Reiseblätter Wanderung im Gebirge Du warst mir ein gar trauter, lieber Geselle, komm, du schöner Tag, Zieh noch einmal an mir vorüber, Daß ich mich deiner freuen mag! Des Himmels frohes Antlitz brannte Schon von des Tages erstem Kuß, Und durch das Morgensternlein sandte Die Nacht mir ihren Scheidegruß: Da griff ich nach dem Wanderstabe, Sprach meinem Wirte: »Gott vergelt Die Ruhestatt, die milde Labe!« Zog lustig weiter in die Welt. Froh summte nach der süßen Beute Die Biene hin am Wiesensteg; Die Lerche aus den Lüften streute Mir ihre Lieder auf den Weg. Ich trat in einen heilig düstern Eichwald, da hört ich leis und lind Ein Bächlein unter Blumen flüstern, Wie das Gebet von einem Kind; Und mich ergriff ein süßes Grauen, Es rauscht' der Wind geheimnisvoll, Als möcht er mir was anvertrauen, Das noch mein Herz nicht wissen soll; Als möcht er heimlich mir entdecken, Was Gottes Liebe sinnt und will: Doch schien er plötzlich zu erschrecken Vor Gottes Näh – und wurde still. Schon zog vom Wald ich ferne wieder Auf einer steilen Alpenwand; Doch blickt ich oft zu ihm hinnieder, Bis mir sein letzter Wipfel schwand. Da irrten Kuh am Wiesenhange; Der Hirte unterm Kieferdach Hing still bei ihrem Glockenklange Dem Bilde seines Liebchens nach. Schon seh ich Hirt und Herde nimmer, Ein Lüftchen nur ist mein Geleit; Der steile Pfad wird steiler immer, Es wächst die wilde Einsamkeit. Dort stürzt aus dunkler Felsenpforte Der Quell mit einem bangen Schrei, Enteilt dem grauenvollen Orte, Hinab zum freundlich grünen Mai. Verschwunden ist das letzte Leben, Hier grünt kein Blatt, kein Vogel ruft, Und selbst der Pfad scheint hier zu beben, So zwischen Wand und Todeskluft. Komm, Gottesleugner, Gott zu fühlen; Dein Frevel wird auf diesem Rand Den Todesabgrund tiefer wühlen, Dir steiler türmen diese Wand! – Des Berges Gipfel war erschwungen, Der trotzig in die Tiefe schaut; Natur, von deinem Reiz durchdrungen, Wie schlug mein Herz so frei, so laut! Behaglich streckte dort das Land sich In Ebnen aus, weit, endlos weit, Mit Türmen, Wald und Flur, und wand sich Der Ströme Zier ums bunte Kleid; Hier stieg es plötzlich und entschlossen Empor, stets kühner himmelan, Mit Eis und Schnee das Haupt umgossen, Vertrat den Wolken ihre Bahn. Bald hing mein Auge freudetrunken Hier an den Felsen, schroff und wild; Bald war die Seele still versunken Dort in der Ferne Rätselbild. Die dunkle Ferne sandte leise Die Sehnsucht, ihre Schwester, mir, Und rasch verfolgt ich meine Reise Den Berg hinab, zu ihr, zu ihr: Wie manchen Zauber mag es geben, Den die Natur auch dort ersann; Wie mancher Biedre mag dort leben, Dem ich die Hand noch drücken kann! Noch immer lag ein tiefes Schweigen Rings auf den Höhn; doch plötzlich fuhr Der Wind nun auf zum wilden Reigen, Die sausende Gewitterspur. Am Himmel eilt mit dumpfem Klange Herauf der finstre Wolkenzug: So nimmt der Zorn im heißen Drange Den nächtlichen Gedankenflug. Der Himmel donnert seinen Hader; Auf semer dunklen Stirne glüht Der Blitz hervor, die Zornesader, Die Schrecken auf die Erde sprüht. Der Regen stürzt in lauten Güssen; Mit Bäumen, die der Sturm zerbrach, Erbraust der Strom zu meinen Füßen; – Doch schweigt der Donner allgemach. Der Sturm läßt seine Flügel sinken, Der Regen säuselt milde Ruh; Da sah ich froh ein Hüttlein winken Und eilte seiner Pforte zu. Ein Greis trat lächelnd mir entgegen, Bot mir die Hand gedankenvoll Und hob sie dann empor zum Segen, Der sanft vom Himmel niederquoll; Und ich empfand es tief im Herzen, Daß Zorn der Donner Gottes nicht; Daß aus der Weste leichten Scherzen Wie aus Gewittern Liebe spricht. Und einen Labebecher trank ich Und schlich, wohin die Ruh mich rief, Hinaus zur Scheune; müde sank ich Hier in des Heues Duft – und schlief. Was mich erfreut auf meinen Wegen, Das träumt ich nun im Schlafe nach; Und träumend hört ich, wie der Regen Sanft niederträufelt' auf das Dach. Süß träumt es sich in einer Scheune, Wenn drauf der Regen leise klopft; So mag sichs ruhn im Totenschreine, Auf den die Freundeszähre tropft. Die Wolken waren fortgezogen, Die Sonne strahlt' im Untergang Und am Gebirg der Regenbogen, Als ich von meinem Lager sprang. Da griff ich nach dem Wanderstabe, Sprach meinem Wirt ein herzlich Wort Für Ruhestatt und milde Labe Und zog in stiller Dämmrung fort.