II. Als man Dante in Florenz ein Denkmal setzen wollte. (1818.) Ob auch die weißen Schwingen Der Friede breitet über unser Land, Wie soll'n Italiens Geister Dem Bann der langen Schlafsucht sich entringen, Eh' nicht dies arme Volk sich seiner alten Urväter Vorbild wieder zugewandt? Sorg, o Italien, wie Du deine Todten ehrst! Denn weit und breit Bist du verwais't von solchen Hochgestalten, Und Keiner lebt, dem Ehr' und Ruhm gebührt. Schau rückwärts, o mein Vaterland, und sieh Die Schaar Unsterblicher aus alter Zeit, Bis Schmerz in dir des Zornes Flamme schürt, Denn ohne Zorn ist thöricht heut der Schmerz. Schau rückwärts, raffe dich empor voll Scham Und stachle dir's das Herz, Zu sehn, wohin es mit den Enkeln kam. Die Fremden, an Geberd' und Sprach' und Art Verschieden, wandelten am Arnostrande Und forschten, wo der Staub Des Sängers ruhe, dem die Ehre ward, Allein gesellt zu sein dem Mäoniden, Und hörten – o der Schande! – Daß nicht allein, in fremdem Land begraben, Nicht die Gebeine kehrten Aus der Verbannung zu der Heimath Frieden, Daß auch in deinen Mauern nicht ein Stein Ihn ehrt, Florenz, ihn, dessen hohe Gaben Dich vor der Welt verklärten. O ihr, die unser Land nun wollt befrei'n Mitleidig von der Schmach, der es verfallen, Heil eurem edlen Werk, Heil euren Mühen, Ihr Wackern! Dank von Allen, Die noch in Liebe für Italien glühen! Ja, Liebe zu der armen Mutter Italien sporn' euch an, ihr Theuren, Zu ihr, für deren Schicksal In keiner Brust mehr wohnet ein Erbarmen, Seit ihr der Himmel Leid nach Glück verhängte. Erbarmen, Söhne, fördre stets in euren Gemüthern dies Beginnen Und Grimm und Gram ob all der herben Qual, Die Wang' und Schleier ihr mit Zähren tränkte. Doch ihr – wie soll mein Wort und Lied euch preisen, Daß nicht bedacht nur, Pläne zu ersinnen, Nein, treubemüht mit Geist und Hand zumal Ihr ew'gen Danks euch würdig wollt erweisen, Dies edle Werk zu frohem Ende führend! In welchem Ton soll ich zu euch mich wenden Und euren Eifer schürend Euch neue Funken in die Seele senden? Begeistern wird euch das erhabne Ziel Und scharfe Stacheln in den Busen drücken. Wer schilderte den Sturm Der Inbrunst, wer das lodernde Gefühl? Wer malt die stummverzückten Angesichter, Die Glut in euren Blicken? Wie reicht' ein stammelnd Menschenwort hinan, Himmlisches auszusprechen? Fern bleibe der Profane! Seinem Dichter Wird noch im Bild Italien Thränen weih'n. Wie könnt' es je zerfallen, wie der Zahn Der Zeit den Ruhm euch schwächen? Ihr, die uns Trost im Unglück durftet sein, Ihr himmlisch holden Künste, lebt ja immer, Und lindernd unserm Volk den Fluch, den schweren, Wollt ihr, ob auch in Trümmer Italien sank, den Ruhm Italiens mehren. So komm' auch ich und bringe Zu unsrer leidgebeugten Mutter Ehren All was ich kann und habe, Dies Lied, das ich zu eurem Werke singe, Indeß des Meißels Schlag den Stein belebt. O du, erlauchter Vater unsrer hehren Dichtkunst, wenn eine Kunde Von ird'schem Thun, von ihr, die du so hoch Erhoben, bis zu euren Ufern schwebt, So weiß ich, nicht um dich dünkt dir's Gewinn. Denn gegen deinen Ruhm im Weltenrunde Sind Erz und Marmor so vergänglich doch Wie Wachs und Sand. Und wenn aus unserm Sinn Du je entschwunden warst, je kannst entschwinden, Mag unser Leid noch wachsen unermessen, Mag ohne Trost zu finden Dein Volk vergehn, von aller Welt vergessen. Doch nicht um deinetwillen, – um das Land, Das dich gebar, ist's Freude dir, wenn je Am Vorbild hoher Ahnen Der schlummertrunkne Enkel sich ermannt, Daß er erhobnen Haupts sich stark erwiese. Ach, von wie langem Weh Gebeugt siehst du nun Die, die schon vor Zeiten Armselig du gesehen, Als du von Neuem gingst zum Paradiese, Heut so im Elend, daß im stolzen Schimmer Von Glück und Macht sie damals schien zu schreiten. So weh ist ihr geschehen – Du glaubtest's wohl den eignen Augen nimmer! Doch nichts von andrer Noth, die sie bezwang! Nur von der bittersten, der jüngsten Schande, Die schier den Untergang Verhängte deinem armen Vaterlande. Heil dir, daß voll Erbarmen Dein Schicksal dich bewahrt, dies zu erleben, Daß du Italiens Frauen Nicht siehst entehrt in fremder Krieger Armen, Mit Brand und Plündrung Stadt und Land geschlagen Und aller Wuth des Feindes preisgegeben; Die göttlich hohen Werke Italischer Meister fortgeschleppt in schnöde Knechtschaft jenseit der Alpen, von der Wagen Wüstem Gedränge jede Straße dröhnend Und Herr'n im Lande Trotz und rohe Stärke! Du hörtest nicht das frevle Hohngerede Von Freiheit, wie ein Spottgelächter tönend Zum Klang von Ketten und von Geißelhieben. Wer ward verschont? Wovon sind jene frechen Ehrfürchtig fern geblieben, Von welchen Heiligthümern und Verbrechen? Was mußten wir so arge Zeit erleben? Was ließest du uns werden, ach, warum Nicht früher wieder scheiden, Grausames Schicksal? Daß wir unterjocht Von Fremden schauend unser Vaterland, Vernichtet, todt und stumm Jedwede Tugend, doch die grimmen Schmerzen, Die nagten sein Gebein, Mit keinem Trost zu lindern ihm vermocht Und keinen Hoffnungsstrahl ihm durften gönnen! Ach, nicht einmal das Blut aus meinem Herzen Durft' ich dir, Theures, weih'n. Nicht hab' ich, dich zu retten, sterben können! Denk' ich's, schwillt mir das Herz vor Zorn und Harme. Wohl starben auch von uns viel tapfre Fechter, Doch nicht für dieses arme Italien, nein: für seine fremden Knechter. Wenn dies dich nicht empört, Wardst, Vater, du ein Andrer, als auf Erden. In Rußlands eis'gem Schlamme Hinsanken, ach, wohl bessren Todes werth, Italiens Tapfre; Sturm und Frost verbanden Und Thier' und Menschen sich, sie zu gefährden. Mit Blut die Erde tränkend, Hinsanken sie, halbnackt und abgezehrt, Wo sie im Eisgefild ihr Wundbett fanden. Und nahte dann die letzte Stunde sich, Voll Heimweh der geliebten Mutter denkend, Erseufzten sie: O rafft' uns hin das Schwert, Nicht Schnee und Eis, und stürben wir für dich, Geliebte Heimath! Von dir losgerissen, Da noch uns lacht die schönste Zeit im Leben, O daß wir sterben müssen Ruhmlos, für Jene, die den Tod dir geben! Ihr Klagen hat die nordische Wüste nur Und sturmgepeitschter Föhrenwald vernommen. So fanden sie ihr Ende, Und witternd der verlassnen Leichen Spur Im graus'gen Meer von Schnee, ist aus den Höhlen Das Wild zum Fraß gekommen, Daß nun der Trefflichen und Tapfern Name Spurlos der Nacht geweiht, Gleich dem der Feigen sei. Ihr theuren Seelen, Ob euer Unglück auch so grenzenlos, Dies sei allein euch Trost in eurem Grame, Daß ihr in Ewigkeit Müsst bleiben jedes Trostes baar und bloß. Im Abgrund eures Jammers sollt ihr ruhn, Als echte Söhne jener Schmerzenreichen, An deren Unglück nun Das eure nur vermag hinanzureichen. Euch klagt sie ja nicht an, Die Muttererde, nein, die euch gezwungen Zum Kampfe wider sie, Daß sie nun bitter weinen muß fortan Und ihre Thränen mischen mit den euren. O rührte sie, die höchsten Ruhm errungen, Jetzt in der tiefsten Noth Nur Einem so das Herz, daß er empor Sie zög' aus dieser düstren, ungeheuren Versunkenheit! Sag, o erlauchter Schatten, Ist denn die Liebe zu Italien todt? Erlosch die Glut, die dich beseelt zuvor? Die Myrte, dran wir uns getröstet hatten In langem Leid, treibt nie sie frische Blätter? Soll'n unsre Kränze hingestreut verbleichen? Und kommt uns nie ein Retter, Der nur von fern sich dürfte dir vergleichen? Ist's mit uns aus für immer? Wird der Schmach Ein Ziel und Ende nimmer? Ich, weil ich athme, bleib' als Rufer wach: Verrottetes Geschlecht, denk deiner Ahnen! Schau diese stolzen Trümmer, Die Schriften, Bilder, Statuen, Tempelhallen; Denk, wo du wandelst, und erweckt dich nimmer Der helle Glanz von diesen Mustern allen, So heb dich weg für immer! Dies Land, das einst geglänzt von Heldenehren, Sei nicht ein Tummelplatz so schnödem Treiben. Statt Memmen nur zur nähren, Mag es verlassen und verwittwet bleiben!