6. Clorinda beklagt sich/ daß ihr Himmlischer Daphnis bey ihr nicht eingekehrt/ vermerckt aber/ daß die Welt-Sorgen/ welchen sie noch nicht völlig abgesagt/ wie auch/ daß Er seine Liebhaber bißweilen mit der Verlassenheit zu prüfen pflege/ dessen Ursach sey Pessulum ostii mei aperui Dilecto meo, at ille declinaverat, atque transierat, Cant. 5. v. 6. Da ich meinem Geliebten den Riegel meiner Thür auffgethan hatte/ war' Er hinweg/ und hingegangen. 1. Wie pflegt verdiebt Nicht immer mit vielen Die Liebe zu spielen/ Insonderheit wann In hefftigem Brann Die Menschen seynd verliebt? Sie schärfft nur immerzu/ Und räizet das Verlangen Laßt aber schmertzlich hangen Die Hertzen in Unruh'. 2. Diß Jacob hat' 1 Erfahren auch müssen Nicht ohne Verdriessen/ Als ihme zur Burd' Getrungen auff wurd' 2 Lea an Rachels -statt/ 3 Mit vielem Streit/ und Zanck Die Rachel müßt erwerben So/ daß er von dem herben Verlangen/ offt schier kranck. 3. Ich hab die Thür Gelassen was offen Mit gantzem Verhoffen Mein Daphnis werd' auch/ Nach seinem Gebrauch/ Heut kehren ein bey mir/ Er aber/ läider! ist Vorüber sacht' geschlichen/ 4 Gantz heimlich abgewichen Als einer/ der entrüst! 4. Es macht die Sach Nicht ohne Bekräncken Mir schwäres Nachdencken/ Indem Er sonst nie Wie spat es auch je/ Verschmächt mein armes Tach: Was muß die Ursach seyn/ Daß Er heut ausgeblieben? Hab' ich Ihn dann vertrieben? O Schmertz/ O Qual/ O Pein! 5. Als in dem Meer Leander gesuncken/ Armselig ertruncken/ Und nimmer verrucht Die 5 Liebste besucht/ Hat es sie kränckt so sehr/ Daß in den Hellestont 6 Sie eylends sich gestürtzet/ Das Leben ihr verkürtzet Des Schmertzens ungewohnt. 6. Wie kan dann ich Von Atropos -Ketten 7 Nunmehro mich retten/ Wann Daphnis nicht meh Mit seinem Einkehr Forthin wird trösten mich? Ich will ja tausendmahl Eh-zeitig lieber sterben/ Als Hoffnung-los abserben In stäter Liebes-Oual! 7. Man sagt/ ein Löw/ 8 Der Wunden genesen/ Sey nachmals gewesen Aus Viehischem Raht Nach schlechter Gutthat Dem Artzten also treu/ 9 Daß er auff dessen Grab/ Der ihn zuvor geheilet/ Die Nahrung mitgetheilet/ Sich todt geheulet hab'. 8. O treues Thier! Soll meine Lieb deiner Dann weichen/ und kleiner Zurücke weit stehn/ Nicht trauren umb Den/ Der gar vermählt mit mir! Soll minder ich betrübt Dann seyn umb Den/ der sterbend'/ Am Creutz mein Heyl erwerbend' Mich mehr/ als sich/ geliebt? 9. Ach nein/ O Gott! Ich lasse den Löwen Mit seiner so trewen Vergeltung mir nicht Zu einem Gedicht Erweisen solchen Spott: Niemand soll diese Schmach/ (Ich hab so schlecht geliebet/ Daß ich mich nicht betrübet Umb Daphnis ) sagen nach. 10. Wann Er mich solt' Hinfüro verschmähen/ Nicht lassen mehr sehen In meinem Hauß sich/ Vor Traurigkeit ich Zu tod mich wainen wolt'; Mit Myrrha 10 wolt' ich seyn Bald in den Baum verkehret Der vast niemahl auffhöret Zu zähern seine Pein. 11. Wo Daphnis nicht Sich würcklich befindet/ Gleich alles verschwindet/ Was tröstlich je war'/ Unlustig so gar Wird auch des Tages-Licht/ Und wo er sich auffhält/ Da ist der Trost vollkommen/ Wird alles hingenommen/ Was sonsten schmertzt und quält. 11 12. Wie kanst du doch/ O Daphnis mich hassen/ So gähling verlassen/ In dem du doch mir Unlängsten allhier Verpflichtet dich so hoch! Ist das die Liebes-Art/ Daß man so bald abbauet/ Versagt die Gegenwart! 12 13. Ich halt' darfür/ Ich hab mich verschossen (So Daphnis verdrossen) Weil nemlich ich heut Eröffnet zu weit Den Rigel meiner Thür: Des Menschen Hertz soll seyn Ein gantz verschloßner Garten/ 13 Wo niemand zu erwarten/ Als eintzig Er allein. 14. Merckt diese Lehr/ Ihr keusche Jungfrauen/ Nicht leichtlich zu trauen; Ach stosset der Thür Die Rigel doch für/ Wann lieb euch eure Ehr: Ein Hauß/ so immerdar Auch bey der Nacht steht offen/ Nichts anders hat zu hoffen/ Als eine Diebs-Gefahr. 15. Weil/ läider! ich Mit etwas Verlangen Noch schwanger gegangen/ Und dessen nicht gar Entäusseret war'/ Hat Er gemeydet mich: Er/ wie die Arch/ kan nicht Bey sich den Abgott 14 leyden/ Er pflegt das Hertz zu meyden/ Wo Er Mitfreyer 15 sicht. 16. Zu dem pflegt Er Die Liebe der Hertzen Durch Kummer/ und Schmertzen Zu prüfen/ ob man Beständig auch dann/ Wann man des Trostes lär? Es aßt sich durch kein Weh' Die wahre Lieb zertrennen/ Das gabe zu erkennen Gar schön Penelope. 16 17. Und wann offt schon Sich Daphnis erzeiget Sehr übel geneiget/ Als wann Er nunmehr Erzörnet/ sich fehr Gemachet hätt' darvon; Bleibt Er doch an der Thür/ 17 Und schaut/ wann dein Hertz bitter/ Heimlich durch das Gegitter Mitleidenlich herfür. 18. Als Daphnis dort Der frommen Cathrinen Von Senis erschienen/ Als welche sehr lang Durch Beriths 18 Bezwang Geängstigt fort und fort: Sagt sie; wo waret Ihr/ 19 Mein Herr/ in meinem Schmertzen? Er sprach: in deinem Hertzen/ Und halffe streiten dir. 19. So will ich ihn Dann nimmer verdencken/ Noch hefftig mich kräncken/ Ob schon Er mir nicht Stäts tröstlich zuspricht/ Wann ich betrübet bin: Genug ist es/ wann Er Mich nur nicht gar verlasset/ Als eine Feindin hasset/ Wie ich es würdig wär'. 20. Ich will fünfffach 20 Die Thüren verriglen/ Ja gar sie versiglen/ Auff daß mir kein Dieb Durch weltliche Lieb Mein Hauß verdächtig mach'; Damit Er die Clorind' Allein in ihrem Zimmer Den Dagon 21 aber nimmer In ihrem Hertzen find'. Fußnoten 1 Gen. 29. 2 vers. 25. 3 vers. 25, 26. 4 Cant. 5. v. 6. 5 Die Ero. 6 Das enge Meer zwischen Sest und Abidus, nicht weit von Constantinopel. 7 Von dem Tod. 8 Sophronius in Prato Spir. c. 107. 9 Dem H. Abbt Gerasimus, der ihme einen Dorn aus den Klawen gezogen. Sophron. in Prato spir. c. 107. 10 Myrrha ist vor Läid in einen Myrrhen-Baum verwandlet worden. Ovid. 10. Met. Poët. 11 Thom. de Kemp. lib. 2. c. 8. v. 11. 12 Thom. de Kemp. lib. 2. c. 8. v. 1. 13 Hortus conclusus Cant. 4. vers. 12. 14 1. Reg. 5. v. 3. & 4. Dagon. 15 Mitbuhler. 16 Die Frau Vlißis, welche 20. Jahr dem abwesenden Mann getreu verblieben. 17 Prospiciens per cancellos. Cant. 2. v. 9. 18 Geist der Unremigkeit. 19 Valent, Leuchtius in vitu SS. 29. April. 20 Die. 5. Sinn. 21 Welt-Sorgen/ dann Dagon heißt Geträid/ und Fisch.