XXXI. Auf das Marmorbild einer schönen Frau an ihrem Grabmal. (1836.) So warst du. Jetzt hier unten Bist du Geripp und Staub. Bewegungslos Steht, über deinem modernden Gebein Stumm blickend in der Zeiten Strom hinein, Nur noch als Hüterin Der Trauer und Erinnrung dieses Abbild Verschwundner Schönheit. Jener süße Blick, Der zittern machte, wenn er still, wie jetzt, Auf einem Antlitz ruhte; jene Lippe, Die wie ein voller Becher Von Wonnen überträufte, jener Nacken, Den Sehnsucht einst umarmte; jene weiche Hand, die so oft gefühlt, Wie kalt und feucht die Hand ward, die sie drückte; Der Busen, dessen Wallen Erblassen machte Den, der ihn erblickte, Dies Alles war; jetzt bist du Nur moderndes Gebein, Deß Grauenbild der Marmor uns verbirgt. Also zerstört das Schicksal Ein Antlitz auch, das uns das lebensvollste Abbild des Himmels schien. O ew'ges Räthsel Des Menschendaseins! Heut ein Quell erhabner Gedanken, unaussprechlicher Gefühle, Prahlt Schönheit und verspricht – Ein Licht in Nachtgebieten Uns von der göttlichen Natur gesandt, – Von überird'schen Loosen, Glücksel'gen Inselreichen, goldnen Welten Ein sichres Unterpfand Dem Sterblichen zu bieten: Und morgen sehn wir schaudernd, Durch einen leichten Anstoß hingerafft, Entstellt, was uns noch eben Hold schien und engelhaft, Und auch die Wunderkraft, Die Seelen zu entzünden, Die hier gewaltet, fühlen wir entschwinden. Ein unermeßlich Sehnen Und hehre Phantasieen Läßt durch die Seele ziehen In weisem Einklang holder Töne Macht, Daß durch ein wonnig Meer wie traumverwirrt Der Geist getrieben wird, Wie durch den Ocean Zu seiner Lust ein kühner Schwimmer irrt. Doch wenn an unser Ohr Ein Mißton schlägt, verschwindet Das Paradies, das uns entzückt zuvor. Wie kannst du, Mensch, wofern du In Schwäche so versunken Nur Staub und Schatten bist, so stolz empfinden? Und wohnt ein Himmelsfunken In dir, wie kann dein bestes innres Leben, So knechtisch hingegeben An niedre Macht, entstehen und verschwinden?