98. Kenne dich selbst Frey von eigner Lieb und Gunst, Sich von aussen und von innen Kennen, ist das beste künnen Und passirt für alle Kunst. Andrer Leute Mängel richten, Seine schlichten, Tieff zu andren sehen ein, Ihme selbsten fremde seyn, Taug mit nichten. Viel zu zärtlich buhlt ihm der, Der sich in sich selbst verliebet, Daß er alles günnt und gibet Ihm, was sonsten andrer wär, Der ihm nichts nicht ab kan schlagen Zum behagen, Der sich, wie er sich gebildt, Wann er nicht bey andren gilt, Wil beklagen. Andrer Mann hat auch ein Haupt, Sein Gehirn und sein Gemercke; Wie? wann ihm auch deine Wercke Durch zu suchen wär erlaubt? Wer die Zung auff Hohn außstrecket, Der erwecket Einen, der den Kopff hebt auff Und ihm auch für seinen Lauff Lichter stecket. Wem der Himmel was geschenckt, Dencke nicht, er seys alleine; Andrem ist von solchem Scheine Auch vielleicht was zugelenckt. Viel ist manchem zugezehlet; Viel noch fehlet, Daß er noch nicht alles hat: Gott hat keinen ohne Rath So gewehlet.