Nachtfahrt im Gebirg Dunkle Felswände die Berghöh'n entlang, Taleinwärts fuhren wir, es zogen Die Nebel mit uns in hellen Wogen, Ein wildes Heer, das sich auf und nieder schwang, Ein Meer, das mit den Lüften rang. Doch reingezackte Gipfel hoben Im Licht des Mondes sich hervor, Vom herrlichsten Blau der Nacht umwoben, Und darüber flog im Schleierflor Sein silbern Antlitz. Es tauchten Zuweilen auch Wolken auf, glührot, Als ob brennende Städte rauchten Hinter den Bergen, als wär entloht Ein Lavastrom und wälzte sich her; doch eilte Darüber hin im Flug Das leuchtende Gestirn und teilte In der Wolken raschem Vorüberzug Den nächtlichen Irrpfad, wo tief im Dunkeln Umwaldeter Schluchten Licht an Licht Aus fernen Häusern begann zu funkeln, Bald einzeln und bald wieder dicht, Wie Sterne des Himmels, – und die darin hausten, Die hörten, vielleicht schon halb im Schlummer, Wie wir vorüberbrausten, Wenn sie nicht wach hielt nagender Kummer. Denn auch in diese Hütten ein, In die weltverborgensten Täler Schleicht ja die Sorge sich, dringt die Pein, Der Menschen nie müde Quäler. Aber was wäre, frug ich, das Dasein hienieden, Wäre dem Herzen nicht Kampf beschieden, Der Kampf mit Schmerz und Qual? Dieser blutrote Höllenstrahl Erleuchtet die Tiefen der Menschenbrust, Und Seelengröße wäre nicht Und nicht des Sieges stolze Lust, Wär nicht der Schmerz, der weiht, wenn er zerbricht. Ach, schon erschauert mir tief Das eigne Herz, und ich fühle mich zagen. Wie? wenn zum Kampfe das Unglück mich rief', Würd' ich's ertragen? Müßt' ich aller Errungenschaft, Jedem edleren Tun entsagen, Und sähe mich weggerafft Vor allem Erhabnen auf Erden, Zur Fron des Tags mich gezwungen werden! Und müßt' ich wieder wie vor Jahren Das Furchtbare bestehn Und das bitterste Leid erfahren, In Geliebter brechendes Auge sehn? In Zagnis fühl' ich vergehn Den trotzigen Mut, der noch eben Mit dem Verderben gespielt, Der des Schicksals furchtbarem Weben Kühn den Gedanken entgegenhielt. Nie dünke sich der Mensch so groß, Als könnt' er allem entsagen Und über das allgemeine Los In seinem Stolze sich wagen; Denn, ist er gestorben – ein Jahr Und mehr – dahin ist dann Alles, was er war, Und selbst von seiner letzten Stunde Lebt bei den Menschen kaum noch eine Kunde. Schwerer ballten die Nebel sich und hatten Undurchdringliche Dunkelheit Über die letzten Lichter weit und breit Emporgetürmt, gespenstige Schatten. – Ja, da bist du, Vergessenheit! Die jedes Glück du, Lust und Klage Mit Nacht umhüllst, so wie dort über längst In die Versteinerung gesunkene Tage Du die Felsenstirnen mit Nacht umhängst. – – Vergessenheit! Ende von Allem! Grenzenloses Und traumloses Schlafen! Aufgenommen, Erlöst zu sein und heimgekommen Zur Ruhe des mütterlichen Erdenschoßes! Ja, das wär' Alles, Aller letztes Wort Und letzter Trost, wenn nicht dort Aus jenen Sternen von der Größe, Von der Unendlichkeit des Alls ein Schimmer, Ein Flammenwink sich herniedergöße Und unsers Daseins Ziel noch immer Über all unser Fürchten und Hoffen weit, Viel weiter noch hinauserstreckte, Als es je die Vergessenheit Und der ungeheure Tod bedeckte.