XI. Die Blauamsel. (1836.) Herab von jenes alten Thurmes Zinne Singst du ins Feld hinaus, einsamer Vogel, Und erst des Tags Verscheiden macht dich stumm. Der süße Wohllaut schweift durch dieses Thal; In Lüften glänzt ringsum Der Lenz und zieht frohlockend durch die Fluren, Daß uns der Anblick zärtlich rührt die Brust. Du hörst die Schafe blöken, Rinder brüllen, Die andern frohen Vögel um die Wette In tausend Kreisen schwärmen unterm Himmel, Frohlockend dieser Zeit, der lustgeweihten. Du blickst von fern nachdenklich ins Getümmel; Nicht an Gefährten, Flügen Und heiterm Spiel magst du Gefallen finden. Du singst, – und so entschwinden Dir deine wie des Jahres Blütezeiten. Wie ähnlich, ach, verrinnt Mein Tag dem deinen! Muntrer Scherz und Lachen, Die stets der Jugendzeit Gespielen sind, Und du, der Jugend holde Schwester, Liebe, Du bittrer Seufzer unsrer reifern Tage, Mich rührt ihr nicht; warum? ich weiß es nicht; Ja, euch entflöh' ich gerne. Fast allen Menschen ferne, Fremd meinem Heimathort, Seh' ich, wie meines Lebens Lenz verstreicht. Sie pflegen diesen Tag, der nun sich neigt, In unserm Städtchen festlich zu begehn. Horch, wie durch klare Luft das Glöckchen tönt, Horch, wie dazwischen oft aus Eisenröhren Ein Donnern fern von Haus zu Haus erdröhnt. Des Ortes Jugend heut In ihren Feierkleidern Verläßt die Häuser, wandelt hier- und dorthin Und schaut und läßt sich schau'n und ist vergnügt. Ich geh' in Einsamkeit Hinaus hier diesen abgelegnen Pfad. Ach, alle Lust und Freude Vertag' ich auf die Zukunft, und indeß ich Den Blick ins Helle lenke, Trifft mich die Sonne, die von fernen Bergen So klar herübersieht Und scheidend mir zu sagen scheint: gedenke, Wie bald die sel'ge Jugendzeit entflieht. Du, einsam Vögelchen, wenn sich zum Abend Das Leben neigt, das dir die Sterne gönnen, Wirst nicht beklagen dies Dein stilles Dasein; denn aus der Natur Blüht euch all euer Glück. Doch ich – läßt mein Geschick Mich zur verhaßten Schwelle Des Greisenthums gelangen, Wo diesen Augen, stumm für fremde Herzen, Die Welt verödet dünkt, der nächste Tag Noch trauriger, als alle, die vergangen – Wie wird mir diese Zeit, Einsam versäumt, wie werd' ich selbst mir scheinen? In Reue werd' ich weinen Und ach, umsonst zur Jugend heimverlangen.