An die Phantasie Freundin meiner Einsamkeiten, Schöpferische Phantasie, Tönte doch von meinen Saiten Dir ein Lied voll Harmonie! Wenn der müde Tag sich neiget, Dämmerung die Welt umfließt, Rings um mich die Schöpfung schweiget, Und der Ruhe Glück genießt: Dann erheiterst du des müden Jünglings Seele, leitest ihn In Gefilde voller Frieden, Zu beglückten Schäfern hin. Zauberische Bilder stehen Jugendlich um ihn herum, Und die trunknen Blicke sehen Überall Elysium. Götter! welche Lustgefilde Welch ein reizend Blumenthal! Alles lacht in Frühlingsmilde; Jubel tönet überall. Alle Thalgehölze blühen; Mannigfacher Blumenduft Und der Vögel Melodieen Füllen ringsumher die Luft. Fette Lämmerherden wallen In dem hohen Gras einher, Und der Hirten Lieder schallen Fröhlich hinter ihnen her. Alles eilt in Schattengänge, Wenn die Mittagsstrahlen glühn; Herden lagern im Gedränge Sich im Eichenschatten hin; Und der müde Schäfer lehnet Sich an seinen Schäferstab, Seiner Flöte Schall ertönet Lange nicht ins Thal hinab. Aber endlich gießt er wieder Leben in das Haberrohr, Süße schäferliche Lieder Schallen in die Luft empor. Alles horchet auf die Töne. Plötzlich unterbricht sein Lied Eine wonnigliche Scene, Seine braune Wange glüht. Von der Seite hergesprungen Kömmt der kleine Tityrus, Hält des Vaters Arm umschlungen, Schmeichelt ihn um einen Kuß. Und die holde Gattin schreitet, Einen Liebling auf dem Arm, Durchs Gebüsch daher, begleitet Von der Amoretten Schwarm. Liebe lächelt ihm entgegen. Er umarmt die Schäferin Und sie sinkt mit stärkern Schlägen An den treuen Busen hin. Fröhlichkeit und Lust verbreitet Sich um sie, das ganze Thal Lächelt ihnen, sie bereitet Ihm indes ein kleines Mahl. Beide lagern sich im Schatten, Dürsten nicht nach Überfluß. Zwischen den beglückten Gatten Sitzt der kleine Tityrus, Deutet auf die Flöte, winket Seinem Vater, reicht sie hin, Und der andre Liebling sinket An die Brust der Schäferin. Ungekünstelt spricht aus ihnen Unschuld und Zufriedenheit, Und aus ihren sanften Mienen Lächelt die Vertraulichkeit – Selig Paar! Ein Frühlingsmorgen Ist das ganze Leben euch, Vor der Neider Blick verborgen Lebt ihr hier den Göttern gleich. Aber holde Schäfersitten! Ach, man suchet eine Spur Nur vergebens in den Hütten, Nur vergebens auf der Flur! Nur des frommen Dichters Lieder, Kinder seiner Phantasie, Rufen eure Schatten wieder: Aber ach! euch selber nie. Doch gesegnet sei die milde Phantasie; das stille Glück Jener seligen Gefilde Zaubert sie zu uns zurück. Weich, o holde Freundin! weiche Doch von meiner Seiten nie, Jeden Augenblick beschleiche Mich, geliebte Phantasie!