An die Liebe 1771. Holde Liebe, welchen Jüngling du Dir zum Freund erkoren, Dem wird jeder Augenblick zur Ruh Und zum Glück geboren! Fröhlich sieht sein blühendes Gesicht Jeden Tag entstehen; Fröhlich sieht er ihn im Purpurlicht Wieder untergehen. Alle Vögel singen ihm im Hain Süße Melodieen; Jedes Blümchen wünscht ihm schön zu sein, Und für ihn zu blühen. Jede Rose fühlet süße Lust, Die sein Finger pflücket; Weil er sie an die geliebte Brust Seines Mädchens drücket. Süße Freude trinkt er mit dem Blut Von des Weingotts Reben; Von beglückten Träumen, wenn er ruht, Ist sein Haupt umgeben. Sein Erwachen ist ein Übergang Zu beglücktern Scenen; Heiter eilt er, unter Lustgesang, In den Kreis der Schönen – Aber, welche Stunden voller Schmerz Drohn des Jünglings Leben, Der umsonst sein jugendliches Herz, Göttin, dir ergeben! Ihm verlängert jeder Augenblick Sich zu bangen Stunden! Mit den Kinderjahren ist das Glück Ewig ihm verschwunden. Thränen fließen ihm im bangen Traum Von den blassen Wangen, Und er sieht die Morgensonne kaum Am Olympus prangen. Hoffnungslos sieht er den Winter fliehn Und den Schnee verschwinden; Traurig schleicht er durch den Frühling hin, Kann ihn nicht empfinden. Sieht mit kaltem Blick die junge Flur Sich allmählich färben; Halberstorbne Blümchen pflückt er nur, Wünscht, wie sie, zu sterben. Jedes Mädchen lockt ihm Thränen ab, Das dem seinen gleichet; Jeden Hügel wünscht er sich zum Grab, Wo er einsam schleichet. Die geliebte kleine Nachtigall Singt ihm Grabelieder; Endlich sinkt er, wie im Sonnenstrahl Welke Blumen, nieder. Seine Seele, die der Liebe Joch Jahrelang getragen, Irrt um das geliebte Mädchen noch, Und zerfleußt in Klagen. Göttin Liebe! Will es mein Geschick, Daß auch ich dir diene; O so lächle mir mit holdem Blick, Geuß in Daphnens Miene Deine milde Flamme, daß sie mir Sanft entgegen strahle, Und ich dankbarliche Lieder dir Jeden Tag bezahle!