Das Lied vom armen Finken Der Finkler ist ein Schlauer; Wann dürr die Blätter sinken, Dann sperrt er in den Bauer Den eingefangnen Finken. Er macht den Finken kirre, Daß er zu finden lerne Das Wasser im Geschirre Und seines Futters Kerne. Und weiß das arme Finklein In seinen Sprossenwänden Bescheid in jedem Winklein, So geht es an ein Blenden. Der Vögelpotentate Brennt nun dem armen Tropfe Mit glutgehitztem Drahte Die Äuglein aus dem Kopfe. Und fragst du nach dem Witze Von solchem schnöden Werke? Ei, daß im Kerkersitze Der Fink den Lenz nicht merke. Der Vogler kann nicht brauchen Des Finken Schlag im Märzen. Daß Lust und Lied ihm tauchen Aus lenzgewecktem Herzen. Da sitzt er nun gefangen Im traurigen Verstecke, Gar fleißig überhangen, Daß ihn kein Lüftlein wecke. Und sollte seine Seele, Die doch den Frühling spüret, Sich wagen auf die Kehle, Wenn sich der Sänger rühret: Vertreibt ihm bald sein Dränger Die frohen Lenzgedanken, Er spritzt dem kecken Sänger Kalt Wasser in die Flanken. Und läßt sich nicht bezwingen Der Fink mit kalten Bädern, Will selbst der Nasse singen, So rupft man ein paar Federn. Er soll sein lautes Schlagen Und seinen Frühlingsglauben Bis in den Herbst vertagen, Wo sich die Hain' entlauben. Dann wird er singen dürfen Und seine Flügel dehnen, Die Waldeslüfte schlürfen Und sich im Frühling wähnen. Dann auf dem Vogelherde Beginnt der Narr zu preisen Die freudenwelke Erde In frohen Frühlingsweisen. Dann hören sein Frohlocken Und seine Frühlingslüge, Verwirrt und süß erschrocken, Der Vögel Wanderzüge. Und voller Lenzverlangen, Dem Finkler zum Ergetzen, Fallen sie ein und fangen Sich auch in seinen Netzen. – Nun ist es Lenz, nun sitzet Der Fink in seiner Steige, Der Vogler rupft und spritzet, Daß er den Lenz verschweige. Ich aber vorempfinde, Was droht aus Ost und Norden, Das Heer der kalten Winde, Die unsre Wälder morden. In den zerstörten Hagen Hör ich am Vogelherde Auch schon den Finken schlagen: ›Wie schön ist Gottes Erdel‹ Doch wirds dann wieder heller Nach trüben Winternissen, Wenn einst dem Vogelsteller Sein altes Garn zerrissen.