III. An Angelo Mai, als er Cicero's Bücher vom Staate wiederentdeckt hatte. (1820.) Wirst du nicht müde, kühner Italer, Die Ahnen aus den Grüften Zu wecken, daß sie mächt'ge Reden führen Mit dieser todten Zeit, da rings in Lüften Der Trägheit Nebel schwebt? Und wie berühren Jetzt unser Ohr so oft und inhaltschwer Die Stimmen unsrer Alten, Die uns so lang verstummt? Warum erstehen Sie alle wieder? Früchte plötzlich tragen Die Blätter. Staub'ge Klöster geben her, Was sie verwahrt gehalten, Und die verscholl'nen heil'gen Worte gehen Von Neuem um. Krönt das Geschick dein Wagen, Du wackrer Italer? Wie, oder wird Ein Mannesmuth vom Schicksal nicht beirrt? Gewiß nur nach erhabnem Götterwillen Geschieht's, daß, da in schlimme Vergessenheit wir schwer wie nie versenkt, Von Neuem stets der großen Väter Stimme Uns aufzurütteln kommt. Noch also denkt Ein Gott Italiens, noch ward uns nicht ganz Des Himmels Huld entrissen, Daß, da nur diese Stund' und keine mehr Uns bleibt, Italiens Tugenden zu reinen Vom Rost, der lang verdunkelt ihren Glanz, Dem Ruf wir lauschen müssen Aus Gräbernacht und schau'n die Wiederkehr Der Helden, die der Erd' entstiegen scheinen Nur um zu forschen, ob du noch willst säumen, Mein Vaterland, und feig die Zeit verträumen. Gabt ihr uns wirklich, ihr Erlauchten, noch Nicht völlig auf? Wir wären Nicht ganz verloren? Euch vielleicht ist klar, Was kommen soll. Doch wie soll ich des schweren Grams mich entschlagen? Dunkel ganz und gar Ist mir die Zukunft; was ich rings muß sehen, Macht Hoffnung allerort Zu eitlem Wahn. Ihr Trefflichen, auf euern Wohnstätten haus't verhöhnt, in schmutz'ger Blöße Ein niedres Volk, und eure Enkel gehen An edlem Werk und Wort Mit Hohn vorbei. Nicht kann sie mehr befeuern Eu'r ew'ger Ruhm. Denkmäler eurer Größe Umgiebt ein träger Sumpf, und aller Zeit Sind wir ein Muster der Erbärmlichkeit. Du edler Geist, da jetzt kein Andrer mehr Gedenkt der hohen Ahnen, Sei du ihr Hüter, den des Schicksals Macht Huldvoll gewürdigt hat, uns zu gemahnen Der Tage, wo aus des Vergessens Nacht Ihr Haupt erhoben jene heil'gen Schatten Sammt den begrabnen Rollen, Die hohen Alten, denen die Natur Noch unter Schleiern sprach, wie sie Athen Und Rom die Feierzeit verschönert hatten. O Zeiten, längst verschollen! Noch droht' Italiens Fall von weitem nur; Noch galt bei uns für schimpflich Müssiggehn; Noch raubte da der Lüfte frischer Odem Im Fluge Funken unserm Heimathboden! Noch warm war damals deine heil'ge Asche, Du, dessen Sinn, den hohen, Kein Unglück beugte, der in Grimm und Gram Aus dieser Welt zur Hölle gern geflohen. Und ist denn auch ein Höllenkreis so schlimm, Wie unser Land? – Und deine sanften Saiten Erklangen schwirrend noch Vom Spiele deiner Hand, du unglücksel'ger Sänger der Liebe. Ach, dem Schmerz entspringt Italischer Sang! Und mindre Qual bereiten Die schwersten Leiden doch, Als dieser Ekel, der uns lähmt. Du Sel'ger, Dem Weinen Leben hieß! Doch uns bezwingt Früh schon der Ekel; starren Angesichts Sitzt neben uns an Wieg' und Gruft das Nichts. Doch damals lebtest du mit Meer und Sternen, Kühner Ligurersprosse, Als jenseits du der Säulen und der Küsten, Wo, wenn die Sonn' erlischt im Meeresschooße, Man zischen hört die Flut, den Wasserwüsten Dich anvertrauend, wiederfandst den Glanz Der Sonne, die vergangen, Den Tag, der aufglüht, wenn er uns entschwand, Und trotzend jedem Hemmniß der Natur Entdecker wurdest unermessnen Lands, Glorreicher Lohn der bangen Ausfahrt und Heimkehr. Ach, je mehr erkannt, Je kleiner wird die Welt; die Erdenflur, Das Meer, der Klang der Sphären, – mehr erhaben, Als jedem Weisen, dünken sie dem Knaben. Wo sind die holden Träume nun von jener Geheimen Zufluchtstätte Uns unbekannter Siedler, von dem Ort, Wo über Tag die Sterne ruhn, dem Bette Der jungen Eos und dem Ruheport, Wo Nachts verborgen schläft das Weltgestirn? Mit Eins sind sie geschwunden; Nun zeigt ein kleines Blatt das Bild der Welt. Nun gleicht sich Alles, und die Forschung weitet Das Nichts nur aus. Dich scheucht von unsrer Stirn Die Wahrheit, kaum gefunden, O holde Phantasie! Das Denken hält Sich fern von dir auf immer und bestreitet Die Macht dir mehr und mehr, die wundersame, Daß jeder Trost nun schwand in unserm Grame. Da kamst du, Mann der holden Träume; hell Erglänzte dir die Sonne, Der du so süß von Waffen sangst und Liebe, Wie sie die Welt, einst minder arm an Wonne, Erfüllt mit selig irrendem Getriebe. Italiens neuer Stern! O Thürme, Zellen, O Ritter, schöne Frauen, O Gärten, o Paläste! Denk' ich euer, Verliert in tausend bunte Lieblichkeiten Die Seele sich. Aus eitlem Tand, aus hellen Märchen voll Lust und Grauen Bestand das Leben. All die Abenteuer Verbannten wir. Was bleibt nun unsern Zeiten, Die ihren Lenz verloren? Ach, wir wissen Nur Eines sicher: daß wir leiden müssen. Uns, o Torquato, ward dein hoher Geist Vom Himmel da beschieden; Dein eigen Theil sind Thränen nur gewesen. Unglücklicher Torquato! Nicht zum Frieden Half dir dein süßes Lied, nicht konnt' es lösen Den Frost, der deines Herzens warmen Strom, So freudig einst geschwellt, Vereis't, durch Haß und schnöde Mißgunst. Liebe, Liebe, des Lebens letzte Täuschung, ach, Verließ dich auch. Ein wesenhaft Phantom Schien dir das Nichts, die Welt Ein öder Strand. Dein Auge, todestrübe, Sah nicht die späten Ehren. Daß es brach, War Wohlthat. Wer der Menschen Elend ganz Begriff, ersehnt den Tod nur, keinen Kranz. O kehr uns wieder, steig aus deiner stummen, Trostlosen Gruft, wenn immer An Leid du noch dich weidest, mitleidwerthes Vorbild des Unglücks. Noch unsäglich schlimmer, Als dein von jeder Qual und Noth zerstörtes, Ist unser Menschendasein. Wo noch flösse Dir eine Thräne, Lieber, Da Jeden nur sein eigen Loos bewegt? Wer hieße Thorheit nicht die Pein, in der Du tödlich rangst, da jede seltne Größe Gilt als ein tolles Fieber, Und nicht mehr Neid, nein, was sich schwerer trägt, Gleichgültigkeit die Größten trifft? O wer, Heut da nicht Verse, Zahlen nur beglücken, Wer würde jetzt dich mit dem Lorbeer schmücken! Seit deinen Tagen, unglücksel'ger Geist, Kam Einer nur, des Ruhms Italischen Namens würdig, nur der Eine, Zu gut für diese Zeit des Memmenthums, Ein trutziger Allobroger, dem seine Männliche Kraft der Himmel selbst verliehen, Nicht diese Erde, siech Und unfruchtbar. Allein und unbewehrt – O herrlich Wagniß! – gegen die Tyrannen Wollt' auf den Brettern er zu Felde ziehen. O gönnt uns diesen Krieg, Dies Scheingefild zum Kampf, wenn feindlich gährt Die kranke Welt! Wir sahn ihn sich ermannen, Zuerst und einsam; Keiner folgt' ihm nach. Versunken blieb sein Land in stumme Schmach. In knirschender Verachtung lebt' er hin Sein fleckenloses Leben, Und Tod bewahrt' ihn, Schlimmres noch zu schauen. Nein, mein Vittorio, günstig deinem Streben War weder Zeit noch Ort. In diesen Gauen Kann Hochsinn fürder nicht gedeihn. Im Hafen Ruhn träge wir, ergeben In Mittelmäßigkeit. Der Pöbel stieg Empor, der Weise sank; Nichts wird bewundert, Platt ward die Welt. – Da die Lebend'gen schlafen, Erweck zu neuem Leben Die Todten, hoher Forscher! Hilf zum Sieg Den alten Helden, daß dies Kothjahrhundert Empor sich raffe und Begeistrung trinke Zu edler That, wo nicht, in Scham versinke!