Otto Ludwig Der Erbförster Trauerspiel in fünf Aufzügen Personen Personen. Stein, ein reicher Fabrikherr und Güterbesitzer. Robert, sein Sohn. Christian Ulrich, Förster des Gutes Düsterwalde, genannt der Erbförster. Sophie, seine Frau. Andres, Forstgehülfe bei Ulrich, Marie, Wilhelm, beider Kinder. Wilkens, ein großer Bauer, der Försterin Oheim. Der Pastor von Waldenrode. Möller, Steins Buchhalter. Jäger Gottfried, genannt der Buchjäger. Weiler, Ulrichs Holzhüter. Der Wirt von der Grenzschenke. Frei, Lindenschmied, Wilddiebe. Kathrine. Bastian, Steins Diener. Zwei Träger. 1. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt. Man hört in der Szene Musikanten ein Stückchen blasen. Weiler, langsam sich umsehend, durch die Mittelthür; die Försterin, zugleich geschäftig von links. Dann Andres, Wilhelm, zuletzt Marie. Da sind die Musikanten schon. Wo hab' ich nur den Kellerschlüssel? Die Musik muß zu trinken haben. – Der Weiler? Der Weiler. Wo ist denn der Alte? Der Förster? Mein Mann? Ist er nicht draußen? Von wegen mit den Holzhauern. – Kann Er nicht warten? Warten? Behüte. Alle Hände voll zu thun. So mach' Er, daß Er fortkommt. sehr ruhig Tabak in seine kurze Tonpfeife stopfend. Ja. Sollt' er vielleicht schon mit dem Herrn Stein – Ja; Sand gestreut schon am Dienstag. Und die Guirlanden draußen an der Thür – Heut ist doch gar die Verlobung vom Herrn Robert Stein und der Jungfer Marie? Da wird die Freundschaft noch erst recht dick werden, wenn's heißt: »Der Herr Schwiegervater Stein«. Und das ist noch nicht einmal alles. Der Stein hat nun auch das Gut gekauft, worauf der Ulrich Förster ist. Der dicke Advokat aus der Stadt hat's gestern richtig gemacht. Und der Stein ist heut als Herr von Düsterwalde aus seinem Bett gestiegen. Hier den Tisch – indem sie den Tisch zusammen tragen, auf der linken Seite. Wird's der Ulrich gut kriegen, nun sein alter Freund sein Herr geworden ist und noch obendrein sein Schwiegervater wird. Weiter nach dem Ofen zu. Noch einer muß herein. in sich hineinlachend. Wahre Kesselflicker die beiden, der Stein und der Ulrich. Alle Tag ein mal Zank. Warum nicht gar Zank? Scherz ist's. Geschäftig hinaus, gleich darauf wieder herein. hinter ihr her gestikulierend bis an die Thür. Scherz? Da hat sich's. Der eine hitzig, der andre eigensinnig. Seit sich's um den Kauf handelt, da ist das Durchforsten der tägliche Zankapfel. Die reichen Leute wollen doch immer auch was verstehn, wenn's auch nichts ist damit. Da meint der Stein, wenn er allemal die andere Reihe Bäume wegschlüg' im Wald, da bekäm' die erste mehr Licht und mehr Platz zum Wachsen. Kann auch sein, daß der Buchjäger das aufgestöbert hat in einem alten Buch. Aber damit kommt er dem Ulrich schön an. Noch vorgestern denk' ich, sie fressen einander auf, daß von keinem was übrigbleibt. Der Stein: »Es wird durchforstet. « Der Förster: »Es wird nicht durchforstet. « Der Stein: »Aber es wird durchforstet.« Der Förster: »Aber es wird nicht durchforstet.« Der Stein: » Aber es wird durchforstet.« Der Förster: » Aber es wird nicht durchforstet.« Der Stein auf; den Rock zu, zwei Knöpfe auf einmal, zwei Stühle über den Haufen gerannt und – fort. Ich, denk' ich, nun wird's doch einmal aus sein mit der Freundschaft? Ja, prosit Mahlzeit! Das war vorgestern nacht, und gestern früh – kaum war's Tag – wer da vom Schloß daher gepfiffen kommt und an des Försters Fenster pocht, als wär' nie nichts passiert – das ist der Stein. Und wer schon eine Viertelstunde gewartet hat und drin sein »Gleich!« unter dem weißen Schnauzbart hervorschnarcht – das ist der Ulrich. Und nun miteinander hinaus, mir nichts, dir nichts – in den Wald – als wär' nie nicht kein Zank gewest. Und das fällt auch keinem Menschen mehr auf. Nachts gezankt und früh miteinander in den Wald – als müßt's so sein. Aber macht er's denn mit seinem Jungen anders, der Stein? mit dem Robert? Der Stein? Hat der nicht schon ein halbdutzendmal fortgewollt? Und hernach ist er wieder zu gut. Konfuse Wirtschaft das! Während des letztern ist er Schritt vor Schritt vor dem Tisch zurückgewichen, den Andres und Wilhelm hereingetragen bringen und an den bereits zur Linken stehenden Tisch fügen, der in der Richtung von der Rampe nach dem Hintergrunde steht. Hierher. So. Und nun Stühle, Jungens. Aus der obern Stube. Der Weiler könnte wohl – Andres und Wilhelm ab. pressiert, indem er sich zum Gehen fertig macht. Wenn er nicht die Hände voll zu thun hätte, der Weiler! Draußen mit den Holzmachern – dann wegen des Tannensamens und von wegen mit dem Salz – da – ich kann nicht zu Gedanken kommen vor der Arbeit. Und der Alte – Gebärden, Ulrichs Strenge andeutend. Na; ich will nicht schuld sein, wenn Er etwas versäumt. Geht wieder. ganz ruhig. Ja. Den Finger an der Nase. Aber ob er auch jetzt allemal der erste sein wird, der die Hand bietet? Der Stein? Wenn er nun des Försters sein Herr ist? Ja; ich will nicht prophezein, aber – der Herr hat doch allemal recht, weil er der Herr ist. Hm. Wenn's mal was Ernsthaftes gäbe! Hab ohnehin mal wieder die lustigen Gesichter satt. mit Andres und Wilhelm, die Stühle tragen. Sieben, acht, neun, zehn Stühle. Zählt nochmals leise. Ja. War auch kein übel Gesicht das, was der Buchjäger gestern schnitt, Mosjeh Andres; Sie haben auch wieder was mit ihm vorgehabt. Mit dem rachsüchtigen brutalen Menschen? Sie deckt die Tafel. Wer kann mit dem in Frieden leben? Nun; geschehn ist geschehn. Aber in acht nehmen darfst du dich vor dem. Sela. Denn es ist kein Glied an dem Kerl, woran der Kerl nicht schlecht wär'. Ich fürcht ihn nicht. Du, Wilhelm, ins Gärtchen! Kaiserkronen, Löwenmaul, Rittersporn – nur was Großes, damit es ein Ansehn hat im Glas. – Steins werden bald kommen mit Herrn Möller, dem Buchhalter – Dem Hagestolz – Sieh doch, Andres, ob der Vetter Wilkens noch nicht kommt? Andres, Wilhelm ab. Der Wilkens kommt auch? betonend. Der Herr Wilkens? Wird nicht ausbleiben, wenn seiner Muhme Tochter Verlobung hat! Hm, freilich. Hat Geld, der Herr Wilkens. Der größte Bauer in der Gegend. Ich war auch einmal ein Herr Weiler. Eh' mir die Gläubiger meinen Kaffeeladen zuschlossen. Da haben sie den »Herrn« in die Thür geklemmt. Da steckt er noch. Nun ist's »der Weiler« schlechtweg. »Der Weiler könnte« – »weil der Weiler doch einmal da ist« etcetera. Manchmal, wenn mir's Vergnügen macht, ärgr' ich mich drüber. Ein eigen Vergnügen, sich zu ärgern – aber es ist eins. Hui, da kommt die Jungfer Braut. Marie tritt auf; während des Folgenden wird von den Frauen die Tafel gedeckt. Hui! wie ein Eichhörnchen. Der Weiler will dir eine Schmeichelei sagen, Marie. Er hat seine aparte Art. Ja. Schad't nichts. Grob oder fein. Wenn das Weibsen nur merkt, daß es geschmeichelt sein soll, da ist es schon zufrieden. Wie wenn die Jungen so'n glattes Kätzelchen streichen. Sanft oder rauh, wohl oder weh, es kann sich's nicht erwehren zu spinnen. Und der Vergleich war wohl auch eine Schmeichelei? Wenn Sie spinnen müssen, wird's schon gestreichelt gewesen sein. durchs Fenster sehend. Er kommt, Mutter. Der Robert? Da will ich nun zu meinen Holzmachern. Sonst fludert der Alte! Ab. nachrufend. Wenn er nicht hereinkommen kann, will ich Ihm sein Teil aufheben. – Ein ungemütlicher Mensch! Und höflich wird er nunmehr auch nicht. Das kommt noch aus seiner guten Zeit her. Und deshalb sieht's ihm auch dein Vater nach. Weil sie alte Kameraden waren. Der Buchjäger gehörte auch dazu. Wie der sein Vermögen vertrunken hatte, kam er an den Stein. Die Tafel übersehend. Hier oben der Bräutigamsvater. Daneben deiner. Dann der gute launige Herr Pastor. Wenn der nicht wär', wär' der Robert längst fort. Mutter, dasmal war der Robert so wild, so ungestüm – Ja; dasmal konnte der Pastor und wir ihn kaum halten. Zählt die schon Genannten noch einmal. Dann hier Herr Möller. Und dort dein Herr Pate, der Herr Vetter Wilkens. Dann hier ich, dort Robert und du. Untenan endlich Andres und Wilhelm. Wie die Zeit vergeht! Wenn ich an meinen Verlobungstag denke! Da war ich nicht so glücklich als heut. Mutter, ob's jedem Mädchen so ist, das eine Braut werden soll, wie mir? Hat nicht jede so große Ursach' froh zu sein wie du. Aber ist denn das auch Fröhlichkeit, was ich fühle? Mir ist so schwer, Mutter, so – Freilich; wie dem Blümchen, an dem ein Tautropfen hängt. Es hängt den Kopf, und doch ist der Tau ihm keine Last. Als wär's unrecht von mir, daß ich den Vater verlassen will – Wenn's gleich um Robert ist. Das Wort Gottes sagt: »Das Weib soll Vater und Mutter verlassen und am Manne hangen.« – Bei mir war's noch anders als bei dir. Dein Vater war schon ein schmuckes Mann – nicht mehr so jung, aber hoch und straff wie eine Tanne; sein Bart war damals noch kohlschwarz. Es sah gar manche nach ihm um, die ihn gern gehabt hätte; das wußt' ich. Aber er war mir zu ernst und streng; alles nahm er so genau, und auf's Vergnügen hielt er gar nichts. Es war nicht leicht, sich in ihn zu schicken. Brotsorgen hab' ich nicht gehabt. Und daß er mich etwa schlecht behandelt hätte – das müßt' ich auch lügen, wenn schon er barsch thut. Und mehr hatt'st du nicht gehofft? Mehr nicht? Wenn der liebe Gott alles erfüllen sollte, was solch ein Mädchenherz hofft, das selber nicht weiß, was es will! Aber da kommt Robert. Wir wollen recht fröhlich sein, damit er nicht in seine Gedanken fällt. 2. Auftritt Zweiter Auftritt. Robert. Vorige. Guten Morgen, liebe Mutter. Guten Morgen, Marie. Guten Morgen, Herr Bräutigam in Hoffnung. Wie ich mich freue, Sie so heiter zu sehn. Aber du, Marie? Du bist traurig, Marie? Und ich bin so froh. So überfroh! Den ganzen Morgen schon bin ich im Wald. Wo die Büsche am hellsten funkelten vom Tau, da drängt' ich mich durch, daß die feuchten Zweige mir ins glühende Gesicht schlagen mußten; da warf ich mich ins Gras. Aber es litt mich nirgends. Mir war, als könnte mir nichts helfen, als wenn ich laut weinte. – Und du, sonst so frisch und munter wie ein Reh – du bist traurig? heute traurig? Sie freut sich gewiß, lieber Robert, aber Sie kennen sie ja von klein auf – wo andre laut werden, da wird sie still. Nein, Robert; traurig bin ich gewiß nicht; mir ist nur so feierlich. Den ganzen Morgen schon. Wo ich geh' und steh, als wär' ich in der Kirche. Und – Und – Und daß nun bald das Leben wie hinter mir abreißen soll, wie unter mir versinken und ein neues angehn soll, ein so ganz neues – sei nicht böse, guter Robert; – das ist mir so eigen, so ängstlich – Ein neues Leben? Ein so ganz neues Leben? Es ist ja noch immer das alte Leben, Marie, nur schöner. Es ist ja noch immer der alte liebe Baum, unter dem wir sitzen, nur daß er blüht. Dann, daß ich den Vater verlassen soll! – und die Mutter. Das Alte seh' ich vergehn, das Neue seh' ich nicht kommen; das Alte muß ich lassen, und das Neue kann ich nicht erreichen – Mußt du denn den Vater lassen? Bleiben wir nicht alle beisammen? Hat nicht deshalb mein Vater das Gut Düsterwalde gekauft? Das ist die Angst, die man im Frühjahr hat, man weiß nicht woher? und nicht warum? Und im Frühjahr weiß man doch, daß es nur immer noch schöner werden muß, und fürchtet sich doch. Man fürchtet sich eben vor dem Glück. Nun sollen sich meine liebsten Wünsche erfüllen und – geht mir's denn anders? Kann ich mir nicht ordentlich wünschen, es wär' ein Braten verbrannt oder es zerbräch' etwa von den feinen Tellern einer? Glück ist wie Sonne. Ein wenig Schatten muß sein, wenn's dem Menschen wohl werden soll. Ich will nur nachsehn, ob's in der Küche nicht ein wenig dergleichen Schatten gesetzt hat. Ab links. nachdem sie und Robert einige Augenblicke schweigend gegenübergestanden. Fehlt dir was, Robert? Mir? Nein. Vielleicht – Du bist noch auf deinen Vater böse? Und er ist so gut! Daß er so gut ist! Daß seine Güte fast schwerer zu tragen ist als seine heftigen Launen! Sein Zorn verletzt nur, seine Güte demütigt. Seinem Zorn setz ich meinen Stolz entgegen – aber was seiner Güte? Und du wolltest fort, du böser Robert, und uns alle verlassen! Ich wollte, aber ich bin ja noch da. Oh, das war eine böse Zeit! Ich war an allem irr, an dir, Marie, an mir selbst. Aber das ist ja nun alles vorbei. Ein wenig Schatten muß sein, aber nur nicht zuviel. Komm, Marie. Hier im Haus ist's so schwül. Die Musikanten sollen uns das fröhlichste Stückchen aufspielen, das sie können. Sie wollen ab. 3. Auftritt Dritter Auftritt. Der Förster, die Försterin hinter ihm. Vorige. Marie, wie sie den Förster sieht, läßt sie Robert und umschlingt jenen. Daß dich – Mädel! Sich los machend. Ist das ein Sonnenblick nach einem Regentag, daß einem die Bremsen an den Kopf fliegen? Habt ihr dem Robert die Ohren voll gelamentiert, Weibsvolk? Albernes Ding da. Schiebt Marie von sich. Ich hab' mit Robert zu reden. Ich hab' Sie gesucht, Herr Stein. Herr Stein? Nicht mehr Robert und du? Hat alles seine Zeit, das Du und das Sie. Wenn das Weibsvolk weg ist – Wir machen schon Platz, alter Werwolf. Red' immer. Ja. Sowie ihr draußen seid. führt sie. Nicht böse, liebe Mutter. Da könnte man auch nicht aufhören, böse zu sein. Macht die Thür zu; hört ihr? Nu – nu – Wer ist hier Herr? Element! 4. Auftritt Vierter Auftritt. Förster. Robert. Förster wie sie allein sind, wird er verlegen und geht einige Male auf und ab. Sie wollten – Freilich – Wischt sich den Schweiß. Hm. Setzen Sie sich, Herr Stein. Diese Vorbereitungen – Förster zeigt auf einen Stuhl am vordern Ende des gedeckten Tisches. Robert setzt sich. nimmt die Bibel vom Bord, setzt sich Robert gegenüber, thut die Brille auf, schlägt auf, räuspert sich. Sprüche Salomonis, einunddreißig, zehn: »Wem ein tugendhaft Weib beschert ist, die ist viel edler denn die köstlichsten Perlen. Ihres Mannes Herz darf sich auf sie verlassen, und Nahrung wird ihm nicht mangeln. Sie thut ihm Liebes und kein Leides sein Leben lang.« Kleine Pause, dann barsch nach dem Fenster, indem er sitzen bleibt. Wilhelm, ob du dich vorsehen wirst da draußen! Und dann weiter unten am dreißigsten. Wird er mir doch den ganzen Buchsbaum vertreten, der Element! »Lieblich und schön sein ist nichts; ein Weib, das den Herren fürchtet, soll man loben.« – – Robert – aus Gedanken. Vater Ulrich – Wiederum Sirach da am soundsovielsten. – Herr Stein – Schon wieder »Herr«? Ich muß schon noch einmal du sagen. Sonst geht mir's nicht los von der Lunge. – Robert – Sie sind so feierlich! Feierlich? Kann sein. Die Sache ist auch danach. Man ist kein Heide. Stellt sich in Positur. Du hast dich also in Gott entschlossen, Robert – Aber – Ja, wenn du mich so ansiehst. – Du willst heiraten, Robert? steht auf, verwundert. Aber Sie wissen's doch – Freilich. Aber eine Einleitung muß doch sein. Setz dich nur. Aber du mußt mich auch einmal ausreden lassen. Hab sonst eine gesunde Brust. 's ist mir aber, wenn ich predigen will, als säh' ich den Pastor im Chorrock hinter einem Hasen her. Erleichtert. So; jetzt hab' ich die Fährte. Es wechselt ein Hirsch vom Lutzdorfer herüber. Hörst du, Robert? Und nun paß auf. Hier die Gabel ist der Hirsch. Hier da, siehst du? Hier das Salzfaß, das bist du. Und der Wind kommt vom Teller daher. Was machst du nun, um den Hirsch zu beschleichen? Was? Einhelfend. Du – nun? Ich muß – nickend. Mußt – Gebärden. Ihm den Wind abgewinnen. Wind abgewinnen. Richtig. Merkst du nun, wo ich hinaus will? Du mußt ihm den Wind abgewinnen. Das ist's. Siehst du, deshalb mußt' ich mit dir reden. Feierlich. Du mußt dem Hirsch den Wind abgewinnen. Steht auf. Und nun – mach' sie glücklich, Robert, meine Marie. Will gehn. Aber was hat das mit Marien zu schaffen? Ja; du hast mich noch nicht verstanden? Siehst du? Der Hirsch darf's nicht merken, daß dir's um ihn zu thun ist, und die Frau noch weniger. Du machst zuviel Sachen mit den Weibern. Kinder dürfen nicht wissen, wie lieb man sie hat, beleibe nicht; aber Weiber noch weniger. Sie sind auch nichts als erwachsene Kinder, nur pfiffiger. Und die Kinder sind schon pfiffig genug. Setz' dich, Robert. Ich muß dir doch was erzählen. Sie sitzen am Rande des Tisches, dem Publikum zugewendet. Wie meine Marie vier Jahr' alt war, nicht höher als so – komm' ich einmal später am Tag nach Haus als gewöhnlich. »Wo ist die Marie?« frag' ich. Eins sagt: »In der Kammer«, das andere: »Vor dem Haus. Sie wird ja kommen.« Aber prost die Mahlzeit; es wird Abend, es wird Nacht und – keine Marie da. Ich geh' hinaus. Im Garten, im Grenzbusch, an den Klippen im Heimlichen Grund, im ganzen Forst – keine Marie. Meine Frau sucht indessen bei euch, dann im Dorfe Haus für Haus. Wen sie nicht find't, das ist die Marie. Soll sie jemand gestohlen haben? Ei, sie war ein Wachspüppchen von einem Kind, die Marie. Ich komm' in kein Bette die ganze Nacht; die Marie war schon damals mein ganzes Leben. Den andern Morgen biet ich das ganze Dorf auf. Da fehlt keiner. Sie waren alle vernarrt in die Marie. Ich will doch wenigstens die Leiche begraben. Im Heimlichen Grund, weißt du? das Tannendickicht – unter den Klippen am Lautensteg, wo der alte Felsweg drüben hingeht überm Bach – daneben die Weiden. Dasmal kriech' ich das ganze Dickicht aus. In der Mitte ist der kleine Wiesenraum; da seh' ich endlich was Rotes und Weißes. Gott und Herr! Und sie ist's – und nicht etwa tot oder krank, nein, frisch und lebendig im grünen Gras drin und hat sich rote Bäckchen geschlafen wie die Feuerblumen. Robert! – Aber Er sieht sich um, leiser. sie wird's doch nicht etwa hören? Er rückt näher an Robert; wenn er sich einmal vergißt, spricht er dann desto leiser. Ich sage: »Bist du's denn?« – »Freilich«, sagt sie und wischt sich die Augen, daß sie funkeln. »Und lebst?« sag' ich, »und bist nicht gestorben?« sag' ich, »vor Hunger und vor Angst?« sag' ich. »Einen halben Tag und eine ganze Nacht im Wald allein, im dicksten Wald? Komm«, sag' ich, »daß die Mutter sich unterdes nicht totängstigt«, sag' ich. Sagt sie: »Wart noch, Vater.« – »Aber warum und worauf?« – »Bis das Kind wieder kommt«, sagt sie. »Und nimm's auch mit; bitte Vater; das ist dir ein liebes Kind.« – »Aber was denn um alle Welt für eins?« frag' ich. »Das zu mir gekommen ist«, sagt sie, »wie ich vorhin von euch fortgelaufen war um den gelben Schmetterling, und nun auf einmal so allein war im Wald und weinen wollte und nach euch schrein, und mir Beeren gesucht hat und so schön mit mir gespielt hat.« – »Vorhin?« sag' ich. »Ist's denn nicht einmal Nacht geworden unterdessen?« sag' ich. Das wollte sie nicht glauben. Wir suchten das Kind und – fanden's natürlich nicht. Die Menschen glauben an nichts mehr; aber ich weiß, was ich weiß. Verstehst du, Robert? Sag nichts. Ich dächte, ich hätt' es verschändet, wenn ich's auf die Zunge nähm'. Da, drück mir stillschweigend die Hand. Gut, Robert. – Daß sie nicht hört, was wir von ihr reden. Geht leise nach der Thür; sieht nach. draußen. Willst du was, Vater? lacht dem Robert heimlich zu, dann barsch. Nichts! Und komm' mir nicht etwa herein, eh' ich – Kommt wieder; halbleise. Siehst du, so mußt du's machen. Du machst viel zu viel Sachen mit dem Mädel da. Sie ist Noch leiser. ein Mädel, auf das jeder Vater stolz sein könnte, und ich denk', sie soll eine Frau werden nach dem Herzen Gottes. Ich hab' eine; siehst du, dir sag' ich's, weil ich weiß, daß du's ihr nicht wieder sagst; denn sie darf nichts davon wissen, sonst wär' alle Arbeit umsonst. Und Arbeit hat mich's gekostet, bis ich sie so weit gebracht hab; Arbeit, sag' ich dir. – Daß du mir mein Mädel nicht verdirbst, an das ich soviel Müh' gewandt hab', sie richtig zu erziehn. Sie können denken – aber ich verstehe Sie gar nicht. Das ist's ja eben. Mit Fleiß thust du's nicht. Aber tausend Element! mach' mir nicht soviel Sachen mit dem Mädel, hörst du? Wenn du so fortmachst, hat sie dich in vier Wochen im Sack. Die Weiber wollen immer Herr sein; darauf geht ihr ganzes Dichten und Trachten, ohne daß sie's selber denken. Und wenn sie's sind, dann sind sie doch unglücklich. Weiß ich mehr als ein Beispiel davon. Ich seh' nur zur Thür hinein, und da weiß ich schon, was der Mann wert ist. Ich seh' nur das Vieh an. Ist die Katze oder der Hund nicht gezogen, so sind's die Kinder auch nicht und die Frau noch weniger. Was? Meine Frau kennt mich noch immer nicht, was das da Zeigt aufs Herz. betrifft. Und hätt' sie mir das einmal abgeluchst – dann heidi, Autorität! Die Frau kann ein Engel sein; der Mann aber muß thun wie ein Bär. Und absonderlich ein Jäger. Das gehört dazu wie der Schnauzbart und der grüne Rock. Aber sollte denn – eifrig. Nein, Robert. Ein für allemal nicht; da ist kein Ausweg. Entweder er zieht sie sich oder sie zieht sich ihn. – Zum Beispiel, wie man's da machen muß, nur ein Exempel. Meine Frau kann keinen Menschen leiden sehn – da kommt denn das Elend haufenweise, und ich möchte wissen, was draus werden sollte, wenn ich sie noch ins Gesicht loben wollte darum. Da brumm' ich denn und fluch eins wie ein Landsknecht, aber dabei mach' ich ganz sachte Platz, daß sie freie Hände kriegt. Und merk ich nun, sie ist fertig, da komm' ich wieder wie von ungefähr gebrummt und gewettert. Da heißt's: »Der Erbförster ist schlimmer auf die Armut wie der Teufel, aber seine Frau und sein Mädel, das sind Engel vom Himmel.« Und das sagen sie, daß ich's hören soll. Und ich hör's auch; aber ich thu' nicht dergleichen und lach' mir inwendig eins, und äußerlich thu' ich noch um eins so barsch. – Es scheint, draußen kommen die Gäste schon. Robert, meine Frau und mein Mädel, meine Marie – wenn ich einmal – du verstehst mich Robert. Gib' mir die Hand. Gott sieht uns. Wischt sich aber das Auge. Himmelelement! – Daß du den Weibern nichts merken läßt – und regierst sie, wie's sein muß – Er wendet sich um, seine Weichheit zu verbergen, mit Gebärden seinen Zorn ausdrückend, daß er sie nicht bezwingen kann. In der Thür trifft er auf. 5. Auftritt Fünfter Auftritt. Stein. Möller. Wilkens. Marie. Försterin. Vorige. Begrüßungen mit dem Förster. Wohin so rasch, Alter? Habt Ihr schon Händel mit dem da? Ja; ich hab' ihm die Leviten gegeigt, dem jungen Herrn, von wegen mit dem Weibsvolk da. Hochverrat gegen die Majestät des Pantoffels? Und das dulden Sie, Frau Schwiegermutter? Ein bißchen mehr, ein bißchen weniger – wo man sich einmal auf soviel hat einrichten müssen! Und da sag' einer, die Frau da wär' nicht gescheit genug, einen unter den Pantoffel zu bringen. Aber gib' uns Karten. Ich hab' dem Stein da Revanche versprechen müssen auf heut vor dem Frühstück noch – Und die muß ich haben. Der Förster und Stein sitzen einander gegenüber rechts und spielen Karte. sieht einen Augenblick zu; dann zu Robert, indem sie geschäftig abgeht. Wenn sie nur heut nicht etwa wieder auf das Durchforsten kommen! links zu Wilkens tretend; indem er auf Marie zeigt, die eben mit der ab- und zugehenden Mutter und Robert spricht. Das nenn ich eine schmucke Braut. Und auch kein Bettelkind, Herr Buchhalter. galant. Wer weiß nicht, daß Herr Wilkens ihrer Mutter Oheim ist? geschmeichelt. Hm. Und Herr Wilkens braucht sich, mein ich, des Hauses Stein und Sohn nicht zu schämen. ruhig. Bewahre. wird ganz Feuer. Herr, die Firma Stein und Sohn! Ich diene der Firma zwanzig Jahr'. Das ist meine Ehre und mein Stolz. Die Firma ist mein Weib und Kind! Ei ja. Die ersten Häuser in Deutschland würden sich's für eine Ehre rechnen, sich mit Stein und Sohn zu verschwägern. Glaub's schon. Wendet sich zum Brautpaar. grimmig für sich. Und der Kerl thut noch so bauernstolz, als müßte sich Stein und Sohn auf sein Jägergänschen da noch was Rechtes einbilden. Seine fünfundvierzig gehn in drei Teile, und das erst nach seinem Tod. Die einzige Tochter von Löhlein und Kompagnie mit ihren achtzig! Das war ein ander Kapital ins Geschäft; und flüssig von heut ab. Die Mißheirat ist unverzeihlich. Was hilft's? Man muß – Draußen ertönt ein Dreher. den Ärger vertanzen. Kann ich die Ehre haben, Frau Försterin, im Grünen? Mit alter Junggesellengrazie. Ob ich einmal Karten bekomme! Soviel haben wir wohl noch Zeit. Der Wilkens läßt sich auch noch nicht wegwerfen; In der Tasche kramend. der Wilkens muß auch noch einmal seinen Taler auflegen für die Musikanten. Es wird wohl erlaubt sein, Herr Bräutigam? Möller führt die Försterin, Wilkens Marien hinaus. Robert folgt. 6. Auftritt Sechster Auftritt. Stein. Förster. wirft die Karten hin. Hab' ich denn einen Trumpf? meldend. Zwanzig in Grün. nimmt seine Karten wieder auf; ungeduldig. Warum nicht vierzig? Da über dem Grün fällt mir ein – Hast du's überlegt nun, das mit dem Durchforsten? Der Kerl ist ein – Sie spielen fortwährend. Welcher Kerl? Der das ausgeheckt hat. Ich? Dein Buchjäger da – wird immer hitziger; betonend. Mein Buchjäger? immer ruhiger und leichter. Na, meinetwegen meiner. Was du immer mit dem hast?! So laß ihn weg. Als wenn ich – du – bei jeder Gelegenheit bringst du den. Du kannst nicht von ihm loskommen. Wie Teig hängt er dir in den Zähnen. sehr ruhig. Wie zum Exempel jetzt. Du hast's einmal darauf abgesehn, mich zu ärgern. Dummes Zeug; dir ist's nur ums Krakeelen. Mir? – Aber was stichst du da gleich, wenn ich mich verwerfe? Verworfen ist verspielt. wirft seine Karten hin. Nun; da hast du die ganze Geschichte! Springt auf. Ich gebe. Mischt ganz ruhig und gibt. der Schritte gemacht. Ich spiele nicht mehr mit dir. ohne sich stören zu lassen. Aber das Geben ist an mir. setzt sich wieder. Alter Eigensinn! Gleich oben hinaus. nimmt seine Karten; noch heftig. Nicht nachgegeben! Und wenn sein Unrecht klar ist wie der Tag. 7. Auftritt Siebenter Auftritt. Möller, der die Försterin geführt bringt, Wilkens. Der Walzer draußen zu Ende. Die Vorigen. Aber nun dächt' ich – Noch einmal herum. Fertig wär' alles – Der Pastor – Mit dem Frühstück sollten wir nicht auf ihn warten, hat er sagen lassen. Aber Punkt elf käm' er zur Verlobung. So setzt euch und eßt. Bitte – lassen Sie sich nicht abhalten. Ob wir hier sitzen oder dort. – Jetzt einmal vierzig in Grün! Immer im Spielen. In Gottes Namen. siegreich. Fällt dir der Buchjäger nicht wieder ein? Und das Durchforsten? – Das wäre – hält an sich. Nun siehst du doch – immer rascher. Daß der Kerl ein Esel ist. Der Ober ist ein Freimann. Ich denke daran, daß wir nicht allein sind. etwas vom Spiel erhitzt. Und Trumpf – Und Trumpf! – Durchforsten! Es ist genug, sag' ich. Der Einfall war mein. Und Trumpf! Und wenn ich – Er bezwingt sich. siegreich. Ja und was denn? Macht die Karten zusammen. äußerste Gewalt sich antuend, nicht loszubrechen. Und wenn ich's haben wollte – und wenn ich drauf bestünde – so – Blieb's, wie es ist. So würde durchforstet. Nichts würde. Das wollen wir doch sehn. Und nun wird durchforstet. Nichts wird. Herr Förster! lachend. Herr Stein! Es ist gut. Es ist gut. mit Seelenruhe. Wie's ist. Kein Wort – Und kein Baum – steht auf. Keinen Widerspruch und keinen Hohn. Das bitt ich mir aus. Das muß ich mir ausbitten. Ich bin Herr von Düsterwalde. Und ich bin Förster von Düsterwalde. Stein wird immer hitziger; man sieht, welchen Anteil an seiner Empfindlichkeit und zugleich an seinem Bemühn, dieselbe zu bezwingen, die Gegenwart anderer hat. Der Förster behandelt die Sache leicht, wie etwas, was alle Tage vorkommt. Die Försterin sieht voll wachsender Angst von einem zum andern. Wilkens verändert keinen Zug. Möller ficht seines Herrn Partei gestikulierend mit durch. Immer rasches Zusammenspiel. Sie sind mein Diener. Und ich befehle: es wird durchforstet. Oder Sie sind's gewesen. Es wird durchforstet! Alter Hitzkopf! Oder Sie sind mein Förster gewesen. Dummes Zeug. Und der Buchjäger wird in Ihre Stelle kommen. Recht so. Ich gratuliere. knöpft sich ein. Es wird durchforstet. Es wird nicht durchforstet. zwischen den beiden. Aber – Es thut mir unendlich leid. – Herr Möller! – Ich empfehle mich allerseits. Ab. Bravo. Endlich einmal gesprochen wie Stein und Sohn! Ganz Gehorsamster. Folgt Stein. Ich gebe – Er sieht beim Mischen auf. Aber – So laßt ihn laufen. Wenn er nicht eine Stunde lang sitzen kann, ohne loszugehn, der alte Pulversack der –! 8. Auftritt Achter Auftritt. Förster, der gleichmütig dort sitzt, Försterin neben seinem Stuhle stehend. Wilkens tritt zum Förster. Aber was soll nur das werden? Er hätt' ihm nachgesollt. Alter Hitzkopf. Ich bin wie aus dem Himmel gefallen! Am Verlobungstag! Aber er wird doch nicht um die paar elenden Bäume da – Elende Bäume? Donnerwetter! In meinem Forst ist kein elender Baum! – Dummes Zeug. Lamentiert mir da um nichts. Aber der Herr Stein – Wird nicht weit laufen. Wenn er ausgebraust hat, ist er der erste, der – Er ist besser als ich. Aber – Ihr habt doch immer ein Aber. So macht er's alle Tag'. Seit zwanzig Jahren – Aber heut ist er Sein Herr. Herr oder nicht; durchforstet wird nicht! Aber so verliert Er die Stelle. An den Buchjäger? Litanei. Der Stein kann den Buchjäger selbst nicht leiden und weiß, was er an mir hat; ich brauche mich nicht zu loben. Zeig Er mir den Forst in der ganzen Gegend, der dasteht wie meiner. – Hört ihr? Da ist er ja schon wieder. Setzt euch. Und wenn er hereinkommt, thut mir nicht dergleichen. 9. Auftritt Neunter Auftritt. Möller rasch herein. Vorige. Zuletzt Andres. nicht aufsehend. Na, ich gebe. Nimmt die Karten, bemerkt seinen Irrtum. Sie sind's, Herr Möller? feierlich. Aufzuwarten. So setzen Sie sich. Ist er wieder kühl, der alte Hitzkopf? Warum kommt er nicht herein? Ich soll ihn holen? Will gehn. Herr Stein läßt den Herrn Förster fragen, ob er sich besonnen hätte? Dächt' ich doch! Daß Sie durchforsten wollen. Daß ich nicht durchforsten will. Das heißt, daß Sie die Försterstelle aufgeben. Das heißt – daß Sie ein Narr sind. sehr feierlich. Ich habe den Auftrag von Herrn Adolf Friedrich Stein, Chef des Handelshauses Stein und Sohn, im Fall Sie den Befehl Ihres Herrn auszuführen noch sich weigern sollten, Ihnen Ihre Absetzung anzukündigen und auf der Stelle dem Buchjäger zu notifizieren, daß er Förster von Düsterwalde ist. Und das wär' Ihnen ein Vergnügen – Von mir ist hier nicht die Rede; hier ist die Rede von der Firma Stein und Sohn, die zu vertreten ich die Ehre habe. Ich lasse Ihnen fünf Minuten Bedenkzeit. Tritt ans Fenster. Absetzen? Mich absetzen? Wissen Sie, was das heißt? Einen Mann, der vierzig Jahre lang redlich gedient? Himmelelement, Herr! Wenn ich täte, was er will – dann wär' ich absetzenswert. Durchforsten! Und der Berg liegt gegen Nord und Nordwest offen wie ein Buch – Hm! Aber von Seinen Bäumen ist dahier auch gar nicht die Rede. Daß der Wind sich hineinlegt und alles zusammenknickt? Element! Dummes Zeug. Es ist gar nicht sein Ernst. Wenn er sich nur erst besinnt. Drum und so sagt' ich ja. Bis es zum Hauen kommt, kann einer sich noch hundertmal besinnen. Und das sieht Er doch, daß es dem Herrn Stein hier nicht absolut ums Hauen ist? Sondern nur, daß er sein Ansehn behaupten will. Wenn er Herr ist, so muß er doch recht behalten. Aber er hat unrecht, und zu einem Unrecht sag' ich nicht ja. Vierzig Jahr' hab' ich das Meine nichts geachtet um das, was mir anvertraut war, hab' ich – Hm, und so dächt' ich, wenn Er's vierzig Jahr' mit Seinen Bäumen treu gemeint hat, so könnt' Er das nun auch einmal mit Frau und Kindern und mit sich selbst. Weiß Er, daß das dem Stein ein Schaden werden kann von sechstausend Talern? Was? Um die ich ihn brächte mit meinem ja? Und dann sollt' einer auftreten und sagen: der Ulrich hat ja dazu gesagt? In fünfzehn Jahren konnte ein Schlag dastehn, daß ein Jägerherz aufgehn mußte davor und – Hm; und das kann ja noch immer – Wenn der vermaledeite Wind von Hersbruck her einmal drin gelegen hat? Er red't, wie Er's versteht. furchtsam. Aber was soll aus uns werden? Wir sind ehrliche Leute, und das wollen wir bleiben. Hm! Wenn hier von der Redlichkeit ganz und gar die Rede wäre! Aber zum Teufel, Herr, von was sonst? Was? Pfötchen geben? Schlagt nur zu! Ihr werdet schon klug werden. Und ins Fäustchen lachen? Nur kein ehrliches offenes Wort. Das ist Eure Bauernmoral so. Wenn's Euch nur nicht an den Geldbeutel geht, ihr laßt's gehn. Wo Ihr nicht müßt – selbstzufrieden. Hm, ja. Wo der Bauer nicht muß, da regt er nicht Hand und nicht Fuß. Da hat Er schon recht; das ist so die Bauernmoral. Und ich sag' Ihm, die Bauernmoral ist nicht dumm. Hätt' Er die Bauernmoral befolgt, so hätt' Er seine Schuldigkeit gethan und nicht für den Heller mehr und hätte das Seine an sich gewandt und an Frau und Kinder, und nicht an fremdes Gut; so könnt's ihm nun auch egal sein, was draus wird. – Wes Brot ich esse, des Lied ich singe. Er wird nicht bezahlt, daß Er Herr, sondern daß Er Diener sein soll. Wenn also Sein Herr sagt: es soll durchforstet werden – So muß ich dafür sein, daß es nicht geschieht. Der redliche Mann geht vor den Diener. Hm! Da wären wir ja glücklich wieder beim Anfang. Wendet sich. Er will doch nicht gehen? Er ist noch mein einziger Trost, der Herr Vetter. Er wird sich ja noch besinnen. Auf den Herrn Vetter gibt er noch das meiste. Das merk ich. Die Verlobung! – Die Marie! – Und daß auch der Herr Pastor nicht da ist! Wenn doch nur der Herr Vetter – Andres tritt auf. Er hat einen Schädel von Eisen. Kann man ihm denn was deutlich machen? der bis jetzt ruhig aus dem Fenster gesehn, sieht nach seiner Uhr und wendet sich dann feierlich gegen den Förster. Herr Förster; nun möcht ich um Ihre letzte Erklärung bitten. Was ich gesagt hab', das hab' ich gesagt. Schritte; bleibt stehn. Und übrigens kann er's gar nicht, das mit dem Absetzen. Er kann mich ja gar nicht absetzen. Erst muß er mir nachweisen, daß ich's verdient hab'. Um nichts und wieder nichts kann er mich nicht absetzen. mit Ansehn. Also Sie wollen nicht? Rund heraus: Sie wollen nicht? Wenn's Ihnen noch nicht rund genug war, nein! Runder kann ich's nicht zusammenbringen. Ein Schurke will ich nicht sein, und einen redlichen Mann kann er nicht absetzen. ist das nun rund genug, daß es rollt? Ich bin Förster, und ich bleibe Förster und – durchforstet wird nicht! Das sagen Sie Ihrem Herrn und Ihrem Buchjäger und wem Sie wollen! Haben Sie nur ein wenig Geduld mit ihm. Das kann ja gar nicht Herrn Steins Ernst sein, und Sie haben schon soviel Güte gehabt – Wenn ich's wäre, ich, Justus Möller – was rät' ich nicht, der Frau Försterin zu Gefallen? Aber ich stehe hier als Bevollmächtigter von Stein und Sohn. Wenn er ein Recht zu haben glaubt, so mag er's verfolgen. Und du sollst mein gutes Recht nicht so beleidigen, Weib, daß du beim Unrecht betteln gehst. Guten Tag, Herr Möller. Wünschen Sie sonst noch was? Nicht? Haben Sie mir sonst noch was zu sagen? sehr feierlich. Nichts, als daß Ihre Försterschaft von diesem Augenblick an zu Ende ist. Hier ist die Besoldung, ein Halbjahr voraus. – Dafür werden Sie so bald als möglich, spätestens in drei Tagen, das Forsthaus räumen, damit der nunmehrige Förster hereinziehn kann, der von diesem Augenblick an ganz allein für den Forst zu sorgen hat. Der Förster muß sich setzen. zu Andres, den sie immer zurückhalten müssen und der nach der Thüre eilt. Wohin, Andres? Dem Robert sagen, was sein Vater – Daß du nicht etwa – Laß mich, Mutter, eh' ich den am Kragen fasse da – Heftig ab. Schon gut. Schon gut. Daß du mir still bist, Weib! Steht auf. Guten Tag, Herr Möller. Hier haben Sie Geld liegen lassen. Herr, sonst werf ich's Ihnen nach. Tritt ans Fenster und pfeift. Sie sehen, Frau Försterin, ich thu' meine Schuldigkeit mit Schmerzen. Ich gehe zum Buchjäger. ohne sich nach ihm zu wenden. Glückliche Reise! 10. Auftritt Zehnter Auftritt. Der Förster steht im Fenster und pfeift. Wilkens sucht Stock und Hut. Die Försterin sieht ratlos von einem zum andern. Möller im Abgehn stößt auf Robert und Andres, die hereingestürmt kommen. Marie hängt an Roberts Arm, den sie zu besänftigen sucht. zornig im Hereintreten. Er soll nachgeben, er soll den schönen Tag nicht stören. Geh' zu deinem Vater; der hat den Streit angefangen. Gut, daß ich Ihnen begegne, Herr Stein. Sie möchten sogleich nach Hause kommen. Ab. Ulrich, Sie geben nach, Sie müssen nachgeben. sich vom Fenster wendend. Sie, Herr Stein? Was suchen Sie bei mir? Marie, du gehst dort hinaus. Was suchen Sie bei dem Mann, den Ihr Vater absetzen will? Aber warum wollen Sie nicht ja sagen? Weil er ein rechtschaffener Mann bleiben will und sich nicht zum Schurken machen lassen will von euch. Der Förster winkt ihm zu schweigen. Mit dir red' ich jetzt nicht, Andres. Sind Sie mit Ihres Vaters Bewilligung hier, Herr Stein? Außerdem – Herr, und wenn Ihr Vater mir meine Stelle nehmen könnte und meine Ehre – daß ich ein unbescholten Kind hab', das kann er mir nicht nehmen. Und ein andrer – was? Junger Herr, hier bin ich kitzlich. Verstanden? Aber willst du's noch mit dem letzten Freund verderben? Die Marie hat einen Ruf zu verlieren. Wenn er ein Freund ist, weiß er ohne mich, was er thun muß. Ich weiß, was ich thun muß, aber Sie wissen's nicht; sonst setzten Sie Ihrer Kinder Glück nicht an eine Laune – an – Oho; das sagen Sie Ihrem Vater, junger Herr. An einen Eigensinn. Ich hab' Ihr Wort, und Marie hat das meine; ich bin ein Mann und will kein Schurke sein. Und weil Sie kein Schurke sein wollen, soll ich einer sein? Soll's heißen: der Ulrich hat Vater und Sohn auseinander gebracht? Herr, mein Mädel da ist zu gut, als daß es heißen soll von ihr, sie hat sich in die Familie geschlichen. Herr Stein, hier bin ich zu Haus. Sie wissen, was ich meine. So laß die Kinder wenigstens – Einen dummen Streich machen? Und ihr seht zu, und hernach wißt ihr nichts als Heulen. Marie, wie es auch werden mag – Ich weiß nicht, ob ich die Marie kenn. Wenn ich die Marie nicht kenn, so ist's besser, du gehst gleich mit ihm. Vater, er meint's so treu. Gut; so geh' mit ihm. So hart – Bei dem Himmel, Marie, der uns einander bestimmt hat – wie vorhin, zur Försterin. Und daß du mir nicht etwa – Hörst du, wenn's geschäh' – Er wendet sich mit ihr nach dem Hintergrunde. losbrechend. Nun ist's genug. Marie, du gehst oder der hier geht. Nun fang auch du noch an, Andres! Sie geht zu ihm auf die linke Seite. Ich hab' lang genug geschwiegen. Laß mich, Mutter. Sein Vater hat meinen Vater beschimpft, der soll nicht auch noch meine Schwester beschimpfen. Du bist mein, Marie. Den will ich sehn, der uns – Fort mit der Hand! Robert, es ist mein Bruder! drohend. Nur einen Schritt weiter, so – Fort, sag' ich, um Gottes willen – Du bist mein Mann nicht – Nicht mit der Fingerspitze sollst du berühren, was mein ist. Euch allen zum Trotz – Hörst du's, Vater? zwischen die beiden tretend. Zurück da, Bursche. Wer ist Herr im Haus? Bist du's, Vater, so zeig, daß du's bist, oder laß mich's dem zeigen da. Andres, jetzt gehst du dorthin und muckst mir nicht. Vater- Ob du Parition leisten wirst! Andres reißt eine Flinte von der Wand. Was machst du da? verbissen. Nichts. Hier im Hause bist du Herr; draußen ist's niemand; draußen sind wir's alle. In meinem Forst bin ich's. Aber keinen Schritt weiter! Was heißt das? Antwort! Nichts weiter, Vater. Es braucht's nur der dort zu wissen. Wenn du auf deine Ehre nicht hältst – für der Marie ihre sorg ich. Das ist für den, der der Marie zu nahe kommt. Was für Reden! Reden eben. Kinder fürchten sich vor Reden. Bei Reden soll's nicht bleiben, so wahr ich ein Mann bin. Wärst du ein Mann, du drohtest nicht, du – Wären wir wo anders, du höhntest nicht – Andres! Gib' Raum – Fort, sag' ich. Förster, fast zugleich, pfeift durchdringend auf dem Finger. Wo du nicht mehr – indem er zwischen die beiden tritt. Rebellische Jungens! Ruhe da! Daß sich's keiner einfallen läßt! Blitzjunge da! Wenn ich einen Vormund brauche, so nehm ich keinen Gelbschnabel dazu. Bin ich Herr hier oder ist's sonst jemand? Was hast du hier zu thun, Bursche? In den Wald mit dir; dem Weiler auf die Hände sehn, daß er nicht faulenzt; dann ein Dutzend Ahornpflanzen in der Baumschule herausgenommen, in feuchtes Moos geschlagen; der Haslauer Bote, wenn er kommt, daß er nicht warten muß. Kein Muck. Vorwärts! Andres gehorcht und geht, nachdem er Robert einen herausfordernden Blick zugeworfen, den dieser beantwortet. Und Sie, Herr Stein; guten Tag, Herr Stein; Sie wissen, was ich meine. Wenn Sie's Ihrem Vater vorstellten; aber sanft und freundlich! Und brächten ihn zurück. Dann säh' ich, wie lieb du mich hast, Robert. milder. Eher kommst du mir nicht wieder. Adieu, Robert. Und läßt mir das Mädel da in Ruh'. Ich gehe. Aber wie's auch werden mag, mein Recht an die Marie geh' ich nicht auf. Ab. Muß heut denn alles zum Schlimmsten ausgehn? Und Er, Herr Vetter, auch Er will uns verlassen? Hm! Wenn einer absolut mit der Stirn durch die Wand will! Der Narr bin ich nicht, der die Hand dazwischen hält. Ab. Vorhang fällt. Ende des ersten Aufzugs. 2. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt. allein; er sitzt. Verwünschter alter Eigensinn! Der ganze schöne Tag verdorben. Jetzt säßen wir bei Tisch. Recht mag er schon haben, daß das Durchforsten nicht taugt. Aber muß er mich deshalb so in Rage bringen? Freilich, ich mußte klüger sein als er. Meine Hitze war schon auch mit schuld. – Mich dauert nur die Försterin – und die Kinder. Ich will auch – Steht auf, setzt sich wieder. Was denn? Eine Torheit mit der andern gutmachen? So unüberlegt im Nachgeben sein, wie ich's im Übelnehmen war? Alter Sprudelkopf! Aber das soll mir eine Lehre sein. – Kleine Pause, dann steht er wieder auf, nimmt Hut und Stock und wirft beides wieder hin. Nein, es geht nicht; es geht durchaus nicht. Was? Das wär' eine Blamage, nie wieder gutzumachen. Dasmal muß er kommen; ich kann ihm nicht helfen. Aber er hat vielleicht schon – ist das nicht Möller? Rasch dem Kommenden entgegen. 2. Auftritt Zweiter Auftritt. Robert. Stein. erhitzt hereintretend. Sie wollen mein Glück zerstören, Vater? überrascht, unwillig. Robert! Das dürfen Sie nicht. Daran fehlt's, daß auch du kommst und mir den Kopf warm machst. Vater, von der Verlobung lassen Sie mich wegholen wie das Kind vom Spielzeug; aber ich bin kein Kind, dem man gibt und nimmt, wie's einem einfällt, ich hab' Ihr Wort, und Sie müssen es halten. Sie wollen mein Glück einer Laune opfern? So weit geht kein Vaterrecht! Aber was willst du nun eigentlich? Sie fragen, ob Sie sich mit dem Förster versöhnen wollen? Junge, wie kannst du dich unterstehn? Willst du mich zur Rede stellen? – Geh' zu dem Eigensinn; er hat unrecht, er muß nachgeben. Vom Förster komm' ich; er wies mich zu Ihnen – Ich kann nichts thun – und nun laß mich in Ruh'. Sie wollen nichts zur Versöhnung thun? Nichts, wenn er nicht nachgibt; und nun geh' deiner Wege. Wenn Sie nichts zur Versöhnung thun, betret ich seine Schwelle nie wieder. Andres und ich sind Todfeinde geworden; vielleicht steh' ich ihm heut noch auf Tod und Leben gegenüber. – So mag's kommen, wie's will; ich hab' alles gethan, was ich thun konnte. Vater – mich kann kein Vorwurf treffen. Wenn ein Unglück geschieht – Sie konnten's verhüten, und der Förster konnt' es verhüten – Marie ist mein, und nicht Sie und nicht der Förster sollen mir sie nehmen. Bist du rasend, Junge? Den Augenblick auf dein Zimmer! Hörst du? Vater, ich frage Sie – Zu gehorchen hast du, nicht zu fragen! Der Jähzorn reißt Sie hin. Vater, ich bitte Sie, reißen Sie die Narbe hier nicht auf, die nur halb geheilt ist. Ich will's erwarten, bis Sie ruhig geworden sind, bis Sie Ihrer wieder mächtig sind. Du siehst, daß ich meiner mächtig bin; du willst mich mit Gewalt reizen, und es gelingt dir nicht. Aber nun kein Wort mehr! Keinen Laut! außer sich. Kein Wort? Hundert Worte, tausend Worte, soviel die Brust erträgt. Ich will reden; bis ich's loshabe da vom Herzen, will ich reden. Ihrem Möller, Ihren Schmiedeknechten verbieten Sie zu reden, mir nicht. Zeigen Sie ihre Ungeduld, wie Sie wollen, bleiben Sie oder gehn Sie – reden will ich. Sie sollen's einmal wissen, daß ich's nicht mehr ertragen will, wie ein Knabe behandelt zu sein, daß ich frei sein will, daß ich allein stehen kann, daß Sie mich sollen achten müssen, daß ich weder Ihr noch irgendeines Menschen Spielball sein will. Drohst du mir mit dem alten Lied? Ich kann's auswendig. Du bist noch da? Ich denke, du bist gegangen. Ja so; reden willst du, reden. Rede, thu', was du willst; ich halte dich nicht. ruhig im Tone des Entschlusses. Und wenn Sie's nun wollten, es wär' zu spät. Auf meinem Recht besteh' ich, und sollt' es mein oder eines andern Leben kosten; aber Sie und den Förster mach' ich verantwortlich dafür. den seine Hitze schon zu reuen beginnt. Junge – Leben Sie wohl – vielleicht auf ewig! Stürzt ab. 3. Auftritt Dritter Auftritt. Stein allein, dann der Pastor. sich vergessend einen Schritt nach. Wohin? – Robert! Junge! – Verwünscht! Kaum die Hitze verredet und den Augenblick darauf – Aber ist's auch nicht, als hätten alle sich verschworen, mich mit Gewalt nicht aus dem Harnisch herauskommen zu lassen? Wenn er sich wirklich verfeindet hat und rennt mit den Hitzköpfen zusammen – Aber nachlaufen kann ich ihm doch nicht. – Kommt er wieder? Pastor tritt ein. Sie, Pastor? Sie treffen mich da – Hab's schon gehört. Gibt ihm die Hand. Der Robert, der Junge – Hat mich fast über den Haufen gerannt. Er will wieder einmal fort? Was? Den wollen wir schon festmachen. Und mit dem alten Eigensinn – Weiß schon. Ist's auch die alte Geschichte, die ewige Geschichte, von der man das Ende allemal vorher weiß. Dasmal doch nicht so gewiß. Ja; sie ist verwickelter als sonst, weil zu gleich die mit dem jungen Herrn drein kam. Und noch überdies ist der junge Herr dasmal auch mit dem Andres zusammengerannt, indes – Ist er das nicht, der hier kommt? 4. Auftritt Vierter Auftritt. Möller. Die Vorigen. Sie, Möller? Wie sieht's aus? Er gibt nach? So wenig, daß er Ihnen vielmehr sagen läßt, Sie könnten ihn gar nicht absetzen. Ich könnte nicht? – Ruhiger. Wenn er noch meinte, ich könnt' es nicht wollen. – Und Sie haben alles versucht? Alles. Auch mit dem Buchjäger gedroht? Als sollte der Förster werden, als sollten Sie dem sogleich die Bestallung bringen, wenn – Als sollt' ich? – Mein Auftrag klang bestimmter. Ich bringe Ihnen den gehorsamsten Dank des Buchjägers; er nimmt die Stelle an. Er nimmt – er nimmt sie an? Er nimmt sie wirklich an? Was das für ein dienstwilliger Mensch ist, der Buchjäger! Und Sie dazu – mit Ihrer Eile. – Sind Sie ganz des Teufels, Herr? Ein Schreckschuß sollt' es sein für den Ulrich. Der sollte vernünftig werden – nachgeben. Und wenn ich's in der Hitze so gesagt hätte, wie Sie's verstanden, so hätten Sie's anders verstehen müssen. Sie wissen, daß ich im Herzen nicht daran denke, den alten Mann da, der tausendmal mehr wert ist – aber Sie haben's auch, Sie haben's richtig verstanden, aber – ich erinnre mich nun zu spät, Sie haben immer gegen diese Heirat gesprochen. Ich habe zwanzig Jahr' der Firma Stein und Sohn gedient, Zeit genug, einmal zu erfahren, daß man auch zu gewissenhaft dienen kann. Ich habe nichts gethan, als buchstäblich Ihren Auftrag erfüllt. Und wenn Sie mich dennoch verkennen wollen, so muß das mein Trost sein: Ich habe der Würde von Stein und Sohn nichts vergeben. Er setzt sich zur Arbeit. So mag's Ihnen die »Würde von Stein und Sohn« danken, was Sie da gemacht haben, ich nicht. Pause. Aber freilich; bei Licht besehn, was war auch anders zu thun? nach dem, was vorgegangen war. Beruhigen Sie sich nur. – Ich hab' einmal den Herrn geltend gemacht – Der obendrein noch so neu ist. Ich hab' einmal die verwünschte Wahl gestellt. Vor dem alten Wilkens da. Ich kann doch nicht – So ein verwünschtes rasches Wort! Und das man nicht einmal recht innerlich ernst gemeint hat und das nun zum Schicksal wird, das uns zwingt, das unser Herr wird, weil wir uns nicht die Mühe gaben, sein Herr zu sein – Ja, der Besonnenheit wird es verwünscht schwer, für die Schulden einzustehen, die die Hitze gemacht hat. Warum haben Sie auch nicht wie gewöhnlich bloß unter vier Augen gezankt! der Schritte gemacht. Nein, es geht nicht. – Und dennoch, wenn ich an die hitzigen Jungen denke – Möller, schicken Sie doch gleich nach meinem Robert, lassen Sie ihn suchen; ich hätte mit ihm zu reden. Möller geht und kommt bald wieder. Ich kann dem alten Eigensinn nicht helfen; dasmal muß er zu Kreuze kriechen. Ich kann mein Wort nicht zurücknehmen, das muß er selbst einsehn. Und nunmehr kann er auch zu Verstande gekommen sein. – Aber damit er sieht, daß ich bereit bin, zur Versöhnung zu thun, was ich nur irgend kann, ohne mich zu blamieren – wie wär's, Pastor, wenn Sie zu ihm gingen? Die Stelle freilich, die muß er vor der Hand aufgeben – aber seinen bisherigen Gehalt, den kann er – ja, den soll er verdoppelt fortbeziehn; er mag ihn einstweilen als eine Pension ansehn. Ich dächte – er ist doch die Hauptschuld an der Geschichte – damit bezahlt' er seinen Teil daran billig genug. Ich mache mich gleich auf den Weg. Und ich begleite Sie ein Stück. Muß ich doch nicht ganz allein promenieren. Beide links ab. 5. Auftritt Fünfter Auftritt. Möller allein, dann der Buchjäger. Und wenn nichts aus der Hochzeit würde da mit der Löhlein, so hat Stein und Sohn doch einmal durchgegriffen. Die Galle hat mir's umgewendet, wenn er allemal der erste war – Dasmal bin ich zufrieden mit meinem Alten und will seine Nase gern einstecken. – Aber was poltert nur da draußen herum? In der Thür. Ein Glück, daß die durch die Zimmer gingen. Es ist der Buchjäger. Und in welchem Zustand! Ist das auch ein Mensch! Er bringt den betrunkenen Buchjäger hereingeführt. erst noch in der Szene. Wo ist der Stein? Heda, Kerl! der Stein! Seid Ihr's, Möller? mit Gönneransehn. Daß Ihr's seid, darüber kann man nicht im Zweifel sein. Was wollt Ihr hier? indem ihn Möller auf einen Stuhl setzt. Bedanken, man muß sich doch bedanken. Holt mir den Stein. Bedanken –'s ist einmal Mode so. In diesem Zustand? indem ihn Möller mit Anstrengung auf dem Stuhl niederhalten muß. Zustand? Was geht Euch der Zustand an? Daß ich mich bedanken will, das ist Zustand gnug. Laßt mich mit dem Zustand zufrieden. Ist er drin? Was? Da drin ist niemand. Seid froh, daß niemand drinnen ist. Euch ist nicht zu helfen. Ihr wollt einmal auf keinen grünen Zweig kommen. Eure Gönner können keinen noch so klugen Streich für Euch machen, ohne daß Ihr selber gleich einen hundertmal so dummen draufsetzt, der alles wieder verdirbt. Den Herrn reut's schon, daß er Euch die Stelle gegeben hat, und Ihr gebt ihm auch gleich – Ihr dummer Kerl Ihr, das Ihr seid. Mit Eurer Gönnerschaft, das Ihr seid. Wenn Ihr nicht den Stein und den Ulrich auseinanderbringen wolltet der Löhlein wegen! Und wenn ich so dumm wär' wie so ein verwetterter, vermöllerter, vergönnerter Kerl. Basta. Daß ich einen Tag Förster bin? Denn zwei Tag' dauert's nicht, bis die zwei Kesselflicker wieder einig sind; hernach ist's wieder aus mit meiner Försterschaft. Ihr denkt, weil Ihr keinen Durst habt, seid Ihr ein honetter Kerl? Einen Tag weiß ich's – einen Tag bin ich's – Tu – Turbationsförster nämlich – und den Tag hab' ich angewandt, Bruderherz – an Ulrichs Andres – angewandt, Bruderherz. Komm, Bruderherz, denn ich bin fidel, Bruderherz. Du vermöllerter Gönner du! Fällt ihm um den Hals. schamhaft und äußerst verlegen sich seiner erwehrend. Aber was denken Sie denn? Wenn's jemand sähe! So schämen Sie sich doch! Sich in der Autorität gewaltsam zurechtrückend. Mit Ulrichs Andres habt Ihr was vorgehabt? Was? Vorgehabt, vorgehabt, den hab' ich vorgehabt, wißt Ihr? von wegen gestern, wißt Ihr? und von wegen der Galle auf seinen Alten, wißt Ihr? Seinen weißen Katzenbart, der Alte, soll er zerreißen vor Wut, wenn er's hört – Aber was mögt Ihr nur mit dem Andres angestellt haben? Was? Nichts. Werdet's Zeit genug erfahren. Was? Durst, Durst, das ist mein Jammergeschrei, das ist mein Siechtum, mein Elend, das ist mein Gichtbruch, daran muß ich noch umkommen in meinen jungen Jahren. Wo ist der Stein? Jetzt kommt Ihr mit auf meine Stube und trinkt eine Tasse schwarzen Kaffee, damit Ihr vernünftig werdet. Ich muß dann nach dem Hochofen; da nehm ich Euch mit bis an die Mühle am Heimlichen Grund. Und Ihr geht vollends heim. Man muß Euch die Hände binden, wenn Ihr Euer Glück nicht wegjucken sollt. indem ihn Möller abführt. Wo ist er? Heda! Wo ist er? Der Stein? Im Jägerhaus. 6. Auftritt Sechster Auftritt. Die Försterin allein, dann Weiler und später der Förster. das Fenster schließend. Er kommt noch immer nicht zurück, der Robert, und der Herr Pastor auch nicht. indem er durch die Mitte tritt. Na, wenn der nicht auf die Nase fällt! Aber wer ist's denn nun eigentlich? Ob mir die Frau Försterin was aufgehoben hat? Aber ich hab' ohnehin keinen Appetit. Hm. Kalt wird's geworden sein. Holt einen Teller mit Speisen aus dem Ofen, Brot usw. dazu aus dem Schrank und setzt es auf den Tisch zur Linken. Wir werden alle einmal kalt. Setzt sich zum Essen. ist seitwärts eingetreten. Hat Er den Hirsch wieder gespürt da aus dem Lutzdorfer? Will dich stolzieren. Aber so ist's. Sowie's heißt Mann und Frau, Herr und Diener – dann ist Lieb' und Freundschaft heidi! Und was heißt das mit dem Stolzieren? Mit allen vier Beinen stand er da am Grenzbusch im Hafer drin und fraß. Wer? Der Hirsch da aus dem Lutzdorfer. nachdrücklich. Ein Hirsch hat Läufte, und keine Beine, und frißt auch nicht, sondern er äset. Meinetwegen. seine Mahlzeit besorgend. Aber was ist denn nur? Hm. Ob man's nun erfährt? Wenn man nichts wissen will, da wird er nicht fertig. bleibt vor ihm stehen; streng. Weiler, hört Er? Na, der Buchjäger da. Sechs Zoll ist der heut gewachsen, hat gleich seinen Hut mit den Tressen aufgesetzt und seinen Hirschfänger umgetan und zwei Bittre und ein sechs Kümmel mehr getrunken als gewöhnlich; hat aber auch einen Weg nötig, noch halb so breit wie sonst. Ist Er fertig? Beinah'! Aber wer ist denn nun eigentlich der richtige Förster von Düsterwalde? Der weist schon die Holzhauer zum Durchforsten an, da muß er's doch sein? Aber Ihr thut auch, als wärt Ihr's noch? Ich bin's auch noch; ich bin Förster von Düsterwalde und niemand sonst. Ihr wollt's durchsetzen? Aber ich will Euch sagen, wer heutzutage recht behält. Pantomime des Geldzählens. Wer den längsten Atem hat. – Wer kommt da so eilig? 7. Auftritt Siebenter Auftritt. Wilkens in seiner Art hastig herein. Weiler essend. Förster. Försterin. eintretend. Aber was ist denn nur passiert dahier. Einen guten Tag herein. erschrocken. Passiert? Aber um Gottes willen – ist denn was passiert? Gleich oben hinaus. Er wird doch noch sehen mit Seinem Eigensinn. Aber was denn nur? Weiß ich's? Begegnet mir der konfuse Hanns da am Scheibenweg und ficht mit den Händen, als wenn er auf jemand losschlüge, und weist daher nach dem Jägerhaus – Er wies auf den Wald; das Durchforsten meint' er – Mein Weg war eigentlich ein anderer, aber ich denke, ich muß doch sehn. Und da steht auch gleich eins in tiefen Gedanken, da nicht weit vom Haus. Ist's der Andres. Denk' ich, den fragst du. Hm. Wie mich der kommen hört, fährt er auf, sieht mich wild an und – fort ist er. Ich ruf ihm; hm; der hat ja seinen Namen vergessen. Ich lauf ihm nach, aber der – fort, als hätt' er kein gutes Gewissen. Was das nun wieder ist! ruft aus dem Fenster mit Autorität. Andres! Da kommt er ja schon. 8. Auftritt Achter Auftritt. Der Pastor. Vorige. Weiler sitzend. 's ist der Herr Pastor. Begrüßung. Gott sei Dank! Der gute Herr Pastor! Sie meinen zur Verlobung zu kommen, Herr Pastor – aber – Ich weiß alles, was Ihr angestellt habt. Der Herr Stein – Von dem komm' ich eben. Und was ich Ihnen zu sagen habe – ich weiß, Sie nehmen's deshalb um nichts unfreundlicher auf, weil ich's bringe. Wenn der Herr Pastor vom Herrn Stein kommen, da kann noch alles gut werden. Aber Sie wissen nicht, Herr Pastor, wie eigensinnig der Mann da ist. Was denn? Ich weiß alles. Aber er ist doch nicht der Hauptsünder; sonst käm' ich nicht als Steins Gesandter. Der will den ersten Schritt thun. Ich tät' ihn nicht, wenn ich der Herr wär'. Ja, alter Freund Ulrich, dem Stein thut's leid, daß seine Hitze die Ursach' gegeben hat, den schönen Tag zu stören. Hört Er, Vetter Wilkens? Das mit dem Absetzen war gar nicht so schlimm gemeint. Hört Er, Weiler? Daß es nun freilich sein Bewenden dabei haben müßte – Sein Bewenden – Herr Pastor, was soll das heißen? Daß er sein Wort nicht sogleich wieder zurücknehmen könnte, ohne sich zu blamieren – das müßten Sie selbst einsehn. gedehnt. So? Und der Buchjäger? zuckt die Achseln. Ist vor der Hand Förster von Düsterwalde; das ist nicht zu ändern – Das sagen Sie; aber ich sag' Ihnen, Herr Pastor, der Buchjäger ist's nicht; Förster von Düsterwalde bin ich. Und ich bin's, Herr Pastor, und ich bleib's, Herr Pastor, bis der Herr Stein bewiesen hat, daß ich gegen meine Pflicht gehandelt hab'. Damit Sie aber sähen, wie bereit er seinerseits wär', sein Teil Unrecht auszugleichen und das alte gemütliche Verhältnis wieder herzustellen, sollen Sie Ihren bisherigen Gehalt verdoppelt fortbehalten als Pension. Förster macht Schritte und pfeift. Soweit mein Auftrag, alter Freund; und nun – bleibt vor dem Pastor stehn. Wofür, Herr? Will er mir meine Ehre damit abkaufen? Herr Pastor, meine Ehre ist mir nicht feil. Schritte und pfeift. Aber, alter wunderlicher Freund – Ja, wenn er einen Menschen anhörte! wie vorhin. Soll's ein Gnadengehalt sein? Ich brauche keine Gnade. Ich kann arbeiten. Umsonst nehm ich nichts. Ich nehme keine Almosen. Ich weiß, er kann mich nicht absetzen, wenn ich nicht schlecht gewesen bin; das weiß ich aus mehren Exempeln, zum Beispiel vom Jäger Rupert in Erdmannsgrün. Wenn ich mich willig absetzen ließe, so geständ' ich selber ein, daß ich schlecht wär'. Dem Rupert konnten sie auch nichts beweisen, und er blieb in seinem Dienst. Und wer nimmt einen Abgesetzten in Dienst? Herr Pastor, ich hab' von Vater und Großvater eine Ehre ererbt und bin sie meinen Kindern und Kindeskindern schuldig; mein Vater hat vor mir die Stelle gehabt und mein Großvater vor meinem Vater; sie heißen mich den Erbförster im ganzen Tal; ich wär' der Erste aus meinem Stamm, der abgesetzt wäre. Gehn Sie hinaus in meinen Forst, Herr Pastor, und wenn Ihnen nicht die Seele davor aufgeht – Herr Pastor, ich habe den Forst bis auf den Kirchhof gezogen; da liegt mein Vater und mein Großvater, und von ihren Herrn steht das Zeugnis auf ihren Steinen: »Sie waren redliche Männer und treue Diener.« Sie liegen, wie sich's für Jägersleute gebührt, unter grünen Tannen. Herr, und wenn mein Kindeskind einmal dahin käm' und fragte: »Aber warum liegt der nicht unter den Tannen, der sie gepflanzt hat? Warum haben wir nichts mehr da zu suchen? Ist der ein Schurke gewesen, daß sein Herr ihn hat absetzen dürfen?« Und wenn sie meinen Grabhügel suchen und finden ihn hinter der Kirchhofsmauer? Herr, wenn Sie ohne ihre Ehre leben können, so ist's gut für Sie – oder vielmehr, so ist's schlecht von Ihnen. Aber sehen Sie, Herr Pastor, für mich gibt's nur eine Wahl, entweder neben meinem Vater und Großvater unter die Tannen oder – hinter die Kirchhofsmauer. Herr Pastor, ich bin Förster hier, oder er müßte öffentlich erklären, der Herr Stein, daß er an mir gehandelt hat als ein Schurke. Das Meine hab' ich in seinen Forst gewandt; ich will nichts herausnehmen als den Stock, an dem ich in die Welt gehe und in meinen alten Tagen einen neuen Dienst suche, aber von mir muß die Schande abgewischt sein, und auf ihm muß sie kleben bleiben. Ich bin in meinem Recht und will's behaupten. In Seinem Recht? Hm. Was will Er mit dem Recht? Recht kostet Geld. Recht ist ein Spielzeug für die Reichen wie Pferde und Wagen. Hm. Mit Seinem Recht und Unrecht da. Sein Recht, das ist Sein Eigensinn; Er reißt noch Frau und Kindern die Kleider vom Leibe, damit Er nur Seinen Eigensinn warm halten kann. Aber – 9. Auftritt Neunter Auftritt. Wilhelm. Vorige. Vater, der Andres ist draußen und will nicht herein. Ich hab's ihm gesagt, daß du ihn gerufen hast. Komm, Wilhelm, wir wollen hinaus zum Andres – Stille da, Weib! Daß ihr ihn vollends konfus macht mit Lamentieren? Entweder ihr verhaltet euch ruhig, oder ihr geht da hinaus, und ich zieh hinter euch den Schlüssel ab. Er geht feierlich nach der hintern Thüre. Andres! Du kommst sogleich herein. Hörst du? 10. Auftritt Zehnter Auftritt. Andres. Vorige. Andres in der Thür; wie er die Menschen sieht, will er zurück. Andres, du kommst herein. Vor deinen Vorgesetzten. Setzt sich wie zu einem Verhör. Förster, Försterin, Weiler, Wilhelm auf der linken Seite; Pastor, Wilkens auf der rechten; Andres, der niemand anzusehen wagt, in der Mitte. Hierher, Forstgehülfe Andres Ulrich. Wo kommst du her? Vom Gehege, Vater. Wo hast du deine Flinte, Andres Ulrich? Andres schweigt. Wer hat sie? dumpf. Der Buchjäger. Förster steht unwillkürlich auf. voll Angst. Ulrich! setzt sich wieder. Hier hat niemand zu reden als der Forstgehülfe Ulrich und sein Vorgesetzter. Andres – Vater – Warum siehst du mich nicht an? Ich kann niemand mehr unter die Augen sehn. Ich will als Schiffsjunge nach Amerika. Laß mich, Vater! Junge, du hast zu antworten, wenn dich dein Vorgesetzter fragt. Was hat der Buchjäger? Heraus damit. Ich war eben drüber, die Ahornpflanzen in der Baumschule herauszunehmen – Wie ich dir befohlen hatte. Da kam der – Der Buchjäger. Weiter, Andres Ulrich. Mit sechs Holzhauern vom Brandsberg her – Vom – weiter, Andres Ulrich. Er war betrunken – halblaut. Wie gewöhnlich – Auf einen Blick des Försters, als hätt' er nichts gesagt. Und die Holzhauer waren's auch. Er ließ die Korbflasche umgehn. »Hier wird angefangen«, sagt' er; »der Ulrich hat schöne Wirtschaft gemacht«, sagt' er; »darum ist er abgesetzt.« Wie er das gesagt hatte, trat ich vor – Tratst du vor – Steht auf. Und sagte, er wär' ein elender Verleumdet. Und übrigens hab' er nichts anzuordnen im Forst. streckt sich. Im Forst. Und sollte gehn, wohin er gehörte. nachdrücklich. Gehörte. Setzt sich. Und der – Lachte – steht auf, setzt sich wieder, pfeift und trommelt vor sich auf dem Tisch; dann. Weiter – Und sagte: »Was will der Kerl?« mit starker Stimme. Andres! Vater – Und du? Weiter, weiter. »Hat da Pflanzen aus meinem Forst in der Hand? Leise. Haltet mir doch den Holzdieb, den Pflanzenstehler!« kleine Pause. Und die – Hielten mich. Und du – Es waren zuviel – mein Wehren half mir nichts. der den Kampf mitkämpft. Half nichts; es waren sechs über einem. Ich war wütend, wie ich sah, was er wollte. Sie zogen mich – aus. Ich sagte, er sollte mich erschießen, sonst wollt' ich's ihn, wenn er mich lebendig gehn ließe. Dazu lacht' er. Die – mußten – mich – halten – springt auf. Und der – widerstrebend, flehend. Vater – Und der hat – Hat – schwach. Hat – außer sich. Vater, ich kann's nicht sagen. Das hat mir noch kein Mensch gethan auf der Welt! tiefatmend. Stille jetzt. Sag's hernach – Andres. Pause, er geht bei Andres vorüber, der nun zur Försterin tritt. Schönes Wetter heut, Herr Pastor – zuckt mich da auf einmal wieder der alte Fluß im Arm. – Und die Mücken spielen so tief. – Es wird noch Gewitter geben heut. – Andres, er hat dich – ich hab's nie, und ein Fremder – ein – sag' nichts, Andres – ich versteh' dich. Macht Schritte. zu Andres. Daß du auch den Buchjäger gestern gereizt hast! Hab' ich's nicht prophezeit? Du bist totenblaß. Ich will dir Tropfen geben – bleibt straff vor Andres stehn, die Försterin weicht ängstlich zurück. Hör, Andres. Und Er, Weiler. Weiler kommt vor. Aufgepaßt. Wer in meinen Forst kommt mit der Flinte – angerufen! Versteht ihr mich? Hm. So ist die Instruktion. Angerufen! Ich bin der Förster und niemand sonst, und ihr seid meine Leute. Der Herr und sein Sohn passieren. Wer aber sonst in meinen Forst kommt mit einer Flinte, hört ihr? mag's sein, wer's will; mag er einen grünen Rock am Leibe haben oder nicht – der ist ein Wildschütz, der wird angerufen: »Halt! Flinte weg!« Wie's die Instruktion besagt. Wirft er sie hin, gut; wirft er sie nicht hin, draufgebrannt – wie's die Instruktion besagt. – Und du Wilhelm, gehst auf der Stelle zum Advokat Schirmer in der Stadt. Dem erzählst du alles. Er soll eine Klage machen gegen den Stein und seinen Buchjäger und soll sie einreichen bei den Gerichten. Vergiß nichts, Wilhelm; daß mein Vater und mein Großvater die Stelle hatten, daß sie mich den Erbförster heißen, das Exempel vom Rupert in Erdmannsgrün; es wird nicht nötig sein, aber aus Vorsicht; daß der Forst offen liegt gegen Mitternacht und Abend, vergiß mir nicht. Und daß der Stein mich absetzen will, weil ich nicht als ein Schurke an ihm handeln will. Wenn du jetzt gehst, kannst du noch vor Nacht wieder heimkommen. Andres und ich begleiten dich bis an die Grenzschenke. Da kann dich der Andres abends erwarten, wenn du wieder kommst. Zu Andres, der unter den Flinten wählt. Nimm die doppelläufige mit dem gelben Riemen, Andres. Ich nehm die andere. thut es. Mutter, ein Tuch; mich überläuft es so kalt. holt es aus dem Schranke. Aber du solltest heimbleiben, Andres, auf den Ärger. Hilft ihm das Tuch um den Hals binden. Und Er sieht nicht, daß Er absolut Unrecht behalten muß? Er ist mit sehenden Augen blind? Des Absetzens wegen wollen Sie klagen? Das können Sie nicht. der sich unterdessen den Hirschfänger angesteckt. Das kann ich nicht? So ist's recht, daß er mich absetzen will? Unbillig ist's gewiß; unrecht vor dem Herzen, aber nicht vor dem Gericht. Was vor dem Herzen recht ist, das muß auch vor den Gerichten recht sein. Wenn Sie sich's erklären lassen wollten – Erklären? Hier ist alles klar bis auf Ihre Hirngespinste da, womit einen die Herren eintreiben möchten, daß man an seinem eignen Verstand irrwerden soll. Mit Aber und Wenn, das kenn' ich. Die Aber und Wenn, die kommen ganz oben aus dem Kopfe; da weiß das Herz nichts davon; das sind Praktikenmacher. Nun gut, Herr Pastor, erklären Sie doch einmal. Aber mit Ja und Nein. Was drüber ist, das ist vom Übel. Die Aber und Wenn sind vom Übel. Der Herr Stein will mir meine Ehre nehmen; meine Treu' und Rechtschaffenheit will er mir mit Schande vergelten; in meinem fünfundsechzigsten soll ich dastehn als ein Schurke. Nun, Herr Pastor, auf Ja und Nein: ist das recht? Auf Ja und Nein? – Freilich; recht ist's nicht im gewöhnlichen Sinne, aber – fällt ein, siegreich. Also recht ist's nicht? Und wenn's nicht recht ist, so muß es unrecht sein. Und dazu sind die Gerichte da auf der Welt, daß Unrecht nicht geschehen soll. Mich soll kein Mensch irrmachen an meinem guten Recht; und der ist mein Freund gewesen für immer, der mir noch das Wort vom Nachgeben spricht. Amen. Wenn's nur ein Aber brauchte, Unrecht aus Recht zu machen, so wollt' ich lieber unter den Wilden leben, so wollt' ich lieber das erbärmlichste Tier sein auf Gottes Erdboden als ein Mensch. Seid ihr fertig, Jungens? Ja. So kommt, Jungens. Alles andere kann zum Teufel gehn, Herr; aber Recht, Herr, Recht muß Recht bleiben! Indem er geht und die andern folgen, fällt der Vorhang. Ende des zweiten Aufzugs. 3. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt. Lindenschmied. Wirt. Möller tritt herein; nach ihm Frei. Herr Wirt, ein Glas. Für sich. Wird ja nunmehr seinen Weg vollends heimfinden, der Buchjäger. Von der Mühle da am Heimlichen Grund hat er kaum eine Viertelstunde nach Haus. – Einen guten Abend. noch außen. Ein Glas im Vorübergehn. Tritt ein. Da hinüber ins Herzogliche. Da geht's lustig zu. Gott behüt' uns vor der Sorte Lustigkeit. Wohl bekomm's, Herr Buchhalter! Eine schöne Gesellschaft! Wollen Sie sich nicht setzen, Herr Buchhalter? Danke. Ich muß noch nach dem Hochofen den Abend; meine Leute sind schon voraus. Für sich, indem er das Glas an den Mund nimmt. Auf glückliches Zustandebringen der Heirat mit Löhlein und Kompagnie. Da drüben weiß man schon nicht mehr, was oben und was unten ist, und bei uns geht's heut oder morgen noch los. Der Erbförster hat sich schon in seinem Jägerhaus verbarrikadiert. Dummes Zeug. Der! Die Gewissenhaftigkeit selbst! Man ist so lange gewissenhaft, als es geht. Ein Hundsfott, der's eine Stunde länger ist. Den Buchjäger will er oder seine Leute erschießen, wo sie ihn finden. Gebärde. Und der Erbförster fackelt nicht; da kenn' ich den alten Teufelskerl mit seinem weißen Schnauzbart. heiser lachend. Oho! sieht sich nach ihm um. Wollt Ihr etwa dem Buchjäger seine Partei nehmen? Was, Lindenschmied? wie vorhin. Dem Buchjäger seine – Weiß jedes Kind, wie lieb Ihr den habt. mit Gebärde, wie vorhin. Haha! Der Weiler hat's den Erbförster selbst sagen hören. Und ich sag' Euch, was der Erbförster sagt, das ist so gut, als hätt's ein anderer schon gethan. Wird sich hüten der – der Erbförster – Gedämpft. Wenn die nicht wären, die am grünen Tisch. Und der nicht wär', der – Deutet pantomimisch an, daß er den Nachrichter meint. Der hat aufgehört. Der – Denn jetzt ist's Schlägt auf den Tisch. Freiheit! Der Erbförster soll leben! Und wer's schlimm mit ihm meint – ich zeig auf niemanden – eilig. Hier, Herr Wirt. Schon fast acht. So eilig, Herr Buchhalter? Im Hochofen warten sie auf mich. Sie bekommen – schon an der Thür. Lass' Er nur. Ich behalt' es gut auf morgen. Ab. 2. Auftritt Zweiter Auftritt. Vorige, ohne Möller. steht auf; die Faust hinter ihm her ballend. Nichts sollt ihr gut behalten, du und deinesgleichen da. Es soll euch alles bezahlt werden. Lindenschmied, geht Ihr mit da hinüber ins Herzogliche? Hab meinen Weg für mich. Kommt vor. Die hinter ihrem grünen Tisch! Daß ein ehrlicher Kerl erschrickt, wenn ein Blatt rauscht, und hinter sich sieht, ob nicht der Büttel hinter ihm drein ist. Wird umgeworfen der, der grüne Tisch – sag' ich Euch. In zehn Jahren soll's niemand mehr erfragen können, was so'n Büttel 'mal für ein Ding gewesen ist. Jetzt ist Freiheit, und die Ordnung hat aufgehört; jeder kann machen, was er will, kein Büttel mehr, kein grüner Tisch mehr, sag' ich Euch; kein Turm, keine Ketten. Hätt' der Herrgott die Hasen expreß für den Edelmann gemacht, so hätt' er ihnen gleich sein Wappen in den Pelz gebrannt. War eine Kleinigkeit das für einen Mann wie der Herrgott. Das wissen die Menschen jetzt, daß die in den Zuchthäusern verehrungswürdige Dulder sind, und die Vornehmen sind Spitzbuben, und wenn sie noch so ehrlich wären. Und die Fleißigen sind Spitzbuben; denn die sind schuld, daß die braven Leute, die nicht arbeiten mögen, arm sind. Das könnt Ihr in den Blättern gedruckt lesen. Und wenn der Erbförster den Buchjäger vornimmt Pantomime. so kann ihm niemand was anhaben drum; denn der Buchjäger hat die ehrlichen Leute ins Zuchthaus gebracht, wenn sie gestohlen hatten. Und wird nicht gestraft? Nicht? Und auch ein anderer nicht, wenn er's thut? Und auch ein anderer nicht, sag' ich Euch. Da drüben haben die ehrlichen Leute das Schloß angebrannt und geplündert; mehre Menschen sind dabei verunglückt; kräht kein Hahn danach. Wer jetzt so was auszuwetzen hat. Und der Ulrich braucht nicht weit zu laufen; der Buchjäger torkelt da im Heimlichen Grund herum, hat den Hut verloren – fährt krampfhaft hastig in die Taschen. Und nichts – gar nichts – nicht ein stumpfes Messer bei mir! 3. Auftritt Dritter Auftritt. Andres. Vorige. hereintretend. Ist das heiß hier! Er nimmt sein Tuch ab. Guten Abend. Wickelt das Tuch um das Flintenschloß und lehnt die Flinte neben sich an. Daß sich niemand da vergreift; die Flinte ist geladen. Zum Wirt. Ich weiß nicht, was das ist. Wird mir auf einmal so elend da herum. Ich wollte auf meinen Bruder warten an der Grenze. Machen Sie sich's bequem, Herr Forstgehilfe. Noch kommt der Wilhelm wohl nicht. Er wirft sich auf eine Bank, legt bald die Arme auf den Tisch und den Kopf darauf. schlägt sein Glas auf den Tisch auf. Noch eins, Wirt. Und das ist Gnade, daß ich jetzt bei Ihm trinke, wo's noch was kostet. In acht Tagen muß Er schaffen, und kein ehrlicher Mensch braucht Ihm mehr einen Pfennig zu bezahlen dafür, sag' ich Ihm. von nun an unverwandt bald nach Andres, bald nach der Flinte schielend. Wenn er einschlief einmal – der da! Über den Tisch gelehnt zu Frei heimlich. Da im Heimlichen Grund, sagt Ihr? – Und meint Ihr auch gewiß, Frei, daß nichts mehr gestraft wird? Vorurteil, sag' ich Euch. Wenn Ihr was anstellt und sie hängen Euch, sollt Ihr mich einen Schuft nennen Euer Leben lang. Seht Ihr. Was man sonst einmal Treu' und Ehrlichkeit genannt hat, das haben uns die alten Weiber weisgemacht. Und ein Kerl, der sein Wort hält, das ist ein Schuft, und so einem trau ich nicht über die Thürschwelle. Das Volk ist ehrlich an und für sich, weil's das Volk ist. Ihr sollt nur die Herren da reden hören; war ein Professor dabei, der muß es wissen. führt ihn vor. Aber mit dem Gewissen? Und von wegen mit dem da drüben? Vorurteil. Nichts weiter, sag' ich Euch. Hab's immer gedacht das; aber sonst durfte man so was nicht sagen. Dem Volk haben sie von Himmel und Hölle weisgemacht, damit der gnädige Herr seine Hasen allein behalten sollte. Den armen Leuten haben sie von Kind an ein Gewissen eingetrichtert, damit sie sich's gefallen lassen sollten, wenn die Reichen herrlich und in Freuden lebten. Und er ist im Heimlichen Grund? Der Wirt wird aufmerksam. Wer? Der – Knöpft sich ein. Wo wollt Ihr hin? Schulden bezahlen, eh' die Welt neu wird. Während er Andres verstohlen beobachtet, mit der Linken in der Westentasche, um den Wirt zu bezahlen. Kann's nur nicht herauskriegen da mit der – Eure Finger an der Linken sind steif – mit Gebärde. Die an der Rechten werden noch krumm. Habt Ihr einen Fluß gehabt? heiser lachend. Ja, einen bleiernen. Zwei Lot Pulver und drei Schrot. Er spricht immer gedämpft, um den Andres nicht zu wecken. Ein Denkzettel von dem da im Heimlichen Grund – Vom Buchjäger? Weil ich Taler schlug aus dem Strahlauer Herrn seinen Rehen. Lief ungemünztes Geld genug im Wald herum. Noch eins, Wirt! Gibt dem sein Glas. in sich verloren, allein im Vordergrund. Sechsmal lief ich hinaus, wo er vorbeikommen sollte; aber er kam mir nicht. Damals war das Gewissen noch Mode. Da dacht' ich: jetzt soll's nicht sein, und verschob's, wenn er mir einmal von selber käme, so daß ich sehn müßte, es sollte sein. Nächte lang hat's mich gewürgt wie der Alp und von meinem Blut gezehrt, daß ich nicht an ihn sollte, und jetzt – hahaha! Lacht krampfhaft kurz, weckt sich damit aus seinen Gedanken und sieht sich betreten um. Habt Ihr gelacht, Lindenschmied? Weiß nicht, ob ich's war. Ihr habt eine kuriose Lache. Geht Ihr mit, Lindenschmied? Ins Herzogliche? schlägt ihn auf die Schulter. Mann, jetzt ist Freiheit! Hab meinen eignen Weg. Meinetwegen! Tritt in den Hintergrund zum Wirt. Was hab' ich zu zahlen zu guter Letzt? Hier; gebt heraus. Da sind drei, vier – Lindenschmied hat den Augenblick benutzt, wo niemand ihn beobachtet, Andres' Flinte verstohlen hinwegzunehmen, und eilt mit derselben ab. Welche Zeit, Wirt? Achte durch. im Abgehn. Adies! 4. Auftritt Vierter Auftritt. Wirt. Andres. schrickt auf. Acht? – Nun kann der Wilhelm kommen. naht sich Andres ängstlich. Sie sind ein braver Mensch; Ihnen kann ich meine Angst ausschütten. Das ist eine greuliche Brut, die da eben gingen. Worte sind gefallen! Der Buchjäger ist betrunken im Heimlichen Grund und der Lindenschmied, sein Todfeind, ihm nach. Unter Reden! Er sprach von Fingerkrummachen. Und der Mensch ist zu allem fähig. Er meint, der Lindenschmied will dem Buchjäger ans Leben? Aber gesagt hab' ich's nicht. Wenn ich's anzeige, brennen die mir das Haus über dem Kopf zusammen. Und wenn ich nichts thu' – Macht Schritte. wollte aufstehn, setzt sich wieder. Um den? – Mag ihm geschehn, was Gott zuläßt. Um den geh' ich nicht. wie vorhin. Was ich nur anfang da? Der Vater sagt: Wenn's Hülfe gilt, muß jeder tüchtige Mensch einstehn und nachher erst fragen: wem hab' ich geholfen? Ob ich's doch anzeige? Aber – steht rasch entschlossen auf. Ich gehe. Ich will sehn, ob ich ihn finde, den Buchjäger. Dem Wilhelm wird ja nichts geschehn. Sind nur die paar Schritte bis heim. Was such ich da nur? Mein Tuch. Da in den Schläfen hämmert's und saust. Wo hab' ich's doch? – Ich hab's um die Flinte gebunden. Da er die nicht findet. Aber wo ist meine Flinte? Ihre Flinte fehlt? Hier hatt' ich sie angelehnt. Die mit dem gelben Riemen. Die hab' ich erst noch lehnen sehn. Hat Er sie vielleicht aufgehoben? Ich? Nicht angerührt. Allmächtiger Gott! Wenn der Lindenschmied – Sie lagen, und ich zählte just – Was ist da zu machen? Nichts. Ich geh' ohne Flinte. Ich hab' nicht Zeit, eine andere zu Hause zu holen. Aber unbewaffnet – Laß Er nur. Wenn mir nur nicht noch schlimmer wird da auf der Brust. In der Thür. Wenn ich nur nicht zu spät komme! Draußen. Gute Nacht, Meister Wirt. Sie sind beide unterdes abgegangen. Verwandlung. Im Heimlichen Grund. Pittoreske Waldschlucht; hinten querüber der Bach, jenseits desselben Felsen, an welchen ein steiler schmaler Weg mit dem Bache gleichläuft; Dämmerung. 5. Auftritt Fünfter Auftritt. Robert hat eine Flinte umhängen. Kathrine. Wie schauerlich das hier ist! Wir sind schon so weit vom Schlosse. Wo sind wir nur, Herr Robert? Im Heimlichen Grund, Kathrine. Im Heimlichen Grund? Wo's so unsicher ist? Wo immer die Wilddiebe aus dem Herzoglichen –? Sieht sich ängstlich um. Ohne Sorgen, Kleine; wir haben einen sichern Begleiter bei uns. An sein Gewehr schlagend. Siehst du dort? Etwas schimmern wie eine weiße Wand und dunkle Laden daran – Das ist das Jägerhaus. Wirklich? Ja, Gott sei Dank! Jetzt seh' ich das Hirschgeweih oben am Forst gegen den Abendhimmel. Hier ist der Brief. Aber so frei in der Hand darfst du ihn nicht tragen. – Hast du auch einen Vorwand? Wenn der Alte dir begegnen sollte? verschämt und selbstzufrieden lächelnd. Ach, Herr Robert, sollte ein Mädchen so dumm sein? Da machen Sie sich keine Sorge. Meine kleinen Schwestern lernen stricken und nähn bei der Mamsell – da. macht den Brief zusammen, in den er sah. Nun hier, Kathrine. Aber nur in Mariens oder ihrer Mutter Hände gibst du den Brief, niemandem sonst, auch Andres und Wilhelm nicht. Nur in ihre eigenen oder in ihrer Mutter Hände. – Aber so weit soll ich noch allein? Kaum zwei Büchsenschüsse weit. Mich darf niemand in der Nähe des Jägerhauses sehn. – Heimwärts gehst du die Straße. Nur wenn du den Brief nicht hast anbringen können, kommst du hierher zurück. Aber daß Sie auch nicht fortgehn. Nein, Kathrine. Hier bleib' ich. Kathrine ab. 6. Auftritt Sechster Auftritt. Robert allein, dann der Buchjäger, zuletzt Möller mit zwei Arbeitern. sieht Kathrinen eine Weile nach; dann Schritte. Ob sie kommen wird? Ob sie ihren Vater lassen wird um mich? Bleibt stehn. Als ein Jäger geh' ich in die Welt. Ich bin jung, kräftig und versteh' mein Handwerk aus dem Grund – warum sollt' es nicht glücken? Sich in Gedanken verlierend. Und dann – so aus dem Walde heimkommen – so kräftig müd vom Tagewerk im Freien! Und sie hätte schon nach mir umgesehn – und käme mir entgegen – und nähm' mir die Flinte ab – um auch etwas zu tragen – und hinge sie um – und so stände mein Jägerhaus wie das dort – so rauscht' es in den Bäumen, und ich umschlänge sie und jubelte: nur das Glück ist ein Glück, das man sich selber dankt! – Und dann – Ein Schuß fällt und weckt ihn. noch in der Szene, aufstöhnend. Schurke! Was ist das? kommt auf die Szene getaumelt; Robert eilt auf ihn zu und faßt den Sinkenden. Ich – bin – hin – Gottfried! Ums Himmels willen! Ist auf Sie geschossen worden? Heda! Niemand in der Nähe? Heda! zu Hülfe! in der Szene. Schnell, Leute, dort hinüber! Vom Steg her kommt das Rufen! Dort kommen Menschen. Hierher! Hierher! Zu Hülfe! wie vorhin. Das ist Herrn Roberts Stimme. Wenn hier Rettung möglich ist, muß sie schnell kommen. Öffnet des Stöhnenden Rock und Weste. Ja, Sie sind es, Herr Stein. Tritt auf mit zwei Arbeitern. Aber – Möller – Sie sind es? Sehn Sie, was hier geschehen ist. – Leben Sie noch, Gottfried? Noch – aber – hinzutretend. Der Buchjäger. Barmherziger Gott! Meuchlings erschossen. Die Kugel ging durch den Rücken. Gottfried, reden Sie; wer hat's gethan? Er hatt' – die Flinte – mit dem gelben Riemen – Andres' Flinte? Er hat – mir's – gedroht – Es ist nicht möglich! War's der Andres, Gottfried? Der – Andres – ja – Er stirbt. Pause. Leute, nehmt ihn auf. Und Sie, Herr Stein – das ist eine Mördergrube dahier. Kommen Sie! Kommen Sie! Es lauern noch mehr dahier herum; nur erst begegnete uns der Weiler mit dem Gewehr – der boshafte Mensch; der spionierte; das ist klar. Das ist eine förmliche Jagd. Kommen Sie! Aber um Gottes willen, warum wollen Sie nicht – Gehn Sie nur. Aber was haben Sie nur vor? Und Ihr Herr Vater – wenn ich Sie allein in der Gefahr lasse – wenn ich Sie nicht mitbringe. Wie soll er mir glauben, daß ich Ihnen zugeredet habe? Sie haben ja Zeugen hier bei sich. Ein Wort für tausend – ich bleibe hier. Macht heftige Schritte. Nun so kommt, Leute; ihr habt's gehört. Im Abgehen. Allmächtiger Gott! Was wird das noch werden. Die Arbeiter haben die Leiche aufgenommen; Möller mit ihnen ab. 7. Auftritt Siebenter Auftritt. Robert allein, später Andres, zuletzt Lindenschmied. Schändlich! Schändlich! Einer solchen Rache wär' Andres fähig gewesen? Und ich muß es glauben – ich muß! Der Sterbende sagt' es; er hatt' es gedroht – es war seine Flinte – und alles ist wirklich – hier starb der Gemordete – hier ist – er schrieb's mit seinem Blut in den Rasen, damit ich nicht zweifeln durfte. Und solche Menschen stehn zwischen mir und meinem Glück? Steh' fest, Robert, hier gilt's das Äußerste! Du hast's mit Menschen zu thun, die keine Untat scheun. – Wer kommt dort? – Er ist es selbst – Andres – Dem Andres, der noch nicht sichtbar, entgegen. Nur heran! Wenn du mich suchst, Mörder. Mich findest du nicht wehrlos und ungewarnt wie den Buchjäger – indem er bleich und wankend auftritt. Der Buchjäger? – Dort tragen sie ihn hin. Er ist gemordet, und du hast es gethan. aufwallend. Ich, Robert? Der Gemordete hat dich erkannt und deine Flinte – und dein Gewissen zeichnet dich. Hör mich – um Gottes willen – Lindenschmied kommt hinten über den Felsenweg geschlichen. Flieh, Mörder! Jeder Schritt hier trägt dich dem Blutgerüst entgegen. Hier ist das Blut, das dich anklagt, und du selbst trägst das bleiche Geständnis vor dir her; das Fieber, das dich rüttelt, zeugt gegen dich. Das Fieber über dich, schändlicher Lügner! Die Flinte stahl mir der Lindenschmied, der dem Buchjäger aufpassen wollte. Ich eilte nach, wie ich's erfuhr; ich wurd' ohnmächtig – riß mich mit Gewalt aus der Ohnmacht auf und – Der Lindenschmied hätte – Glaubst du mir nicht, sieh dorthin nach dem Felsenweg – Mörder, steh'! Oder ich schieß' dich nieder. Lindenschmied eilt auf dem Felswege über die Bühne. Robert folgt ihm unten. wankt ihm nach. Sieb dich vor, Robert! Der Mensch ist verzweifelt – es geht um Tod und Leben! hinter der Szene. Bleibt zurück; ich schieße! ebenso. Die Flinte weg und steh'! Er schlägt an – spring' seitwärts, Robert! Es fallen zwei Schüsse nacheinander. Da ist's geschehn! Er verschwindet in den Büschen. Verwandlung. Schloß. 8. Auftritt Achter Auftritt. Stein unruhig herein; dann Bastian, später der Pastor. Ob der Möller vergessen hat, den Robert suchen zu lassen? Oder ob der Junge – der Zwist mit dem Andres! Bastian! Bastian in der Thür. Wo ist der Buchhalter? Gegen Abend noch nach dem Hochofen gegangen. War mein Robert nicht wieder zu Hause seit heut mittag? Der Herr Robert haben sich reisefertig gemacht und sind dann mit Kastellans Kathrine weggegangen. Stein winkt. Bastian geht. Und der Pastor – könnte nun auch längst zurück sein – in der Thür. Der Herr Pastor – Wie gerufen. Pastor tritt auf. gibt ihm die Hand. Endlich! Endlich! Bringen Sie gute Nachricht? achselzuckend. Sie könnte besser sein. Sind Sie dem Hitzkopf, dem Robert, begegnet? Nein. Ich hofft' es schon – weil Sie so lange blieben, Sie würden ihn mitbringen. Ein Kranker, zu dem man mich von meinem Weg hierher abrief, hat mich bis jetzt aufgehalten. So denken Sie nur, Sie kommen vom Kranken zum Kränkeren. Wenn Ungeduld, Unzufriedenheit mit sich selbst, schlimme Befürchtungen Krankheiten wären, so wär' ich ein gefährlicher Patient. – Aber die Antwort. – Ich lasse Sie auch nicht einmal zu Atem kommen. Deutet ihm an, Platz zu nehmen; setzt sich, steht gleich wieder auf. Wenn ich nur wenigstens sitzen könnte. Sechsmal schon hatt' ich den Hut mechanisch in der Hand; so reißt mich die alte Gewohnheit des Zusammenlebens mit dem Förster in Händen und Füßen, schlimmer als das Podagra. Unterdes hatt' ich einen Gedanken – aber erst: wie ist's mit dem alten Eigensinn? Ich kam eben nicht zum besten bei ihm an mit Ihrem Anerbieten. Und doch, wer weiß, ob er sich nicht noch dazu verstanden hätte, wenn nicht unglücklicherweise die Geschichte mit dem Andres – Mit dem Andres? welche Geschichte? Springt auf. Er ist doch nicht mit dem Robert zusammengerannt? Dasmal nur mit dem Buchjäger – setzt sich wieder. Sie sehn, ich zittre vor Ungeduld – Der Buchjäger, betrunken wie gewöhnlich, hat ihn wie einen Holzdieb behandelt, ihn schlagen lassen – Stein springt wieder auf. Da war's denn kein Wunder, daß der Alte auf nichts mehr hörte und jeden, der außer Ihnen mit dem Gewehre in den Forst kommt, als einen Wilddieb behandeln lassen will. der Schritte gemacht. Bastian! Bastian in der Thür. So wie Möller kommt – die Kanaille wieder abgesetzt – eingesperrt soll die Bestie werden – hörst du? Der Buchhalter? Der Buchjäger – und der Möller mit, wenn er – Kommen Sie, Pastor! Nimmt Hut und Stock. Bastian ab. Sie wollen – Sie fragen? – Hin zum Alten! Die Grillen wegwerfen, allen Wilkens und Möllers zum Trotz! Recht so! Ich bin dabei. Er steht auf. bleibt stehn. Warten Sie noch, Pastor. Soll ich vergebens den guten Gedanken gehabt haben? Hören Sie, was mir vorhin einfiel – wie vom Himmel herunter. Pastor! Wenn ich dem Robert heut noch Düsterwalde abträte? als selbständiges Eigentum? Er könnt' ihn mit allen Ehren wieder einsetzen, den Alten, und niemand wär' blamiert. Augenblicklich setz ich die Zession auf. Sie schnell ins Jägerhaus, Pastor – Mit dieser Botschaft – Eh' der Alte oder die hitzigen Jungen oder alle drei einen Streich machen, der – Er macht sich zum Schreiben fertig. Und morgen – Als wär' kein Heute gewesen – Kommt Herr Stein wie gewöhnlich um die Jägerhausecke und pocht ans Fenster, und der weiße Schnauzbart drin schnarcht sein »Gleich« – Und wenn Sie den Robert treffen – Bin ich der erste, der dem neuen Gutsherrn von Düsterwalde gratuliert – Und heute bringen Sie alle mit, den Alten, die Jungen, die Mutter und die Braut, dann Kommt zum Pastor nach der Thüre. brechen wir zum Vorfest meinem ältesten Johannisberger den Hals. – Was ist aber da draußen? Wer stürmt da die Treppe herauf? In der Thüre. Was ist passiert? 9. Auftritt Neunter Auftritt. Vorige. Möller, später Bastian. außer sich herein. Gräßlich! Gräßlich! Aber was ist denn? Ein Mord! Ein entsetzlicher Mord! Aber so sagen Sie doch – Der Herr Robert – Mein Sohn! Sinkt in einen Stuhl. Robert ist gemordet? Tritt besorgt zu Stein. Bastian tritt ein. Noch nicht; noch, hoff ich, nicht. Aber – ich bin ganz außer mir. – Den Buchjäger hat er schon erschossen, Ulrichs Andres. Die machen förmlich Jagd auf ihre Feinde, die vom Jägerhaus. Den Buchjäger ließ ich heimschaffen. Der Mensch sieht gräßlich aus; die Kugel ging links am Rückgrat ein. Er ist in Herrn Roberts Armen gestorben. Ich fragt' ihn noch: »War's der Andres, Gottfried?« »Der Andres war's«, sagt' er, – »der Andres war's« – und streckte sich, und aus war's mit ihm. Ich bat Herrn Robert, um Gottes willen mit heimzukommen; er war ganz außer sich und wollte nicht. Und keine zweihundert Schritte war ich mit den Leuten, da fielen wieder zwei Schüsse hinter uns. steht auf; außer sich. Augenblicklich zu Pferde – Sie können's totreiten – nur schnell – Militär aus der Stadt – den ganzen Wald besetzen – die Mordbande einfangen da vom Jägerhaus. Du, Bastian, schnell meine Lütticher, die geladene – dann die Arbeiter zusammenrufen – sich bewaffnen – nach – wo war's, Möller? Beim ersten Lautensteg – im Heimlichen Grund, kaum eine halbe Viertelstunde überm Jägerhaus drüben. Gott gebe nur, daß das Schlimmste noch zu verhüten steht. stampft mit dem Fuß. Bastian! Bastian! Und was stehen Sie noch da? So eilen Sie doch! Möller ab. Und ich – während – Bastian! Bastian bringt die Flinte. reißt sie ihm aus der Hand. Ich komme! Robert, halte dich! – ich komme! Alle ab. Vorhang fällt. Ende des dritten Aufzugs. 4. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt. Wilkens. Die Försterin. Ihr Mann ist abgesetzt; da beißt die Maus nicht den Faden ab. Und wenn er bleiben will, ist's just der verkehrte Weg, den er da einschlägt; durch Aufruhr darf sich's schon der Stein nicht abtrotzen lassen. Der Buchjäger ist jetzt Förster. Hm. Der Buchjäger ist ein brutaler Mann; aber hier ist er im Recht. Wenn Sie nun zusammenrennen, Ihr Mann und der Buchjäger? Und jeder den andern als Wilddieb behandeln will? Oder der Buchjäger noch einmal über den Andres gerät? Und der thut, was ihm sein Vater befohlen hat? Oder der Andres und der junge Stein geraten aneinander? Hm. Und im besten Fall so ist der Ulrich ein abgesetzter Mann, den kein Mensch wird in seinen Diensten haben wollen nach dem offenen Aufruhr, den er sich hat zuschulden kommen lassen. Und was soll dann aus Ihr werden und aus Ihren Kindern? Der Herr Vetter Wilkens wird seine Hand nicht von uns abziehn. Wenn der Herr Vetter nur noch einmal mit ihm spräch'. Nach dem Trumpf den er darauf gesetzt hat; Und wenn der nicht wär'; einem Tauben zu predigen, da ist mir meine Lunge zu lieb dazu. – Sie muß von ihm weg mit den Kindern. Das sagt' ich mir unterwegs vorhin und gab mir die Hand darauf, daß ich's durchsetzen wollte, und kehrte wieder um, damit ich's Ihr sagte. Eh' Sie eine Leiche oder einen Mörder im Hause hat. schlägt vor Schreck die Hände zusammen. So schlimm wird's ja nicht werden! Hm. Sie will's drauf ankommen lassen; Sie ist mir auch eine kuriose Mutter. Ich bin aber nicht so gleichgültig wie Sie und will kein Unglück auf meinem Gewissen haben, wenn ich's verhüten kann. Ich habe noch den weitsten Weg. Kurz und gut: läßt Sie den und kommt mit Ihren Kindern zu mir, so soll's zur Stunde gerichtlich gemacht werden, daß Sie und Ihre Kinder meine Erben sind. Bis morgen mittag kann Sie ein langes und breites überlegen. Ist Sie morgen mittag bis zwölf in der Grenzschenke, da will ich Sie erwarten, so gehn wir auf der Stelle in die Stadt zum Notar; ist Sie's nicht – auch gut. Aber ich bin ein Schurke meines Namens – und Sie weiß, dem Wilkens sein Wort wiegt sein Pfund – und die Hand an mir soll verflucht sein, die Ihr oder Ihren Kindern dann noch den Bissen Brot abschneidet. Geht. erst überwältigt, indem sie ihm ängstlich eilig folgt. Aber, Herr Vetter! Herr Vetter Wilkens –! 2. Auftritt Zweiter Auftritt. Marie allein; dann die Försterin zurück. hat ein Briefchen in der Hand. Daß ich's doch genommen hab'! – Bis ich mich besann – und da hatt' ich's schon in den Händen – und die Kathrine war auch so schnell wieder fort. – Ich hätt's nicht nehmen sollen. auftretend. Die harten Männer! Da hilft kein Bitten. Was hast du da, Marie? Einen Brief von Robert. Wenn den dein Vater säh'! Ich weiß auch gar nicht, wie ich ihn genommen hab'. Aber der Robert dauerte mich so sehr. Die Kathrine sagte, er ständ' unten im Heimlichen Grund und wartete. Da fiel mir auch mein Traum ein von heute nacht. Ein Traum? Da war ich dort am Quell bei den Weiden an meinem Lieblingsplätzchen und saß in den bunten Blumen und sah nach dem Himmel hinauf; da stand ein Gewitter, und mir war so schwer, daß ich vergehen wollte. Und das Kind, weißt du, das bei mir gewesen war vor vierzehn Jahren, wie ich mich verirrt hatte, das saß neben mir und sagte: »Arme Marie!« und zog mir den Brautkranz aus dem Haar und steckte mir dafür eine große blutrote Rose an die Brust. Da sank ich hinter mich in das Gras zurück, ich wußte nicht wie. Drüben im Dorfe läuteten sie, und das Singen der Vögel, das Zirpen der Grillen, die leise Abendluft in den Weiden über mir – das alles war wie ein Wiegenlied. Und der Rasen sank mit mir tiefer und immer tiefer, und das Läuten und das Singen klang immer ferner – der Himmel wurde wieder blau, und mir wurde so leicht – so leicht – Ein eigener Traum. Hast du den Brief aufgemacht? Nein, Mutter; und ich will's auch nicht. So laß ihn wenigstens den Vater nicht sehn. – Ach! Marie, wir werden fort müssen vom Vater! Vom Vater? Wir? Er kommt; laß dir nichts merken. Steck den Brief ein. Nimm die Bibel da vor dich, daß er dir nichts anmerkt. Ich will's noch einmal versuchen – wenn er denkt, wir gehen sonst, gibt er doch vielleicht nach, und wir können bleiben. 3. Auftritt Dritter Auftritt. Die Bühne wird immer dunkler. Der Förster. Die Vorigen. Der Wilhelm noch nicht da? Ich hab' ihn noch nicht gesehn. Förster tritt ans Fenster und trommelt gedankenvoll daran. Die Försterin beginnt einzupacken. Aber, Mutter – Stille jetzt, Marie, und meng dich nicht ins Gespräch. hat sich gewandt und eine Weile seiner Frau zugesehn. Was machst du da? ohne aufzusehn. Ein paar Kleider pack' ich ein – wenn ich fort muß – Wir müssen nicht. Dafür gibt's ein Recht. kopfschüttelnd. Dein Recht? Fährt fort. Ich werde fort müssen mit den Kindern. überrascht. Du wirst – Wenn du nicht Frieden machst mit dem Stein. auffahrend. Wenn – Du brauchst dich nicht zu ereifern, Ulrich; du kannst nicht anders, und ich auch nicht. Ich mache dir keinen Vorwurf; ich sage nichts, gar nichts. Du willst für deinen Feind ansehn, wer dir zum Nachgeben rät – laß mich nur ausreden – und der Vetter Wilkens will die Kinder enterben, wenn du auf deinem Kopf bestehst und ich nicht mit den Kindern bei ihm bin bis morgen mittag; da kann ich nichts thun, als – schweigend gehn. tief atmend. Du willst – Ich will nichts; du willst, und der Vetter Wilkens will. Ihr harten Männer macht das Schicksal und – wir müssen's erdulden. Wenn du nachgäbst, ja, dann könnten wir bleiben. Glaubst du, ich geh' gern? Für mich – ich wollte aushalten bis zum Tod. Aber um die Kinder – und um – dich mit. finster. Wieso um mich? Du bist abgesetzt, du hast kein Vermögen; und einen andern Dienst in deinem Alter – nach deiner Geschichte mit dem Stein – du könntest – heftig. Almosen nehmen? Von Frau und Kindern? Ereifre dich nicht. Ich sage ja nicht: Gib' nach; ich will dir ja nichts aufdringen. Du kannst nicht nachgeben, und ich – kann nicht bleiben – wenn du nicht nachgibst. – Müssen wir auseinander Ihre Stimme zittert. – so wollen wir's im Guten. Wir wollen einander verzeihn, was das an dere uns zuwider thut, oder Mit leisem Vorwurf. – wovon das andere denkt, daß man ihm zuwider thut. Du willst also zum Wilkens? Ich muß. Und die Kinder sollen mit? Um die ist's, daß ich's thu'. Wollt ihr nicht auch den Nero mitnehmen? draußen? den Hund? Was soll er länger bei seinem abgesetzten Herrn, der Hund? Nehmt ihn mit, den Hund. Und wenn ich recht behalte, wie ich recht behalten muß – und als kein Schurke mehr da steh' vor der Welt – dann – kann er ja wiederkommen, der Hund. Ihr meint, er geht nicht von mir? Wird doch die Bestie nicht dümmer sein, wie die Menschen sind. Weib und Kinder sind klug, und so 'ne arme Bestie will allein dumm sein? Man muß der Bestie einen Tritt geben für ihre Dummheit. Ein alter Mann – ein ruinierter Mann, der als Schurke daständ', wenn's dem Stein nach ging', in seinen weißen Haaren, und so 'ne Bestie will nicht Vernunft annehmen? Fünfzig Jahre redlich gedient und aus dem Dienst als ein Schurke, weil ich kein Schurke sein will – hab' das Meine zugesetzt dabei, und die arme Bestie will in ihrem Hundehaus dankbarer sein als der reiche Stein in seinem Schloß? Da sollte man doch das ganze Bestienzeug vor den Kopf schießen, wenn's zu weiter nichts da wär', als daß sich der Mensch vor ihm schämen müßte. – Schritte; er kehrt sich zu ihr, weicher. Wir sollen zwei sein? Nach fünfundzwanzig Jahren? – Gut. So mag jedes allein tragen von nun an – solang das Herz hält. Ulrich – Sie muß Marien immer abhalten, die zum Förster stürzen will. Wir sind zwei von nun. Geht, geht. Der Wilkens ist reich, und ich bin ein armer Mann trotz meinem Recht. Ihr zieht dem Gelde nach. Ich halt euch nicht. Aber wenn ihr sagt, ihr habt recht gethan – dann – Und nun ist's abgetan. Nicht mehr das Wort davon. 4. Auftritt Vierter Auftritt. Wilhelm. Die Vorigen. sitzt rechts. Komm her, Wilhelm. Wo hast du den Andres gelassen? Ich hab' an der Grenzschenke eine Viertelstunde lang auf ihn gewartet. Hat er gedacht, du kommst später – für sich. Der Andres ist nicht mit? Des Ohms seine Reden kommen mir nicht aus den Gedanken. Marie zündet die Lampe an und setzt sie auf den Tisch zum Förster. Hast du den Advokaten gefragt, bis wenn die Sache aus sein kann? Daß ich mein Recht hab'? Er will keine Klage machen. tiefatmend für sich. Das wär' noch eine Hoffnung – steht auf, ganz perplex. Er will – Du wärst nicht im Recht, Vater. Nicht im Recht? – Muß sich setzen. wie vorhin. Daß er doch noch nachgäb'. Die Staatsdiener wären, die könnten nicht abgesetzt werden, wenn's ihnen nicht zu er weisen stünd', daß sie's verdient hätten. Aber du wärst keiner; dein Herr wär' nicht der Staat, sondern der, dem der Forst gehörte, der Gutsbesitzer. verbissen. Also wenn ich ein Staatsdiener wär', dann dürfte mir der Stein nicht Unrecht thun. Und weil ich keiner bin, so darf er mich zum Schurken machen? – Du hast ihn nicht verstanden, Wilhelm. Er hat mir's dreimal vorgesagt. Weil du ihm die Sache nicht vorgestellt hast, wie sie ist. Daß dein Urgroßvater schon Düsterwalder Förster war, und dein Großvater nach ihm, und daß sie mich schon vierzig Jahr' den Erbförster heißen im ganzen Tal. Das, sagt' er, gereichte Herren und Dienern zur Ehre, aber vor Gericht darauf zu gründen wär' nichts. Aber er weiß nicht, daß der Stein mich absetzen will, weil ich für sein Bestes war, daß der Forst gegen Mitternacht und Abend offen liegt. So ein Advokat weiß nicht, daß so ein Wald wie ein Gewölbe ist, wo immer eins das andere hält und trägt. So hält's alle Gewalt aus, aber brecht nur ein Dutzend Steine mitten heraus, so holt's der und jener. Dazu zuckt' er nur die Achseln. immer eifriger. Und das Meine, was ich hineingewendet hab'? Und daß ich die Bäume alle selber gepflanzt hab'? Was? Die der Wind nun um nichts und wieder nichts zusammenknicken soll? Dazu hat er nur gelächelt. Du möchtest ein recht braver Mann sein, aber vor Gericht gält' das nicht. steht auf. Wenn einer brav ist, das gilt nichts? So muß einer ein Schelm sein, wenn's was gelten soll vor Gericht? – Aber der Rupert von Erdmannsgrün! Was? Wilhelm? Der wär' eben ein Staatsdiener gewesen. Nachher ging ich noch zu einem andern Advokaten; der lachte mir geradezu ins Gesicht. Aber dem hab' ich's gesagt, wie ein Jägerjunge. Gut. Aber der Andres? Was? Wie der Andres in den Wald gegangen wär', hat er gesagt, wärst du schon abgesetzt gewesen. Das müßtest du selber wissen, daß kein Fremder in einem Forst Pflanzen herausnehmen dürfe, so mir nichts, dir nichts, und ohne des Försters Wissen und Willen. Der rechtmäßige Förster wär' aber da schon der Buchjäger gewesen, und so hätt' der Andres sich's allein zuzuschreiben, wenn er wie ein Holzdieb behandelt worden wär'. Und da würd' er selber einsehn, daß er besser daran tät', wenn er die Zurechtweisung ruhig ertrüg' und nicht weiter an die Sache rührte und froh wär', daß er noch so davon gekommen wär'. Der Förster hat sich wieder gesetzt; eine Pause; dann pfeift er und trommelt vor sich auf dem Tisch. ihn ängstlich beobachtend. Wenn er so ruhig wird – Also ich muß ein Schurke bleiben vor der Welt? Gut. – Warum packt ihr nicht ein, Weiber? Wilhelm, hol mir eine Flasche Wein. Du willst Wein trinken? Und weißt, er thut dir kein gut, Ulrich? Und noch dazu in den Ärger hinein – Ich muß andere Gedanken haben. Du wirst allemal so außer dich auf den Wein, du kannst dir den Tod darin trinken. Besser den Tod trinken, wie als ein Schurke leben. Und ein Schurke muß ich bleiben vor der Welt. Wilhelm, eine Flasche und ein Glas. Bin ich schon nicht mehr Herr im Haus? Vorwärts! Wilhelm geht. Wenn du dir noch einen andern Gedanken faßtest; aber du thust's nicht und – ich muß fort. Das ist abgetan, Weib, und mein Gedanke ist gefaßt. Lamentiert mir nicht. Morgen geht's fort. Wenn ich schon kein Staatsdiener bin und – heut will ich noch einmal lustig sein. Wilhelm bringt Wein; der Förster schenkt ein und trinkt öfter, jedesmal ein volles Glas; dazwischen pfeift und trommelt er. Thut mir das Licht da weg, daß ich meinen Schatten nicht seh. Wilhelm stellt die Lampe auf den Tisch der Frauen, setzt sich zu diesen und nimmt die noch offene Bibel vor sich. für sich und zu Marien. Der Andres kommt immer noch nicht, und 's ist schon so lang dunkel. Und ich muß gehn morgen. Jetzt sag' ich wohl: Ich muß gehn, und weiß noch nicht, wenn's dazu kommt, ob ich's auch kann. Wenn man zwanzig Jahr' zusammengelebt hat in Freud' und Leid. Und vom Wald Abschied nehmen, der den ganzen Tag so grün zu allen Fenstern hereinguckt. Wie still's uns vorkommen wird, wenn wir das Rauschen nicht mehr hören und den Vogelgesang und den Axtschlag hallen den ganzen Tag. Und die alte Schwarzwälder Uhr dort – so ging sie schon, wie ich noch eine Braut war, und nun bist du schon eine gewesen. Dort in jener Ecke standst du zum erstenmal auf und liefst, Marie, drei Schrittchen weit, und da, wo der Vater sitzt, saß ich und weinte vor Freude. Ist das das Leben? Ein ewig Abschiednehmen? Wenn ich doch bliebe? Wenn ich dran denke, was der Ohm sagte, daß alles geschehen könnte! Wenn der Brief vom Robert – Wilhelm, geh' doch in den Garten. Ich muß das Trinkglas beim Born vergessen haben, oder in der Laube oder sonst da herum. Wilhelm geht. 5. Auftritt Fünfter Auftritt. Vorige ohne Wilhelm. Försterin und Marie vorn an der Lampe arbeitend. Der Förster bald hinten sitzend, bald am Tische vorbei Schritte machend ans Fenster. nachdem sie gewartet, bis Wilhelm hinaus ist. Wenn du sähest, Marie, was der Robert schreibt. Ich soll's öffnen, Mutter? Vielleicht läßt sich noch alles gutmachen, und der Robert schreibt uns wie. Wenn du's nicht öffnen willst, gib' mir's. Wenn ich's thu', brauchst du dir nichts vorzuwerfen. Sie öffnet. Wenn ich lesen könnte bei Licht! Wenn ich die Brille nähm', müßt' er's merken. Lies mir's vor, Marie. Ich soll's lesen, Mutter? Wenn ich dir's heiße, kannst du's wohl. Da leg's neben die Bibel. Und wenn er näher kommt oder wenn er aufmerksam wird, so lies'st du aus der Bibel. Aber was? Was dir zuerst in die Augen fällt. Wenn ich huste, liesest du aus der Bibel. Zuerst das Briefchen. liest. »Liebe Marie. Ich hab' dir so viel –« Er steht schon wieder auf von seinem Stuhl; lies aus der Bibel, bis er am Fenster ist. »Um Schade, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Wie er einen Menschen hat verletzet, so soll man ihm wieder thun.« Förster trommelt am Fenster. ihn immer beobachtend. Nun den Brief, Marie; bis ich huste. »Ich hab' dir so viel zu sagen. Komm den Abend oder die Nacht in den Heimlichen Grund an den Quell unter den Weiden; da will ich dich erwarten. Komm, Marie. Morgen früh geh' ich in die Welt, dir und mir ein Glück zu erwerben. Kommst du nicht, so weiß ich, wie du's meinst, und du siehst nie wieder –« Er will fort? in die Welt? Für immer, wenn du nicht gehst? Dann wär' alles verloren! »Du siehst nie wieder deinen Robert.« hustet, da der Förster sich eben vom Fenster wendet. Aus der Bibel, Marie. »Wie er einen Menschen verletzet hat, so soll man ihm wieder thun. Es soll einerlei Recht unter euch sein, den Fremden und den Einheimischen, denn ich bin der Herr, euer Gott.« ist aufmerksam geworden, bleibt stehn. Was ist das da vom Recht? »Es soll einerlei Recht unter euch sein –« Es soll einerlei – Wo steht das da? Hier, Vater; da links oben. Leg' was darauf, wo das anfängt, was du da gelesen hast vom Recht. – Seht ihr nun, daß ich recht hab'? Wenn schon ich Unrecht behalten muß. Daß das alte Herz dadrin kein Lügner ist? » Es soll einerlei Recht unter euch sein.« Nicht eins für Staatsdiener apart. – Damals war das Recht noch gesund, da wohnt' es noch nicht in den staubigen dunstigen Stuben. Unter den Toren, im Freien wurd' es gehalten, wie man da liest. Wenn ich zu sagen hätte, müßten die Gerichte im Walde sein; im Walde bleibt dem Menschen das Herz gesund; da weiß man, was recht ist und was unrecht ist ohne Wenn und Aber. Mit ihrem heimlichen Karten haben sie's verabert und verwennt, in ihren dumpfen staubigen Stuben, da ist's krank und stumpf geworden und ist's welk geworden, so daß sie's kneten können, wie sie wollen; und nun muß besiegelt werden und muß verbrieft werden, was recht ist, sonst soll's nicht recht sein; nun haben sie dem Manneswort die Geltung genommen und einen Spitzbuben daraus gemacht, seitdem man nur das zu halten braucht, was man beschworen hat und besiegelt hat und verbrieft, und haben aus dem alten guten Recht einen Achselträger gemacht, daß ein alter Mann, der nicht das Federchen an seiner Ehre gelitten hat, als ein Schurke dastehn muß vor den Menschen – weil die in ihren Stuben zwei Rechte haben statt eins. Er setzt sich und trinkt. Es wird immer dunkler, und der Andres kommt nicht. Und bei solchen Reden wird einem erst recht angst. Wenn du zum Robert gingest – Zum Robert? Aber was denkst du denn, Mutter? Daß das ein Gottesfinger ist – das da mit dem Robert seinem Brief. Ich soll zum Robert? Jetzt? Nach dem Heimlichen Grund? Und was wär's? Fürchten thust du dich nicht. Fürchten auch! Stolz. Ulrichs Mädchen! Wie oft bist du tiefer in der Nacht draußen gewesen! Aber der Vater wußt's auch. Wenn's der Vater will und du, weiß ich, steht hinter jedem Baum ein Engel. – Und der Vater sagte: »Wenn ich die Marie nicht kenn' –« Ich kann nicht so gut fort wie du, ohne daß er's merkt. – Es konnte alles noch gut werden – aber – es sollte nicht sein. Und dein Traum? Dir wurde so leicht, der Himmel wurde so blau – Siehst du, im Heimlichen Grunde, am Quell unter den Weiden, da soll dein und unser aller Gram aufhören. den Kopf schüttelnd. Meinst du, Mutter? Wenn du gingst. Wir könnten dann beim Vater bleiben, der Robert redete nochmal mit seinem Vater, der Ohm Wilkens gäb' auch nach, und der Brautkranz sollte dir zum zweitenmal noch schöner stehn. Ich soll den Vater betrügen, Mutter? Dann glaubt' ich, mir könnt's nie wieder gut gehn auf der Welt. Gingst du doch für ihn. Vielleicht wenn er morgen hinaus muß ins Elend oder wenn sie ihn einsetzen in den Turm oder noch was Schlimmeres geschieht – Dem Vater? – Ja. Dann wirst du vielleicht zu spät denken: Wär' ich doch gegangen! Aber, Mutter, wenn ich nun im Walde wär' und der Vater begegnete mir? Oder träf' uns beisammen? Wir müssen ihn fragen, ob er heim bleibt. Ich kann ihn nicht ansehn, ohne daß mir das Herz zerspringen will. Frag' ihn wegen der Suppe. Ich will ihn gleich fragen. Sie nähert sich dem Förster ängstlich, steht neben ihm, ohne daß er sie bemerkt. aufmunternd. Sei kein Kind! leise. Vater. Sie beugt sich über ihn; außer sich vor Mitleid. Vater, armer Vater! Sie will ihn umschlingen. sieht sich um; rauh. Was gibt's? Ohne Lamentieren! da Marie ohne Fassung steht. Die Marie – bezwingt sich. Gehst du heut noch in den Wald? Warum? Weil – fällt ein aus Furcht, Marie möchte die Wahrheit sagen. Der Suppe wegen; ob sie die wärmen soll? Nein. Und was willst du noch, dummes Ding? Wendet sich ab. Da Marie zögert, rauh. Hörst du? zur Försterin zurück. Mutter, er hat geweint! Ich sah eine Träne an seiner Wimper hängen, Mutter! und ich will ihn betrügen. Er weint, daß er in seinem Alter noch ins Elend soll. – Und du – mußt ja nicht gehn. Wenn du so sprichst, Mutter! – Ich gehe ja. So sag' gute Nacht; Zeit ist's nunmehr. Ich helfe dir dann aus dem Fenster steigen. Jetzt wartet der Robert schon. Du kannst bald zurück sein. Ja, Mutter, ich will gehn. Aber nicht um den Robert, Mutter, und um mich; nur für den Vater. Ich will's ihm sagen. »Robert«, will ich ihm sagen, »du findest noch ein Mädchen, schöner und besser als mich, aber mein Vater findet kein Kind mehr, wenn ich ihn lasse.« Ich will's ihm sagen; »Robert«, will ich ihm sagen, »ich will dich vergessen; Gott wird mir's geben, daß ich dich vergessen kann. Bleib' fern von mir, daß ich dich nicht wiederseh'.« Er wird's, nicht, Mutter? er wird's; ich hab' ihn ja so sehr geliebt. Geh' nur; sag' gute Nacht und laß dir nichts merken. Marie steht beim Förster. Die Marie will dir gute Nacht sagen. Kannst's nicht selbst, dummes Ding? sich beherrschend. Gute Nacht, Vater. Gute Nacht. – Ihr braucht nicht auf mich zu warten morgen, wenn ihr zum Ohm geht. Ich bin vielleicht schon aus. Ich hab' einen Gang; weiß nicht, ob ich wiederkomme – morgen. Und nehmt den Nero mit – und was sonst noch da ist, nehmt alles mit. Ich brauche nichts mehr – als mein Handwerkszeug, meinen Stutz und Pulver und Blei. Die andern Flinten könnt ihr verkaufen. Geh' zum Wilkens du, armes Ding, der Wilkens verschafft dir vielleicht den Robert noch – wenn ich nur erst fort bin; wenn die Leute nur erst vergessen haben, daß dein Vater ein abgesetzter Mann war. Gute Nacht. Außer sich. Gute Nacht, Vater! Mädel, das ist ja eine gute Nacht wie auf ewig. – Hast recht, Marie. So ein Flecken muß weg, wie ich einer bin auf euerm guten Namen. Geh, Marie. Hörst du, Marie? Du sollst bleiben, Vater, und gehst du, geh' ich mit dir. Was ich für einen Weg hab', den geht man allein. Geh, Marie. Leg' dich, Marie. Gute Nacht; und nun ist's gut; du weißt, ich kann das Lamentieren nicht leiden. Du gehst nicht ohne mich, Vater, du kannst nicht leben ohne mich, Vater; Vater, das fühl ich jetzt an mir. abwehrend. Ja doch. Was so 'n Gelbschnabel nicht fühlt. Du wendst dich ab, Vater, damit ich nicht sehn soll, daß du weinst; Vater, stell dich wild, wie du willst – will sich losmachen. Dummes Ding da. Ich geh' mit dir. Du hältst auf dein Recht und ich auf meins, und das ist, daß ich dich nicht lassen darf. Vater, ich fühl's nur jetzt erst so, daß ich niemand auf der Welt so liebhab als dich. Morgen gehn wir zusammen – wenn du gehen mußt. Ich zieh vom Wilhelm Kleider an. Es gibt ja noch grünen Wald auf der Welt. Und lamentieren hören sollst du mich gewiß nicht; deshalb fürchte dich nicht. Ich kann ja die Nächte weinen, wo du's nicht siehst. Aber dann siehst du mir's am Tage an den Augen an. Ich muß ja gar nicht weinen. Nur lachen will ich und vor dir herhüpfen und singen; die schönen Jägerlieder. – Siehst du, Vater, das ist die letzte Träne um den Robert; und die ist schon trocken, siehst du? Wir wollen schon noch ein Glück finden auf der Welt – wenn du fort mußt, Vater. Und wenn's nicht sein soll, so wollen wir Gott danken und bitten, wenn er uns nur brav sein läßt. Dann wollen wir denken: es ist zuviel verlangt, wenn wir auch noch glücklich sein wollen. Hab' ich nicht dich? Hast du nicht dein gutes Recht und deine Marie? Was brauchen wir mehr? An seinem Hals. der sie immer abgewehrt hat, fast wild, weil er sich der Weichheit kaum mehr erwehren kann. Freilich! Freilich! Dummes Ding. Ruhiger. Und ein Tischchen deck dich, ein Goldeselein schlag aus, und das Märchen ist fertig. Nun leg' dich, Marie. Rauh. Hörst du? Komm, Marie. an der Kammertür sieht sie sich um, sie eilt nochmals zu ihm; ihn außer sich umschlingend. Gute Nacht! Gute Nacht! Sie eilt in ihre Kammer. Die Försterin folgt. ihr nachsehend. Mein Mädel, mein armes Mädel. Hier darf's nicht sein, wenn ich mir ein Ende mach! – Element, schäm dich, alter – 6. Auftritt Sechster Auftritt. Weiler. Der Förster. grüßt schweigend; er ist sehr aufgeregt; er hängt die Flinte an den Riegel und macht sich mit dem Jagdzeug zu thun. Hm. wird ihn gewahr. Er? Fällt wieder in Gedanken. Ich. Wo kommt Ihr noch her? Aus dem Walde. – Am Staket hab' ich Euern Wilhelm gesprochen. Also seid Ihr doch abgesetzt. Weil's zweierlei Recht gibt. Und das habt Ihr nicht vorher gewußt? Euern Lohn habt Ihr auf drei Monate voraus. Und könnt gehn; das weiß ich auch. Wo ist denn Euer Wilhelm? Ja so; ich bin ihm begegnet. Und Euer Andres? halb abwesend. Nicht zu Haus. Aber Ihr wißt doch wohl, wo Euer Andres ist? ungeduldig. Was wollt Ihr noch? Laßt mich in Ruh'. Meinetwegen. Mir kann's gleichviel sein. Drum denk' ich, Ihr geht. Also der Andres. Und Ihr wißt nicht, wo er ist? Immer der Andres! Habt Ihr was, so seid nicht wie ein Gewitter, das stundenlang steht. zeigt nach dein Fenster. Da unten überm Lautenberge kommt eins herauf. Die Kibitze kreischten so ängstlich. Dacht's vorher. Es war zu schwül. – Ulrich, Kommt zu ihm. vor einer Stunde ist einer erschossen worden. Ihr wißt, wer? Ihr wißt's nicht? Wenn Euer Andres zu Hause wär' – Immer vom Andres! Ihr wißt was von ihm. Hm. Die Büchse – hört mal; hatt' Euer Andres die mit – die mit dem gelben Riemen? Warum? wie in Gedanken. Ich kenne doch Eure Büchse – Ihr wollt mich konfus machen? Ihr habt sie nicht zu Haus? Ich antwort' Euch nicht mehr. Hab ohnehin Wein getrunken. Gebt wohl acht, daß Ihr Euch nicht irrt. Gebt wohl acht, daß ich Euch nicht am Kragen fasse. 's ist nicht zum Spaß – Das sollt Ihr sehn. Aber ich weiß nichts, als was ich gehört hab' und gesehen hab'. Und setzt Euch. Mir ist's auch nicht wie lange stehn. Muß aussehn, mein ich, wie meine Tonpfeife da. Der Förster am Tische rechts sitzend; Weiler hat sich einen Stuhl dicht zu ihm gerückt, erzählt hastig mit unheimlich gedämpfter Stimme. Wie ich vorhin zum Feierabend von meinen Holzhauern weggeh, hör ich einen Schuß da, da nach dem Heimlichen Grunde zu. Ich denke, wenn Ihr's vielleicht wärt, und geh' darauf zu. Aber es mußt's der Robert Stein gewesen sein. Der geht Euch da bei dem ersten Lautensteg hin und her wie eine Schildwache. Denk' ich: Worauf muß denn der lauern? Auf ein Wildbret nicht; denn da läuft man nicht hin und her. Denk' ich: Das mußt du absolvieren. Machst dich hinter die hohe Eiche. Da siehst du alles und wirst nicht gesehn. Aber ich bin Euch noch nicht dort, da wird ein Halloh hinter mir. Und was hör ich da? Euern Andres und den Robert im ärgsten Zank. Ich konnte nichts Ordentliches verstehn; aber man hörte, daß sie auf Tod und Leben hintereinander waren. Ich will mich eben näher schleichen; da kommen sie schon gerannt. Der eine drüben auf dem Felsenweg über dem Bach, der andere hüben. Der hüben, das war der Robert, die Flinte am Backen. Zwei Schritt' von mir bleibt er stehn. »Steh! oder ich schieß dich nieder!« Auf dem Felsenweg kann niemand ausweichen. Da heißt's: Mensch, wehr dich deines Lebens! Und nun piff paff – zwei Schüsse hintereinander. Dem auf dem Felsen seiner pfiff zwischen dem Robert und mir in die Büsche hinein. Aber dem Robert seiner – Ulrich; ich hab' manchen Schuß gehört, aber so keinen, so – man konnt's dem Blei anhören, es witterte Menschenleben. Ich weiß nicht, wie mir's war, wie der drüben zusammenbrach wie ein getroffener Hirsch – Der Andres? Wer soll's sonst gewesen sein? Was? Ist er denn zu Haus etwa? Wißt Ihr etwa, wo er sonst ist? Und der Getroffene hatte die Flinte mit dem gelben Riemen. Die hielt er fest; der Riemen leuchtete ordentlich wie ein Notzeichen durch die Dämmerung. Das klang schauerlich, wie das Eisenzeug an der Flinte über die Klippen herunterklapperte und die Leiche nach durch die Büsche knickte und schleifte – bis der Bach unten aufklatscht', als führ' er vor Schrecken zusammen. Und wie's nun so kurios still wurde darauf, als müßt' es sich selber erst besinnen, was doch passiert wär'; da war's, als jagte mich einer. Ich müßte schon eine halbe Stunde da sein, wenn ich mich nicht verlaufen hätte. Ich, der jeden Baum kennt daherum. Da könnt Ihr Euch nun denken, wie mir's war. Erst am zweiten Lautensteg da nach Haslau zu hatt' ich das Herz, einen Augenblick zu verschnaufen. Dort wo der Bach in Felsstücken spektakelt. Ich seh' zufällig hinunter. Da hantiert der Bach mit einem bunten Lumpen. Da ist's. Kennt Ihr's vielleicht? Bringt Andres' Tuch zum Vorschein und hält's ihm vor die Augen; der Förster reißt's ihm aus der Hand. Lauter Gestalten vor meinen Augen – der Wein – Er hält's bald ferner, bald näher, ohne es sehn zu können. kleine Pause. Ihr seid so still. Fehlt Euch was? Förster stößt einen einzigen lauten Atem aus und hält das Tuch immer noch mechanisch vor sich hin, ohne es zu sehn. Euer Gesicht ist ganz verzerrt. Will Eure Frau rufen. eine Bewegung, als schöb' er mit äußerster Anstrengung eine Last von sich. Laßt nur; 'n bißchen Schwindel. Hab heuer noch nicht zu Ader gelassen; der Wein dazu – 's geht schon vorüber – Sagt niemand was davon – Erhebt sich mühsam. So sind die doch richtig zusammengeraten, der Andres und der Robert. Aber was wollt Ihr denn nun thun? Als ein abgesetzter Mann? Wenn der sagt: Ich hab' den Wildschütz angerufen; er hat das Gewehr nicht weggeworfen? Ihr wißt's am besten, dann darf der Jäger draufbrennen. Er braucht nicht einmal zu rufen; wenn er nur richtig trifft, so hat er auch recht. Und wer nun vollends wie Euer Andres zwei Stock tief vom Felsen ins Wasser gefallen ist, dem steht die Zunge still ohne Pulver und Blei. Ihr kennt ja das Recht, wie es heutzutage ist! Und Euch werden sie obendrein noch einstecken wegen Widersetzlichkeit. Ihr dauert mich. Ich möchte nicht Ihr sein. Was? Das Wetter ist schon über dem Lautenberg, hört Ihr? Wenn Ihr lang macht, erwischt Euch der Regen. Es blitzte schon vorhin. Wie ich die Lärchenhöhe herkam, macht' es die ganze Gegend hell. Da sah ich, der Robert geht noch immer hin und her bei den Weiden unten. Förster geht nach der Thür, damit Weiler sehn soll, er wartet auf dessen Gehn. Wollt Ihr nochmal zum Advokaten gehn? Ja, wenn Ihr ein Staatsdiener wärt. Aber was wollt Ihr sonst? Nichts. Wer's glaubt – Narr, der Ihr seid; zu Bette gehen. Ist noch gar nicht so weit. Die Thür zumachen und die Laden. da er nicht anders kann; zögernd. Nun so schlaft wohl, Ulrich – wenn Ihr könnt. Ab; der Förster hinter ihm. 7. Auftritt Siebenter Auftritt. Die Försterin. Später der Förster und Wilhelm. aus Mariens Kammer. Nun kann sie sein, wo die Weiden anfangen. Am Fenster. Er macht die Laden herum. Ich muß der Marie ihren zum Schein schließen, damit sie hereinsteigen kann, wenn sie zurückkommt. Der Andres noch immer nicht da! Wird mir doch auf einmal, als hätt' ich die Marie nicht fortlassen sollen. Der Förster mit Wilhelm eintretend. Die Försterin geht wieder in die Kammer. im Eintreten. Vater, Kramers Lore kam ans Staket, der Stein wäre außer sich; man hätte Schüsse im Walde gehört – der Robert fehlte und der Stein hätte den Möller in die Stadt geschickt; der sollte Soldaten holen. Die ganze Mörderbande im Jägerhaus sollten sie gefangen nehmen, hat er gesagt. Der Möller wär' eben im Karriere vor Kramers vorbeigesprengt. Vor Eins könnten sie da sein. indem die Försterin aus Mariens Thüre tritt. Was hast du noch draußen? Sieht sich um. Im Garten, Vater. Mutter, in der Laube war nichts. bleibt an der Thüre. So muß es doch hereingekommen sein. Zum Förster. Suchst du was? Ich? Nein. Ja, die Büchse mit dem gelben Riemen. Wo die herumstehen muß? Vielleicht in der Marie ihrer – unwillkürlich die Thüre deckend, rasch. In der Marie ihrer Kammer ist keine Flinte. Die hat doch der Andres mit, wie er mich begleiten ging. Gut. Zeigt das Tuch. Hab' ich da ein fremdes Tuch in der Tasche; ist's dein, Wilhelm? Das rot und gelbe Tuch? Das gehört dem Andres. Er hat's gestern liegen lassen, und ich hab's in Gedanken eingesteckt. Gestern? Heut erst, eh' ihr gingt, hab' ich's ihm gegeben. Hast du's ihm – gut. kommt näher. Ja! Ja! das ist Andres' Tuch. Sie betrachtet's. Hier ist's gezeichnet. will's ihr nehmen. Gib her. Es ist naß. – Und was ist das für Blut da an dem Tuch? Blut? Bezwingt sich. Von meiner Hand. Ich hab' mich da am Flintenschloß gerissen. Geh' nur! Försterin beschäftigt sich auf der andern Seite der Bühne. Wilhelm, komm' her. Lies einmal da, da in der Bibel, von da an, wo das Zeichen liegt. Mitten im Kapitel? Vom Zeichen da. Vorwärts! Holt seinen Hut. liest. »Welcher des Herrn Namen lästert, der soll –« Das ist's nicht. Hängt die Flinte um. »Wer irgendeinen Menschen erschlägt« – ist's das? ergriffen, tritt einen Schritt näher. Nein – aber lies nur. Er steht bei Wilhelm; während des Folgenden nimmt er unwillkürlich den Hut ab und faltet die Hände darüber. »Wer irgendeinen Menschen erschlägt, der soll des Todes sterben. Wer aber ein Vieh erschlägt, der soll's bezahlen Leib um Leib. Und wer seinen Nächsten verletzet, dem soll man thun, wie er gethan hat. Schade um Schade, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Wie er einem Menschen gethan hat, so soll man ihm wieder thun. Also daß wer ein Vieh erschlägt, der soll's bezahlen. Wer aber einen Menschen erschlägt, der soll sterben.« Der soll sterben. »Es soll ein Recht sein unter euch, den Fremden und den Einheimischen, denn ich bin der Herr, euer Gott.« Amen. Setzt den Hut auf, will gehn; wendet sich. Wann könnten die da sein, Wilhelm? Die Soldaten? Vor – Vor Eins. Noch Zeit genug. Wozu, Vater? Zum – Ausschlafen. Vater, wie siehst du mich nur an? Zu Bett, Wilhelm! Da die Försterin eintritt. Gib der Mutter die Hand. überrascht. Willst du noch fort, Christian? Ja. Hat der Weiler vielleicht den Hirsch wieder gespürt? Ja. Kann sein. Wie du aussiehst! Man könnte sich fürchten vor dir, wenn man nicht wüßte, wie's wird, wenn du Wein getrunken hast. Drum will ich ins Freie. Dann siehst du alles anders, wie's ist. Du kannst in die Schlucht stürzen. Dann schneidst du das Blatt dort aus der Bibel und legst mir's mit in den Sarg. Was das für Reden sind! Zu Bett, Wilhelm. Wilhelm ab. Bete oder bete nicht – Was ist mit dir, Christian? Warum wird mir so angst? Bleib, um Gottes willen bleib'! Dein Geschäft wird ja noch Zeit haben! Nein; es muß heute noch gethan sein. Er geht. will ihm nach. Ulrich – in der Thür sich wendend, leise vor sich hin. Aug' um Auge – Zahn um Zahn. Ab. vor dem Schein des Wetterleuchtens zurückweichend, der durch die geöffnete Thür dringt. Gott sei uns gnädig! In der Thür. Ulrich! Draußen verklingend. Ulrich! Vorhang fällt. Ende des vierten Aufzugs. 5. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt. Die Försterin allein kommt mit einer Lampe herein, leuchtet in Mariens Kammer hinaus, stellt die Lampe auf den Tisch, geht an das Fenster, öffnet den Laden, durch welchen der Schein des Wetterleuchtens hereindringt, sieht hinaus; dann schließt sie beides wieder, nimmt die Lampe wieder und leuchtet abermals in die Kammer. Dazwischen horcht sie manchmal auf und zeigt große Angst. Noch immer nicht! Wenn er ihr begegnet wär'! Wenn er sie beisammen getroffen hätte! Nun müßte sie da sein. Daß ich sie auch fortgelassen hab'! Und der Andres kommt auch nicht. Und die schwüle Wetternacht dazu! Sie horcht auf. Das war sie doch? Endlich! Gott sei gelobt! Leuchtet in die Kammer. Nein; sie ist's nicht. Der Wind stieß den angelehnten Laden auf. 2. Auftritt Zweiter Auftritt. Wilhelm in Hemdärmeln. Försterin. Sind die Soldaten da, Mutter? An Mariens Kammertür. Mutter, wo ist der Vater? Die Försterin erschrickt und schließt die Thüre schnell. Und die Marie? Sie ist nicht in ihrer Kammer? Was du dir einbildet. Ihr Bett ist noch wie frisch gemacht. horcht erschrocken. Ist das der Vater? Wilhelm, sag' nichts davon vor dem Vater! Ich bin's auch, der den Angeber macht. Aber du mußt mir sagen, wo die Marie ist. Nach dem Heimlichen Grund. Um den Robert zu bitten – Mutter, wir betteln bei niemand. Ich hole sie. Bei dem Wetter? zieht seine Jacke an. Das wär' mir auch mein Jägerjunge, der sich aus so 'nem bißchen Blitzen was machte. Sag mir nur, welchen Weg die Marie gegangen ist. Den untern am Wasser? Gut. Sie ist nicht wie die andern, aber sie ist doch nur ein Mädchen. Und das fürchtet sich. Ab. 3. Auftritt Dritter Auftritt. allein; ihm nach. Wilhelm! Wilhelm! Kommt wieder. Er ist schon fort. Und das Wetter wird immer schlimmer. Unten ein Nebel und oben das Gewitter immer näher. Und vom Brandsberg her kommt noch eins dazu. Und der Ulrich draußen und keins von den Kindern zu Haus. Und so ganz allein in dem einsamen Jägerhaus mitten im Wald und so tief in der Nacht – Man hört eine Thür zuschlagen; sie schrickt auf. Barmherziger Gott! Er ist's. Wenn er in die Kammer säh' und säh' die Marie nicht! Oder – 4. Auftritt Vierter Auftritt. Der Förster hastig herein, bleich und verstört. Die Försterin. ihm entgegen. Bist du's schon – Sich korrigierend. endlich? sich scheu umsehend. Hat jemand nach mir gefragt? Nein. Sind sie hinter dir? Wer? Der Buchjäger – Warum? Weil du kommst wie gehetzt. Die Soldaten meint' ich. – – Daß ich überall die Marie seh'. Im Heimlichen Grund – erschrickt. Im Heimlichen Grund – Für sich. Großer Gott! Und auf dem ganzen Rückweg hört' ich sie hinter mir gehn. Auf dem Rückweg – Wenn ich ging, hört' ich sie hinter mir; wenn ich stand, stand sie auch, aber ich sah nicht um. erleichtert. Du sahst nicht um? Ich wußte ja, es war nichts. – Mir ist, als müßte sie jetzt noch hinter mir stehn. will ablenken. Hast du was geschossen? Liegt's draußen? unwillkürlich schaudernd. Draußen? Vor der Thür'. Wie siehst du mich an? – Was ist das an dir? wendet sich unwillkürlich ab. Was ist's? Ein Fleck – Was du siehst – Warum willst du's nicht zeigen. Es ist nichts. Er wendet sich zum Tische rechts, legt die Flinte ab. Die Suppe warm? Die Zunge klebt mir an. nimmt einen Teller und Löffel aus dem Schrank, geht damit zum Ofen, wo sie die Suppe eingießt. Wenn er in die Kammer säh'! Was ich frage, das frag' ich nur in der Angst, daß er die Marie darüber vergessen soll. Sie setzt die Suppe vor den Förster auf den Tisch zur Rechten; horcht. Regt sich's nicht in der Kammer? An des Försters Stuhl, um ihn zu beschäftigen. Ulrich, meinst du nicht, daß der Robert noch alles wieder gutmachen könnte? Der Förster macht eine Bewegung. Was fährst du so auf? Weck mir die Marie nicht. – War nicht jemand am Fenster? Das ist der alte Rosendorn draußen, der immer so ängstlich nickt und ans Fenster pocht, als hätt' er Unglück zu verhüten und niemand hörte auf ihn. Pause; für sich. Es ist so still. Ich muß nur reden, sonst hört er meinen Atem und merkt mir die Angst an. Und daß er die Marie nicht hört, wenn sie ins Fenster steigt. Öfter dazwischen lauschend. Den ganzen Abend liegt mir's im Sinn. Gestern noch sagte mir der Robert – Immer der – hat sich zu ihm gesetzt. Wir gingen an den Weiden hin; dort, wo das Tannendickicht ist, unter dem Felsen, im Heimlichen Grund – heftig. Laß den weg – Fährst du auf! Es war in der Abendsonne; und wie ich mich umseh, da kommt's hervor unter den Tannen – so rot. Ich – erschrocken – um Gottes willen, sag' ich, das ist doch Blut! Der Förster wirft den Löffel hin und steht auf. Da spiegelte sich das Abendrot in dem Wasser. – Aber was hast du nur? Immer mit deinem Grund. Was kümmert dich der Grund? Ist dir was begegnet dort? Es soll nicht richtig sein dort. Robert hat mir's gestern erzählt. Es soll ein böser Fleck sein dort. Da hat einer einen andern umgeht – faßt nach der Flinte. Was weißt du? voll Angst zurückweichend. Ulrich! – Wirst du schweigen? bleibt vor ihm stehn; schaudernd und ahnend. Ulrich! Was hast du gethan? hat sich gefaßt. Dummes Zeug da. Ist das eine Nacht für solche Geschichten? Versinkt. Schieß zu. Eine Stunde früher, eine Stunde später; du hast mich doch auf deinem Gewissen. Sinkt in einen Stuhl links. Pause; dann, während er langsame Schritte macht, mit denen er ihr zögernd allmählich näher kommt. Ich muß dir was sagen, Sophie. – Wenn du's nicht schon weißt. – Es läßt mir keine Ruh'. – Ich bin im Recht. Aber – Und dann weiß ich nicht, ist's wahr, oder ist's nur ein schwerer Traum? – So einer, wo man nicht thun kann, was man will – und sich abmattet – weil man immer thun muß, was man nicht will. – Komm her. Hörst du? Leg' die drei Finger auf die Bibel. Großer Gott! was wird das sein! Es wär' gräßlich, wenn ich sie umbringen müßte, und am Ende wär' alles doch nur – und dann hätt' ich's vergeblich – Sophie – Ganz nahe; leise. Es soll ein Toter liegen im Heimlichen Grund. Du bist im Rausche oder im Wahnsinn. In meinem Recht bin ich. Sieh mich an, Weib. Glaubst du an einen Gott im Himmel? Gut. Gut. So leg' die drei Finger auf die Bibel, da hierher. Da steht mein Recht. Nun sprich mir nach: »So gewiß ich selig werden will –« matt. So gewiß ich selig werden will – »So gewiß soll's ein Geheimnis bleiben, was ich jetzt erfahre.« So gewiß soll's ein Geheimnis bleiben, was ich jetzt erfahre. Sie muß sich setzen. Und nun merk auf. – Es ist kurz – kein Aber und kein Wenn dabei – es ist klar wie das Recht – und Recht muß Recht bleiben – sonst brauchen wir keinen Gott im Himmel! Nachdem er schon einigemal angesetzt, gedrückt und leise, indem er sie vorführt. Erschrick nicht – Der Robert hat unsern Andres erschossen und ich – ich hab' ihn gerichtet. Ach Gott! Sie kann sich kaum mehr halten; sie will nach dem Stuhl; er hält sie fest. Ich hab' ihn gerichtet. Wie's dort steht, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Ich hab' ihn gerichtet, weil die Gerichte nicht recht richten. Sie haben zweierlei Recht, und hier steht's: Ihr sollt einerlei Recht haben. Ich hab' ihn nicht gemordet; ich hab' ihn gerichtet. Er macht Schritte, versinkt, dann wieder an der Stelle, wo er die Försterin noch glaubt, die nach dem Stuhle schleicht. Aber ich weiß nicht, ob's auch geschehen ist – das, was geschehen ist. Im Kopf ist mir's so wild und wüst – Besinnt sich mühsam. aber es ist doch wohl geschehen was geschehen ist – und wie's geschehen sollte – was geschehen ist – da kommt mir die Marie in die Augen, als stellte sie sich vor ihn und winkte mir zurück und schrie: Es ist ja der – nun der, den du weißt. Es war dummes Zeug; es war nur in meinen Augen. Auf den Wein geht mir's allemal so, daß ich Dinge seh, die nicht da sind. Und wenn sie's gewesen wär' – der Schuß war schon nicht mehr in meiner Hand. Allmächtiger Gott! Sie schleppt sich mühsam in Mariens Kammer. wird's nicht gewahr und fährt vor sich hinstarrend fort, als stände sie noch neben ihm. Sie war's nicht. Wie sollte die Marie dort hinkommen? Es ist eben der Wein, daß ich sie heut überall seh. Aber ich war doch erschrocken, bis ich sah, es war nur der Rauch gewesen vom Schuß. Es ging alles im Kreis vor meinen Augen. Aber wie der Rauch weg war – das war ein Augenblick – da sah ich den – noch immer dastehn wie vorhin, aber nur einen Augenblick – da brach er zusammen, da war's geschehen, was geschehen ist. Da faltet' ich die Hände über meinem Stutz und sagte: Dir ist dein Recht geschehn. Und betete: Gott sei seiner armen Seele gnädig. Da flog ein Schwarm Eulen auf und krächzte. Das war, als sagten sie Amen; da stand ich wieder straff auf meinen Füßen. Denn das Recht will Gott und Erd' und Himmel und alle Kreatur. Er versinkt ins Brüten. 5. Auftritt Fünfter Auftritt. Förster versunken, allein; dann Stein, der Pastor, erst noch in der Szene. noch draußen. Ulrich! erwachend, mechanisch. Stein! wie oben. Hörst du? auf einmal im Zusammenhang. Es ist doch geschehn. Er faßt nach der Flinte, bezwingt sich aber. Nein; nicht den Gedanken mehr als mein Recht! eintretend, der Pastor hinter ihm. Wo ist dein Andres, Ulrich? Was willst du von meinem Andres? Meinen Robert von ihm fordern. Deinen Robert? Von meinem Andres? – Hier sieh her. Zeigt das Tuch. Um Gottes willen! – an dem Tuche klebt Blut! Was ist das? Das ist meines Andres' Blut, und dein Robert hat's vergossen. Und du hast deinen Möller nach Soldaten geschickt. Und du hast mich zum Schurken gemacht vor der Welt. Mit euern zwei Rechten! Daß ihr's biegen könnt, wie ihr wollt. Aber hier Auf seine Brust schlagend. gibt's noch ein Recht; das könnt ihr nicht biegen und eure Advokaten nicht. 6. Auftritt Sechster Auftritt. Andres erst noch draußen. Die Vorigen. draußen, leise. Vater – Wer ruft? Ist das nicht Andres' Stimme? fortfahrend. Hier steht es: Einerlei Recht soll sein. Und das Recht hat euch gerichtet. Wer einen Menschen erschlägt, der – Vater! zitternd nach der Thüre starrend, tonlos, mechanisch. Der – der – soll – sterben. Andres tritt ein. Andres entgegen. Gott sei Dank! Andres, du lebst! rafft sich zusammen. Es ist nicht wahr. Er ist tot. Er muß tot sein. Vater! die Hand abwehrend gegen ihn ausgestreckt. Wer bist du? immer ängstlicher. Kennst du deinen Andres nicht mehr? Mein Andres ist tot. Liegst du erschlagen im Heimlichen Grund – dann sollst du mein Andres sein, dann ist alles gut, dann wollen wir jubeln, dann wollen wir singen: Herr Gott, dich loben wir! Er ist wahnsinnig. Andres, mein Robert – Sie haben mein Tuch, das der Lindenschmied mir gestohlen hat, eh' er den Buchjäger erschoß. Der Lindenschmied hat den Buchjäger erschossen? Und mein Robert – Robert verfolgte ihn. Er zwang Robert, auf ihn zu schießen. Der? Der hat deine Flinte? Mit meinem Tuch gestohlen. Und der Robert hat ihn –? Der Lindenschmied war nicht tödlich getroffen; da ließ ich ihn in der Mühle verbinden und in die Gerichte schaffen – immer mehr zusammenbrechend. Ich hab' unrecht! Sinkt in einen Stuhl. Drum komm' ich jetzt erst heim. steht auf, geht mit dem Gewehre zu Stein. Stein, thu' mir mein Recht. Was soll das? Aug' um Aug', Zahn um Zahn – den Pastor ansehend. Was ist das wieder? Der Weiler hielt den Lindenschmied mit der Flinte für meinen Andres. Dein Robert hat den Lindenschmied getroffen und ich hab' deinen Robert dafür erschossen. Allmächtiger Gott! zugleich. Den Robert! fast zugleich. Schieß zu. hat die Flinte an sich gerissen. Mörder du! Der Pastor fällt ihm in den Arm. schnelles Zusammenspiel. Den Robert, Vater? Der Robert lebt. Zugleich. Er lebt? Er lebt? Er – lebt? Er lebt, so gewiß ich lebe! Es war nur ein Traum? Ich wär' kein Mörder? Ich wär' ein unbescholtener Mann? Das sind Sie, Ulrich. Verscheuchen Sie den unglücklichen Wahn. Mann, wozu hättst du mich verleitet! Legt die Büchse weg. Du hast ihn gesehn? Wann hast du ihn gesehn, Andres? Jetzt, Andres? Jetzt erst, Andres? Nur jetzt, wie ich heimging, begegnet' ich zwei Männern aus der Mühle mit einer Tragbahre. Der Robert hatte sie eben aus den Betten gerufen; sie gingen nach dem Heimlichen Grund; Robert war ihnen schon voraus. Nach dem Heimlichen Grund? Mit einer Bahre? Was lauert da noch? ist nach Mariens Kammertür gelaufen, zieht jetzt die Hand vom Drücker wieder zurück. Gott sei Dank! Horchend. Ich hör sie atmen. Oh, sie hat einen ruhigen Schlaf. Eine Welt von Sorgen, und sie atmet sie einem weg von der Brust. Hören Sie, Herr Pastor, hören Sie? Der Unglückliche! Sein Wahnsinn kehrt wieder. nach einer ängstlichen Pause, in der der Förster an seinem Gesichte hing. Ich höre nichts. Das ist Ihr eigner schwerer Atem, den sie hören. beginnt wieder zusammenzubrechen. Mein eigner schwerer Atem, den ich höre – Er rafft sich zusammen, öffnet. Meine Augen lügen. Wo sie nicht ist, da seh' ich sie, und wo sie ist, da seh' ich sie nicht. Herr Pastor, um Gottes willen sagen Sie: Dort liegt die Marie. Er hat den Pastor krampfhaft beim Arm gepackt. Ich sehe sie nicht. Das Bette da ist unberührt, die Fenster offen – die Frau Försterin – stürzt in die Kammer. Weib! Weib! Unglückliches Weib! 7. Auftritt Siebenter Auftritt. Försterin gespenstig; kann kaum gehn und sprechen, vom Förster mit Gewalt hereingerissen. Vorige. Wo hast du mein Kind? Mutter, was ist dir? Er unterstützt sie auf der einen, der Pastor auf der andern Seite. Andres! Doch Einer! schüttelt sie. Mein Kind! Mein Kind! Wo hast du mein Kind? mit Abscheu, aber schwach. Laß mich, du – Meine Marie! Nach dem Heimlichen Grunde – du – Rabe, du lügst! Zum Robert – Ja, sie ist mir begegnet – im Nebel – wie ich kam – Das war der Wilhelm – Die Marie war's, Weib, die Marie! Sie kann nicht mehr antworten. Sie ist ohnmächtig. Macht sie von dem Rasenden los! Du willst sagen, ich hätte mein Kind – Mutter! Mutter! Er und der Pastor um sie beschäftigt am Tische rechts. der unterdes den Förster von ihr abzuhalten sucht. Laß sie los, Wahnsinniger! Wahnsinnig? Gott gebe, daß ich's bin! Es pocht; entsetzt tritt er einen Schritt zurück und streckt abwehrend die Hand gegen die Thür. Dummes Zeug! Was wollt ihr denn? Ihr alle da? Das ist ja die Marie. Sie steht draußen und traut sich nicht herein, weil sie in die Nacht hinausgelaufen ist. Sie hat das Herz nicht; ich bin streng – oh, ich bin streng. Dummes Mädel! Er reißt sich selber auf. Komme, was da will! Er stürzt nach der Thür; eh' er sie erreicht, pocht es nochmals; er tritt wieder entsetzt und ohnmächtig zurück. Das hitzige Fieber grassiert – weiter ist's nichts. Das sind die Vorboten; Zähneklappen und Frösteln am Rückgrat herab. Holundertee – 's ist um eine Nacht Schweiß oder zwei. – Was hat das Pochen mit dem Fieber? Warum macht niemand auf? Ruf doch eins »Herein«. Warum seid ihr alle so bleich und bringt die Zähne nicht voneinander? Hat eins Märchen erzählt und ihr graut euch? Meine Marie war ein lebendig Märchen – sie ist – sie ist, will ich sagen. Daß die Marie tot wär', das thut sie mir nicht zuleid. Sie weiß, daß ich nicht leben kann ohne meine Marie. Hört ihr sie kichern draußen? Nun wird sie hereinhüpfen und mir die Augen zuhalten, wie sie's macht, und ich darf ihr den Spaß nicht verderben. Oh, es ist Er will lachen und schluchzt. – ein Wie außer sich. – Einmal muß es doch – Herein! Er wollte nach der Thür, sinkt aber mit zugehaltenen Augen in einen Stuhl links. 8. Auftritt Achter Auftritt. Robert, Wilhelm, dann zwei Männer mit einer bedeckten Bahre, die sie hinstellen und gehn. Die Vorigen. Robert! Ihm entgegen. Siehst du, Ulrich? Er lebt! ihm in die Arme fallend, bleich und außer sich. Vater! Vater! Was ist dir? Daß der Mörder mich getroffen hätte! Vater Ulrich, sei ein Mann! zusammengerafft mit letzter Anstrengung. Nur zu. Ich will sehn, ob ich einer bin. Robert nimmt die Decke weg. Großer Gott! die, von Andres und dem Pastor unterstützt an der Bahre in die Knie gesunken ist. Marie! Ach Gott! Sie ist's, die Marie. zusammenspiel aller. Wie ist's geschehn? Erkläre, Robert! Mir ist's entsetzlich klar. mühsam seine Fassung erhaltend. Sie betete: »Gott laß mich nur meines Vaters sein.« Ich will ihr sagen: Marie, du läßt mich? Da springt sie auf mich zu, als wenn sie mich decken wollte mit dem eignen Leib, winkt und ruft nach dem Walde zu. Ich sehe niemand; ich verstehe sie nicht; ich will fragen: Was ist dir, Marie? da fällt ein Schuß, sie bricht mir in den Armen zusammen, ich stürze über sie, eine Kugel hat ihr Herz getroffen. Das war ihr Traum. hält Robert in seinen Armen, fast zugleich. Sie starb für dich. Sie sah mich auf ihn zielen und lief absichtlich in meinen Schuß. Ich wollte richten und – hab' mich selbst gerichtet. Verbrechen und Strafe mit eins. Ich betete: »Gott sei seiner armen Seele gnädig«; ich betete für mich; und die Eulen haben Amen gekrächzt und meinten mich! tritt entsetzt zurück. Allmächtiger – er hat's selbst –! Du hast's nicht mit Bewußtsein gethan. Ein schrecklicher Wahnsinn trieb dich wider deinen Willen. Nicht so starr, Mann. Gott legt nicht den äußern Maßstab an die Tat. Unschuld und Verbrechen stehn an den Enden des Menschlichen; aber den Unschuldigen und den Verbrecher trennt oft nur ein schnellerer Puls. Gebt mir Worte des Lebens für Euer Hirngespinst, kein Wenn und kein Aber. Sagt mir was, daß ich's glauben muß. Eure Reden zwingen nicht. Was tröstet Ihr meinen Kopf? Tröstet mein Herz, wenn Ihr könnt. Könnt Ihr mein Kind lebendig machen mit Euerm Trost, daß mir's in die Arme fliegt? Dann tröstet zu. Jedes Wort, das mein Kind nicht lebendig macht, schlägt's noch einmal tot. Flieh' nach Amerika; ich will dir Pässe besorgen; all mein Geld ist dein. Dein Weib und deine Kinder sind die meinen! Hörst du, Andres, was der Mann da sagt? Er will euch Geld geben. Dafür kauft euch eine Leierorgel. Damit zieht auf den Märkten umher und singt von dem alten Mordkerl, der sein Kind erschoß. Um nichts, um gar nichts, auf der Welt um nichts. Ihr braucht kein Bild. Nehmt die alte Frau da mit; so malt euch kein Maler die Geschichte, wie sie auf ihrem Gesicht geschrieben steht. Streicht mir das Kind heraus. Beschreibt sie schöner als sie war – wenn ihr das könnt, wie ihr euch den schönsten Engel denkt, und dann sagt: Sie war doch noch tausendmal schöner. Und den alten Mordkerl stellt mir hin, daß über das Kind ein Wasserfall kommt von Tränen und auf den Alten jeder Gassenjunge die Fäuste ballt. Das wär' ein Herz, wie's der alte Mordkerl hatte, der's erschoß, das die Geschichte hörte und euch nicht mit klappernden Zähnen den letzten Pfennig gäb', und hätt's zehn verhungernde Kinder zu Haus, und nicht zu Gott betete für das Kind und dem alten Mordkerl fluchte, der's erschoß. Sagt nicht: Der Mann war redlich sein Leben lang und hat sich gehütet vor dem Bösen und hat einen Gott geglaubt und hat kein Stäubchen gelitten an seiner Ehre, sonst glauben sie's euch nicht. Sagt, er sah aus wie ein Wolf, sagt nicht, sein Bart war weiß, wie er's tat, sonst gibt euch niemand was. Das glaubt euch niemand, daß einer so alt sein kann und doch so ein Bösewicht. Und unten hin macht noch ein Bild, wo der alte Mordkerl sich erschießt und als Gespenst umgeht bei Nacht. Und wo er's tat, da sitzt er wimmernd die Mitternächte hindurch mit seinen glühenden Augen und seinem weißen Bart; und da kühlt kein Lüftchen und da fällt kein Tau und kein Regen; da wachsen giftige Blumen, das ist verflucht, wie er selbst. Und das Tier, das sich hinverirrt, brüllt vor Angst, und den Menschen rüttelt's wie ein Fieber. Und einem Engel geht ein Streifen aus dem Mund: Da sitzt er, den Gott gezeichnet hat. Abel war ein Mann und Kain nur sein Bruder, aber das war ein Kind, und der's erschlug, war sein Vater. Für den Kain noch eine Seligkeit, aber für den alten Kindesmörder keine – keine – keine! – Oh, einen Trost! Einen Trost! Einen Strohhalm nur von einem Trost. Ich wollt' meine Seligkeit drum geben, wenn ich eine zu erwarten hätte. Gott will ich fragen, ob's noch einen Trost gibt für mich. Er nimmt die Bibel und liest, erst an allen Gliedern zitternd, mit stoßendem Atem. »Wer irgendeinen Menschen« – Nicht weiter, Ulrich. Lassen Sie mich Ihnen Worte des Lebens zeigen, Worte der Menschlichkeit. »Gott will nicht den Tod des Sünders, sondern daß er sich bessere und lebe« – der die Bibel festhält und sich losmacht, fast zugleich. Laßt mich, ihr Unmenschen mit eurer Menschlichkeit. Er liest weiter, mit jedem Wort wird sein Wesen ruhiger und gewisser, der Ton seiner Stimme kräftiger. »Wer irgendeinen Menschen erschlägt, der soll des Todes sterben.« Legt die Bibel hin. In diesen Worten findet er Beruhigung? Gönnt jedem den Trost, der ihn tröstet. nimmt die Bibel wieder auf; der Ausdruck seines Wesens steigt bis zur Freudigkeit. Das ist Gewißheit, das ist Verheißung, das zwingt; kein Aber und kein Wenn. Wer irgendeinen Menschen erschlägt, der soll des Todes sterben; das heißt: dann ist's gebüßt, dann ist's ausgelöscht, und er ist wieder rein. Er setzt seinen Hut auf und knöpft sich ein. Ich geh' in die Gerichte. Will gehn. Und du meinst, sie werden dich töten? Förster bleibt stehn und wendet sich. Man hat Schuldigere begnadigt als Sie. Zum Zuchthaus – was? wie den Lentner? der – ja sie richten nicht recht, nicht wie's dasteht, in ihren Gerichten; weiß ich's doch – aber – gut – gut – Nimmt die Flinte. Was willst du! Nichts. Die Flinte da muß ich mithaben, womit's geschehen ist. Oh, sie nehmen's genau damit. – Lebt wohl, Andres, Wilhelm – Haltet die Mutter gut. Gibt allen die Hände. Stein – Herr Pastor – Robert – Sophie – Sie ist ohnmächtig; Gott wird sie mir bald nachschicken. Begrabt mir mein Kind. Laßt die Glocken läuten; Ihren Brautkranz legt auf ihren Sarg – oh, ich bin ein altes Weib – Wenn wir uns wiedersehn, bin ich kein Mörder mehr. Grüßt noch einmal alle mit der Hand. Du willst – wendet sich an der Thür. Mein Recht – und dann Zeigt in die Höh'. zu meinem Kind. Ab. Kurze Pause, in welcher die übrigen mit Verwunderung und Rührung ihm nachsehn. von Ahnung ergriffen. Wenn der andere Lauf noch geladen ist – schnell, eilt ihm nach – Vor der Thüre fällt ein Schuß. Zu spät! – Ich ahnt' es. Fast zugleich. ANDRES, WILHELM hinauseilend. Vater! in der offenen Thür von Schreck und Schmerz festgehalten über das, was er sieht. Er hat sein Recht! auch an der Thür. Zum zweitenmal sein Richter. hinzutretend. Ihm geschehe, wie er geglaubt. Vorhang fällt. Ende des fünften Aufzugs.