An die Nachtigall Im Junius 1772. Ah Nachtigall! Es fernte kaum Sich im beglückten Morgentraum Mein jahrelanger Kummer, Da scheuchtest du den Schmeicheltraum Und meinen süßen Schlummer. Schon war ich tot; empfand nicht mehr Des Mädchens Stolz, das liebeleer Auf meine Leiden blickte, Und doch mit jedem Tage mehr Den trunknen Blick entzückte! Sie kam an meinen Hügel hin, Sah, wie ein Strauch von Rosen ihn Mit Blüten überdüftet, Und lehnte sich ans Grabmal hin, Das Freunde mir gestiftet. Brach eine von den Rosen ab Und streute sie bethränt aufs Grab. Mit trauervollem Blicke Sah sie noch einmal bang herab Und eilte blaß zurücke. Was rufst du mich, o Nachtigall, Zurück ins Leben voller Qual Durch schmeichelhafte Lieder? Nun fühl' ich, harte Nachtigall! Den Stolz des Mädchens wieder.