XX. Die Auferstehung. (1831.) Vorbei für immer wähnt' ich schon In meiner Jugend Blüte, Die einst die Brust durchglühte, Ach, all die süße Qual; Die süße Qual, der zärtlichen Gefühle tiefes Beben, Was irgend nur das Leben Uns lieblich macht zumal. Wie streut' ich meine Klagen da Und Thränen in die Winde, Als unter Eisesrinde Erstorben schien das Leid! Das Klopfen schwieg, das stürmische, Der Liebe Glut verglommen, Das Herz starr und beklommen Kein Seufzer mehr befreit! Da weint' ich, daß so freudenlos Mein Leben schwinden werde, Daß rings um mich die Erde Versteint im ew'gem Frost. Der Tag verödet, öder noch Der Nächte stummes Dunkel; Nicht Mond, noch Sterngefunkel Gab meinen Augen Trost. Doch jener Thränen Quelle war Die alte Liebeswunde; Tief in des Busens Grunde Fortlebte noch das Herz. Noch sehnt' es nach den Bildern sich, Daran sich's einst entzückte. Der Gram, der mich bedrückte, War immer noch ein Schmerz. Doch bald erlöschen fühlt' ich auch Des Schmerzes letzten Funken, Die Kraft in mir versunken, Zu klagen meine Noth. Da lag ich; fühllos, sinnberaubt, Nach keinem Trost verlangt' ich; In tiefer Ohnmacht bangt' ich, Von Herzen stumm und todt. War ich denn ach, Derselbe noch, Der solche Glut vorzeiten, So trunkne Seligkeiten Genährt in seiner Brust? Die Schwalbe, die so frühe schon Am Fenstersims verborgen Zujubelte dem Morgen, Nicht hört' ich sie mit Lust. Und nicht wie sonst zur Herbsteszeit Im stillen Landhaus freute Mich abendlich Geläute, Der Sonne Niedergang. Mich grüßt' umsonst der Abendstern Hoch überm dunklen Hage, Umsonst mit süßer Klage Der Nachtigall Gesang. Und ihr, verstohlne, zärtliche Glutblicke schöner Augen, Daraus Verliebte saugen Den seligsten Gewinn, Du weiche Hand, der meinen doch So traulich hingegeben, Nicht konntet ihr beleben Den dumpferstorbnen Sinn. Verarmt an allem Lieblichen, Trüb war ich, doch gelassen, Doch frei von Lieb' und Hassen Und heitern Angesichts. Wohl hätt' ich gern herbeigesehnt Des Todes tiefern Frieden, Doch in der Brust, der müden, Hofft' und ersehnt' ich Nichts. Wie eines welken Greisenthums Armselig nackte Reste Hab' ich die Zeit der Feste, Den Lebenslenz verbracht. So, thöricht Herz, versäumtest du Unnennbar schöne Stunden, Wo, nur zu bald entschwunden, Uns helle Jugend lacht. Wer weckt mich aus der Ruhe nun, Die lähmend mich bedrückte? Welch neue Kraft durchzückte Auf einmal mich mit Lust? Ihr Träume, sanfte Regungen, Herzpochen, trüglich Hoffen, Steht wirklich euch noch offen Die lang erstorbne Brust? Seid ihr's in Wahrheit, einziges Licht in der Welt Gewühle, Ihr sehnlichen Gefühle, Die ich so früh verlor? Wohin der Blick nun schweifen mag, Rings in der Fern' und Nähe, Dringt ein geheimes Wehe, Ein Wonneglück hervor. Mit mir aufs Neu' beleben sich Gestade, Wälder, Höhen; Ich kann den Quell verstehen, Es spricht zu mir das Meer. Wer giebt nach Schmerzvergessenheit Die Thränen mir zurücke? Wie scheint die Welt dem Blicke Verwandelt mehr und mehr! Hat, armes Herz, die Hoffnung gar Ein Lächeln dir gespendet? Ach, ewig abgewendet Wird ihre Huld dir sein! Mir gab Natur zum Erbe nur Den süßen Trug der Jugend; Die angeborne Tugend Erlag der langen Pein. Doch nur betäubt, nicht ausgelöscht Vom schweren Leidgeschicke, Sah sie mit festem Blicke Der Wahrheit ins Gesicht; Vor deren Blick – ich weiß es ja! – Die holden Träume schwinden. Wie wir in Qual uns winden, Natur erbarmt sich nicht. Nie unsres Wohles eingedenk, Des Seins nur mag sie walten; Dem Schmerz uns zu erhalten, Ist einzig sie bemüht. Ich weiß, es hat bei Menschen auch Das Mitleid keine Stätte, Da höhnend um die Wette Die Welt den Armen flieht; Weiß, daß die Zeit, die klägliche, Nichts fragt nach edlen Geistern Und würd'ger Forschung Meistern Sogar den Ruhm verwehrt. Und ihr, ihr himmlisch leuchtenden Augen voll scheuen Lebens, Ich weiß, ihr glänzt vergebens, Von Liebe nie verklärt. Nie blitzt in euch verstohlenes Gefühl von Wonne trunken, Nie glimmt ein holder Funken In dieses Busens Schnee. Ach, einzig zum Gespötte nur Dient euch ein treues Herze; Mit übermüth'gem Scherze Belohnt ihr Liebesweh. Und doch, aufs Neu' ergeb' ich mich Dem alten Trug mit Willen. Es staunt das Herz im Stillen, Wie laut es pocht in mir. Dir, o mein Herz, verdank' ich ja Dies letzte Lebensregen, Der schönen Flamme Segen Und jeden Trost nur dir. Ich fühl's, daß diesem adligen, Reinen Gemüth auf immer Gebricht des Glückes Schimmer, Schönheit, Natur und Welt. Doch wenn du lebst, Unseliges, Unbeugsam dem Geschicke, Will ich nicht zeihn der Tücke Die Macht, die mich erhält.