Das Gericht Das Fallbeil fiel; auf dem Schafott Bekam er seinen Lohn; Den roten Ring um seinen Hals, Stand er vor Gottes Thron. Die weißen Engel schlugen all' Die Hände vors Gesicht, Und eine tiefe Stimme sprach: »Es sei ihm das Gericht!« Es sprach der Geist mit hartem Blick: »So fahr' zur Hölle hin; Du hast vergossen Bruderblut, Die Nacht sei dein Gewinn!« Die schwarzen Engel, augenlos, Mit Mienen tot und stumm, Die stellten um den Schächer sich Ganz eng und dicht herum. Es sprach der Sohn mit weichem Blick: »Laßt ihn zum Lichte ein; Er hat mit Tod die Tat gebüßt Und soll willkommen sein!« Die weißen Engel nahmen all' Die Hände vom Gesicht; Die tiefe Stimme aber sprach: »Fahrt fort in dem Gericht!« Es sprach der Geist, es sprach der Sohn, Die Wage fiel und stieg; Sie stieg und fiel, bis daß der Sohn Beklommen stand und schwieg, Die Stimme schwoll, die Stimme quoll, Sie fiel wie Blei hinab: »Ihr schwarzen Engel, tretet her, Führt ihn zum ewigen Grab!« Der Mörder sah die Stimme an Und sprach: »Das nennst du Recht? Was schufest du zum Herren mich, Und machtest mich zum Knecht?« Er riß das flammendheiße Schwert Dem Cherub aus der Hand Und schlug der schwarzen Engel Schar Bis an der Höllen Rand, Und schrie der stummen Stimme zu: »Du trägst allein die Schuld; Du gabst mir zu viel Leidenschaft Und nicht genug Geduld; Gabst mir den Nacken steif und stolz Und kochendheißes Blut; Dich trifft, was ich verbrochen hab' In glühendroter Wut! Kommt her, ihr Engel ohne Blick, Ihr Engel, schwarz wie Nacht; Hier steht ein Mann mit einer Wehr, Der euer aller lacht! Komm' Satan her; mit Flammenschrift Bemal' ich dein Gesicht; Sind auch Milliarden hinter dir, Ich folg' dir dennoch nicht!« Die tiefe Stimme stieg empor, Sie wurde leicht und hell, Und wurde rosig, wurde warm, Und sprach: »Komm' her, Gesell'!« Da fiel der Mörder auf die Knie Und sprach: »O Herr, hab' Dank!« Und aus der weißen Engel Schar Erscholl ein Lobgesang.