Zwei Polen Schon sieben Jahre treibst du Dies wunderliche Wandern Von einem Ufersaume Der Welt dahin zum andern? So lang aus diesem Schiffe Trat nie dein scheuer Fuß, Der lieben, trauten Erde Zu bringen einen Gruß? Und wenn das Schiff die Winde In Landesnäh getragen, Wenn du die blauen Berge Sahst in die Lüfte ragen, So bist du kalt geblieben In deinem Bretterhaus? So rief kein lautrer Herzschlag In deiner Brust: hinaus!? Und sahst du auf den öden, Den unwirtbaren Wogen, Wie plötzlich kam ein Vogel Vom Lande hergeflogen, Der bald zur Heimat wieder An dir vorüberglitt, Nahm der nicht deine Sehnsucht In seine Wälder mit? Wenn du in weiter Ferne Mit seegeschärften Sinnen Sahst aus den Fluten tauchen Die grünen Waldeszinnen Und unwillkürlich spürend Den Landgeruch gespürt, Hat sich in deinem Herzen Die Waldlust nicht gerührt? Ich habe sieben Jahre Mich auf der See getrieben, Werd auf der See mich treiben Vielleicht noch einmal sieben. Solang mir nicht vom Ufer Entgegentönt die Kunde, Daß sich erhob die Menschheit, Zu heilen jene Wunde, Die mit dem Falle Warschaus In tränenwerten Tagen So tief dem heilgen Herzen Der Freiheit ward geschlagen: So lange wird vergebens Gebirg und Wald mir winken Und auf das Schiff ein Vogel, Ihr müder Bote, sinken. Den lieben Bergespfaden, Der süßen Waldesruh Und manchem Freundesherde Kehr ich den Rücken zu Und knicke tot im Herzen Den Wunsch nach Wiederkehr Und wende meine Blicke Zurück ins freie Meer. Hier leb ich mit den Wellen Und mit den freien Winden Und seh dahin die Tage, Die hoffnungslosen, schwinden; Hier leb ich mit den Brüdern Erinnrungsvolle Stunden, Dort die im heilgen Kampfe Beglückten Tod gefunden. O tiefe Meeresstille! O grenzenloser Frieden! Auf weiter Wasserheide Wie einsam, abgeschieden! Das Meer in seiner Stille Ist zwiefach unermessen; Hier haben uns die Winde Verlassen und vergessen. Der finstre, stumme Himmel Ist wie mein Vaterland, Dem jeder Strahl der Freude Vom Angesichte schwand; Der stille Meeresboden, Wo keine Welle wacht, Ist wie die stille Wahlstatt Nach unsrer letzten Schlacht. Das stumme, finstre Antlitz Des Himmels niederstarrt Und mit verhaltnem Grolle Der Zeit des Sturmes harrt. – Der auf dem Dornenpfühle Tatloser Schmerzen ruht, Du wunderlicher Träumer, Wie wäre dir zumut, Wenn plötzlich übers Meer sich Zu dir herüberschwänge Ein Vöglein aus der Heimat Und wach den Träumer sänge? Wenn es ein Lied dir sänge, Wie sie sich drüben schlagen, Und wie die Waffenbrüder Nach dir im Kampfe fragen? Du aber bist gebannet, Gefesselt ist dein Wille Und mit dem Schiff gewurzelt Hier in der Meeresstille! Das Vöglein wird nicht kommen Und singen, wie sie schlagen, Und wie die Waffenbrüder Nach mir im Kampfe fragen; Doch käm es, müßt ich weinen, Daß ich daheim nicht wär, Und würde ungeduldig Mich stürzen in das Meer. Mein Geist, entfesselt, eilte Zur lang ersehnten Schlacht, Ein Leitstern meinen Brüdern In dichter Pulvernacht; Und wollt ein Feind im Dunkel Entfliehn der Schlacht, der heißen, Würd ich des Rauches Mantel Ihm von den Schultern reißen, Die Kugeln meiner Brüder Würd ich im Fluge lenken, Daß sie sich tief und sicher In Feindesherzen senken. Schon regen sich die Lüfte, Und Sturmeswolken ziehn; Vielleicht ist Polens Freiheit Auf immer nicht dahin. Die Winde gehn und kommen, Die Woge ebbt und flutet, Doch ewig ohne Hülfe Die tiefe Wunde blutet!