Die blinde Hafnerin bei den Felsen Das Weib spricht, im Traum des Mannes: Dies Schweigen sagt mir, daß es Abend ist, und meine Harfe, die von selber tönt. Wie viele Lieder wußt ich unter Tag, wie viele Töne meiner Harfe. Jetzt will eins anheben, das am Tage schwieg, ein seltsam Lied, das keine Hörer mag, das zu sich selber redet: Ich ... bin ... blind. Blind für die vielen Wege mancher Fraun, wenns Abend ist. Ich find mich nicht zurecht, wo viele Wege gegen Abend träumen hin unter Bäumen, die voll Dunkel sind. Ich steh, und wage keinen Schritt zu tun, wenns Abend ist ... An solchen Abenden hungert der Tod nach meinem Fleische! Blut aus allen meinen Wunden, heiß! und meine Klagen gehn wie durch den Herbst, in rauhem Wind, wie mit verwöhnten Füßen hin über abgefallen, schwarz Geäst ... Und naht die Nacht, und sind die Fraun bei ihren Männern ... alle Not, die ich am Tage sang, flammt doppelt rot! Ich seh von Bäum und Bergen eine Welt und Wasser viel und Boote, die im Traum hingleiten; Wege, eng gesellt; und grelle Lichter über Heimlichkeiten. Da zwingt ein Mann ein Weib mit einem Fluch, da betet eines Mannes Brunst zur Hure, da reden Zweie wie ein Buch, dort heben sich vier Hände hoch zum Schwüre, da nahn sich zwei, von dumpfer Lust entstellt, verzerrt, und überbieten sich sinnlos an ererbter Kraft, dort rinnet eines Alten Saft gelb und vergelbt hin unter jungen Blüten ... da bin ich sehend! überhell strömts in mich, in mich, dreimal klar! dreimal verflammt mein dunkles Haar in eisigen, vereisten Winden! in meinem Leib verächzt die Glut! bin eine Seherin über Blinden! und wie dies weh, wie Sterben, tut, so weh – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – Spät lieg ich bei den großen Steinen wach wie bei Männern, ... o so rauh! Nun bin ich aller Steine Frau mit einem unerlösten Weinen ...