte! Doch jetzt Lebt wohl! Zum Simeonstor eil ich, wohin Franz selbst Geworfen seinen Sturm, die Stadt aufs Ärgste drängend, Und auf sich zog der Feinde dicksten Knäul. – Lebt wohl und zürnt nicht, wenn ich Euch verlasse, Des Krieges grausamem Gebot getreu. O nur noch einen Augenblick versüßt mir Durch flüchtigen Bericht des Lebens letzte Züge! Wie steht es am Koritzer Tor? Es lief Gemurmel durch die Reihn: genommen sei's! Dort stürmt, des Todes Bild, der schwarze Zollern, Die Keule schwingend, die in seiner Hand Aufwiegt der Sicheln zwei des Sensenmanns. Wie er sein Volk wider die Mauer führt, Ergießt ein solcher Strom von siedend Öl. Geschmolzen Blei sich auf der Stürmer Haupt, Daß lauten Schreis die Knechte von sich werfen Die Sturmleiter, erschreckt zurückefliehn. Doch er, ohn' eines Rufs sie nur zu würd'gen, Als wolle er allein die Stadt erobern, Hebt auf die wucht'ge Leiter, und hinan Schwingt er sich ihre Sprossen mächt'gen Schritts. Wie das die Knechte sehn, ergreift sie Scham, Noch heißer brennend als das schmelzend Feuer; Umkehren sie und stürmen nach dem Herrn. Verwundet in der Rechten faßt er mit Der Linken seine Waffe, kämpft wie vor. Doch seiner Knechte allzudichte Reihn, Die sich ihm nach zu seiner Hülfe schwingt, Zerbricht die Leiter – doch, indem ich spreche Verrinnt die Zeit! – Habt Ihr gehört? Signale! Man hört hinter der Szene ein lang gehaltenes Signal. wendet sich um. Zum Rückzug bläst man! Enden soll der Sturm – So ende mit ihm dieses Lebens Rest! Er stirbt. 9. Auftritt Neunter Auftritt Franz mit Gefolge. Später Fürstenberg, Eitelfritz, Frowin und andere Hauptleute und Obersten und Ritter. Hieher beruft die Feldherrn! Ruhen soll Der atemlose Angriff, der bereits Die ganze Nacht durch an den Mauern tobt. Einige aus dem Gefolge ab; er gewahrt Hutten. O Ulrich, du! Er umarmt ihn. Ich war besorgt um dich, Als uns die Menschenwelle auseinanderwarf, Furchtbar auf ihrem blut'gen Arm dich schaukelnd. Du siehst, der grimme Pfaffe hält sich gut, Will nicht zu billig sein Barett verkaufen. Die Ritter und Hauptleute treten auf. Gruß Euch, Ihr Herrn! Schließt einen Kreis um mich. Des Morgens blasses Licht erhebt sich schon, Und Ruh' bedarf das ganz erschöpfte Heer, Das ohne Pause jetzt acht Stunden lang, Sich und den Feind in Lachen Bluts ertränkend, Im Sturmlauf anrast an die Maur'n der Stadt. Drum riß ich Euch von Eurer Schnitterarbeit Hinweg, hier Rats zu pflegen, ob wir gleich, Nach Atemzügen unsrer Rast gegönnt, Das blut'ge Spiel erneun – ob wir's verschieben, Bis die Geschütze leichtern Weg gebahnt. Ihr Edlen und Ihr Hauptleut' dieses Heers, Sagt Eure Meinung, wie's dem Führer ziemt. die rechte Hand verwundet in einer Binde, das Schwert in der Linken. Ich bin für Sturm! – 'ne Schande wär's für uns, Wenn wir nicht diese Nacht in Trier schlafen. Gemach, Herr Graf! Euch reißt der Zorn dahin. Nur kalter Blick paßt in des Feldherrn Rat. Zu frühe kam der Sturm; zu fest ist noch – Wir haben es erprobt – die trotz'ge Mauer, Wir opfern nutzlos unser Heer dahin. Es kann die Stadt uns nimmermehr entgehn, Doch muß erst der Geschütze feurig Werben Sie milder machen, muß in ihrem Herzen Erst Öffnung uns für unsern Sturm bereiten. So mein auch ich. Verloren ist die Stadt. Doch nur, wenn wir nach der Belagrungskunst Üblicher Form und Regel unserm Angriff Die Wege bahnen. Wege bahnt das Schwert Dem, der's zu schwingen weiß. vortretend, zu Franz gewendet. Verlaubt, Herr Ritter, Wenn ich in Eures Heers, der Hauptleute Gesammtem Namen jetzt das Wort ergreife. Ihr kennt mich, Herr! Ich schlug des Reiches Schlachten, In Welschland lagert' ich mit Kaiser Max, Ich stand – Wir alle kennen dich, mein wackrer Jörg; Du bist der Büchsenmeister dieses Heers, Und seit ich kriege, sah ich keinen bessern. Nun wohl, so hört mich an! So lange wir nicht Bresche in die Mauern Der Stadt geschossen, schmettert Ihr vergeblich Des Heeres Leiber an dies Bollwerk an. Zu stark ist es, zu zahlreich die Besatzung, Zu gut geführt! Man überwände wohl Zwei dieser drei, nicht alle drei geeint. Unmöglich ist's! – Jedoch wenn Ihr, Herr Ritter, Folgt meinem Rate, so verpflicht ich mich, Eh' noch acht Tage enden ihren Lauf, All mein Geschütz auf wen'ge Punkte richtend, Der Breschen zweie in die Stadt zu legen, Am Nord- und Westtor, und dann – drauf und Sturm! Dann fällt sie ohne Gnade rettungslos In Euren heißen Siegerarm, tritt auf. Mein Feldherr! Soeben flog, wo ich mit dreien andern Längs der Bastei auf Posten stand, ein Pfeil, Von innerhalb der Mauer abgeschossen, Uns vor die Füße, und am Pfeil befestigt Sahn wir 'nen Zettel, der die Aufschrift trägt: An den großmächt'gen Ritter Franz. Mach los Den Pfeil und lies den Zettel, Jörg. liest. »Gestrenger Herr Ritter! Es ist ein Freund, der Euch schreibt, und wenn er nicht Euer Freund ist, so will er Euer Feind sein, was, Gott steh mir bei, gerade soviel heißt, als ein Feind von sich selber und jedem ehrlichen Christenmenschen und ein Freund dieser dickbäuchigen, geldgierigen, menschenschinderischen Pfaffen, die er geradeso liebt, wie Eure Kugeln sie lieben, wenn sie ihnen vor Zuneigung vorn in den Leib und vor Abneigung wieder hinten hinausfahren, ein prächtiges Schauspiel, von dem er es nie vergessen wird, daß Ihr es ihm, Gott lohn' es Euch, heute einigemal verschafft habt. Wenn Ihr in die Stadt kommt und Ihr haltet ihn Eurer Gnade für würdig, so bittet er sich's aus, an den Glatzen, die Ihr zum Hängen verurteilt, es vollstrecken zu dürfen und es denen zu erwirken, die Ihr etwa laufen zu lassen gedenkt. Also zur Sache. Ihr habt Freunde in der Stadt, und Leute, die von gutem Willen sind. Aber noch ist's zu früh; Ihr müßt Eure Ungeduld bezwingen und noch fein gemach liegen. Denn die Besatzung ist noch zu vollzählig, und die Pfäffischen machen noch ein zu groß Geschrei. Die Bürger aber haben noch den rechten Mut nicht. Wenn Ihr ihnen jedoch noch acht Tage die Häuser einschießt, so werdet Ihr's zum fröhlichen Ende führen. Also faßt Euch in Geduld, Herr Ritter, denn jede Kugel, die bei uns einschlägt, schafft Euch einen Feind weg und schafft Euch einen Freund mehr. Ihr hört weiter von mir, und wegen eines Pförtleins bin ich auch schon in Unterhandlung. Wenn eine Woche um ist, sollt Ihr mich in Trier in Person kennenlernen, und vergeßt dann meine Gnade nicht! Ein Freund von Franziskus.« Allgemeine Heiterkeit unter den Anwesenden. Ein beredtsamer Brief. Ein dienstfertiger Schuft! Ist die Verschiebung Euer aller Ansicht? Jawohl, sie ist's! So mit wie ohne Brief – Denn auch 'ne List des Feindes könnt' er sein – Ist's auch die meinige. Drum führt zurück In seine alten Stellungen das Heer, Und mit vermehrter Kraft erneuen wir Das mörderische Grüßen der Geschütze. Ja, Herr! Doch schon zum dritten Male muß Ich Euch gemahnen, daß das Pulver knappt. Seit mehren Tagen schon verspracht Ihr mir Die Ankunft neuer Fässer, die von Landstuhl Ihr habt beordert. Dringlich nötig wird's; Nur noch auf Tage reicht der Vorrat aus. Laß gut sein, Jörg. Weiß nicht, wo der Transport Sich so verspätet. Doch langt er wohl sicher Heut an. Inzwischen spar das Pulver nicht. 10. Auftritt Zehnter Auftritt Die Vorigen. Ein Lanzknecht, von zwei Boten gefolgt, tritt auf. Zwei Boten, Herr, treffen soeben ein, Mit eil'ger Nachricht Euer Ohr begehrend. vortretend. Herr! laßt's mich nicht entgelten, wenn ich Euch Unliebe Mähre künde. Ritter Renneberg, Welcher in Klev' und Jülich für Euch warb, Entsendet mich. Der Herzog hat durch ein Edikt, Das mit Verlust von Lehn und Leben straft, Den, der Euch zuzieht, raschen Halt gesetzt Der Flut, die schon des Ritters Lager schwellte. Mutlos zerstreuten sich die schon Geworbnen An diesem Damm, der ihren Zuwachs brach. Dasselbe meld ich aus Westfalen Euch und Limpurg, Ein Gleiches aus dem Kölnschen Stift, allwo Durch gleiches Drohn der Erzbischof den Austritt Von Euren Reitern hemmt. Bewegung unter den Umstehenden. spöttisch. Sieh! sieh! Wie rasch und einig Auf einmal unsres Reiches Fürsten sind, Die ewig hadernden, beratenden! An Wunder grenzt's! Kaum reiß ich aus der Scheide Dies gute Schwert, um sie in eins zu schweißen, Und – seit das Reich steht, kenn ich keinen Fall! – Schon kommen sie, dem Wunsch Gewährung lächelnd, Mir flugs geeint entgegen! – Solche Willigkeit Ist halber Sieg, verdient, daß man sie merke. Habt Dank für gute Botschaft! Boten ab. Zu den Hauptleuten und Rittern. Wer von Euch Braucht Teilnehmer an Ruhm und Beute? Wer Denkt so gering von sich, daß er sich nicht Genügt? stürmisch. Nicht einer, Franz! Dreimal genug Sind wir uns selbst, solang dein Geist uns führt. Ein Reisiger tritt hastig auf. Habt Dank! fast gleichzeitig. Wer naht sich da mit schnellem Schritt? Sein unstet Auge zeigt, daß er wen sucht. auf Franz zutretend. Ihr seid Franziskus. Ich erkenn Euch Herr! Von Michel Minckwitz's Reis'gen bin ich einer, Der Euch mit einem Fähnlein Reitern und Mit fünfzehnhundert Knechten, die er warb, Aus Braunschweig zuzog. Da, ganz unversehens, Überfällt mit überlegner Macht uns Philipp, Der Landgraf Hessens, stäubt uns auseinander, Schlägt Ritter Minckwitz selbst in Bande und Bemächtigt sich der Kriegeskasse. – Ich Hetzte mein Pferd zu Tod, um Euch die Kunde Zeitig zu bringen. beiseite zu Jörg. Schlecht verstehen sich Auf ihren Dienst die Posten, daß sie nicht Die Boten in mein Zelt geleiten. Übel Ziemt sich's, daß hier vor meines Heeres Führern allen Die Jagd der Unglücksposten auf mich dringt. Jörg ab und bald darauf zurück. Zum Reisigen gewendet. An deiner Eile zweifl' ich nicht. Wärt Ihr Gestanden, wie Ihr lieft, – Ihr hättet greinend Den Knaben Philipp heimgeschickt nach Darmstadt. Der Träger schlechter Botschaft muß es dulden. Wenn sich der Zorn des Hörers auf ihn kehrt. Ja, mehren muß ich ihn durch schlechtre Kunde: Eiligst heran mit starkem Heere rückt Zu Triers Entsatz der Landgraf Philipp selbst. Bewegung unter den Umstehenden. Triumph, Ihr Herrn! Zum Reisigen. Du bist ein Schlaukopf, der den schlechten Anfang Der Rede durch des Schlusses Gold verbrämt! – Laßt ihm ein Pferd und beßre Waffen reichen. Zu den Rittern. Umsonst sucht' ich mit eifrigem Bemühn, Den Bischof aus der Stadt zur Schlacht zu locken. Jetzt seid gewiß, trifft Philipp ein, läßt's ihn Nicht drinnen mehr! Dem Helfer helfend wagt Der Pfaffe sich ins offne Feld. Ein Schlag Vernichtet beide dann, wenn unsre Schwerter Die alten noch, und öffnet uns die Stadt. stürmisch das Schwert ziehend. Hoch lebe Franz! Führ Philipp uns entgegen, Des Sieges macht dein Banner uns gewiß. ebenso. So sei's! Hoch lebe Franz! hinter der Szene. Ihr mich zurückhalten Von meinem Herrn? Mich, der jetzt seit vier Tagen Mit den Minuten um die Wette läuft, Um früher ihn zu finden? Lange Schufte Ihr! Mit jeder Hand einen Lanzknecht, der ihn hindern will, weit von sich schleudernd, kommt Kurt auf die Bühne gestürzt und sinkt mit den Zeichen äußerster Erschöpfung vor Franz zusammen. Ach lieber Herr! – so hab ich endlich Euch! Wie Kurt, du bist's? Was treibst du hier? Ich ließ dich Auf Landstuhl bei der Burgmannschaft zurück, Beim Balthasar. Was willst du hier? So rede! nach Luft ringend. O gleich, Herr – gleich – ich kann nicht mehr – bin auch Der Kurt nicht mehr – denn seit vier Tagen bin ich – Zum Windhund worden – Bringt 'nen Becher Weins, Daß er sich stärke. Laßt mir lieber bringen – 'ne neue Lunge – Herr – die alte lief ich – In Stücke, fürcht ich – Ein Landsknecht bringt ihm einen Becher. Kurt faßt ihn mit beiden Händen und leert ihn mit einem hastigen Zuge. Ah! Im Humpen wohnen Selbst neue Lungen! Willst du reden jetzt! Ja, Herr! – Auf Landstuhl also ließt Ihr mich Zu Balthasars Befehl. Der stellte mich Zu dem Geleit, das Euch die Pulverfässer Von dort zuführen sollte. Sprich, wo weilt So lange der Transport? Wir hatten noch Nicht einen Tagesmarsch zurückgelegt, Als uns im Frieden – ohne Fehdekünd'gung – Der Pfalzgraf überfallen ließ, zur Beute Die Fässer nahm – heftig auffahrend. Der Pfalzgraf, sagtest du? Das lügst du, Bursch! Ich lügen, Herr? Hört weiter! Er warf uns nieder, macht' uns zu Gefangnen; Doch nicht genug! An starken Heeres Spitze Rückt er im Eilmarsch wider Euch heran; In dreien Tagen steht er hier wo ich. Uns führt' er mit sich bei dem Troß, doch mir Glückt' es zu fliehn. Tot lief ich mich, um Euch Zur rechten Zeit die Nachricht kundzutun. Wartet Ihr's ab – so seht Ihr, ob ich lüge. der währenddessen in der heftigsten Erschütterung dagestanden, zu Ulrich. Sieh, Ulrich – das – das traf ins Herz! – – – Von allen Fürsten er war es allein, Den ich geliebt, dem dieses Herz vertrauend Entgegenschlug. Im Blut gehärtet waren Die eh'rnen Bande, die uns beide einten! Für ihn Rebell an Kaisers Majestät, Um seiner Treu' zu ihm bestieg mein Vater Das Blutgerüst! Für ihn entrollte schmählich Sein edles Haupt des Henkers blut'gem Beil. Ich hielt die Treu', in Vaters Blut getauft: – So lohnt er, Schweickhardts Sohn, so lohnt er mir! Auf alles – darauf nicht war ich gefaßt! Nur ihn nicht glaubte ich als Feind zu sehn. – Zertrümmert liegen meine Rechnungen, Mit einem Riß zuschanden ward gemacht Menschennatur und Menschenwitz durch – Fürstenehrgeiz! Er tritt, während ihn Hutten mit dem Ausdrucke größter Teilnahme umarmt, einige Schritte in die Reihen der Umstehenden zurück, unter welchen seit der Erzählung Kurts ein immer steigendes Gemurmel und Bewegung um sich gegriffen haben. Mir deucht, es nimmt das Spiel ein schlimmes Ende! Wir sind verloren, wenn wir sie erwarten. Nicht weniger verloren, wenn wir ziehn. Denn ziehn wir ab, rückt uns der Richard nach. Verlaßt Euch drauf, das wird er sicherlich. Verfolgt, umschlossen von dreifachem Heer – Wie wollt Ihr einen Rückzug da vollbringen? – Was sagtet Ihr? Ich? Nicht ein Wort! Ich weiß Sowenig einen Rettungsweg wie Ihr. der inzwischen mit verschränkten Armen in sich versunken dagestanden, wieder in die Mitte des Kreises tretend. Wer spricht hier von verloren? Was ist hier Verloren? Seid Ihr Männer – oder seid Ihr Schranzen der feilen Glücksgöttin? Könnt Ihr Nur buhlen um die Lächelnde und schreckt Vor ihrem ersten Stirnrunzeln zurück? – Der Starke zwingt das Weib, daß, Sklave seines Willens, Das will'ge Lächeln ihr zurückekehrt. Am Ende nicht, am Anfang stehen wir Von unsrer Kraft und unserm Unternehmen. Dreifaches Heer bedroht uns – mehr als das Der Pulvermangel. Er zwingt uns zum Abzug. – So führ ich durchs Gebirge Euch zurück Und bring Euch wohlbehalten hintern Feind. Weh dem, der sich in meinen Rückzug wirft! Des Heeres Rettung ist des Feldherrn Pflicht. Entwölket Eure Stirn und greift nicht ein In des Franziskus Sorg' und Amt. Wenn dann Der Feind umgangen ist, entlasse ich Für dieses Jahr des Heeres größern Teil – schnell einfallend. Das Heer entlassen, wahrend jene drei Gerüstet dir in Waffen gegenstehn? Kann ich solch Heer in meinen Burgen wintern? Soll ich's in meiner Freunde Festen legen, Ihr Gut verschlingen noch vor dem Beginn Des großen Kampfs? – Zudem, es hat nicht Not Für dieses Jahr. Der Winter bricht herein Nie werden sie zu solcher Frist es wagen, Der Ebernburg zu nahn. Doch eh' ich sie Entlasse, nehm die Hauptleut' ich in Pflicht, Beim ersten Strahl der nächsten Frühlingssonne Gesammelt und durch Werbungen verstärkt Die Fähnlein alle mir zurückzuführen. Der Pfalzgraf aber, was gedenkst du ihm – Zwölf Edelknaben sollen ihm die Pflicht Aufkündigen, an ihrer Schwerter Spitze Den Fehdebrief des Sickingen ihm reichen. Zu Ulrich. Du, Ulrich, sollst zur großen Zürich ziehn, Wo mir der Eidgenossen mächt'ges Volk Zuzug seit lang versprach, wenn einst es gelte. Jetzt ist es Zeit! Betreibe dort, wo man Dich ehrt und liebt, die zugesagte Hülfe, Der tapfern Männer axtbewehrte Reihn Führ du nach Deutschland meinen Burgen zu. Zu den Rittern. Euch aber setz ich einen Tag in Schweinfurt aus, Dorten erscheint mit Euren Sippen, Schwähern; Den ganzen Adel will ich hin entbieten Zu dem Konvent. Jetzt gilt es, wahrzumachen, Was Ihr in Landau mir geschworen habt. Des Bunds Genossen alle sollen rüsten, Es waffne sich die ganze Ritterschaft! Vertrau auf uns wie auf dein eigen Selbst! Nur eine Probe war der Waffenzug; Die ernste Ausführung dem nächsten Jahr! Geöffnet liegen unsrer Feinde Karten, Klar scheidet Freund und Feind sich. Alles ist Gewonnen, bleibt der alte Mut Euch treu. Jetzt erst entfalten wir die volle Kraft, Der Winter diene Euch zur Werbefrist Und allen zum Signal die neue Sonne. Der erste Hauch des neuen Frühlings soll Von Winters Eis und von des Landes Fesseln Zugleich befrein des deutschen Volkes Erde; – Ein neues Deutschland bringt das neue Jahr! Zum neuen Jahr das alte Glück mit dir! Während alle abgehen, fällt der Vorhang. Ende des vierten Aktes. 5. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt Ein gewölbtes und fest gemauertes Turmzimmer in der von den Einungsfürsten hart belagerten Burg Landstuhl. Sickingen in einem Lehnstuhl. Er ist in voller Rüstung, doch ohne Helm. Etwas hinter ihm an einem kleinen Tische unter Papierschaften wühlend und Chiffre-Briefe schreibend Balthasar. Auf der entgegengesetzten Seite des Zimmers Philipp von Rüdesheim, vor ihm ein Humpen mit Wein. Marie, ordnend, Gerätschaften beibringend und entfernend, geht ab und zu. Von Zeit zu Zeit hört man das Krachen der Geschütze. aufstehend und den Becher, den er zum Munde geführt hat, heftig auf den Tisch stoßend. Verdammt! Nicht mal der Wein mehr mundet! Und ganz mit Recht! Wenn deutscher Männer Blume, Die Treue, sinkt, so wandle sich in Galle Der deutsche Wein, vergifte diesem feig Entarteten Geschlecht die letzte Lebensfreude. Still, Philipp! Lästre nicht die Freunde, bis Ihr Fehl erwiesen ist. Was braucht's da noch Erweis? Ist unsre Lage nicht Erweis genug? Erweis das Krachen der Kartaunen draußen? Erweis dies letzte Loch, das vor den Kugeln Des Feinds uns schwerlich lang noch sichern wird? Du weißt, weit früher, als ich selber ihn Erwartet, hat der Feind sich eingestellt. Gewiß, sie ahnen unsre Lage nicht. Wenn sich der Feinde Haß verfrühen kann, Warum der Freunde Eifer nicht? Zudem – Hast du nicht Brief auf Brief an sie geschickt, Die dort der Alte fein in Chiffern faßte? Nicht alle Briefe langen sicher an, Und leichter dringt des Feinds argwöhnisch Auge Durch die Verkleidung eines Boten durch, Als dieser durch das Heer des Feindes dringt. Ach was! Im Frühjahr sind wir lang schon, deucht mich! Lange Mußten von selbst sie da sein. Auch bin ich Von Tag zu Tag gewärtig ihres Zuzugs, So wie der Fähnlein, die ich werben ließ. Ja wohl! So sagst du seit acht Tagen schon, Doch das scheint klar, wirst keine zweite Woche Zu warten haben, denn vorher noch dürfte In seinem Schutt uns dieser Turm begraben. Teufel! Das Haus war fest, doch sind wir hier Nicht auf der Ebernburg, der unbezwinglichen! Dort hätten sie gar lange schießen mögen, Auch hätten sie uns dort ihr Lebtag nicht So nah geschanzt! Man hört ein furchtbares Krachen oberhalb der Decke des Gewölbes. Alle außer Franz blicken unruhig auf. Horch, hörst du? Sorgfältig an der Decke umherblickend. Sag, wie lange – Und diese Quadern wirbeln um uns her Und spielen Ball mit unsern eignen Köpfen! aufstehend und mit verschränkten Armen durchs Zimmer gehend; halb für sich. Wahr ist's! Mein Lebtag hab ich nicht erhört So greulich Schießen! In den Kaiserkriegen Nichts, was dem nur zur Hälfte nahekam. Weiß Gott, woher sie alle das Geschütz Zusammenbrachten. wie zuvor. In so kurzer Zeit So sehr bedrängt sein in so festem Haus – Nie hätt' ich es geglaubt! Auch ist es wahrlich, Als ob ein Geist in jeder Kugel stecke – Als kennten sie sich aus auf jed' Geheimnis Der Burg; denn stets in ihre schwächsten Stellen Schlägt ihr Geschütz. – Wirklich, sehr sonderbar! Bleibt sinnend stehn. Der Teufel ficht für seine Pfaffen. die Faust heftig ballend. Ich möchte wütend werden. Ihnen hier Zur Scheibe dienen müssen, da wir sie Mit ein'ger Hülfe draußen schmeißen könnten! gefaßt, sich setzend. Still, Philipp! Stürzt der Turm, so ziehn wir Ins Felsgewölbe uns zurück. Daß sie Wie eine Kröte breitgeschlagen dich Dann unterm Schutt vorziehen? Oh, du hast gut Die Freund' entschuldigen! Du selber trägst Die größte Schuld; du bist es, den am meisten Der Zorn trifft, der in meinen Adern kocht. Mich? Oh, du weißt's recht gut! Ist mir's um mich? An deiner Freiheit, deiner Sicherheit Lag alles – alles steht und fällt mit dir. Du aber hast verschuldet dieses Elend! Nicht davon sprech ich, daß du vor'ges Jahr, Unzeit'ger Großmut voll mit Freunden, die Dich jetzt verlassen, aufgelöst das Heer – Doch hier in Landstuhl dich einschließen, statt In deiner Festen stärkste dich zu werfen, Die Ebernburg – fast ärgerlich. Du weißt, der Feind hat hier Mich überrascht – Nicht überrascht! Du hattest Noch einen halben Tag vor dir, eh' dort Am Waldessaum des Feindes Reiterei Erschien. Dreihundert Reis'ge schicktest du Mit ihren Pferden fort, um Platz und Vorrat Uns nicht zu mindern – oh! was bat ich dich Mit abzuziehn! In vollster Sicherheit Hättst du's gekonnt – doch du – halb unwillig. Schimpflich Wär's mir gewesen, aus so festem Haus Vorm Feind zu fliehn, ohn' einen Schuß zu tun! Wie trefflich hätte es mir angestanden, Die Edlen, die in diese Burg sich warfen, Die treuen Diener hier zurückzulassen Allein in ihrer Not, an mich nur denkend! So sprachst du damals auch. Das ist's ja eben, Was ich dir nie verzeihen kann! Was ist An solchen Kerls wie ich und die gelegen? Um dich nur handelt sich's. Alles stand glänzend, Ritt'st du hinweg – die Burg hielt ich so gut wie du. Franz, Des Feldherrn Anblick hebt des Söldners Kraft, Gießt ihm Entschlossenheit in seine Adern. Gleichviel! Ich hielt die Burg, hielt sie – Solang ein Stein von Landstuhl übrig war. Und nahmen sie sie gar – was war verloren? Sie hatten einen wüsten Schutthaufen Bezahlt mit einem halben Heer, derweil du Auf Ebernburg in Freiheit ihrer lachtest. Doch niemals kam's so weit – denn warst du frei, So konntest selber du die Freunde spornen. Dann freilich rissest du die Säum'gen fort! An ihrer Spitze konntest du alsdann Im Rücken der Belagerer agieren. Ein träges Roß, das Reiters Sporn bedarf. Und wo gibt's großem Sporn als Manneswort? Du siehst nun selbst jetzt, wie es damit steht. Was hatte man dir damals nicht versprochen! Aus Böheim selber sollte Hülfe zuziehn – Nicht einer kommt! – Als ich dich damals flehte, Beschwor, hinwegzuziehn, da sagtest du, Wenn's Zeit wär', wolltest du schon noch hinaus. – Jetzt wär' es Zeit, jetzt zeige, wie du's kannst, Wenn du nicht Flügel nimmst. mit einem Becher Wein wieder auftretend, den sie Philipp präsentiert. Herr Ritter! Ich bring Euch andern Wein – vom besten ist er, Er wird Euch sicher munden, Euern Unmut Sänftigen. Nehmt und trinkt, und quält mit Vorwurf Mir meinen Vater nicht. Holdsel'ges Fräulein! Besser als Wein scheucht Eurer Stimme Ton Jedweden Unmut fort. Ein Engel seid Ihr! Ich glaube, Euch nur haben wir's zu danken, Wenn noch die Burg sich weigert einzustürzen Auf unsre Häupter. Rührend ist's zu sehn, Wie der Belagrung hartes Ungemach Ihr ohne Klage mild und lächelnd tragt. die Tochter zu sich winkend, die sich zu ihm niederbeugt und an ihn schmiegt. Marie! Er liebkost sie. Du ungerechter Philipp! Sie Belobst du, daß sie blieb; und tat sie nicht Schwer Unrecht, ihren Vater so zu täuschen? Damals, am letzten Tag, als ich die Schar Der Reisigen fortschickte, gab ich ihr Befehl mit fortzuziehn. Doch sie verschwor sich Mit ihren Zofen, nahm zum Scheine Abschied, Derweil von ihren Frauen eine unten In ihrer Sänfte ihre Rolle spielt. Ich konnte nicht hinunter, hatte hier Vollauf zu tun. So hält sie sich verborgen, Und als der Feind heran – Sie streichelnd. kömmt die Betrüg'rin Abends hervor! Sie hatte Recht! Ihr Platz Ist neben dir – Ein noch furchtbareres Krachen der Geschütze als das erstemal ertönt, gefolgt von dem Geräusch umstürzenden Mauerwerks. Alle fahren von ihren Plätzen auf, mit Ausnahme von Franz, der sich sitzend umschaut. Das war ein harter Schlag; der kostete Ein Stück der Mauer. – Philipp, geh und sieh, Was es gegeben; laß aufs schleunigste Flicken den Riß. den Helm aufsetzend. Ich eile schon! Er eilt hinaus. Marie entfernt sich still. 2. Auftritt Zweiter Auftritt Franz. Balthasar. Letzterer lehnt sich von seinen Schreibereien in den Sessel zurück. Kleine Pause. Franz sieht ihn mit einem langen forschenden Blick an. Balthasar scheint vor sich hin zu sehen. Nun, Balthasar? Herr! Sprich, hast du nicht auch 'nen Vorwurf in Bereitschaft? Deine frost'ge Gezwungne Miene zeigt ihn deutlich an. Sprich nur! – ich hab das Heer entlassen, habe Vorm Feind nicht fliehen wollen, hab noch sonst Ich weiß nicht was getan! Sprich nur heraus, Zerteilet euch die Haut des kranken Löwen. – Von alle diesem, was wirfst du mir vor? gedehnt. Ich? Nichts! aufstehend und im Zimmer auf- und abgehend. Ja wahrlich, dann muß schlimm, sehr schlimm Es mit mir stehn, wenn Balthasar nicht 'mal Mehr einen Vorwurf für mich hat! Ihr irrt! – Jungblütgen Toren überlaß ich es, An Dingen mäkeln, die nur Folgen sind Des einmal eingeschlagnen Wegs. – Der Weg Ist es, um den sich's handelt, nicht die Schritte, Die einzelnen, die er sich selbst erzwingt, Im enggeschloßnen Gleise sie erzeugend. Wo zielst du hin? Herr – glaubet Ihr An Todesahnungen? Alter, was ficht Dich an? aufstehend und sich Franz nähernd. Daß man des Todes Stunde ahnt – Ich glaub es nicht – das aber weiß ich sicher: Den Todfeind ahnt jed' Wesen sich heraus. – Es ist wie ein Gesetz, das die Natur durchzieht, Im unvernünft'gen Tier sogar sich kündend. Der Vogel bei der Klapperschlange Blick Bebt scheu zurück, sein Los vorhererkennend. Noch eh' der Samum naht, wirft das Kamel Geschloßnen Auges zitternd sich zu Boden. Noch mächt'ger wirkt im Menschen der Instinkt. Dem Freund mußt du dich zu erkennen geben, Ihm, oft umsonst, versichern, daß du's seist. Der Feind allein, wie sehr du dich verstellst, Hat bald dich raus – ist deine beste Schätzung. Es wertet dich sein Haß gerechter als Die große Meng', oft als der Freund dich wertet. Es wittert schnell der Lebenstrieb in ihm Den Untergang, den ihm dein Wesen droht. Mächt'ge Naturen schätzt der Feind voraus, Lang eh' der Freund in Hoffnung ihnen naht. So sagte jener Sylla einst vorher Vom jungen Cäsar, daß er fällen werde Den Adel Roms, als noch kein Marianer Den Optimatenstürzer in ihm sah Was soll das alles hier? Was das hier soll? Ihr habt es nicht gewußt! – Daß Ihr's nicht wußtet, zahlt Ihr jetzt so teuer! Die Fürsten glaubtet Ihr beim Trierer Zuge Zu täuschen? – für geringe Fehde sollten sie's, Für einen Handel nehmen zwischen Euch Und Richard nur? die Fürsten habt Ihr nicht getäuscht! Sichern Instinktes sah ihr Haß in Euch Den allgemeinen Todfeind ihres Stands, An allen Höfen Deutschlands scholl es laut: Seitdem es Fürsten geb', sei gegen sie Nichts so Gemeingefährliches begonnen. Die Freunde nur habt sorglich Ihr getäuscht: Der Nation galt es als solche Fehde! Drum bleibt sie ruhig, Städte, Landvolk, läßt Euch Mit eigner Kraft den eignen Handel enden, Derweil scheu durch des ersten Schlags Mißlingen Der Adel zögernd sich zurückehält. Mit erhobener Stimme. Selbst unterbandet Ihr die Adern Eurer Kraft, Das Lebens-Herzblut habt Ihr rückgestaut, Das zugeströmt Euch wäre – der mit sichtlicher Ergriffenheit zugehört hat. Balthasar! Halt ein! Erdrücke mich mit Vorwurf nicht. Es ging nicht anders – noch war es zu früh, Mich offen zu erklären – Trier mußte, Der Waffenplatz, mir erst gewonnen sein. Der Plan war gut, alles genau berechnet. Wer kann den Zufall meistern – und wer darf Zur Anklage ihn grausam umgestalten? O nennt nicht Zufall, was notwendig ist! Weil Ihr den Zufall nicht berechnen könnt, Ist's Torheit, auf des Zufalls schwanke Spitze Das Weltgeschick zu setzen. War's zu früh, So mußtet Ihr geruhig warten noch, Doch schlugt Ihr los, so war's Euch besser, Ihr Erhubt Euch offen gegen Kaiser Karl, Schriebt Umformung der Kirche und des Reichs Mit großen Zügen lesbar auf Eu'r Banner, Ja besser selbst, Ihr rieft kraft solcher Titel Und solchen Rechts Euch kühn zum Kaiser aus, Entfesseltet den Strom der Nation, Den nur mit Mühe noch sein Bette dämmt, Als dies Versteckens mit dem Freund zu spielen, Das Eurer Feinde – keinen blind gemacht. – Genau berechnet, sagt Ihr! Ja, das eben, Das eben ist's! Durch Eure Klugheit stürzt Ihr. Das Größre hättet Ihr gekonnt, das Kleinre Konntet Ihr nicht! Oh, nicht der erste seid Ihr, werdet nicht Der letzte sein, dem es den Hals wird kosten, In großen Dingen schlau zu sein. Verkleidung Gilt auf dem Markte der Geschichte nicht, Wo im Gewühl die Völker dich nur an Der Rüstung und dem Abzeichen erkennen; Drum hülle stets vom Scheitel bis zur Sohle Dich kühn in deines eignen Banners Farbe. Dann probst du aus im ungeheuren Streit Die ganze Triebkraft deines wahren Bodens Und stehst und fällst mit deinem ganzen Können! Nicht daß Ihr stürzet, ist das Schrecklichste – Daß, wenn Ihr stürzt, Ihr hinsinkt in der Blüte Der unbesiegten, ungebrauchten Kraft, – – Das ist es, was ein Held am schwersten trägt. der währenddessen mit immer heftiger arbeitendem Gemüte auf und ab gegangen, plötzlich stillstehend. So hältst du wirklich für verloren mich? Herr – tät' ich das – nie spräch' ich so mit Euch Und drückte nutzlos Euch des Vorwurfs Stachel In Eure große Seele! – Nein – noch ist Verloren nichts, was nicht durch kühnen Zug Noch doppelt wieder zu gewinnen wär'. Wie, Herr! Ist dieses Mauseloch Der Grenzumfang von des Franziskus Macht? – In Euch liegt Eure Macht, in Eurem Namen, In dem Vertraun, das in des Volkes Herzen In warmer Neigung Euch entgegenschlägt. Es scheiden nur die Mauern dieser Burg Von Eurer Kraft, von der Nation Euch ab. Schwer trägt das Land des schlechten weltlichen Regimentes Druck, der Kirche Tyrannei, Versucht vielleicht in nicht gar langer Zeit Selbst ohne Euch des Jochs Zertrümmerung. Indem er Franz vertraulich naher tritt, mit leiserer Stimme. Herr, als im Elsaß und im Oberlande Ich für Euch warb, hab ich seltsamer Dinge Gar viel erfahren, manches ausgespäht. – Im Landvolk gärt's! Es spinnt sich was. Weit geht's Durch alle Gau'n. Wie unter leichter Decke Verderbenschwangern Schoß Vulkane bergen, Glimmt ein verzehrend Feuer mächtig fort. Mit Wärme. Sprecht aus das rechte Wort, und hell empor Schlagen die Flammen, die verborgen züngeln. Das Landvolk ruft – und hunderttausend Bauern Erheben sich zu einem Heere Euch! – Sprecht aus das Wort und gebt, indem Ihr's sprecht, Deutschland zum Heer Euch, Euch dem Land zum Führer! in großer Bewegung, den Arm emporhebend. Ich will's – – das heißt – Den Arm sinken lassend. Ich wollt' es! – Balthasar, Du sprichst im Traum! Vergißt du, daß ein Heer Mich hier in dieser Burg gefangenhält? mit einem forschenden Blick auf Franz. Es gilt demnach, ein Mittel auszufinden, Das freien Abzug Euch verschaffte, Herr! Wie – wenn Ihr ihn durch Übergab' erkauftet? Wie? Übergabe! – – Und wenn ich's selbst wollte, Kannst du dran denken, daß sie will'gen würden In solchen Pakt? Du weißt, des Krieges Recht Fordert nach unvordenklichem Gebrauch, Daß man vor der Belagrung einer Burg Die Übergabe fordert, freien Abzug Der Mannschaft drin gewährend, falls sie willig Und eh' ein Schuß getan die Feste gibt. Ich weiß. Und weißt auch, daß, als sie mich überzogen, Obschon sie's dreist gekonnt ohn' alle Furcht Der Annahme und dies auch selber wußten, Sie keine Auffordrung an mich erließen. So taten sie, als diese Burg noch fest, Als ich sie oftmals noch durch Ausfälle Zurückeschlug, die Schanzen ihnen brach Und Hoffnung auf Entsatz mit jedem Tage Des Spieles Wandlung mir versprach. Und jetzt, Jetzt, wo ich eingeschlossen bin, die Feste Schon halb zerstört – jetzt sollten sie's gewähren? O niemals tun sie das! Es handelt sich Für sie um mich, und nicht um diese Burg. So meinte jch's auch nicht. Gebt acht! Trefflich Befestigt und gar wohl bemannet trotzen Die andern Eurer Burgen noch dem Feind. Der Drachenfels, die Hohenburg, vor allem Schreckt ihn die Ebernburg. Mit Furcht nur wird Er nahen ihr. Selbst wenn Ihr fern, kann er Nach langer fährlicher Belagrung nur Sie zwingen, wenn er wirklich sie bezwingt. Zudem – noch weiß er nicht, wie sehr wir hier Bedroht schon sind, sonst freilich lehnt' er wohl Den Vorschlag ab. Doch da es also steht – Wie wär's, wenn Ihr zu eignem Nachteil ihn Bestechen könntet? Durch die Übergabe Der Burgen all Euch freien Abzug kauftet? auffahrend. Du rasest, Balthasar! Die Ebernburg, – Dies Bollwerk meiner Macht – – ich sollte – mit Würde. Da draußen harret Euer die Nation. in heftiger Gemütsbewegung mit dem Fuß aufstampfend und mit schmerzlichem Ausdruck. Wo sind sie nun! Wo sind sie alle jetzt, Der Aremberg, der Horn, der Fürstenberg, Die Schweizer, die von Straßburg, die von Landau, Wo sind sie alle, die mir einst so viel, So viel versprachen und – so wenig hielten! Er birgt sein Haupt in den Händen. bewegt. Und kamen sie, sie kämen doch zu spät! – Herr! Grämt Euch also nicht. Mit leichtrem Kampf, Als jetzt Ihr kämpft erringt Ihr wieder das Verlorene! – Was macht es dem wohl aus, Der eine Welt erobern will, von sich Zu werfen ein'ge Hufen Lands! – Doch, Herr, Bedenket, daß vor allem Eile Not. Lehrt sie ein Unfall kennen unsern ganzen Drang, Nie tun sie's! nach einer Pause des heftigsten innersten Kampfes mit der gewaltsamsten Anstrengung. Ruf mir den Herold her! Balthasar ab und bald darauf mit dem Herold zurück. Herold! Zum Feinde send ich dich. Und diesen Vorwurf heiß ich ins Antlitz dich ihm schleudern: Verletzt hat er das Recht des Kriegs in mir, Hat nicht gefordert diese Burg. – Ich fordre jetzt Mein Recht, das unerfüllte, stelle ihm Für freien Abzug alles Lebenden Die Burg anheim. Herold verneigt sich. Und ist dies alles, was Ihr ihm zu sagen habt? O Balthasar – Ich kann nicht – kann nicht weitergehn – kann nicht Erbieten selbst, was nur mit Widerstreben, Was ich errötend nur gewähren könnte. Wenn sie's vorschlügen – möglich, ja, daß ich – Doch selbst – nein, niemals, niemals, Balthasar! Herr, ich versteh Euch. Selber will ich mit Dem Herold ziehn, den Feind ausholen, will Ihm seine Zunge lenken, daß sie anlangt Am vorbestimmten Ort und als Bedingung Von uns verlangt, was wir gewähren wollen. ihn umarmend. Auf deine Zunge leg ich meine Ehre! Vertraut auf mich Will gehen. Sie umarmen sich nochmals und gehen, Balthasar mit dem Herold nach der einen, Franz zur andern Seite ab. 3. Auftritt Dritter Auftritt Gastzimmer einer einsam gelegenen Schenke im Oberland. Es ist spät Abend, das Zimmer finster. Es klopft stark an die Tür. im Nebenzimmer. Gleich, gleich! Das Pochen wiederholt sich. Ich komme schon. Das Pochen wird stärker. Mit einer Laterne erscheinend. Ja, ja! Geduld! Wer pocht denn da so gotteslästerlich? Er hat inzwischen die Tür erreicht und öffnet sie. Je nun, für einen, der bei solchem Unwetter Zu Fuße reist, macht Ihr 'nen Teufelslärm. das Gesicht durch ein großes Pflaster und einen Bart entstellt, schnell eintretend. Hui! Er macht dem Wirt mit der Hand ein geheimes Zeichen. überrascht. Was? Einer von der Bruderschaft? Ja, dann verzeiht! Er geht an die Tür, um sie wieder zu verschließen. Jos Fritz hat indes einige Schritte nach dem Vordergrund gemacht und Mantel, Pflaster und falschen Bart abgenommen. Er trägt eine etwas phantastische ritterliche Tracht, um den Leib einen Waffengurt mit mehreren Dolchen und ein Schwert. zu ihm zurückkehrend. Wie? Ihr seid es, Jos Fritz? Willkommen herzlichst! Langt Ihr eben an? seine Sprache ist rasch und etwas abgebrochen. Kam vor'ge Nacht in dieser Gegend an, Auf den Gehöften macht' ich heut die Runde. Wo kommt Ihr her? Wo waret Ihr! Was bringt Ihr Für Nachricht mit? Hoho! Ihr fragt ja wie Ein Torschreiber und laßt vor lauter Fragen Zur Antwort keine Zeit. – War lang nicht hier, Bin weit herum gewesen. Doch dafür Bring ich Euch auch gewicht'ger Zeitungen Gar viele mit Alles geht gut. Wohin Ich kam, in allen deutschen Gauen ist Der Bau'r bereit zum Werk. Die Schinderei Die Pfaffen und der Druck der Herren hat Sein Äußerstes erreicht. Weithin ist alles Aufs beste vorbereitet. Wenig nur Ich noch vonnöten und – die Stunde schlägt. Ein jed' Ereignis, das geeignet scheint, Kann das Signal zum Losbruch geben. – Doch Jetzt ist zum Schwatzen keine Zeit. Bald sollt Ihr Näheres erfahren denn hierher Beschieden hab ich der Gemeinde Brüder. Mit jedem Augenblick erwart ich sie. Drum eilet Euch. Setzt Lichter dort – Es klopft. Aha! Da klopft man schon. Laßt nur, ich selber will Öffnen, die Losung ihnen abzunehmen. Macht Eure Sach' indessen, aber setzt Die Lichter weit zurück, daß sie die Tür Möglichst im Dunkeln lassen. Wirt ins Nebenzimmer, von wo er Lichter, Stühle und Becher holt und sie an einen langen Tisch links an der Ecke der Bühne aufstellt. schreitet auf die Tür zu und öffnet sie halb. Wie der Eintretende auf der Schwelle er scheint, redet er ihn an. Loset, sagt an! Was ist das für ein Wesen! stehenbleibend. Wir können vor Pfaffen und Adel nit genesen. 's ist recht. Kommt näher. Er schließt die Tür. Zum Bauer, der inzwischen Mantel und breitkrempigen Hut, der sein Gesicht verborgen, abgelegt. Ah, Hans von der Matten. Reicht ihm die Hand. Bin ich der erste noch? Der erste. Doch Ihr werdet nicht gar lang zu warten haben. Macht s Euch bequem. Man klopft. Holla! Er eilt an die Tür um sie zu öffnen wie vorhin. Loset, sagt an! Was ist das für ein Wesen? Wir können vor Pfaffen und Adel nit gewesen. Gut. Tretet näher. der inzwischen Becher und Lichter auf den Tisch gesetzt hat. So! Nun bin ich fertig, Und kann Euch ablösen. Er postiert sich, während sich Jos Fritz in den Vordergrund begibt, an die Tür. Rasch aufeinander kommen mehrere Bauern, denen der Wirt öffnet, auf der Schwelle leise mit ihnen spricht und sie dann hereinläßt. Die Angekommenen setzen sich teils an den Tisch, teils gruppieren sie sich um Jos Fritz und sprechen leise mit ihm. zu Jos. So meint Ihr, daß Wir auf die Städte rechnen können? Hm! Wie ich Euch sagte, Jäcklein! Überall Ist uns die untre Bürgerschaft geneigt, An vielen Orten die Gewerke hold. Ein andres freilich ist es mit dem Rat, Der Ehrbarkeit und was da drum und dran hängt. Stehn wir allein in der Bewegung, werden Wohl nimmer sie dem Bauer sich vereinen. – Doch ist es Not, so werden sie geduckt. hinzutretend. Ich glaub, wir sind vollzählig jetzt. Ihr könntet Beginnen, Jos. Setzt Euch; nehmt alle Platz. Sie setzen sich. Jos nimmt den Vorsitz am Kopfe des Tisches ein. Wir müssen fünfzehn sein. Sind wir beisammen? Den krummen Stephan seh ich nicht. Hier bin ich ja! So sind wir voll. Fünfzehn. hat gezählt. Fünfzehn, 's fehlt keiner. So laßt uns denn beginnen. Doch zuvor Schließt ab die Tür. Der Wirt geht zur Tür, schließt sie und kehrt an den Tisch zurück. Brüder! Versammelt seid Ihr, Und so Bericht und Rechenschaft von mir, Wie Anweisung für Euer weitres Tun Heut zu empfangen. Nah bevor steht uns Die Stunde, wo – Man klopft stark an die Tür. Alle horchen mit gespannter Aufmerksamkeit auf. Es klopft! Wer kann das sein? Ich öffne nicht. schnell. Gewiß nicht! Doch es könnte Auffällig sein, wenn Ihr nicht öffnetet. Es klopft wiederholt. Wie aber, wenn es Späher sind? Dann ist's Erst recht vonnöten, daß er Einlaß gibt. Mit einer bedeutsamen Pantomime auf seinen Waffengurt schlagend. Stumm – sichert uns allein des Spähers Mund. sein Messer heftig ziehend. Jawohl, Jos Fritz. Und ist's so ein Halunke – heftig. Steckt Euer Messer ein, Hans Unbedacht Stets lauft Ihr über! Das Klopfen wiederholt sich; zu den Bauern. Nehmt ein harmlos Aussehn an, Als saßet Ihr gemütlich hier beim Glas. Zum Wirt. Ihr aber, öffnet jetzt. will gehen. Wenn Ihr es wollt. Halt! Gebt mir Zeit, mich erst noch zu bepflastern. Er tut Pflaster und falschen Bart wieder an. Der Wirt öffnet. 4. Auftritt Vierter Auftritt Ulrich von Hutten. Die Vorigen. eintretend, in Reisekleidung; zum Wirt. Nehmt meines Pferds Euch an. Wirt ab. Nach dem Vordergrunde schreitend. Welch eine Nacht! Wie stimmt dies Unwetter zu meinem Innern. In Strömen peitscht der Regen. Also strömt Bange Besorgnis durch die Seele mir, Auflockernd alle feste Manneskraft. Und wie der jähen Blitze gelber Schein Unsichern Lichts die Finsternis erhellt, Zuckt Ungewißheit peinvoll durch die Brust, Im grellen Streiflicht der Befürchtungen Des Freundes unbekannte Lage zeigend. Er hat inzwischen Barett, Mantel und Handschuhe auf einen Tisch gelegt an der den Bauern entgegengesetzten Seite des Zimmers. Diese haben währenddessen, scheinbar eifrig mit einander plaudernd, verstohlen, aber forschend, Ulrich betrachtet, vor allen Jos Fritz. für sich. Den Ritter, mein ich, sollt' ich kennen. zu dem zurückkehrenden Wirt. Seid Ihr da der Wirt? So ist es, Euer Gnaden. Bringt einen Becher Weins. Sogleich. Ab. der inzwischen von seinem Sitze aufgestanden und, um ihn besser zu betrachten, um Ulrich herumgeschlichen, der in Sinnen verloren dasteht. Bei Gott! Ich will verdammt sein, wenn er es nicht ist! Er kommt Ulrich noch näher und entfernt sich dann einige Schritte. Kein Zweifel mehr, er ist's! Welch günstiges Zusammentreffen! – Unbenutzt es lassen, – Jos Fritz, wär' Torheit, mehr als Torheit noch, Und größere als dir gegeben ist. – – Wie dies Begegnen unklare Gedanken, Unsichre Plane, still gehegte Hoffnung Zur vollen, reifen Blüte plötzlich bringt! Wenn's einer bei ihm kann, ist er's – und er Ist's wieder, wenn es einer will. – – Wenn je Ein Augenblick dazu geschaffen war, – So ist's der jetzige – – Hui! – – Den Kopf entschlossen schüttelnd. Drauf und dran! Er nähert sich wieder Ulrich. sinnend. Die erste Nacht auf deutschem Boden wieder! – Vielleicht, daß ich sie nutze, daß ich hier Auskunft, wenn dürft'ge nur, erlangen kann. Er sieht auf und gewahrt Jos Fritz, der ihn ganz nahe lauernd betrachtet; mit der Hand nach dem Degengriff fahrend. Was wollt Ihr mir? Zurück, wenn's Euch beliebt! Herr Ritter, sprecht! Erkennt Ihr mich nicht mehr? Ich Euch sowenig, wie Ihr, hoff ich, mich. Wie denn, Herr Ritter! Ich sollt' Euch nicht kennen? Euch nicht, die Blüte Eures Standes, Euch, Den besten Mann in Deutschland! – Aber nein, Will Euch nicht schmeicheln. Einer lebt noch, der Mit Euch sich messen kann. Doch dieser eine ist Eu'r bester Freund. Mit Stolz, nicht Eifersucht Sich ihm nähernd und leiser redend, daß ihn die Bauern nicht verstehen. Erfüllt des Franzens Lob – Ulrich von Hutten. betroffen zurückfahrend. Und wer seid Ihr? Ah so! Ja, ich vergaß, Daß Ihr mich nicht in voller Schönheit schaut. Verzeiht! Gleich bin ich's selbst. Er nimmt Bart und Pflaster ab und wirft sie auf den Tisch der Bauern. So – nun ist Euch Vielleicht getreuer Eu'r Gedächtnis. Wie? Ihr seid's, Jos Fritz! Derselbe, Herr! umherblickend. Dann nehmt Vor des Gesetzes Weibeln Euch in acht; Noch hat man Euch den Bundschuh nicht zu Lehen, Noch den zu Untergrünbach nicht vergessen. Pah! Zeiten ändern sich. Vielleicht ist nah Die Zeit, wo sich Jos Fritz vor keinem Weibel Zu fürchten braucht. Gleichviel. In jedem Fall Konnt' ich nicht bessere Begegnung wünschen. Ihr seid ja die Posaune dieses Reichs, Der Zunftmeister der Neuigkeiten. Was, Wo immer auch, sich zutrug, oftmals selbst Eh' es sich zutrug noch – Ihr wißt es stets. Ihr könnt die Ungeduld der Seele stillen, Mir Kunde geben, wie mit Franz es steht. Gewiß, das kann Euch niemand besser sagen, Denn just aus jener Gegend komm ich her. Allein von wo kommt Ihr, daß Ihr nichts wißt Von Eurem Freund? Geradeswegs von Zürich. So sprach die Wahrheit das Gerücht, das Euch Dorthin ziehn ließ, um von den Eidgenossen Dem Ritter Hülfe zuzuführen? Habt Ihr sie erlangt? Wohl hätt' ich es, wenn nicht Er, der in Zürich ausgetrieben lebt, Ulrich von Württemberg, noch im Exil Der Fluch des deutschen Volks, aus altem Haß Auf Sickingen und mich durch seine Ränke Und mächt'ge Freundschaft, die er dorten hat, Zu hintertreiben es gewußt, daß uns Die Schweizer hielten ihr gegebnes Wort. Hm! Um so besser! Um so besser, sagt Ihr? Verzeiht, Herr, ich versprach mich. Um so schlimmer, Wollte ich sagen, um so schlimmer steht's. Als ich erkannt, vergeblich sei mein Mühen, Verließ ich Zürich, um zu Franz zurück Den Schritt, den sehnsuchtsvollen, jetzt zu lenken. – Allein, statt Rede mir zu stehn, macht Ihr Mich reden. Gebt jetzt Auskunft mir. Wie steht's Mit Franz? Noch eins; wie weit wißt Ihr von ihm? Das letzte, was wir sicher hörten, war, Daß er des Pfalzgrafs Lande überfallen, Die Feste Borberg sich erstürmt. Seitdem Hat er uns keine Botschaft mehr geschickt. Ja, das war noch im Winter. Doch seitdem Hat sich das Blatt gewandt. Eh' er's erwartet Und eh' sein Heer noch eingetroffen war, Sind ihm die Fürsten alle drei vereint Plötzlich vor Landstuhl, seine Burg, gezogen. hastig. War er darin? Und konnte er nicht fort Zur Ebernburg? Konnt's! Tat es nicht. Ich glaube, Es ist ihm jetzt Beschwer, daß er's nicht tat. Zwar anfangs wehrt' er sich gewaltig, Trieb sie zurück und fing Heinrich von Elz Samt seinen Reisigen. Drauf schickt er ihnen spöttisch Einen Trompeter raus: sie hätten neu Geschütz, Er neue Mauern, und begierig sei er Zu hören, wie das aneinander kläng'! – Er rechnete auf Hülfe und Entsatz Von seinen Freunden – leidenschaftlich schnell. Und was taten die? Die Ritterschaft, die Landauer? sagt an! Doch immer größre Haufen rückten nach, Da schlossen sie ihn ein und gaben ihm Gemach zu hören, schossen ihm gar bald Die besten Batterien zugrund – mit gesteigerter Leidenschaft. Die Freunde aber, Die Freunde, sagt, wo blieben sie? O Herr! Da steht's nicht mehr wie sonst. Die meisten sind Bedenklich jetzt und zweifelhaft geworden, Andre nicht fertig mit den Rüstungen. Das Schlimmste war, das Ganze kam zu schnell; Man ahnt noch nicht den Franz in solchem Drang. Die Fürstenbergs – einfallend. Wie? Sie sogar, sie ließen Den Franz im Stich? Nein, höret doch! Zwei Boten Schickt' er an sie mit Kunde seiner Not, Zur Eile sie zu treiben, und von ihnen Hätt' er wohl sicher Hülfe auch empfahn. Doch beide fing man – war im Lager grade, Als man den zweiten brachte – Herr, nie hab ich Solch tollen Jubel je gesehn! Es war Ein Hexensabbat, wie sie alle sprangen! Denn in dem Briefe stand's von Franz bezeugt, Verloren sei er, nahten sie nicht schnell, Vereint mit andern, die er drin erwähnte. Verloren Franz! Eh' stürze auf uns ein Des Himmels ehernes Gewölbe! Zum Wirt. Führt Mein Pferd mir vor. Ich selbst will Botschaft reiten, In ihren Burgen wach die Schläfer klopfen! Von Burg zu Burg jag ich den Schreckensruf: Franz in Gefahr! heraus – einfallend. Herr, mäßigt Euch. Ihr kämt nicht weit. Ihr wißt – Euch droht die Acht! Und mit der Hülfe kämt Ihr doch zu spät. Schon als ich fortzog, stand es so, daß kaum – Franz selber schrieb's – sich vierzehn Tage noch Landstuhl könnt' halten. Nein! Ihr ändert nichts. Verloren ist die Burg. Verdammnis über dich, Daß du von ihm und von verloren sprichst In einem Atemzug! Die Burg verloren Und Franz darin?! – Und ist er es, so will Ich's mit ihm sein. Mein Pferd! – Er stürzt nach der Tür. ihm nacheilend. So hört doch, Herr! Er hält ihn auf und führt ihn am Arme zurück. Er ist verloren – doch – noch gibt es Hülfe! Greift zu – und alles ist mit einem Schlag Von Grunde aus geändert. betroffen. Hülfe, sagst du? Hülfe! Verstand ich recht? Hört, Herr! Und horcht Fein zu. Er nimmt Ulrich unter den Arm und geht mit ihm leise sprechend nach dem Hintergrund zu. Bei den ersten Worten bereits sieht man Ulrich auf das lebhafteste ergriffen werden. Was nur der Jos da mit dem Ritter spinnt? Gewichtig scheint's. Seht nur, wie hastig er In ihn hinein spricht. Und der Ritter, seht, Kann kaum noch an sich halten. Ganz in Aufruhr Versetzt ihn Jos. Was es auch sei, er bringt's Auf's Seine mit ihm. Unter Kaisers Räten Lebt nicht ein feinrer Kopf als wie Jos Fritz. Ja, das muß wahr sein. Jos versteht's, und gleich Gilt's ihm, ob Bauer oder Rittersmann. Wo er sich einhackt, beißt er schnell sich fest Und lenkt Euch nach Belieben, wie die Angel Den Fisch lenkt, welcher auf den Köder biß. Jos und Ulrich sind inzwischen, leise aber mit heftigen Gebärden sprechend, wieder nach dem Vordergrunde zurückgekehrt. leidenschaftlich. Ist es kein Trug, welcher mein Ohr verführt? An achtzigtausend? Sagtet Ihr nicht so? Soviel zum mindsten, welche gleich sich heben. – Ich bin kein Schriftgelehrter, kann's Euch nicht Fein auszählen mit Dinte und Papier; Das aber sag ich Euch, mein Kopf verbürg' es: Wie in der Höhlung des Geschützes nichts Zurückebleibt, wenn sich der Schuß entzündet, Vielmehr getrieben durch des Pulvers Kraft Die Ladung all im Schwung nach außen hagelt, So speien aus auf ein gegeben Zeichen Der Allgau, Kraichgau, Wasgau, all die Gau'n, Die Kreise all, die ich vorhin Euch nannte, Was von Bevölkerung darinnen wimmelt. Zur leeren Höhlung wird der Dörfer Bau, Lebendig wird das Land und wälzt sich fort. Was nicht ganz Kind mehr und was noch nicht Ganz wieder ist zum Kinde worden, greift Zur Hellebarde und zieht jubelnd mit. Und wie vordem zur Zeit der Völkerwandrung Ein Volk das andre stieß, also stößt jetzt Ein Gau den andern, reißt ihn treibend fort Zum großen Kreuzzug für des Volks Erlösung! Und die Bedingungen? Die eine nur, Die ich vorhin Euch schon genannt. Zu unsrem Hauptmann schwör' er sich – beschwöre Die zwölf Artikel, die vor uns, gleichwie Jehovah in der Feuerwolke zog, Ein zündend Manifest herziehen sollen! Sein Ansehn, Anhang und sein Feldherrngeist Verdoppeln unsre Macht. Mit solchem Haupt Ist unsres Spieles Ausgang uns gewiß. Nicht beßre Stunde könnten wir erwarten! – Sagt Eurem Ziska denn: Willigt er ein, So steigt sein »Ja« in Feuerzeichen von Den Bergen nieder, flammt durch Deutschlands Himmel Und brennt zu Asche den gemeinen Feind. feierlich. So weit ein Mensch für einen andern kann Einstehn, steh ich indes Euch für das Ja Aus Franzens tiefster Brust mit diesem Handschlag ein. – Doch wie jetzt zu ihm dringen? Laßt das mir. Verkleidet schaffe ich Euch in die Burg, Geleit Euch selber hin, an ihrem Fuße Der Antwort harrend, die Ihr bringt. So laßt Sofort uns ziehn. Noch diese Nacht. dringend. Nein, jetzt! Wer kann dem Augenblick gebieten – wer, Der sein Gebieter nicht, darf ihn verschenken? Sei's drum! – Zu den Bauern. Freunde, von hinnen muß ich unverzüglich Mit diesem Ritter ziehn. Die Stunde der Beratung, Verschlungen wird sie von dem Nahn der Tat. Großes geht vor. Die Sonne des Gelingens, Sie steht in scheitelrechtem Glanz ob unsrem Plan. Lebt wohl! Bald hört ihr mehr. Doch drei von euch Geleiten mich in einiger Entfernung, Denn viele Boten hab ich auszusenden. Wir sind bereit. Wen du bezeichnen wirst, Zieht deinen Spuren nach. Glück auf, Jos Fritz! Glück auf! Jos Fritz mit Ulrich, von allen gefolgt, ab. 5. Auftritt Fünfter Auftritt Das früher beschriebene Turmzimmer auf Burg Landstuhl. Franz allein aus einem Seitengange auftretend. in Gedanken verloren. Noch nicht zurück! Wo er nur bleibt? Wie bleiern Im trägen Gange die Minuten schleichen! – Drei Stunden sind es, daß er zog, und mir Dehnt eine jede sich zur Ewigkeit, Und eine jede führt Unendlichkeiten mit Von Hoffnung und Befürchtungen im Schoß, Mit solchen Mischtranks Qualen mich berauschend. Er ist an ein Turmfenster getreten; mit ausgestreckten Armen. Da draußen liegst du, Deutschland, grün und sonnig, Land meiner Liebe, meines Strebens Land! Durch dieses Fensters Eisenstäbe schweift Im Strahl des Augs mein Geist zu dir hernieder. Wohl hat er recht! Es schützen nicht, es scheiden Mich diese Mauern nur von der Nation! Da draußen harrt sie unter schwerem Druck, Harrt sehnsuchtsvoll, daß ihr der Retter nahe; Wie Arme breiten sich die Hügel aus, Mir zuwinkend und an ihr Herz mich reißend! Ich komme – diese Hand darauf – ich will Zu dir hinaus. Kein Gott soll mich dran hindern! 6. Auftritt Sechster Auftritt tritt auf mit zur Erde gebeugtem Antlitz. ihm entgegen. So kommst du endlich – doch ich lese, Alter, In deiner Miene deine Antwort schon. Alles vergeblich! – Ihr empörter Haß Hat jeden Damm gesprengt, und sonder Scheu Verschmäht er selbst den Schein der Mäßigung. Haß macht sie blind, macht sehend sie zugleich, Der Klugheit Stelle selbst vertritt er ihnen. Euch wollen sie – nur Euch – sind taub Für alles, was nicht Franz heißt. Und der Pfalzgraf? Der Schlimmste schien er mir von allen drein. Es stachelt ihn zur Wut des eigenen Gewissens Vorwurf, deutlich sah ich es. Kurzum, sie haben nur das eine Wort: Auf Gnad' und Ungenad' müßt Ihr Euch geben; Nicht andern Pakt zu schließen schworen sie. Mich geben – wie? Und du schlugst ihnen vor Der Ebernburg, der andern Festen Übergabe? Nein, Herr. – Mein altes Auge bohrte sich Durch ihre Wämser in die Herzen ein, Doch stählerner als Panzer waren die. Vergeblich war's – und darum schwieg ich still. Dank, alter Freund! So ist die Ehr' gerettet. Genad' und Ungenade! – – So weit schon Glauben die Übermüt'gen mich gekommen? Die Toren! Frei fühlt dieser Arm sich noch. Hört weiter, Herr! Als ich von dannen zog, Erfuhr ich auch des Übermutes Grund. Verbundnen Auges wurde ich geführt. Doch als des Lagers Grenze ich erreicht Und man die Binde abnahm, wandt' ich mich, Nachdenklich das Gefilde überschauend. Da – an dem Rande einer Hecke sah ich Der Maurer einen, welche dieser Burg Befestigung geleitet, stehn. Scheu bückt' er sich, Ich aber ruf ihn an – da hebt er sich, Steht zitternd da, in seinem bleichen Antlitz Lag das Bekenntnis seiner Judastat! – Daher der Geist, der jede Kugel lenkt, Sie der Geheimnisse des Baues kundig Zerstörend in die schwächsten Stellen treibt! Als ich das sah – da senkte ich den Blick. – Steht's so – wie lange halten wir uns noch? Er tritt auf Franz zu, seine Hände fassend, mit wehmütigstem Ausdruck. Herr! wo ich forschend auch das Aug' hinwende, Ich sehe Rettung nirgend – nirgend mehr! Verrat also, das ist die Fürstenwaffe, Und darauf gründet sich ihr Fürstenstolz?! – Blick nicht zur Erde, Balthasar, blick auf! Im Äußersten erst offenbaret sich Des Mannes ganze Kraft. – Verblassend weichen Zurücke von ihm die Bedenken all, Die erdgeboren ihn zur Erde ziehn, Und aus dem Schiffbruch viel verschlungner Pläne Und aus den Trümmern seiner eitlen List Hebt sich der Geist in seine reine Größe. In die Unendlichkeit, die in ihm schlummert, Die Willensallmacht kehrt er wachsend ein, Saugt zugedrückten Auges neue Kraft, Neue Erfüllung aus sich selber, setzt Auf eine Karte seines Lebens Summe, Und sich entladend flammt er auf zur Tat, Die gleich dem Blitz in einem Augenblick Der festgewordnen Dinge Antlitz ändert. – Durch Klugheit, sagtest du, hab ich gefehlt; Wohlan, die Tat, die kühne, soll mich lösen! Was sinnt Ihr, Herr? Die Morgensonne lacht Mir freudiges Gelingen in das Herz, Und mich durchströmet der Entschließung Feuer. Ich komme, Deutschland – ängstlich einfallend. Sagt, was habt Ihr vor? Man hört von weitem kriegerische Musik. Beide horchen auf. Hörst du? Sie nahn! Sie selber geben mir Das Zeichen, stimmen ein in die Musik, Die mir im Innern allgewaltig tönt. hereinstürzend. Herr Ritter, rüstet Euch! Auf ganzer Linie Naht sich der Feind. Er schickt zum Sturm sich an. Du Eisen, Gott des Mannes, Zauberrute, Die in Erfüllung seine Wünsche schlägt, Du letzter Hort, der in Verzweiflungsnacht Ihm strahlt, du, seiner Freiheit höchstes Pfand! Dir anvertrau ich jetzt die eh'rnen Lose. – Da draußen windet sich in langer Linie Ein feindlich Heer um mich, und enger noch Umstricken meine Brust des Vorwurfs Schlangen. Den Doppelknoten sollst du jetzt mir lösen, – Einen von beiden lösest du gewiß! 7. Auftritt Siebenter Auftritt Philipp von Rüdesheim im Helm und mit gezogenem Schwert von einigen Knappen gefolg. Unmittelbar nach ihm Marie mit angstvollen Gebärden, mit Balthasar und den Knappen leise sprechend. Mählich füllt sich der Hintergrund mit Knappen und Mannen. hastig auftretend. Ward's dir gemeldet schon? Es stürmt der Feind, Schon nahn die Leiterträger sich den Mauern. zum Knappen. Bring mir den Helm! die sich bis dahin in stummer Angst zurückgehalten. Vater, ich flehe Euch! Werft diesmal Euch nicht ins Gewühl der Schlacht. Laß mich, mein Kind. Zu Philipp. Von welcher Seite schickt er Zum Sturm sich an? Dem Haupttor droht sein Angriff, Und von der Ostseite sind aufgestellt In starken Reihn Beobachtungskolonnen. der inzwischen den ihm gebrachten Helm aufgesetzt hat. Wohl! – Wilhelm von Waldeck leite die Verteid'gung Der Burg – Du, Philipp, mit der Hälfte der Besatzung machst, wenn jene handgemein, 'nen Ausfall durch das kleine Tor, im Rücken Die Reihn der Stürmer fassend. – Mir Läßt du mein Roß ans Gartenpförtchen führen; Dreißig Getreue stellst du dort mir auf. Hast du durch deinen Ausfall erst auf dich gezogen Der Feinde Meng' und Achtsamkeit, so stürz ich – Hinaus ins Freie! aufschreiend. Vater! Vielleicht, daß ich Den nahen Wald ohn' Hindernis gewinne. Erreich ich ihn – so höret ihr von mir! Was sich entgegenwirft – durchbrochen werd' es. Zum Tod bereit sei jeder, der mir folgt. Jetzt, Philipp, halt ich Wort. Ich will hinaus! Gesegnet sei dein Einfall! Du ins Freie, Ich in den Feind! Mir nach, Ihr Leute! Er stürzt ab mit sämtlichen Mannen bis auf zwei Knappen, die bei Franz zurückbleiben. sich auf Franz zustürzend. Vater! Laßt Euch beschwören! Wagt Euch nicht hinaus! So wenig Mannschaft – Gott – die Angst Stockt mir das Blut! O hört auf meine Ahnung, Es wird nicht gut – gütig. Laß mich, Marie! Nein, haltet ihn! Auch mir schwebt Schlimmes vor. Und doch – laßt ihn! Wenn es gelänge – Deutschland, welch ein Tag! Ganz nahe ertönt starke Kriegsmusik. sich noch fester an den Hals Sickingens hängend, der sich loszuwinden sucht. Vater, ich laß Euch nicht! Ich fleh Euch an! sich mit Gewalt aus ihren Armen losringend. Zurück, mein Kind! Mich ruft das Vaterland, Ihm fiebern meine Pulse heiß entgegen. Dein Los vertrau ich güt'gen Mächten an, Mich rufen jene, die den Irrtum rächen. Ich komme, Deutschland! kaufe jetzt mich los Von allem Fehl und eitlen Erdenschwächen; Zog ich die Mauer zwischen dir und mir, So ist's an mir, sie wagend zu durchbrechen! Er stürzt ab mit gezogenem Schwert, von den beiden Knappen gefolgt; Marie sinkt zusammen. 8. Auftritt Achter Auftritt Balthasar. Marie. Marien zu Hülfe eilend. Um Gottes Willen, faßt Euch, edles Fräulein! Bewährt den Mut, den Ihr bisher gezeigt. sich langsam aufrichtend. O Balthasar – nie ward ich solcher Angst Zur Beute noch! Sie macht einige Schritte nach vorn, mit gefalteten Händen und dem Ausdruck tiefster Erschütterung. Wie! wenn ich jetzt ihn hätte Zum letzten Mal gesehn! Nein, Fräulein, nein! Gewiß, Ihr seht ihn wieder. Lasset nicht Von solchen Bildern Euern Geist umdüstern. Oft zog der Vater in die Schlacht – doch nie War mir das Herz so böser Ahnung voll. Ein Schlag entscheidet beider Schicksale. Bedeckt ihr Gesicht mit den Händen. Beider? Wen meint Ihr? auffahrend, sich umsehend. Wenn ich nur hinaus, Hinaus könnte, ihn draußen zu umschweben, Wenn ihn mein Auge nur geleiten könnte, Mein Angstruf sollt' ihn schützen! Fräulein! Rast Ihr? Ich bitt Euch, faßt Euch! Kommt – laßt hier Euch nieder. Er leitet sie zum Sessel. Ich selber will auf jene Brüstung steigen. Vorn obern Fenster übersieht man frei Das Feld – ich meld Euch alles, was ich sehe; Mein treues Auge diene Euch zum Fernrohr. Er steigt zu einem höher gelegenen Fenster hinauf. Ha! schon würgt Philipp in der Stürmer Rücken. Hei! wie er sie mit seinen grimmen Hauern So blutig packt! Zur Mauer drängt er sie. Dort streckt sie Waldeck mit den Steinschleudrern Reihnweis zu Boden. Furchtbar tobt der Kampf! Siehst du vom Vater nichts? Nichts. Zuwachs hat Der Feind erhalten. Schnell. Schon geteilt hat Philipp Schnell seine Haufen. Mit der einen Hälfte Zwängt er den Feind zum Graben hin. Weh mir! Ich sehe ihn nicht mehr, alles wogt durcheinander. Am Haupttor ballt am dicksten sich der Knäul, Die Leitern stürzt der Waldeck um. – Ha! Da Ist Philipp! Lichte Bahn schlägt sich sein Schwert. Brav, wackrer Kämpe, brav! Das war ein Hieb! Er stürzt! Wer stürzt? Wilhelm von Zabern. Schwankung Läuft durch der Feinde Reihn! – – Seht, seht! dort biegt Eu'r Vater um die Ecke mit den Seinen. Triumph! In hundert Schritten haben sie Den Wald erreicht. Frei ist der Weg! E aufspringend. O Gott! hastig. Weh, weh! Was seh ich! Aus dem Wald hervor Bricht eine Reiterschar. Schon hat sie ihn bemerkt, Grad auf ihn los sprengt sie. Vater im Himmel! Ein siebzig oder achtzig sind's! Schon sind Sie aneinander. Euer Vater sticht Vom Pferd den Führer. Mit den Füßen stampfend. Flieh, Franz, flieh! Narr deiner Großmut! – Schon ist es zu spät. Es stricken ineinander sich die Reihn. Wie Löwen wehren sich die Unsrigen, Trotz Feindes Übermacht. Siehst du ihn noch? Ha! Schon hat Philipp seine Not erkannt. Im hellen Lauf eilt er mit einem Häuflein Zu Hülfe ihm! O könnt' er fliegen! Weit Ist noch der Weg. Weh mir! Ich seh den Helmbusch Von Franz nicht mehr. Marie stößt einen Schrei aus. Doch, doch! Da ist er, glaub ich. Der Mauer-Vorsprung hindert mich am Sehn. Zur Zinne will ich, wo man einen Blickes Das Schlachtfeld überschaut. Er steigt schnell hinunter. die Hände ringend. Nein, Balthasar – mit starker Stimme. Ich muß zur Zinne – meine ganze Seele Hat sich ins Aug' gedrängt. Ihr, Fräulein, – betet! Er stürzt ab. ihm nachrufend. Balthasar, bleib! Balthasar! – Fort ist er! Läßt mich allein in dieser Todesangst! – Es beben meine Glieder, und umsonst Sucht sich mein Fuß der Stelle zu entreißen. Lähmung erfaßt mich, hält mit Zentnerschwere Mich festgebannt – ja, beten will ich, beten! Sie stürzt auf die Knie. Wenn dort ein Vater hinter Wolken thront, Der fühlend niederblickt auf unsern Schmerz, Der sich erbarmen kann des Menschen Pein, Wird er sich jetzt mir helfend offenbaren! Wenn eine güt'ge Vorsehung hienieden Liebend die Lose lenkt – – Wie sagte Er? Der einzelne steht auf des Zufalls Pulvermine, Auffliegend sprengt sie – Weh! Wenn mit dem Vater Sie jetzt aufflöge! Sie läßt das Haupt auf die Brust fallen und bedeckt es mit den Händen. Tiefe Pause. Dann Siegesmusik hinter der Szene. den Kopf aufrichtend. Horch! Was war das? Gott! Die Unsern blasen Sieg! Wär's möglich? Sie hat sich halb aufgerichtet und rückwärts gewendet. tritt auf mit gesenktem Haupt. Betet nicht, Fräulein! Ehern ist der Himmel. Wie sagst du? Und was senkt dein Angesicht Auf deine Schultern bleiern sich hernieder? Sieg bliesen ja die Unsrigen. Wohl Sieg! Der Sturm ist abgeschlagen und der Feind Blutig in seine Schanzen rückgeworfen. Doch zehnmal milder noch wär' Niederlage Als solcher allzuteu'r erkaufter Sieg – Denn schwer verwundet bringt man Euern Vater. 9. Auftritt Neunter Auftritt Trauermarsch hinter der Szene. Während Balthasar Marien, die bei seinen letzten Worten umsinken will, zu Hülfe kommt und sie aufrichtet, öffnet sich die Tür, und man bringt auf einem Ruhebett, den Körper mit einer Decke verhüllt, den tödlich verwundeten Sickingen getragen. Hinter ihm Philipp von Rüdesheim, Wilhelm von Waldeck, ein Arzt, Ritter, Knappen, Mannen. Das Ruhebett wird in die rechte Ecke der Bühne gestellt. Marie! Mein Vater! Sie fliegt mit ausgebreiteten Armen auf ihn zu und kniet an seinem Ruhebette hin, ihn mit den Armen umschlingend. Teures, süßes Kind! Verzeih, wenn ich mich einen Augenblick Dir noch entziehe. Bald gehör ich dir. – Philipp – vortretend, mit traurigem Ausdruck. Franz! Glaubst du, daß der Feind schon weiß, Wie's mit mir steht? Das kann er kaum, selbst wenn Die Reiter dich erkannt. Als wir heraus dich hieben, Saßest du fechtend noch zu Pferde. Erst Als jene schon die Flucht ergriffen, sankst du Vom Blutverlust erschöpft von deinem Roß. Wir trugen dich in unsrer Mitte, während Zum Rückzug schon das Heer des Feindes blies. Schwerlich kann er's schon wissen. Wohl. Wo ist Der Arzt? vortretend. Hier, Herr! Ich sah Euch – zucken, als Ihr den Verband mir angelegt. Sprecht frei: Ist Rettung möglich – und wie lange noch Hab ich zu leben? zögernd. Herr – Die Wahrheit will ich. Auf dein Gewissen leg ich es. Die Freiheit Von vielen Edlen hängt an deinem Wort. mühsam. Ihr werdet – Sprechet! Ich befehl es Euch! Ihr werdet – diese Nacht nicht überleben. Es läuft ein halb unterdrückter Laut des Schauders durch die Reihen aller Anwesenden. Marie erstickt ihr Schluchzen in den Kissen des Ruhebetts. Gut denn! Zum letzten Mal will ich sie überlisten. Philipp, den Herold sende zu dem Feind: Ich will die Burg ihm überliefern, will Mich selbst ihm zum Gefangnen geben, wenn Er freien Abzug mir gewährt für alle Drin, außer mir. – Doch muß er sich entscheiden Im Augenblick. Bedenkzeit weigr' ich ihm. Geht er drauf ein, so laß das Tor ihm öffnen – – Ich will nicht lange ihr Gefangner sein. Philipp ab. Marie, jetzt angehör ich dir, mein Kind! O weine nicht, beklage nicht mein Los. Wir schulden dieses Leben jenen Zwecken, In deren Werkstatt die Geschlechter nur Die Arbeiter, die hingegebnen, sind. Ich hab getan, was ich gekonnt, und fühle Mich frei und leicht, wie einer, welcher redlich Hat abgetragen große Schuld. Zurück Auf meines Lebens Laufbahn fällt mein Blick, Er fühlt sich frei von Selbstsucht der Gesinnung. Mein Name lebt im Angedenken fort, Und späte Sänger stellen mich zu jenen, Die für der Menschheit Edelstes gekämpft – So sterb ich gern – und darum – klage nicht. ihn umschlingend. Vater, ich laß Euch nicht! Ich kann ihn nicht Ertragen, den Gedanken, Euch zu lassen. Dein äußres Glück – in Trümmern laß ich es. Doch nie auf Äußres war dein Sinn gerichtet. Dein Erbteil bleibt mein Name – trag ihn würdig, Ich weiß, du wirst es. Eines nur bedrückt mich Und macht den Tod mir schwer – – – O könnt' ich ihn noch einmal vor mir sehn! Aus meines Ulrichs edlen Zügen saugen Letzte Befriedigung! Marie schluchzt heftig. In ihnen trat Das Große, was ich wollte, sichtbar mir In leuchtender Verkörperung entgegen, Und meiner Seele Spiegel stand er da! Ein jäher Schlag wird ihn – ich fürchte sehr – Die Kunde treffen. – Tröste ihn, Marie, Sag ihm, ich habe sein mit Segnungen In dieses Lebens letztem Augenblick, Mit reichsten Segnungen gedacht. Sag ihm, Er solle nicht vorwerfen sich mein Los; Ich dank ihm diesen Tod, des Lebens schönes Ende, Und dank ihm meines Lebens beßren Teil. auftretend. Herr! Angenommen hat der Feind, was Ihr Erboten habt. Morgen will er die Burg, Die heut Euch noch verbleiben soll, besetzen. Doch auf dem Fuße folgen mir die Fürsten. Schon nahen sie. Trompetenstoß hinter der Szene. Erhebe dich, Marie! Trockne die Tränen. Sickings Tochter darf Der Feind nicht weinen sehn. Sei stark, mein Kind! 10. Auftritt Zehnter Auftritt Zweiter Trompetenstoß. Es treten auf die drei Fürsten mit Gefolge, voran der Pfalzgraf. rasch eintretend. Ist hier Franz selbst? ihm schnell entgegen. Achtung für einen Sterbenden! zurückschreckend. Ein Sterbender! Er erblickt Franz und tritt erschüttert einige Schritte zurück. Bewegung unter den Fürsten. nach einer Pause mit bewegter Stimme. Nie hätte ich geglaubt, Euch so, Franziskus, einst vor mir zu sehn. Nicht, Herr? Ich auch nicht! Wollt Ihr jetzt abschwören, Nun es geschehn, die Folgen Eures Tuns Und zu der Frucht ehrgeizigen Verrats Verleugnend sagen: geh, ich mag dich nicht? Dem eifersücht'gen Ehrgeiz, der Euch schwellt, Habt jede Pflicht des Dankes Ihr geopfert, Verraten Eures Hauses treusten Freund. So mag an Eurem Hause denn mir einst Die Rach' erscheinen, und eh' ein Jahrhundert Dahinzieht, mög' in Kämpfen, die ich jetzt, Ein furchtbar Erbteil, Deutschland hinterlasse, Eu'r Erbe, elend, von dem Feind gehetzt, Wie ich von seinen Freunden all verlassen, Flüchtig und bettelnd durch die Lande ziehn, Beschließend Eures Hauses wahren Glanz. – Es waltet eine Nemesis hienieden, Auf Euch, Ihr Fürsten, ruf ich sie herab. Mich kümmert Eure Rechnung nicht mit Ludwig; Stets war ich Euer Feind, stets wart Ihr's mir. Ihr täuscht so wenig des Gewissens Stimme, Als Ihr der Rachegöttin Auge täuscht. Seid Ihr nicht, Landgraf Philipp, Luthers Freund? Und schirmtet dennoch jenen Römling dort? Und halfet dennoch mich erdrücken, der sich, Des Luthers stärkste Säule, kühn erhob? Der Selbstsucht Trieb riß zügellos Euch hin, Der eigne Vorteil galt Euch mehr, als Euch Gemeine Sache galt. Drum mögt Ihr selbst Am eignen Leibe büßend noch erfahren, Was Ihr getan; in Eures Elends Tiefe Beweinen einst, daß Ihr den fälltet, den – Ihr zu ersetzen nimmer habt die Kraft. Wißt Ihr nicht auch ein Sprüchelchen für mich? Bischof! – mit Euch nicht streite ich. Nicht Worte Entscheiden hier, und nah und näher rückt – Ich fühl's am schweren Atmen – mir der Tod. Doch triumphieret nicht – nicht Euch verbleibt Der Sieg! Blutig geht auf die Saat – erwacht Ist in den Völkern des Gewissens Schrei. Früh oder spät – zum Grablied wird er Euch. Währenddessen ist Philipp von Rüdesheim eingetreten und hat leise, aber angelegentlich mit Marie und Balthasar gesprochen. rasch vortretend. Ihr Fürsten! Fast durch Himmels Fügung, scheint es, Hat sich ein frommer Mönch auf dieser Burg Grad eingefunden. Gönnt Ihr uns, allein Den Vater hier zu lassen, würde ich Zur Beichte ihn vielleicht bewegen können. mit schwächer werdender Stimme. Ich will nicht beichten – habe selber – Balthasar macht ihm heimlich Zeichen. Fürsten! Der Tochter Bitte neigt er sich vielleicht, Wenn Eurer Gegenwart Ihr ihn enthebt. ungeduldig. Ich will nicht – hört Ihr – Billig ist, was das Fräulein fordert. Fern Sei es von uns, durch unsre Gegenwart Die Aussöhnung mit Gott ihm zu erschweren. Kommt mit, Ihr Fürsten. Alles folge mir, Was nicht zu Franz gehört. Die Fürsten mit ihrem Gefolge ab, ebenso gleichzeitig nach einer andern Seite Balthasar. 11. Auftritt Elfter Auftritt Die Vorigen. Bald darauf Balthasar mit Ulrich von Hutten wiederkehrend. Ulrich trägt dieselbe Kleidung wie in der dritten Szene, darüber ein Mönchsgewand, welches jedoch beim Eintreten ebenso wie die Kapuze weit zurückgeschlagen ist. noch hinter der Szene. Verwundet, sagt Ihr? Pah! Eintretend. Sein Eisenleib, ich weiß, spottet der Wunden! Es ist nicht Zeit, verwundet jetzt zu sein. hat sich bei den ersten Tönen von Ulrichs Stimme halb aufgerichtet und ruft dem schnell eintretenden Ulrich mit starker Stimme entgegen. O Ulrich, du! Ich komme, Franz, und bringe Der guten Botschaft viel! Es rüsten sich, Durch meine Boten deiner Lage kundig, Mit Macht die Freunde jetzt zum Beistand dir. zurücksinkend. Zu – spät! erstaunt stehenbleibend. Zu spät? Er sieht sich verwundert im Kreise der Umstehenden um. Die Burg ist übergeben, Es sagt' es ein Gemurmel mir, als ich Sie schnell hinanstieg. Doch – was läge an dem Haus? Du hast dich selbst – du hast dich zum Gefangenen Ihnen ergeben! Wie? Er blickt die Umstehenden an, die ihre Gesichter zur Erde neigen. So ist's. Ich lese In ihren Blicken die Bestätigung. Nun wohl! Ich bringe beßre Kunde noch. Mach dich bereit, Franz, Großes zu vernehmen. Die Zeit ist da! Der Bauer greift zum Schwert! Dich heischt zum Führer er. In seinem Auftrag Steh ich vor dir. Sprich aus ein Wort – und dir Ersteht ein Heer von hunderttausend Bauern. Das Land steht auf! Nicht lange sollen sie Dich zum Gefangnen haben – laß ein Zeichen Von dieses Turmes Höh' mich geben – und Eh' sie auf ihre Schlösser dich gebracht, Eh' sie von hinnen ziehn – verschlingt sie schon Die große Flut, in welcher sie dann treiben Mit ihren Reiterfähnlein, Lanzknechthaufen, Gleichwie Ertrinkende auf hoher See! Ulrich macht, Franz mit Spannung ansehend, eine erwartungsvolle Pause. schwach. Zu spät – du sprichst mit einem – toten Mann! schrickt heftig zurück; er sieht einen Augenblick wie Bestätigung suchend starr auf die Umstehenden, welche mit dem Ausdruck höchster Erschütterung zu Boden sehen. Er wankt einen Schritt auf Franz zu, stürzt aber sofort mit dem gellen Schrei zu Boden. Tot! Tiefe Pause. mühsam mit unterbrochener Stimme. Ulrich – ich danke dir – daß ich dich nochmals sah Erfüllt ist jetzt mein Wunsch – doch nun – Verweile länger nicht – verlaß die Burg – Die Fürsten können wiederkehren – geh – Sie greifen dich – erschwer nicht meinen Tod – Die Aufregung hat ihn beschleunigt – nur Für wenige Minuten hab ich Leben – Geh, Ulrich, geh! Füg mir's nicht zu, daß dich Mein brechend Auge als Gefangnen sehe – Für spätre Zeiten – für die Sache – rette dich – Ich fleh dich – geh – o meine Stimm' – ich kann Nicht mehr – sag's ihm, Marie – beweg du ihn! – an Ulrich herantretend mit langsamer Stimme. Ulrich! von Euch dacht' Trost ich zu empfangen, Und ich muß Trost und Fassung Euch verleihn? erhebt sich langsam, sein Gesicht ist totenbleich, sein Auge gläsern, seine Stimme feierlich und dumpf. O schweig, Marie – entweihe nicht Mit kleinem Trost so Ungeheuern Schmerz. Dir stirbt der Vater – mir der Seelenfreund; Vielleicht gäb's Trost dafür – gält's hier nichts andres! Zusammenbricht mit diesem einen Mann Das deutsche Vaterland – in Scherben liegen Die Hoffnungen, für welche wir gelebt. Machtlos mit seinem Tod, weicht bang zurück Der Adel, wirft ans Fürstentum sich hin, Das um sich greifend unser Reich zerreißt; Zu seinem Schranzen sinkt er schnell herab! Des Halts beraubt, sich selbst mißtrauend, spinnt In seines Weichbilds Sondervorteil sich Der Städter ein und stirbt dem Ganzen ab. – Der Bauer nur bleibt treu dem großen Zweck, Er greift zum Schwert – doch auf sich selbst beschränkt, Schleppt er zur Metzgerbank nur seinen Leib, Zur blutigen, bedeckt mit seinem gräßlich Gevierteilten Gebein die weite, deutsche Erde – Die schaudernde! Mit Siegers Rechten wird Gewütet in dem eignen Land, entrissen Wird ihm der alten Freiheit letzter Rest, Und lange Nacht bricht an, in schwarzen Schleier Die Trauerzukunft dieses Landes hüllend. – Du stirbst und nimmst in deine Grube mit, Was dieses Leben lebenswert gemacht. Mich trägt mein flücht'ger Fuß jetzt ins Exil, Doch nicht auf lange; wen'ge Wochen, und – Es eint sich meine Asche deinem Staub. Künft'gen Jahrhunderten vermach ich unsre Rache! Er wankt der Tür zu. Der Vorhang fällt. Ende.