Das Mündner Thal L[eipzig], 12. Dez. 1774. Ich kenn' ein liebes, schönes Thal, Das denk' ich Tages tausendmal, Und wandl' auf seiner grünen Flur, Doch, ach, in falschen Träumen nur. Da krönen Wälder, schönbelaubt, Der milden Berge stolzes Haupt, Und Quellen rieseln hell und frisch Herab in niedres Schleegebüsch. Da ist der Wiese grünes Kleid Mit bunten Blumen überstreut; Da schallet, wenn die Sonne flieht, Des wohlbelohnten Fleißes Lied. Und im vergnügten Städtchen freut Sich Unschuld und Vertraulichkeit, In seinen Thoren küssen frei Sich Redlichkeit und deutsche Treu. Zween Ströme grüßen brüderlich An seinen stillen Mauren sich; Umarmen sich in Einer Bahn, Und strömen freudiger heran. So strömen in der Abendruh Sich hier verwandte Seelen zu; So ward mein Herz mit einem Freund Und einer Freundin hier vereint. Was, von Begeisterung entglüht, Ein Dichter nur in Träumen sieht, Des goldnen Alters ganzes Glück Kam bei den Edeln mir zurück. Ihr Herz, voll deutscher Redlichkeit, Ist dir, o Tugend, nur geweiht, Ist jedem braven deutschen Man Und allem Schönen zugethan. Sie hassen, stolz aufs Vaterland, Der ** Höflichkeit und Tand; Sind offen, lieben Saitenklang, Und ehren Vaterlandsgesang. O, wenn erblick' ich, liebes Thal, In dir die Edeln noch einmal, Daß, frei von dieser Wüstenei, Sich wieder meine Seele freu'?