XVI. Einsames Leben. (1831.) Am frühen Tage, wenn mit Flügelschlagen Die Henne munter im verschlossnen Hause Sich regt und gackert und der Landbewohner Auf den Altan hinaustritt, während zitternd Die Sonnenpfeile durch den Tropfenfall Des Nebels dringen, weckt der Regen mich, Sacht an das Fenster meiner Hütte klopfend. Da steh' ich auf, und jene leichten Wölkchen, Der Vögel erstes Zwitschern und die Frische Der Lüfte segn' ich und die heitren Fluren. Denn euch, der Stadt unsel'ge Mauern, sah ich Nun lang genug und weiß: in euch ist immer Dem Schmerz der Haß gesellt; ach, und in Schmerzen Leb' ich und sterbe so – wohl bald! Nur hier, In diesen Stätten, gönnt Natur, wie karg auch, Ein stilles Mitleid mir, dem sie dereinst So huldvoll sich bewies! Und du auch wendest Vom Unglück ab den Blick; auch du verschmähst Die Armen und Beladnen, o Natur, Und huldigst nur dem Glück. So bleibt im Himmel Kein Freund und auf der Erde keine Zuflucht Dem Unglücksel'gen als ein scharfer Stahl. Zuweilen rast' ich einsam irgendwo Auf einem Hügel, an des Weihers Saum, Von traurigstummen Pflanzen rings umkränzt. Dort, wenn der Mittag sich an Himmel neigt, Spiegelt ihr ruhig Bild die hohe Sonne, Im Winde regt sich weder Halm noch Blatt, Kein Wellchen kräuselt sich, kein Heimchen hörst du, Nicht einen Vogel schwirren im Gezweig; Kein Falter flattert, weit und breit, vernimmst Und siehst du Nichts, was tönt und sich bewegt. Um diese Ufer webt die tiefste Ruhe, Daß fast der Welt und meiner selbst vergessend Ich reglos sitze, ja mir ist, als wären Die Glieder mir gelös't, kein Hauch, kein Fühlen Bewegte sie, und ihre alte Ruhe Verschmölze mit der Stille dieses Orts. O Lieb', o Liebe, wie so weit entflohst du Von dieser Brust, die einst so warm gefühlt, Ja, glühend heiß! Mit seiner kalten Hand Ergriff das Unglück sie, bis sie vereis'te Im Flor der Jahre. Jener Zeit gedenk' ich, Da du mein Herz durchbebtest, jener süßen, Ewig verlornen Zeit, wo sich zuerst Dem jungen Blick der Schauplatz dieser armen, Unsel'gen Welt eröffnet, mit dem Lächeln Des Paradieses. Ach, jungfräulich Hoffen Und süße Sehnsucht macht das Herz des Jünglings Im Busen klopfen, und der arme Mensch Schickt sich zur Arbeit dieses Lebens, wie Zu Tanz und Spiel. Doch kaum, o Liebe, war Ich deiner inne worden, als das Schicksal Mein Leben schon zerbrach, und diesen Augen Nichts mehr geziemt', als für und für zu weinen. Zuweilen nur, wenn auf den Frühlingsfluren, Beim stillen Frühroth, oder wenn im Glanz Der Sonne Dächer, Au'n und Hügel schimmern, Ich eines holden Mädchens Antlitz schaue, Oder so oft ich in der milden Ruhe Der Sommernacht den Schritt, der ziellos schweift, Anhaltend vor des Dorfes kleinen Hütten Das öde Land betrachte, und ein Mädchen, Das noch die Nacht zu ihrer Arbeit nützt, Mit heller Stimme im verlassnen Zimmer Zu singen anhebt: plötzlich klopft mir stürmisch Dies schon versteinte Herz; doch ach, wie bald Sinkt es zurück in seine eh'rne Dumpfheit, Denn allem Süßen fremd ward diese Brust. O holder Mond, bei dessen sanftem Strahl Im Wald die Hasen tanzen, – und der Jäger Schilt dann des Morgens, wenn er alle Fährten Verwirrt und trüglich findet und die Spur Vom Nest des Wildes ablenkt, – sei gegrüßt, Du güt'ge Herrscherin der Nacht! Es gleitet Verhaßt dein Strahl durch Wald und Klippen oder In öde Trümmer auf den Dolch herab Des bleichen Räubers, der gespannten Ohrs Auf das Geräusch der Räder und der Rosse Von ferne lauert, oder auf den Fußtritt Im stillen Hohlweg; plötzlich mit dem Klirren Der Waffen und dem rauhen Ruf der Stimme Und der geschwärzten Larve macht zu Eis er Des Wandrers Herz erstarren, den er blutend Und nackt im Dickicht läßt. Verhaßt begegnet Dein weißes Licht dort in der Städte Gassen Dem feigen Buhler, der entlang den Mauern Der Häuser schleicht und im verstohlnen Schatten Sich hält und plötzlich stehen bleibt, erschreckt Vom Strahle der Laternen und der offnen Balcone. Arger Menschenbrut verhaßt, Wird mir dein Anblick immer lieblich sein In diesen Fluren, wo du Andres nicht Als heitre Hügel, weitgedehnte Felder Dem Auge zeigst. Und dennoch pflegt' ich einst, Obwohl ich schuldlos lebte, deinen zarten Strahl zu verwünschen an bewohnten Stätten, Wenn er dem Blick der Menschen mich verrieth, Menschliche Formen meinem Aug' enthüllte. Nun will ich stets dich preisen, mag ich durch Gewölk dich schwimmen sehen, oder heiter Als Königin des hohen Aetherraumes Zum Thränenthal der Menschen niederblicken. Mich wirst du oft noch schauen, stumm und einsam Durch Wälder irrend und durch grüne Ufer, Oder im Grase sitzend, hochzufrieden, Wenn Kraft und Athem nur zum Seufzen bleibt!