John Milton Das verlorene Paradies (Paradise Lost) Erster Gesang Erster Gesang. Des Menschen erste Schuld und jene Frucht Des strengverbotnen Baums, die durch Genuß Tod in die Welt gebracht und jeglich Weh, Die Eden raubte, bis ein größrer Mensch Des Heiles Sitz uns wiederum errang: Besing' o Himmelsmuse, die auf Horebs, Auf Sinai's verborgnem Gipfel einst, Den Hirten entflammte, der zuerst belehrt Das auserwählte Volk, wie Erd und Himmel Im Anfang aus dem Chaos sich erhob; Von dorther, oder wenn des Sion Hügel, Siloah's Quell, der bei des Herrn Orakel Hinfloß, dich mehr erfreut, so ruf ich dich Von dort herab, mein kühnes Lied zu weih'n, Das nicht gemeinen Flugs Aeoniens Berg Mit solchen Dingen überschweben will, An die sich Vers und Prosa nie gewagt. Vor Allem du beseele mich, o Geist, Der offne Herzen mehr als Tempel liebt: Du bist allwissend, warst vom Anbeginn Und ruhtest brütend einer Taube gleich Mit mächtig ausgespreiztem Flügelpaar, Den ungeheuern Abgrund fruchtbar machend. Was in mir dunkel ist, erleuchte du, Was in mir niedrig, heb' und stütze du; Daß ich gemäß dem hohen Gegenstand Die Wege Gottes zu den Menschen preisend Die ewige Vorsehung vertheid'gen mag. O sprich zuerst – denn Nichts verbirgt der Himmel, Die tiefe Hölle Nichts vor deinem Blick – O sprich, was unser erstes Elternpaar In jener Seligkeit und Himmelsgunst Bewog, von ihrem Schöpfer abzufallen, Um ein Verbot sein Wort zu übertreten, Sie, die doch sonst die Herrscher dieser Welt? Sprich! wer verführte sie zu dieser Schuld? Der Höllendrache, Jener, dessen List Von Rach' und Neid erregt, der Menschen Mutter Zu einer Zeit betrog, als ihn sein Stolz Herab vom Himmel stürzte sammt der ganzen Rebellischen Engelschaar, mit deren Hülfe Er glorreich seines Gleichen zu beherrschen Und Gott sich gleich zu stellen trachtete, Da er durch Widerstand und ehrsuchtvoll Verruchten Krieg im Himmel gegen Gottes Alleinherrschaft erhob, und stolzen Kampf, Der fruchtlos blieb. Des Allerhöchsten Macht Stieß häuptlings ihn aus den äther'schen Höh'n Furchtbaren Sturzes glutumflammt hinab Zum bodenlosen Abgrund, dort zu wohnen In Demantketten und in Feuerpein, Da dem Allmächtgen er gewagt zu trotzen. Neun Mal die Zeit, die bei den Sterblichen Den Tag, die Nacht bezeichnet, lag er dort Besiegt mit seiner schaudervollen Horde, Im Feuerpfuhl sich wälzend, sinnverwirrt, Und doch unsterblich; denn zu größrer Qual War er verdammt, nun martert der Gedanke Verlornen Glückes ihn, und ew'ger Pein; Die düstern Augen wirft er rund umher, Die Angst und tiefe Traurigkeit verrathen, Worein verstockter Stolz und Haß sich mischt; Er sieht, so weit als Engel können sehn, In seiner Lage wüst' und elend sich, Ein furchtbarlich Gefängniß flammt um ihn, Gleich einem Feuerofen, doch den Flammen Entstrahlt kein Licht; nur sichtbar finstre Nacht Enthüllt ihm hier die Gruppen tiefen Weh's, Die Gegenden der Sorgen, düstre Schatten, Wo Friede nicht, noch Ruhe je verweilt, Wohin selbst Hoffnung, die sonst Allen naht, Nicht kommen kann; nur endlos grimme Pein Mischt sich der Feuerflut, genährt von Schwefel, Der ewig brennt und nimmer sich verzehrt. Solch einen Ort erschuf der ewge Richter Für die Empörer, deren Kerker hier Aus tiefstem Dunkel gähnt, daß sie von Gott Und Himmelslicht drei Mal so weit entfernt, Als wie der Mittelpunkt vom letzten Pol. Wie ungleich jenem Raum, aus dem sie fielen! Dort sieht er die Genomen seines Fall's Von Flut und Wirbelwind der Feuermassen Verschlungen, und an seiner Seite wälzen Den Einen, an Verbrechen und Gewalt Ihm selbst der nächste, der bekannt dereinst In Palästina ward als Beelzebub. Zu diesem wandt der Erzfeind jetzo sich, Der in dem Himmel Satan wird genannt, Mit trotzigem Wort das grause Schweigen brechend: »Wenn Du es bist, – doch o! wie tief gefallen, Wie ungleich Dem, der in den Lichtgefilden Mit höchstem Glanz bekleidet, Myriaden An Schimmer überstrahlte – wenn Du's bist, Den wechselseitig Bündniß, gleicher Plan, Hoffnung und Wagniß in der großen That Mit mir verband, und Elend nun im Sturz – Du siehst, in welchen Pfuhl, aus welcher Höhe Gestürzt wir sind, so mächtig war sein Donner, Wer hat vorher auch dieser grausen Waffe Gewalt gekannt? doch weder dies, noch auch Was sonst des mächtigen Siegers Grimm verhängt, Läßt mich bereun und meinen Willen ändern, Ob ich verändert auch im äußern Glanz, Groll fühl ich ob beleidigten Verdienstes, Was mit dem Höchsten mich zu kämpfen zwang, Und mich zum Streit die unermessne Macht Bewehrter Geisterscharen führen hieß, Die seine Herrschaft wagten zu verschmähn, Die mich erwählten, seiner Allgewalt Sich widersetzten, auf den Himmelsau'n In zweifelhaften Treffen seinen Thron Erschütternd. Ob das Schlachtfeld auch verloren, Ist doch nicht Alles hin; der Wille nicht, Der unbesiegbar, nicht der Rache Durst, Der ewge Haß und Muth, sich nie zu beugen, Und was noch sonst unüberwindlich ist: Den einen Ruhm soll nimmer mir sein Grimm Und seine Macht entreißen. Wollt' ich jetzt Kniebeugend ihn um seine Gnade flehn Und seine Macht vergöttern, dessen Reich Jüngst vor dem Schrecken dieses Arms erbebte, So wär' es wahrlich niedrig, wäre Schmach Und größre Schande noch als unser Sturz, Da nach dem Schicksal nie die Macht der Götter, In uns das Himmlische nie schwinden kann; Weil die Erfahrung dieses großen Kampfs An Kräften uns nicht schwächer; ja nur stärker An Vorsicht machte, können wir mit mehr Erfolg und Hoffnung ewge Fehde wagen, Die unversöhnlich mit Gewalt und List Den größten unsrer Feinde soll bekriegen, Der triumphirend jetzt im Freudetaumel Des Himmels Herrschaft ganz allein besitzt.« So sprach der abgefallnen Engel Herr Laut prahlend, doch gefoltert von Verzweiflung Und keck entgegnet ihm sein Mitgenoß: »O Fürst und Haupt so vieler Herrschermächte, Die in den Krieg die Seraphim geführt, Die furchtlos bei der schreckenvollsten That Des ewgen Himmelskönigs Thron bedrohten, Zu prüfen seiner Oberherrschaft Kraft, Ob sie auf Zufall oder Macht gestützt: Wohl seh ich und beklag' ich dies Ereigniß, Das durch der Niederlage grausen Sturz Den Himmel uns verlor und unser ganzes Gewaltiges Heer furchtbar zertrümmerte, So weit als Götter oder Himmelswesen Zu Grunde gehn, denn Geist und Seele bleibt Unüberwindlich; bald auch kehrt die Kraft, Ob unser Ruhm auch schwand und unser Glück Von endlos arger Pein verschlungen ward. Doch wie, wenn unser Sieger (dessen Kraft Ich anerkennen muß, da nicht geringere Die unsern Kräfte je besiegen konnte) Uns Geist und Stärke ließ, um unsre Qual Ganz kräftig zu erdulden und zu leiden, Daß seinem Rächerzorne wir genügen, Und ihm als Knechte nach dem Kriegesrecht Zu Dienste stehn; gleichviel, zu welchem Frohn, Um hier im Hag der Hölle bei dem Feuer, Ob in dem Pfuhl als Boten mitzuwirken: Was frommt es uns, daß unvermindert wir Die Stärke so wie ewges Dasein fühlen, Um ewige Bestrafung auszustehn?« Worauf der Erzfeind rasch erwiderte: »Gefallner Cherub, schwach zu sein ist elend Im Thun und Leiden; doch versichert sei, Nie wird mehr Gutes unser Handeln sein, Das Böse thun wird unsre höchste Lust, Als seines hohen Willens Gegentheil, Den wir bekriegt. Wenn seine Vorsehung Aus unserm Bösen Gutes schaffen will, So müssen diesen Zweck wir ihm vereiteln, Im Guten Stoff zum Bösen stets zu finden. Dies wird uns oft gelingen, und vielleicht Ihn öfters kränken, und wenn ich nicht irre Vom Ziel ihm den geheimsten Willen lenken. Doch sieh, der grimmige Sieger hat die Diener Der Rache schon zum Thor des Himmels wieder Zurückgewinkt; die Schwefelhagelflut, Die uns im Sturme nachgeschüttelt ward, Hat ausgetobt, im wilden Flammenmeer, Das uns umwogt, als wir vom Himmel stürzten; Der Donner, mit dem rothen Blitz beschwingt Und ungestümer Wuth, hat seinen Köcher Vielleicht erschöpft, und läßt allmählich nach, Zu brüllen durch den endlos wüsten Schlund. Laß die Gelegenheit uns nicht versäumen, Die uns des Feinds gesättigte Wuth verschafft. Siehst du die furchtbar öde Haide dort, Die Wohnung der Verzweiflung, ohne Licht, Bis auf den Schimmer dieser fahlen Flammen, Die blaß und schrecklich flimmern? Dorthin laß Uns retten aus der Feuerwogen Stößen, Laß dort uns ruhn, wenn irgend Ruhe dort, Und sammelnd unser tiefbetrübtes Heer Erwägen, wie wir unsern Schaden bessern, Und unser furchtbar Elend überstehn, Wie aus der Hoffnung wir Verstärkung schöpfen, Wo nicht, Entschlossenheit aus der Verzweiflung.« So sprach der Satan zu dem Leidgefährten, Das Haupt der Flut enthoben, und die Augen In Flammen funkelnd; niederwärts gebeugt Schwamm mehre Hufen weithin ausgestreckt Sein Körper auf den Wogen lang und breit, An Größe jenen Riesen gleich der Fabel, Wie die Titanen oder Erdgebornen, Die Zeus bekriegt, wie Typhon und Briareus, Die einst die Schlucht beim alten Tarsus barg, Wie jenes Seegethier, der Leviathan, Den Gott als allergrößtes Wesen schuf, Das in des Ozeans Gewässern schwimmt, Den, wenn er in Norwegens Schaume schlummert, Der Schiffer einer nachtereilten Barke Oft für ein Eiland hält, und, wie man sagt, Wirft dann der Seemann in die Schuppenhaut Den Anker, und liegt vor dem Wind geschützt An seiner Seite, wenn noch nachtumhüllt Dem Meer nicht der ersehnte Morgen lacht. So ausgestreckt lag jetzt der Satan da, Gekettet an den Feuersee; wohl nimmer Hätt' er sein Haupt erhoben, wenn der Wille Und die Erlaubniß des Allwaltenden Ihm Raum zu seinem finstern Werke ließ, Damit er selbst durch wiederholten Frevel Verdammniß auf sich häufe, da er Andern, Zu schaden sucht' und dann voll Grimm gewahrt, Wie alle Bosheit Gutes nur erschuf, Und den durch ihn verführten Menschenkindern Unendlich Huld und Gnad' erwiesen wird, Doch wälzt auf ihn sich dreifach Rach' und Wuth, – Jetzt richtet aus dem Pfuhl er sich empor, Gewalt'gen Wuchses, von den beiden Seiten Zurückgetrieben, senken sich der Flammen Hochzackige Gipfel, rollen in die Wogen Und lassen mittenin ein schrecklich Thal. Dann steuert er mit ausgespannten Schwingen Im Flug empor, auf finstern Lüften schwebend, Die ungewohnte Last empfinden, bis er dann, Das trockne Land erreicht, wenn Land es war, Wo immerfort ein festes Feuer glimmt, So wie der See von flüssigen Flammen glühte: An Farbe schien es so, als ob die Kraft Der unterirdischen Winde Felsen reißt Von dem Pelorus und dem donnernden Geborstnen Aetna, dessen Eingeweide Brandträchtig und verbrennbar Feuer fängt, Das, durch die Wuth der Lava noch erhöht, Vereint dem Sturme, nur versengten Boden Voll Qualm und Rauch zurückläßt. Solchen Ort Der Ruh fand des verfluchten Fußes Sohle! Ihm folgte schnell sein treuer Mitgenoß, Frohlockend prahlten Beide jetzt als Götter Durch eigne neuerlangte Kraft, und nicht Durch die Erlaubniß einer höhern Macht Dem stygischen Glutenmeer entflohn zu sein. Dann sprach der Mund des tiefgefallnen Engels: »Ist dies die Gegend, dies das Land und Klima, Der Sitz, den mit dem Himmel wir vertauschen, Das trübe Dunkel für das Himmelslicht? So sei's, weil er, der jetzt Gebieter ist, Verfügen kann, was er als Recht gebeut: Am besten ist's, recht fern von ihm zu sein, Den, an Vernunft uns gleich, nur die Gewalt Erhoben über Gleiche! Fahre wohl Glückselig Feld, der ew'gen Freude Sitz! Heil Schreckniß Dir! Heil Dir o Unterwelt! Und Du o tiefste Hölle huldige jetzt Dem neuen Herrn, der einen Geist besitzt, Der unverändert bleibt durch Raum und Zeit. Es ist der Geist sein eigner Raum, er kann In sich selbst einen Himmel aus der Hölle, Und aus dem Himmel eine Hölle schaffen. Was gilt das Wo, bin ich nur immer ich, Und was ich sein soll, doch nur größer nicht, Als er, der durch den Donner mächt'ger ward! Hier sind wir frei; hier baute nicht der Herr, Um Neid zu wecken, wird uns nicht von hier Vertreiben; sicher können hier wir herrschen, Und wie mich dünkt, ist Herrschen würd'ger Lohn Und wär's auch in der Hölle; besser ist Der Hölle Herr sein, als des Himmels Sclave. Doch warum lassen wir die treuen Freunde, Die Kampfgenossen und des Falles Brüder, Betäubt im Pfuhle der Vergessenheit, Und rufen sie nicht her, um die Behausung Die unglückselige mit uns zu theilen; Ha! oder noch ein Mal vereinten Kampfs Zu wagen, ob vom Himmel wir gewinnen, Ob in der Hölle noch verlieren können?« So sprach der Satan, und Beelzebub Erwidert ihm: »Du Führer dieser Schaaren, Die der Allmächtige nur bezwingen konnte, Wenn sie nur ein Mal Deine Stimme hören, Die in Gefahr der Hoffnung Unterpfand, Und oft in Noth gehört ward, in des Kampfes Gewühle, wuthentbrannt, die beste Losung: Dann wird sie bald ein neuer Muth beleben, Die krümmend jetzt im Feuermeer sich wälzen, Wie wir so eben noch, betäubt, erschreckt; Kein Wunder, nach so schwindeltiefem Sturz!« Kaum schwieg er still, als schon der Satan sich Zum Ufer wandte, den gewichtigen Schild, Groß, breit und rund, und von ätherischem Stoff Am Rücken tragend. Hing der breite Kreis Doch auf den Schultern, wie des Mondes Scheibe, Wann sie durch's Glas Toscaniens Künstler sieht Des Abends von Fiesole's Gebirg Und von Valdarno, neues Land entdeckend Sammt Fluß und Bergen auf dem fleckigen Kreise. Sein Speer, wogegen selbst die höchste Tanne, Gefällt auf Norwegs Bergen, sie als Mast Im größten Admiralschiff aufzupflanzen, Ein schwaches Stäbchen wär', dient ihm als Stütze Bei seinem Gang auf glühendem Gestein, Ungleich dem Gang auf dem Azur des Himmels. Die heiße Luft umloht mit Feuer ihn; Doch ruhig hielt er's aus bis an's Gestad Des Feuermeers, hier rief er seiner Horde, Den Engeln, die betäubt in Schaaren lagen, Herbstblättern gleich, auf Valombrosa's Bäche Gestreut, wo die Etrurischen Schatten sich In Bogen wölben, oder so dicht, wie Schilf, Wann mit entfesseltem Wind bewehrt Orion Des rothen Meeres Küste peitscht, deß Wogen Busiris sammt den Reisigen aus Memphis Versenkt dereinst, als Gosens Gäste sie Treulosen Grolls verfolgten, die am Strand Die Leichen schwimmend auf dem Meere sahn Sammt den zerbrochnen Wagen; so verstreut, Zerrüttet und verloren lagen diese, Die Flut bedeckend und betäubt ob ihrer So schmählichen Verwandlung. – Da Rief er so laut, daß hohl der Hölle Tiefen Es widerhallten: »Fürsten, Herrscher, Krieger, Des Himmels Blüthen, des euch jetzt verlornen, Wenn ein Entsetzen ew'ge Geister je Erschüttern kann; habt ihr den Ort gewählt, Um nach des Krieges Mühn euch Ruh zu gönnen Und eurem Muth, weil ihr den Schlummer hier So süß, wie in den Himmelsthalen findet? Schwurt ihr, in dieser hingeworfnen Stellung Den Sieger anzubeten, der nun Seraph Und Cherub in der Glut sich wälzen sieht, Mit ringsverstreuten Waffen, bis behend Der Diener Schaar vom Himmelsthor den Vortheil Erblickt und niederstürmt, um uns Erschöpfte In Grund zu treten, mit verketteten Blitzkeulen an den Grund des Pfuhls zu schmieden? Erwacht! erhebt euch oder bleibt gestürzt!« Sie hörten ihn beschämt, erhoben sich Auf ihren Schwingen, so wie Menschen wol, Die Wache halten, schlafend von dem Obern Gefunden werden, den sie fürchten, rasch Auftaumeln, ehe ganz erwacht sie sind. Noch kannten sie die traurige Lage nicht, Noch fühlten sie die grenzenlose Pein; Doch schnell gehorchten wohl Unzählige Des Herrschers Stimme. Wie der mächtige Stab, Von Amrams Sohn geschwungen um die Küste, Einst an Egyptens unheilvollem Tage Ein schwarz Gewölk Heuschrecken herbeschwor, Vom Ost zusammengeblasen gleich der Nacht Auf jenes frechen Pharao Reiche hängend, Des Nils Gestad verdunkelnd: so auch schwebten Zahllos jetzt unter ihrer Hölle Kuppel Die bösen Engel in den Flammengluten, Die sie von allen Seiten rings umflossen, Bis als ein Zeichen den erhobnen Speer Ihr Sultan schwang, um ihren Flug zu leiten, Dann ließen sie auf festen Schwefelgrund Im Gleichgewicht sich nieder und erfüllten Die ganze Flur, ein Schwarm, wie nie der Norden Aus seinen Eisgefilden einen sandte, Die Donau und den Rhein zu überschreiten, Als die barbarischen Söhne gleich der Sündflut Nach Süden kamen, unter Gibraltar hin Bis zu dem Sande Libyens sich verbreitend, Nun eilten gleich von jeglicher Partei Die Häupter dahin, wo ihr Führer stand; Gestalten, die als Götter menschliche Gebilde weithin übertrafen, würdig, Gewaltig, die im Himmel früher thronten Obwohl ihr Name dort nicht mehr verzeichnet, Denn ausgelöscht sind sie und ausgetilgt, Seit der Empörung aus dem Buch des Lebens. Noch führten sie die neuen Namen nicht, Die unter Eva's Söhnen sie empfingen, Als sie durch Gottes hohe Zulassung Auf Erden wallten zu der Menschen Prüfung, Durch Lug und Trug der Menschheit größten Theil Verführten, Gott den Schöpfer zu verläugnen, Und dessen unsichtbare Herrlichkeit In eines Thieres Bildniß umzuwandeln, Das sie geschmückt mit heitrer Frömmelei Voll Pomp und Gold ja Teufel göttlich selbst Anbeteten. Sie wurden dann bekannt Der Heidenwelt in mannichfacher Form. O Muse, nenne jetzt die Namen Jener, Die aus dem Schlummer in dem Feuerbett Auf ihres großen Kaisers Ruf erwachten, Wie einzeln sie nach ihrem Würdegrad Hinschritten, wo am öden Strand er weilte, Indeß der niedre Haufe ferne blieb. Die Häupter waren Jene, die, der Hölle Entsteigend, ihren Raub auf Erden suchten Und später ihren Sitz bei Gottes Thron Und ihren Altar bei dem seinen nahmen, Von Völkern rings als Götter angebetet, Sie wagten frech Jehovah sich zu nahn, Der donnernd unter Cherubschaaren thronte Auf Zion, stellten selbst im Heiligthum Oft ihre Götzen auf, entheiligten Mit fluchbeladnen Dingen die Gebräuche Und hehre Gottesfeier, um sein Licht Mit ihrem Dunkel kecklich zu verhöhnen. Moloch zuerst, der schreckenvolle Fürst, Befleckt mit Menschenblut und Aelternthränen, Obwol durch das Gelärm' der Pauk' und Trommel Das laute Schrein der Kinder ward betäubt, Die durch das Feuer zu dem Götzen gingen. In Rabba und in dessen Wasserfläche Ehrt ihn der Ammonit, zu Argob und Zu Basan bis zum Strom des fernen Arnon. Mit trotziger Nachbarschaft noch nicht zufrieden, Bethört er auch durch Ränke Salomo's Hochweises Herz, daß er ihm Tempel baute, Dem Tempel Gottes gegenüber just Auf jenem Hügel, der mit Greul bedeckt, Daß er das reizendholde Thal von Hinnon, Tophet und schwarz Gehenna dann genannt, Ein Höllenvorbild, ihm als Hain ertheilte. – Dann nahte Chemos, Schreckbild Moabs Söhnen, Von Aroer bis Nebo, bis zur Wüste Von Abarim im Süden weithinein, In Hesebon und Horonaim Herrscher; In Seons Reich, noch weiter als das Thal Von Sibma, welches blüht' und weinumkränzt, Und Eleale bis zum Asphalt-Sumpf. Auch Peos hieß er, als er Israel Auf seinem Zug vom Nil zu Sittim reizte Ihn anzubeten, was sie schwer dann büßten. Von da dehnt er die üpp'gen Orgien aus Bis an den Hain des mörderischen Moloch Auf jenem Greuelhügel, Wollust wohnte Dicht bei dem Hasse; bis sie Beide dann Der fromme Josiah zur Hölle trieb. Dann kamen jene, die einst von der Flut Des alten Euphrat bis zu jenem Bach, Der Syriens Boden von Egypten scheidet, Baalim und Astaroth als Namen führten, Die männlichen, die weiblichen Geschlechts, Denn Geister können, wenn sie irgend wollen, Ein jegliches Geschlecht, ja beide führen, So zart und einfach ist ihr reiner Stoff: Durch Glieder und Gelenke nicht gezwängt, Noch auf der Knochen spröde Kraft gestützt, Wie plumpes Fleisch; nein, was auch für Gestalt Sie wählen, ob verdichtet, ob gedehnt, Licht oder dunkel, sie vermögen doch Die luftigen Geschäfte zu vollziehn Sowohl des Hasses Werke, wie der Liebe. Für sie verließ der Stamm von Israel Oft die lebendge Kraft, und ließ verödet Den heiligen Altar, sich tiefer beugend Vor thierischen Götzen; dafür wurden tief Auch ihre Häupter in der Schlacht gebeugt Und sanken vor den Speeren schnöder Feinde. Mit dieser Schaar kam Astaroth heran, Astarte von Phöniciern genannt, Die Himmelskönigin mit Mondeshörnern, Vor deren Bild nächtlich bei Mondenschein Sidoniens Jungfrau'n beteten und sangen; In Zion auch blieb sie nicht unbesungen, Wo auf dem Berg der Schmach ihr Tempel stand, Erbaut von jenem buhlerischen König, Deß großes Herz, von schönen Heidinnen Verführt, in niedern Götzendienst verfiel. Nach ihn kam Thammuz, dessen Wunde jährlich Zum Libanon die Töchter Syriens lockte, Um einen ganzen Sommertag hindurch In Liebesklagen sein Geschick zu singen, Und weil der Quell Adonis aus dem Felsen Ganz purpurn floß zur See, vermeinten sie, Es sei das Blut des jährlich wunden Thammuz. Dies Liebesmährchen weckte gleiche Glut In Zions Töchtern, deren Leidenschaft Ezechiel im heiligen Vorhof sah, Als durch Visionen seinem Auge ward Des falschen Juda Götzendienst gezeigt. Dann folgte der, deß Trauer ernstlich klagte, Als die gefangne Bundeslade wild Sein Bild zermalmte, Haupt und Hände selbst Im eignen Tempel ihm am Fußgesims Abschlug, daß rasch es auf den Boden stürzte Zur Schande der Verehrer, – dies war Dagon, Ein Ungeheuer des Meers, halb Fisch, halb Mensch, Doch hat er seinen Tempel hoch erbaut Zu Azot, längs dem Strande Palästina's, Gefürchtet auch, in Gad und Askalon, In Akkaron bis an die Grenzen Gaza's. Ihm folgte Rimmon, dessen Lieblingsort Damaskus war, an dem fruchtbaren Strand Abbana's, Pharphars, der krystallnen Ströme. Auch er war gegen Gottes Tempel frech, Verlor einst einen Kranken und gewann Dort einen König Abas, jenen Narren, Den keck er zwang, des Herrn Altar zu schänden, Und einen syrischen dafür zu baun, Auf dem man die verhaßten Opfer brannte, Und Götter ehrte, die er überwunden. Dann naht ein Zug mit Namen alten Rufs Osiris, Isis, Orus und ihr Troß. Mit Zauberei'n und räthselhaften Bildern Betrogen sie Egypten sammt den Priestern, Daß das fanatische Volk in Thiergestalt Anstatt in Menschenform die Götter suchte. Auch Israel entging nicht dieser Pest, Als ihr geborgtes Gold das Kalb erschuf Am Horeb, und der wildempörte König Die Sünd' in Bethel und in Dan verdoppelt', Als er den Schöpfer gleich dem Stiere formte, Jehovahn, der in einer Nacht zugleich, Als an Egypten er vorüberzog, Die Erstgebornen sammt den blöckenden Abgöttern schlug. – Zuletzt kam Belial, Gemeinrer Geist fiel von dem Himmel nie, Der nur das Laster um das Laster liebte; Ihm stand kein Tempel, rauchte kein Altar, Doch wer ist mehr in beiden wohl als er, Wenn selbst der Priester Gottesläugner wird, Wie Eli's Söhne, die mit Wollust einst Und mit Gewaltthat Gottes Haus beschimpften? An Höfen und Palästen herrscht er auch, In üppigen Städten, wo des Schwelgens Jubel Und Schuld sich über ihre höchsten Thürme Erhebt. Wenn Nacht die Straßen dunkel hüllt, Dann wanken Belials Söhne wild heraus Von Wein und frechem Uebermuth erfüllt. Die Straßen Sodoms waren Zeugen deß, Und jene Nacht in Gibeah, wo ein Weib Gastfrei man preisgab, Aergres zu verhüten. Die Ersten waren dies an Rang und Macht, Die Uebrigen zu nennen wär' zu lang. Wenn auch die Namen weit und breit berühmt, Ioniens Götter, von dem Stamme Javan's Verehrt als Götter, doch nach eigner Beichte Weit spätern Ursprungs als wie Erd und Himmel, Die hohen Eltern; Titan, Erstgeborner Des Himmels mit der ganzen Riesenbrut, Dem von dem jüngern Bruder, vom Saturn Das Recht der Erstgeburt entrissen ward. Saturn empfing von seinem Sohn mit Rhea, Vom Jupiter dafür ein gleiches Loos; So herrschte Jupiter! Zuerst bekannt War diese Schaar in Creta und auf Ida, Beherrschte dann auf des Olympus Schnee Die Mittelluft, als ihren höchsten Himmel, Auch auf der Klippe Delphis, zu Dodona, Entlang die Grenzen all des Dorerlands; Dann jene, welche mit Saturn entflohn Hesperien zu, hin über Adria, Der Celten fernstes Inselmeer durchstreifend. Sie all' und Andre kamen schaarenweis Doch mit gesenktem und betrübtem Blick, Worin ein schwacher Freudestrahl nur glänzte, Daß sie verzweifelt nicht ihr Haupt gefunden Und im Verlust sich selber nicht verloren. Zweideutige Röthe färbte sein Gesicht, Doch schnell den alten Stolz zusammennehmend Erhob er schmeichelnd ihren schwachen Muth Mit hohen Worten, die nach Würde klangen Ob sie gehaltlos auch, und bannte so Der Seinen Furcht. Sogleich befahl er dann, Daß unter lautem, kriegerischen Klang Der Zinken und Trompeten sein Panier Erhoben werde; dieser Ehre werth Hielt Azazel, ein stolzer Cherub, sich, Der unverweilt am glanz'gen Stabesschaft Die königliche Fahn' entrollt, die frei Ein Meteor im Windeszuge blitzte, Mit goldnem Prunk und Gemmen reich besetzt, Den Waffen und Trophän der Seraphim. Nun schallt aus lauterklingendem Metall Der kriegerische Ton, drin allgemein Der Krieger Schrei sich mischt, daß die Gewölbe Der Hölle dröhnen, und das Reich des Chaos, Die alte Nacht von außen selbst erschüttert. Im Nu sah man zehntausend Banner wehn, Durch's Dunkel in den hellsten Farben flatternd, Ein Wald von Speeren hob sich hoch empor, Es drängten Helme sich, geschloßne Schilde In dichten Reihn aus unermeßner Tiefe. In regelrechtem Phalanx schritten sie, Nach dorischen Flöten und Schalmeienklängen, Die vor der Schlacht des Alterthumes Helden Dereinst zum edelsten Gefühl erhob, Wuth ward gemildert zur Besonnenheit, Daß unbewegt sie Flucht und Rückzug mehr Als Sterben fürchteten; auch war's die Macht Der Töne den verstörten Sinn zu stillen, Und Zweifel, Furcht und Angst und Schmerz zu bannen Aus menschlichen und göttlichen Gemüthern. So rückten sie, vereinte Stärke hauchend, Mit festem Sinne, schweigend, unter sanftem Getön der Flöten an, das ihre Pein Beim Schreiten auf dem Glutgrund linderte. Jetzt hielten sie, als näher sie gerückt, In einer Schreckensfronte grauser Länge, Mit blendenden Waffen, wie sie Krieger tragen, Die lang bei Schild und Speer ergraut, erwartend, Was ihres mächtigen Oberhaupts Befehl. Rundum schweift sein erfahrnes Auge jetzt, Durchfliegt gewandt die ganze Kriegerschaar, Die Ordnung und ihr Aeußeres, wie Götter; Dann überzählt er sie, und Stolz erfüllt Sein Herz, und pocht verhärtet auf die Stärke. Denn nie, seitdem der Mensch erschaffen, ward Ein großes Heer gesehn, das im Vergleich Mit diesem nicht ein kleines Völkchen wär', Von Kranichen bekriegt, und wenn sich auch Mit ihm vereint die Riesenbrut von Pflegra, Die Helden, die bei Ilion und Theben Gefochten unter Götterschutz und Schirm, Ob auch mit ihm vereint die Ritterschaft Britaniens und Armorica's, die einst Mit Artus kämpfte, wie Romanzen melden, Sammt allen Gläub'gen und Ungläubigen, Die in Asparamont und Montalban, Damaskus und Marocco, Trapezunt Seitdem gefochten, oder sammt den Truppen, Die einst Biserta sandt' aus Afrika, Als Karl der Große mit den Palatinen Bei Fontarabia fiel. – So weit dies Heer Auch den Vergleich mit Menschen übertraf, So fügt es doch dem Führer sich, der Alle An Wuchs und Haltung, einem Thurme gleich Stolz überragte, denn noch hatte seine Gestalt nicht all den frühern Glanz verloren. Er sah wie ein gestürzter hoher Engel, Des Glanzes Uebermaß nur war verdunkelt; Wie wenn die eben aufgegangne Sonne Durch nebelhafte Luft des Horizonts, Beraubt der hellen Strahlen, schimmert, oder In düsterer Verdunklung hinterm Mond Ein Zwielicht wirft auf unsrer Erde Hälfte, Mit Furcht vor Wechsel Könige bedrohend: Also verdunkelt, doch vor Allen strahlend Stand Satan, auf der Stirne zwar die Narben Des Donners, und auf seiner welken Wange Das Mal des Kummers, aber wilder Muth Und Stolz lag in den Augenbrauen, die Auf Rache harrten; grimmig blickt das Auge, Doch reuig auch und schmerzlich, wenn es jetzt Die Mitgenossen seiner Schuld erblickt – Wie anders waren sie im Heil zu schaun – Verdammt zu gleichem, ewigen Loos der Pein; Millionen Geister, die durch seine Schuld Vom Himmel ausgestoßen, und dem ew'gen Licht Verschlossen waren, blieben doch ihm treu, Nach dem Verlust der ew'gen Glorie selbst: So streckt sich, wann des Himmels Glutenstrahl Waldeichen oder Bergesfichten trifft, Ihr stolzer Wuchs mit dem versengten Wipfel Und laubentblößt auf öder Haid' empor. Jetzt regt er sich zu sprechen, rasch umgeben Die Doppelreihen ihn und schließen dann Im Halbkreis ihn mit seinen Großen ein. Aufmerkend schweigen sie. Drei Mal beginnt, Und drei Mal bricht er, seinem Stolz zum Trotz, In Thränen aus, sowie sie Engel weinen; Zuletzt, gemischt mit Seufzen, fand er Worte: »O Myriaden von Unsterblichen, Ihr Mächte, die nur den Allmächtigen Als Gleichen haben – und mit ihm war selbst Der Kampf nicht ohne Ruhm, wiewohl zuletzt Furchtbar, wie dieser Ort bezeugt und Wechsel, Fluch! es zu sagen; doch welch eine Kraft Des Geistes, die des Wissens Quell, Vergangnes Und Gegenwärtiges enthüllen mochte, Ließ fürchten, daß solch einige Göttermacht Wie unsre, je vertrieben werden könnte? Denn wer kann jetzt, nach dem Verluste selbst Wol glauben, daß die Legionen all, Durch deren Sturz der Himmel leer geworden, Nicht wieder eigenmächtig sich erheben Und ihren Heimatsitz erobern würden? Das ganze Heer des Himmels zeuge mir, Ob ich voll Widerspruch gerathen, oder Gefahren scheuend, Hoffnung je verlor? Doch Er, der als Monarch des Himmels herrscht, Saß sicher auf dem Thron bisher, gestützt Auf alten Ruhm, Gewohnheit und Vertrag, Und prunkte mit dem königlichen Pomp, Doch barg er seine Kraft, was uns zum Kampfe Verlockt und unsern Sturz herbeigeführt. Nun kennen seine Macht wir und die unsre, So daß wir weder Ihn zum Kampfe reizen, Noch auch gereizt uns fürchten vor dem Krieg; Das Beste bleibt verborgen nun zu wirken Durch List und Trug, was nicht Gewalt vermocht; Damit er endlich von uns lerne, daß Wer durch Gewalt den Feind besiegt, nur halb Ihn überwunden hat. Erzeugen kann Der Raum noch neue Welten, denn die Sage Ging schon im Himmel, daß er eine Welt In Kurzem schaffen wolle, drin ein neues Geschlecht zu pflanzen, das mit gleicher Gunst Er segnen würde, wie des Himmels Söhne. Dahin vielleicht geht unser erster Ausfall, Und sei's als Späher. Sei's auch anderswo! Denn dieser Höllenpfuhl soll nimmermehr Des Himmels Geister ketten, noch das Dunkel Des Abgrunds lang sie decken. Doch der Plan Erfordert, daß im vollen Rath er reife, Dem Frieden Fluch! Wer denkt an Unterwerfung? Zum Kriege! Krieg! sei's offen oder heimlich!« Er sprachs, und zu bestätigen seine Worte, Erblitzten Millionen Flammenschwerter, Von mächtgen Cberubshüften rasch gezückt, Erleuchtet war die Hölle weitherum; Sie ras'ten gegen den Allmächtgen wild, Und schlugen grimmig mit geschwungnen Waffen Auf ihren klingenden Schilden Kriegeslärm, Zum Himmelsdom die stolze Fordrung brüllend. Unweit davon erhob ein Hügel sich, Deß großer Gipfel Rauch und Feuer spie, Sonst war der Berg von glanz'ger Rind' umstrahlt, Ein sichres Zeichen, daß in seinem Bauch Metallisches Erz, das Werk des Schwefels, war. Dort eilt beflügelt hin ein dichter Trupp Schanzgräbern gleich, mit Spaten und mit Schaufeln, Die vor dem königlichen Heere laufen, Das Feld mit Wall und Graben zu umziehn. Mammon voran, er, der gebeugteste Der Geisterschaar, die aus dem Himmel fiel. Im Himmel selbst war immer niederwärts Bei ihm Gedank' und Blick, bewundernd mehr Des Himmels reiches Gold auf dem Getäfel, Als all' das Heilige, was sich göttlich wies In seligen Visionen; erst durch ihn Erlernt der Mensch, die Tiefen zu durchplündern, Und mit verruchter Hand die Eingeweide Der Mutter Erde zu durchwühlen, nur Der Schätze halb, die besser drin verborgen. Geräumige Wunde hatte bald sein Trupp Im Berg geschlagen und des Goldes Rippe Herausgegraben. Niemand staun' etwa, Daß Reichthum in der Hölle Tiefe wachse, Des theuern Fluchs ist dieser Boden werth. Laßt Jene hier, die irdische Dinge preisen, Von Babel staunend reden und von Werken Der Könige von Memphis; lernen, wie Des Ruhmes größtes Monument voll Kraft Und Kunst von der verworfnen Höllenschaar Leicht übertroffen wird in einer Stunde, Was voller Fleiß kaum in Jahrhunderten Zahllose Menschenhände bilden können. Nah bei der Ebne schmelzt' in mancher Zelle, Auf deren Grund ein flüssig Feuer quoll Aus jenem See, ein zweiter Haufe künstlich Erzmassen, von dem Gold die Schlacken sondernd; Ein dritter hat im Boden schon gebildet Verschiedne Formen und erfüllt die Rinnen Durch wundersame Gäng' aus jenen Zellen: So wie der Schall in einer Orgel schnell Vom Windeshauch aus mancher Pfeife tönt. Dann aus der Erde stieg ein Riesenbau Gleich einem schnellen Dunst empor, beim Klang Der zartsten Melodien und reinsten Stimmen, In Tempelform, mit Pfeilern ringsumbaut, Und dorischen Säulen, deren Architrav Von Golde war; auch fehlte weder Fries, Kranzleisten, noch erhabene Sculptur, Das Dach war ächtes Gold. Nicht Babylon Noch Alcairo reicht' an diese Pracht, Wenn sie im größten Flor für ihre Götter Belus, Serapis Tempel bauten oder Paläste für die Fürsten, als an Reichthum Und Pomp Egypten mit Assyrien stritt. Die Säulen standen stattlich und vollendet, Die ehernen Flügel öffnet schon das Thor, Enthüllt den weithin ausgedehnten Raum Auf glattem Estrich; vom gewölbten Dach Hängt durch Magie so manche Reihe Leuchter Und Sternenlampen, von Asphalt und Naphta Genährt und voller Glanz wie Himmelslicht. Bewundernd trat der hastige Haufen ein, Der pries das Werk und jener dort den Meister, Deß Hand berühmt durch manchen hohen Bau Im Himmel war, wo ihren Thron die Engel Mit Sceptern hatten und wie Fürsten saßen, Weil sie der höchste Herr mit Macht begabt, Der sie beherrschen ließ die lichten Schaaren, Und Jeden zwar im eigenen Bezirk. Sein Name war bekannt und hochgeehrt In Griechenland; und in Ausonien Ward er vom Volke Mulciber genannt, Und da er aus dem Himmel stürzte, ging Die Sage, daß ihn Zeus geschleudert habe Im Zorn herab von den krystallnen Zinnen, Wo er vom Morgen bis zum Mittag fiel, Und immerfort bis zum bethauten Abend; Worauf er mit der Sonne vom Zenith Ein fallender Stern herab auf Lemnos sank, – Doch irrte das Gerücht, denn dieser fiel Schon lang vorher mit der Rebellenschaar, Nichts frommt es ihm, daß er erhab'ne Dome Im Himmel thürmte, denn mit allen Künsten Ward häuptlings er mit seiner ems'gen Schaar Herabgestürzt, die Hölle zu bebaun. Indeß verkünden auf Befehl des Satans Beschwingte Heroldsboten mit Trompeten Und hohem Pomp dem Heere feierlich: Daß sich der höchste Rath versammeln möge In Pandämonium, als dem hohen Sitz Des Satans und der Seinen; ihre Ladung Berief von jeder Schaar und Legion Die Würdigsten nach Stellung oder Wahl. Gleich nahten sie von Tausenden begleitet, Durch jeden Zugang war Gedräng. Die Thore, Vorhallen, und zumeist die große Halle (Sie glich mehr einem überdeckten Feld, Wo Kämpfer sich auf Rossen tummelten Und vor des Sultans Thron die besten Ritter Der Heiden in den Zweikampf forderten) War dicht umschwärmt, und Erd' und Luft erklang Vom Rauschen ihrer Flügel. Wie die Bienen Im Lenz, wann in den Stier die Sonne tritt, Ihr zahlreich Völkchen aus dem Stock in Schwärmen Aussenden, und auf Blumen hin und her Im Thaue fliegen, oder auf dem Bret, Dem glatten Hof der strohgeflochtnen Burg, Mit Balsam neu bestrichen, die Geschäfte Des kleinen Staats berathen: also dicht Drängt sich das luftige Heer, bis ein Signal Ertönt – und sieh ein Wunder! die vorhin Der Erde Riesen überragten, sie Sind kleiner als die kleinsten Zwerge jetzt, Und dringen zahllos in den engen Raum, Wie die Pygmä'n, jenseits von Indiens Bergen; Wie Elfen, deren mitternächtigen Tanz Bei einem Waldplatz oder einem Quell Der Landmann sieht, vielleicht auch träumt zu sehn; Indeß der Mond herrscht über seinem Haupt, Im blassen Gange sich der Erde naht, Ergötzen jene, nur auf Scherz bedacht, Das Ohr ihm mit der lieblichsten Musik, Daß Lust und Furcht zugleich im Herzen wallen. So schufen diese körperlosen Geister Aus Riesenform die niedlichste Figur, Und saßen ganz geraum, wiewohl unzählig, Inmitten dieser unterirdischen Halle. Doch tiefer drin, und im gehörigen Maß Sich selbst gleich, saßen im verborgnen Raum Geheim die Seraphim und Cherubschaar, Zahlreich auf goldnen Sesseln, wol an tausend Halbgötter. Dann begann nach kurzem Schweigen, Verles'nem Aufgebot der große Rath. Zweiter Gesang Zweiter Gesang. Hoch auf dem Thron von königlichem Prunk, Der all den Reichthum Indiens und Ormuz's, Wie den, wodurch des Ostens reiche Hand Mit Perl' und Gold die Fürsten überströmt, Weit überstrahlte, saß der Satanas. Durch sein Verdienst zu solcher Höh' erhoben Und durch Verzweiflung über alles Maß Gestiegen, strebt er höher noch hinaus, Um unersättlichen, doch eitlen Krieg Mit Gott zu führen, achtlos des Erfolgs, Enthüllt er seine stolzen Pläne so: »Ihr Herrschermächte, Herrn und Himmelsgötter, Weil keine Tief' im Abgrund ew'ge Kraft, Wenn auch gestürzt sie ist, erhalten kann, Geb' ich noch nicht den Himmel für verloren. Von diesem Fall erstehend, wird die Kraft Die himmlische, weit herrlicher erscheinen, Und hat den zweiten Fall nicht zu befürchten. Zwar hat mich Recht und himmlisches Gesetz Zu eurem Haupt erwählt, dann freie Wahl, Nebst dem, was ich im Rath und im Gefecht Mir an Verdienst erwarb; doch der Verlust, So weit er wiederum ersetzt, hat mir Den Thron, noch unbeneidet, mehr befestigt, Den volle Beistimmung mir übergab. Des Himmels Heil, von Würde stets begleitet, Mag im Geringern wohl den Neid erregen, Doch wer beneidet Den, deß höchster Stand Zum Ziel des Donnerers zuerst ihn stellt, Als euer Bollwerk, und verdammt zur Fülle Endloser Pein? Wo keine Güter winken Als Kampfesziel, regt sich kein Streit zur Spaltung; Denn Keiner wünscht der Hölle Vorzug wol, Und Keiner, dessen Qual nur wenig wiegt, Wird größre noch verlangen. Einigkeit Und feste Treue, wie sie kaum im Himmel, Läßt unser altes rechtes Erbe fordern, Gewisser des Erfolgs, als je das Glück Uns zuertheilte; was der beste Weg, Ob offnes Kämpfen, ob verdeckte List, Erwägen wir: wer Rath weiß, möge sprechen.« Er schwieg, und ihm zunächst stand Moloch auf, Ein sceptertragender Fürst, der stärkste Geist, Der wild im Himmel focht, und wilder jetzt Noch aus Verzweiflung war; er hielt an Stärke Dem Ewigen sich gleich und wollte lieber Nicht sein, als weniger; bei diesem Glauben Schwand alle Furcht, um Gott, um Höll' und Aerg'res Ganz unbekümmert, sprach er diese Worte: »Mein Rath ist offner Krieg, nicht rühm' ich mich Der List, worin ich unerfahren bin; Laßt Dem sie, wem sie nöthig, oder wenn Sie nöthig, nur nicht jetzt. Soll, während Solche Nachgrübelnd sitzen, die bewaffnete Million, die das Signal zum Kampf ersehnt, Als Flüchtlinge des Himmels müßig schmachten, Als Wohnsitz diesen dunkeln Pfuhl der Schmach, Den Kerker seiner Tyrannei, der nur Durch unsre Zögerung regiert, empfangen? Nein, laßt uns lieber mit der Hölle Feuer Und Wuth uns waffnen, um auf Einmal all' Unwiderstehlich zu des Himmels Zinnen Vorschreitend unsre Marterqual als Waffe Dem Peiniger entgegen zu verwandeln. Dann soll auf seines Wurfgeschosses Tosen Der höllische Donner dröhnen; statt des Blitzes Nur schwarze Glut, mit gleicher Wuth geschossen, Die Engelschaar umlodern und sein Thron Mit Schwefel sich und fremdem Feuer, erst Als Folter uns erwählt, umflutet sehn. Doch Manchem scheint vielleicht der Weg zu steil Mit ausgespreizten Schwingen gegen jenen Gewalt'gern Feind; drum laßt bedenken uns, Wenn nicht der Trank aus dem Vergessenspfuhl Sie noch umnebelt, daß wir in die Heimat In uns gebührender Bewegung steigen, Zu fallen, wär' zuwider unserm Wesen. Wer fühlte jüngst nicht, als der trotz'ge Feind An des geschlagnen Heeres Nachtrab hing, Uns in die Tiefe trieb, mit welchem Zwang Und mühevollem Flug so tief wir sanken? Aufsteigen ist drum leicht, der Ausgang ist Gefürchtet; reizten wieder wir den Stärkern, Kann schlimmre Wege zum Verderben uns Sein Zorn erwählen, wenn wir in der Hölle Noch Furcht vor ärgerer Zerstörung kennen. Was giebt es Schlimmres wohl, als hier zu wohnen, Fern von der Seligkeit, in grauser Tiefe, Zu grenzenlosem Weh verdammt zu sein? Wo unauslöschbar quälend Feuer uns Ganz ohne Hoffnung eines Endes foltert, Als seines Zorns Vasallen, wenn die Peitsche Und Folterstund' uns ruft zur Züchtigung? Noch mehr zerstört, als jetzo, würden wir Durchaus vernichtet sein und aufgerieben. Was fürchten wir, was zaudern wir, den Zorn In ihm auf's Aeußerste zu reizen? Wenn Zur größten Wuth wir ihn entflammen, wird Er uns zerstören und in Nichts verwandeln, Ein größer Glück, als ewig elend sein! Wenn aber unser Wesen göttlich ist, Nicht lassen kann zu sein, so droht uns auch Nichts Schlimmres mehr, und die Erfahrung spricht Für unsrer Kräfte Fülle, seinen Himmel Zu stören und mit stetem Kampfe seinen Zwar unersteiglich grausen Thron zu schrecken. Ist dies nicht Sieg, so ist's doch mind'stens Rache.« Er endete mit finstrer Stirn, sein Blick Verkündet Rache der Verzweiflung, Krieg, Gefährlich für Geringere, denn Götter. Drauf regt sich Belial auf der andern Seite, Mehr zierlich, so wie menschlich an Geberde. Wohl schönern Geist verlor der Himmel nie, Er schien gebildet nur für würd'ge Thaten, Doch Alles war noch falsch und hohl an ihm, Obwol ihm Manna von der Zunge floß, Daß selbst die schlimme Sache besser schien, Womit der reifste Rath vereitelt ward. Sein Sinn war niedrig, nur für Laster emsig, Bei edlern Thaten aber feig und träg'; Dem Ohre schmeichelt seine Rede wohl, Und überredend sprach er sanften Tones: »Ich stimme ganz für offnen Krieg, ihr Herrn, Denn in dem Hasse steh' ich Keinem nach, Wenn nicht der Grund, der angeführet ward, Um unbedingt den Krieg uns anzurathen, Mir ihn am meisten widerrieth' und schlimme Vorahnung dem Erfolg zu drohen schien; Wenn er, der in den Waffen ausgezeichnet, Dem eignen Rath, so wie dem Krieger selbst Mißtrauend auf Verzweiflung und Vernichtung Den Muth begründet, als ob dies der Zweck, Das ganze Streben grausenvoller Rache. Doch welche Rache! Sind ja doch die Zinnen Des Himmels mit Bewaffneten besetzt, Die jeden Zugang unerreichbar machen. Oft lagern Legionen an dem Rand Des Abgrunds, mit den dunkeln Schwingen tief Und weit in's Reich der Nacht hinein zu spähn, Des Ueberfalles spottend. Könnten wir Bahn brechen uns zum Himmel mit Gewalt, Und folgte mit der schrecklichsten Empörung Die Höll' uns auf den Fersen, um des Himmels Licht zu vertilgen, würde dennoch unser Gewalt'ger Feind unüberwindlich auf Dem ewig unbefleckten Throne sitzen, Und der äther'sche Stoff, der Flecken bar, Vermöchte bald das Unheil auszustoßen, Vom niedern Feuer glorreich sich zu läutern. Zurückgeschlagen so, bleibt unsre Hoffnung Verzweiflung nur; wir müssen den Allmächt'gen Erbittern und zu höchster Wuth ihn reizen, Die uns vernichtet und dann unser Nichtsein Als Heilung bringt; o schreckenvolle Heilung! Wer würde wohl, wenn er auch voller Qual, Dies geist'ge Sein verlieren, die Gedanken, Die durch die Ewigkeiten wandern, nur, Um zu vergehn, verloren und verschlungen Vom weiten Schooß der unerschaffnen Nacht, Bewegungslos und des Gefühls beraubt? Wer weiß, wenn dies ein Gut auch selber wär', Ob der ergrimmte Feind es geben kann, Und ob er's jemals will? Ob er es kann, Ist zweifelhaft; daß er's nicht will, gewiß. Wird er, der Weise, seinen Zorn auf einmal Entzügeln, um aus Unbedacht und Schwäche Den Feinden ihr Begehren zu erfüllen? Im Grimm sie zu vernichten, die sein Grimm Endlosen Strafen aufbewahrt? Was zaudern! So rufen Jene, die zum Kriege rathen, Wir sind zu ew'gen Leiden ja bestimmt, Was wir auch immer thun, was können wir Noch mehr erdulden und wohl Schlimm'res leiden? Ist es das Aergste, daß berathend wir Also im Waffenschmuck hier niedersitzen? Wie, wenn wir schnell entflöhn, verfolgt, getroffen Vom Himmelsdonner und die Tiefe bäten, Uns zu beschirmen? Dann erscheint die Hölle Uns Zuflucht für die Wunden. Oder wenn Gekettet auf dem Feuersee wir lägen? Dies wär' ja ärger noch. Wie, wenn der Hauch, Der dieses grimm'ge Feuer zündete, Zu siebenfacher Wuth er steigern wollte, Um in die Flammen uns zu stürzen? Oder Von oben die beruhigte Rache wieder Die rothe rechte Hand bewaffnete, Uns neu zu quälen? Wie, wenn alle Räume Geöffnet und der Hölle Firmament In Feuerkatarakten sich ergösse Und niederhängende Schrecken unsre Häupter Mit grausevollem Einsturz einst bedrohten, Indessen wir vielleicht glorreichen Kampf Berathen, und ein Feuerstrudel uns Ergriff und an die Felsen heftete, Ein Spiel und Raub der wilden Wirbelwinde, Wenn wir in Ketten für die Ewigkeit In jenen siedenden Ocean versänken, Dort unter ew'gem Stöhnen, unerleichtert, Mitleidlos, unerlöst, jahrtausendlang Ganz hoffnungslos zu weilen? Aerger wär's! Zum Krieg, zum offnen, zum verborgenen, Mag ich mit meiner Stimme drum nicht rathen. Was thäte List und Stärke wider Den, Der Alles ja auf Einmal übersieht? Von Himmelshöhn verlacht er all die eitlen Empörungen, und macht all' unsre Pläne Zu nichte, weil er der Gewalt durch Allmacht Zu widerstehn vermag. Im Elend leben, Wie sollten wir's, ein Volk des Himmels, das Gedrückt, verstoßen, Qual und Ketten trägt? Eh' dies als Aerg'res – ist mein Rath, dieweil Ein unvermeidlich Schicksal uns bewältigt, Der Wille des Besiegers und sein Rath. Und leiden, so wie handeln können wir; Gerecht ist das Gesetz, das es befiehlt. Wenn klug wir waren, riethen wir dazu Schon damals, als wir mit dem mächt'gen Feind Es wagten, wo der Sieg so ungewiß. Ha! lachen muß ich, zittern solche, die Kühn auf die Waffen trotzten, wenn sie fehlen, Und Jenes fürchten, was doch, wie sie wußten, Erfolgen mußte: Schande, Ketten, Elend Und Pein, wozu der Sieger sie verdammt. Dies ist nun unser Loos, und wenn wir's dulden, Wird unser höchster Feind vielleicht dereinst Ablassen von dem Zorn, und so entfernt Von ihm beleid'gen wir ihn nicht, und er Begnügt mit der ertheilten Strafe sich. Dann wird sich mindern auch des Feuers Wuth, Sobald sein Athem nicht die Flammen facht Das rein're Wesen überwindet dann Den grassen Dampf; vielleicht auch würden wir, Daran gewöhnt, ihn nicht mehr fühlen, oder Verändert und mit diesem Ort vertraut, Die Schmerzen nicht der grimm'gen Hitze fühlen; Der Schrecken wird uns mild, das Dunkel hell. Wer weiß, welch eine Hoffnung die beständ'ge Flucht künft'ger Tage mit sich bringen kann, Welch einen Wechsel, werth, darauf zu warten, Da unser jetzig Loos zwar glücklich nicht, Nur schlimm ist; schlimm jedoch das schlimmste nicht, Wenn wir uns selbst nicht größres Weh erzeugen.« Also rieth Belial, gehüllt die Worte In der Vernunft erborgtes Kleid, zur Ruh', Zu freudevoller Trägheit, doch nicht Frieden, Und nach ihm redete der Mammon so: »Entweder streiten wir, wenn Krieg das Beste, Damit den Himmelskönig wir entthronen Und wiederum verlornes Recht gewinnen. Ihn zu entthronen können dann wir hoffen, Sobald das ew'ge Schicksal sich in Zufall Verwandelt und das Chaos Richter wird. Das Erstere zu erhoffen, ist zu eitel So wie das Letztre. Welchen Platz im Himmel Vermögen zu erringen wir, wenn nicht Den höchsten Herrn des Himmels wir bezwingen? Wenn er besänftigt uns auch Gnade böte, Sobald Gehorsam wir und Treu verhießen, Mit welcher Stirne beugten wir uns ihm, Um des Befehls zu lauschen, seinen Thron Mit Hymnen hoch zu feiern, seiner Gottheit Gezwung'nes Halleluja singend, während Als Herr er auf dem Thron beneidet herrschte, Und sein Altar ambrosisch duftete Von Blumen, die wir sclavisch opferten? Dies wär' im Himmel unser Tagsgeschäft Und unsre Lust; welch eine Ewigkeit, Wenn, den wir hassen, wir verehren müßten. Drum laßt uns nicht den frühern prächtigen Vasallenstand auf's Neue jetzt erstreben, Da wir unmöglich durch Gewalt ihn zwingen, Und ihn verschmähn, wenn selbst ihn Gnade reicht. In uns allein sei unsre Seligkeit, Für uns allein zu leben, sei es auch In dieser Wüste hier, damit wir frei Und unabhängig statt des leichtern Jochs Des Sclavenpomps die schwere Freiheit wählen. Im schönsten Licht wird unsre Größe glänzen, Wenn Großes wir aus Kleinem, Nützliches Aus Schädlichem und Heil aus Unheil schaffen, Und wo es sei, wenn unter Uebeln wir Zunehmen und durch Leiden und durch Mühen Vergnügen aus der Marter ziehen können? Und graut es uns vor dieser tiefen Welt Der Finsterniß? Wie oft erwählt der Höchste In dichten dunkeln Wolken seinen Sitz, Ganz unbeschadet seines Glorienscheins, Wann er den Thron mit aller Majestät Der Finsterniß umzieht, mit Donnerbrüllen, So daß an Wuth der Himmel gleicht der Hölle! Wie unser Dunkel er nachahmen kann, So werden wir's wohl auch mit seinem Licht! Auch diese Wüste hat verborgnen Glanz An Gold und Edelstein, uns fehlt es nicht An Kunst und an Geschick, vortreffliche Gebäude zu vollenden, und vermag Der Himmel mehr? Was unsre Pein jetzt ist, Wird mit der Zeit zu unserm Element; Mild wird das Feuer, das uns jetzo quält, Nach seinem Wesen ändert sich das unsre, Was auch das Schmerzgefühl entrücken wird. Kurz Alles mahnt zu friedlichen Gedanken, Läßt uns erwägen, wie in unserm Jammer Wir uns am besten helfen, wohl bedenkend, Was jetzt und wo wir sind; doch ferne sei Die kriegerische Lust. Dies ist mein Rath.« Kaum schwieg er, als ein solch Geräusch entstand In der Versammlung, als ob hohle Felsen Den Schall von brausenden Winden fangen, so Die ganze Nacht die See durchwühlt und jetzt Ermüdete Matrosen heisern Tons Einschläfern, wann die Barke nach dem Sturm In felsiger Bai durch Zufall ankerte: Ein solcher Beifall klang nun allgemein, Als Mammon schloß, denn es gefiel der Rath Zum Frieden Allen, welche vor der Hölle Nicht so erbebten, als vor neuer Schlacht. So wirkte jene Furcht vor Michaels Schwert Und seinem Donner noch in ihrem Innern, So wie der Wunsch, das Höllenreich zu gründen, Das sich durch Politik im Lauf der Zeit Wetteifernd mit dem Himmel heben könnte. Als Beelzebub, der Höchste neben Satan Die Stimmung sah, erhob er sich mit ernstem Antlitz, als wie der Pfeiler eines Staats. Auf seiner Stirn war Ueberlegung tief Und Sorge für's Gemeinwohl eingegraben, Entschlossenheit erglänzte majestätisch Auf seinem Antlitz, selbst noch im Verfall. Ein Weiser stand er mit des Atlas Schultern, Stark das Gewicht des größten Reichs zu tragen. Sein Blick gebot Gehör und Ruhe rings, Wie die der Mitternacht und Mittagsluft Im Sommer, während er die Worte sprach: »Ihr Herrschermächte, die vom Himmel stammen, Voll Aetherkraft! Wie, sollten diesen Titel Wir jetzt verändern und uns Höllenfürsten Mit einmal nennen, denn des Volkes Stimme Scheint dies zu wollen, um uns hier ein Reich, Das mit der Zeit erwachse, zu erbauen. Es träumt und weiß nicht, daß des Himmels König Zum Kerker uns nur diesen Raum erwählt, Als Zuflucht nicht vor seinem mächt'gen Arm, Wo frei wir von des Himmels Herrschaft leben Im neuen Bunde gegen seinen Thron: Nein, daß wir in den strengsten Banden hier Verbleiben, und, ob ferne selbst von ihm, Im unvermeidlich harten Joche stehn Als wohl verwahrte, schwer gefang'ne Schaar. Denn in der Höh' und Tiefe wird allein Er als der erst' und letzte König herrschen Und durch Empörung keinen Theil des Reichs Jemals verlieren, sondern sein Gebiet Bis in der Hölle tiefen Raum erweiten Und uns mit einem Eisenscepter hier, Dem goldnen gleich im Himmel, stets regieren. Was rathen wir auf Krieg und Frieden noch? Der Krieg hat unser Schicksal schon bestimmt, Den unersetzlichsten Verlust gebracht. Den Frieden hat noch Niemand uns geboten, Noch suchten wir ihn je, denn nimmer wird Uns Sclaven andrer Frieden wol gewährt, Als Ketten, Geißel und der Willkür Strafe. Und welchen Frieden gäben wir dafür, Als Feindschaft nur und Haß nach unsrer Macht, Nur unbezähmten Widerstand und Rache, Die, langsam zwar, doch stets auf Pläne sinnt, Des Sieges Lust dem Sieger zu entziehn, Daß Ihn am mindesten erfreuen möge, Was er uns thut, und wir am meisten leiden? Gelegenheit wird uns dazu nicht fehlen, Auch brauchen wir nicht mit Gefahr des Kampfs Den Himmel anzugreifen, dessen Mauern Nicht Sturm noch Ueberfall der Tiefe fürchten. Wie, wenn wir einen leichtern Plan erdächten? Es giebt ja einen Ort, (wenn jenes alte Weissagende Gerücht im Himmel wahr!) Die sel'ge Welt des neuerschaffnen Volkes, Das man die Menschen nennt und das schon jetzt Geboren ward nach unserm Ebenbild; Nur nicht wie wir so herrlich und gewaltig, Doch von dem Herrscher droben mehr begünstigt. Denn so erklärt' er Göttern seinen Willen, Bekräftigt' ihn mit einem solchen Eide, Daß rings des Himmels Kreis erschütterte. Darauf geh' unser ganzes Denken jetzt, Was für Geschöpfe dort wol wohnen mögen, Von welchem Stoff und welchen Gaben sie, Was ihre Macht und ihre Schwäche sei, Und wie am besten sie zu hintergehn; Ob mit Gewalt, vielleicht auch wol mit List. Obwol der Himmel uns verschlossen ist, Der ew'ge Richter in dem Himmel thront In seiner eignen Stärke, kann doch immer Uns dieser Ort mehr offen sein, als Grenze Von seinem Reich, und die Vertheidigung drin Den eigenen Bewohnern überlassend. Hier wird vielleicht ein Vortheil rasch erreicht; Wenn plötzlich seine ganze Schöpfung wir Mit Höllenglut verderben oder Alles Als unser Eigenthum zu nehmen suchen, Und dann, wie wir vertrieben wurden, auch Die schwächlichern Bewohner dort verjagen, Und geht es nicht, sie dort zu unsrer Schaar Verleiten, daß sie ihren Gott befeinden, Bis reuig er sein eignes Werk zerstört. Gemeiner Rache käme dies nicht gleich: Und seine Lust an unsrer Schande wich', Indem wir seines Grolls uns freuen würden, Wenn die geliebten Seelen zu uns nieder Gestürzt, ihr schwaches Urbild und ihr Glück So früh gewelkt, verfluchten. O bedenkt: Ob dieses des Versuches würdig sei, Und besser wol, als in der Finsterniß Zu sitzen hier, auf eitle Reiche brütend.« So teuflisch gab Beelzebub den Rath, Den Satan erst zum Theile vorgeschlagen; Denn von dem Urquell alles Bösen konnte Solch eine tiefe Bosheit nur entspringen; Um bis zur Wurzel das Geschlecht der Menschen Verderbend, Erd' und Hölle zu vermischen; Und dies dem großen Schöpfer nur zum Trotz; Doch mehrt ihr Trotz nur seine Herrlichkeit. Der kühne Plan gefiel der Höllen Schaar, In jedem Auge funkelte die Freude. Einmüthig stimmten Alle sie dafür, Worauf er dann auf's Neue redete: »Mit Recht entschiedet ihr den langen Streit, Und habt als Götter eurer Größe nach Die größte That beschlossen, die dereinst Zum Trotz dem Schicksal aus der tiefsten Tiefe Zu unserm alten Sitz uns heben wird Vielleicht zu jenen klaren Grenzen auf, Von wo wir mit den nachbarlichen Waffen Bequem den Himmel wieder stürmen können; Und wenigstens in mildrer Zone dann, Verlassen nicht vom schönen Himmelslicht, Verweilen, um am Strahl des Orients Dies Dunkel wegzubaden, wenn die Luft Uns sanft und lieblich all die Narben dieser Glutklumpen heilt, indem sie Balsam haucht. Wer aber soll die neue Welt erspähn, Und wer genügt, den finstern, bodenlosen Abgrund gewandten Schritts zu untersuchen, Und wer soll durch die fühlbar dichte Nacht Den ungebahnten Weg ergründen, oder Den luft'gen Flug entfalten, unermüdlich Die Schwingen über wüste Klüfte tragen, Eh jenes Eiland er des Glücks erreicht? Und welche Kunst und Stärke gnügte dann, Und welche List, um jene scharfen Wachen Der aufgestellten Engelschaar zu täuschen? Hier braucht es Vorsicht wie bei unsrer Wahl, Denn Jener, den wir dorthin ausgesandt, Trägt das Gewicht der ganzen letzten Hoffnung!« – Er sprach's und setzte sich. Erwartung hielt Erhoben seinen Blick: wer wol erschien, Wer loben oder widerrathen würde Und wagen den gefährlichen Versuch. Doch Alle saßen stumm, – mit ernstem Sinn Erwägend die Gefahr; und Jeder las Bestürzt in seines Nachbars Angesicht Die eigne Furcht. Und Keiner ward gefunden Von dieser besten Schaar der Himmelsstürmer, Der keck sich zu der schreckenvollen Reise Erbieten wollte, bis der Satan endlich, Den jetzt ein klarer Glorienschein erhob, Monarch'schen Ruhm's und Werthes sich bewußt, Zu seinen niedrigern Gefährten sprach: »Nachwuchs des Himmels! Lichtverklärte Throne! Mit Recht hat tiefes Schweigen uns ergriffen Und Bangigkeit, obwol wir unverzagt. Lang ist der Weg und hart, der aus der Hölle Zum Lichte führt, und unser Kerker fest, Dies ungeheure flammende Gewölbe, Das uns zu schlingen droht, ummauert uns Neunfach; und Thore brennender Demanten, Geschlossen drohen starr sie jeden Ausgang. Käm' Einer durch, so fängt ihn gleich die Tiefe Der wesenlosen Nacht, die öde gähnt; Und drohet ihm mit dem Verlust des Seins, Sobald er den fruchtlosen Schlund erfüllt. Naht dann er einer unbekannten Welt, Wo sie auch sei, was bleibt ihm als Gefahren, Die er nicht kennt und wo er kaum entrinnt? Doch würd' ich diesen Thron entweih'n ihr Fürsten, Die königliche Herrschaft glanzgeschmückt, Wenn mich ein Plan für's allgemeine Wohl Gleich durch den Schein von Wagniß und Gefahr Vom Unternehmen abzuschrecken wagte! Warum erhielt ich diese Königswürde, Und schlage sie nicht aus, wenn ich mich weig're Jetzt die Gefahr so wie den Ruhm zu theilen, Wie's einem Herrscher ziemt, dem mehr Gefahr Gebührt, da hoch er über Andre thront. Geht drum gewalt'ge Mächte, zwar gefallen, Doch stets des Himmels Schrecken, und bedenkt Daheim, weil hier doch unsre Heimath ist, Was wol am Besten unser Elend lindern Und uns die Höll' erträglich machen kann, Wenn Heilkunst oder Zauberei die Pein Wird mindern, stillen oder bannen können. Auch unterlaßt nicht, auf den Feind zu achten, Der wachsam ist, indeß ich alle Küsten Der nächtigen Verwüstung rings durchschweife, Errettung uns zu suchen; denn es soll Niemand dies Unternehmen mit mir theilen.« Dies sprechend hob sich der Monarch empor Und hinderte, daß Jemand ihm erwid're; Weil einige Häupter jetzt, da sie wol wußten Daß sie nur abgewiesen würden, sich zu dem Erböten, was sie erst mit Furcht erfüllt, Und abgewiesen selbst, doch in den Ruf Als Nebenbuhler kämen, und den Ruhm, Den er durch hartes Wagniß ernten mußte, Wohlfeil gewönnen. Doch sie fürchteten, Wie die Gefahr – auch seines Worts Verbot; Und All' erhoben sich mit ihm zugleich, So daß es ringsum rauschte wie der ferne Hinrollende Donner. Darauf beugten sie Sich ehrfurchtsvoll vor ihm zur Erde, priesen Als einen Gott ihn, der dem Höchsten gleich. Auch rühmten sie als eine Heldenthat, Daß er zu Aller Heil sein eigenes Aufopferte; denn die verdammten Geister Verlieren nimmer gänzlich ihre Tugend, Auf daß die schlechten Menschen sich nicht rühmen Der bessern That, wozu sie Ruhmbegier, Ehrgeiz im Schein des Eifers nur bewogen. So schlossen sie den zweifelvollen Rath, Ihr unvergleichlich Haupt mit Jauchzen preisend: Wie wenn die düstren Wolken von den Gipfeln Der Berge steigen und der Nordwind schläft, Das Angesicht des Himmels überwallend, Und dann ein trübes Element auf's Land Schnee oder Regenschauer schüttet, und sodann Der Sonne letzter Strahl zum lieblichen Lebwohl erglänzt, das Feld sich neu belebt, So daß die Vögel singen, Heerden blöken, Und Berg und Thal die Freude widerhallt. O Schmach der Menschen! Selbst die Teufel hält Eintracht und Frieden mit einander fest: Die Menschen nur von den vernunftbegabten Geschöpfen spalten sich, wiewol sie unter Des Himmels Gnade. Gott verkündet Frieden, – Sie aber hegen Feindschaft, Haß und Kampf, Und führen Krieg, die Erde graß verwüstend, Um sich einander zu zerstören; als ob nicht Der Mensch genug der Höllenfeinde hätte, Die Tag und Nacht auf sein Verderben lauern, Was just zur Einigkeit ihn leiten sollte. So aufgehoben war der Hölle Rath. In Ordnung kamen nun die hohen Fürsten Den mächtigen Satan in der Mitte führend, Der schon allein ein Himmelsstürmer schien, Und furchtbar war als Herr des Höllenreichs; Ein Kreis von feurigen Seraphim umschloß Mit Pomp und nachgeahmtem Himmelsstaat Ihn rings, in hellen Wappenröcken strahlend; Dann ward befohlen, daß der Reichsbeschluß Verkündet werde mit Trompetenschall, Flugs gegen die vier Winde setzten vier Der schnellsten Cherubim an ihren Mund Das klingende Metall, und bliesen drein. Die Heroldstimmen künden den Beschluß, Die hohle Tiefe hört sie fern und nah; Das Höllenheer erwidert jauchzend ihm Mit Beifallsschrei'n. Beruhigt und von falscher Hoffnung ermuntert, theilten sich die Mächte, Ein Jeglicher nahm seinen eignen Weg, Wie Neigung oder Wahl ihn irre führte, Um Ruhe dem unstäten Geist zu suchen, Daß er die trüben Stunden froh verbringe, Bis jenes hohe Haupt zurückgekehrt. Wetteifernd auf der Ebne mit einander, Versuchten sie im schnellen Laufe sich, Und schwangen in der Luft sich mit den Flügeln, Wie im Olympischen Spiel auf Pythons Feld. Die Andern zähmten ihre Feuerrosse, Umfuhren mit der Wagen Flug das Ziel, Und bildeten aus Schaaren Vorderreihn: Wie wenn zur Warnung stolzer Städte, Krieg In trüber Luft erscheint und in den Wolken Zum Kampfe Heere stürzen, rücken vorn An jeden Flügel luftige Kämpfer an, Mit eingelegtem Speer bis dichtre Schaaren Sich bilden, und der Himmel von den Thaten Von einem Ende bis zum andern glüht. Ein andrer Theil noch grimmiger gestimmt, Reißt mit typhonisch ungeheurer Wuth Die Felsen aus, und fährt auf Wirbelwinden; Die Hölle faßt dies wilde Toben kaum: So riß einst der Alcide, sieggekrönt, Zurückgekehret von Oechalia, Das Giftgewand mit Schauderqualen fühlend, Thessaliens Tannen sammt der Wurzel aus, Und schleuderte den Lichas von dem Gipfel Des Oeta in Euböa's fernen See. Noch Andre, die von sanfterem Gemüth, Ziehn sich in stilles Thal zurück und singen Mit Engeltönen zu der Harfe Klang Die eignen Heldenthaten, ihren Sturz Durch Kriegesloos, und klagen das Geschick, Daß freie Tugend der Gewalt erliegt. Selbstsucht war ihr Gesang, doch Harmonie (Denn diese kommt ja von Unsterblichen) Vermochte selbst der Hölle Graus zu bannen, Und bracht' Entzücken in der Hörer Schaar. In lieblichern Gesprächen (es bezaubert Wohlredenheit den Geist, Gesang Den Sinn,) saß abgesondert noch ein Theil Auf einem Hügel in erhabnem Denken, Sie reden über Vorsehung und Wissen, Schicksal und Willen und Vorherbestimmung, Verloren ganz in diesem Labyrinth; Auch sprechen sie vom Guten und vom Bösen, Von Glück, von Elend und von Seligkeit, Von Leidenschaft und Unempfindlichkeit, Von Ruhm und Schmach, was alles leere Klugheit Und falsche Weisheit, die auf Zeiten doch Bezaubernd schnell die Angst und Qual verjagt Und trügerische Hoffnung noch erregt, Und mit Geduld das schon versteinte Herz Sowie mit dreifach hartem Stahl bewaffnet. Ein andrer Theil durchstreift in dichten Banden Die weite, düstre Welt, ob sich vielleicht Ein andrer Strich als bessre Wohnung finde. Vierfachen Weges geht ihr luftger Zug Am Strande der vier Höllenströme hin, Die giftig in das Flammenmeer sich winden: Der Styx, die Flut des tödtlich bittern Hasses, Der Acheron, der schwarzen Sorge Strom, Cocytus, von der Klage so benannt, Die stets an seiner Reue Wasser tönt, Und Phlegethon, deß Feuer Wuth entzündet. Von diesen ferne rollt ein stiller Strom, Lethe die Quelle der Vergessenheit, Sein Wasserlabyrinth. Wer daraus trinkt, Vergißt im Nu sein Wesen, seinen Stand Und Lust und Leid, Vergnügen so wie Qual. Jenseit des Stromes liegt ein eisig Land, Wild, dunkel und von ew'gem Sturm gepeitscht, Mit Wirbelwind und grauser Hagelflut, Die auf dem festen Lande nimmer schmilzt, Nein, sich zu Bergen häuft, und nur wie Trümmer Uralter Säulen scheint. Rings tiefer Schnee Und Eis, ein Schlund so wie Serbona's Sumpf, Der zwischen Damiat und Casius lag, Wo ganze Heere drin versunken sind. Die Luft brennt eisig dort, und arge Kälte Bewirkt, was sonst nur Feuerglut vermag. Dahin von Furien mit Harpyenfüßen Geschleppt, gelangen die Verdammten all', Und fühlen wechselweis den bittern Tausch Der ärgsten Grade, durch den Wechsel nur Fühlbarer noch; – von Flammenbetten stürzen In's Eis sie nieder, daß die Aetherwärme Erstirbt in ihnen; regungslos zu schmachten, Und festgebannt und ringsum eingefroren, Bis man zurück sie in die Flammen stürzt. Sie schreiten über diesen Lethesund, Nur ihre Qual vermehrend, hin und wider, Bestreben sich im Fluge nach den Strom, Um mit dem kleinsten Tropfen im Moment All ihre Pein und Schmerzen zu vergessen. Doch ob sie nah auch dem Gestade, streitet Das Schicksal wider sie; Medusa wacht Mit dem Gorgonenhaupte bei der Flut: Das Wasser flieht von selbst vor jeglichem Lebendigen Wesen, wie dereinst es floh Den Mund des Tantalus. Bei solchen Streifen Im wirren Zug verloren, sahen jetzt Bestürzten Blickes die verwegnen Banden, Von Schreck und Schauer bleich, ihr jammervolles Geschick und fanden nirgends eine Rast, Sie zogen durch manch dunkles, ödes Thal, Durch manche Jammergegend, über viele Eisalpen, Glutenfelsen, Klippen, Höhlen, Moräste, Strudel, Grüfte, Todesschatten, Des Todes Welt, die Gott im Fluch erschuf, Die gut für Böses nur, wo Tod nur lebt Und alles Leben stirbt, und die Natur Verkehrtes nur erzeugt, blos ungeheure, Abscheuliche, ganz namenlose Dinge, Wie niemals sie die Fabel wohl ersann, Noch Furcht sie jemals dachte, nur Chimären, Und scheußliche Gorgonen so wie Hydern. Satan, der Gegner Gottes und der Menschen, Erhebt indessen sich auf raschen Flügeln, Entflammt von hochaufstrebenden Gedanken, Und sucht einsamen Flugs der Hölle Pforte; Bald kreuzt er nach der rechten Hand die Küste, Bald nach der linken, jetzt mit flachen Schwingen Die Tiefe streifend, schwingt er sich empor, Hinauf zum hochgethürmten Flammenbogen, Wie wenn zur See von ferne man entdeckt Hoch an den Wolken hängend eine Flotte, Die mit dem Wind der Nacht- und Tagesgleiche Gesellig von Bengalen segelt, oder Von Tidor und Ternate, von woher Kaufleute theure Specereien holen, Durch Aethiopien zum Cape fahrend Und nach dem Nordstern Nachts die Richtung lenkend: Also erschien von fern des Satans Flug. Endlich erblickt die Grenzen er der Hölle: Hoch ragen bis an's fürchterliche Dach Neunfache Pforten, deren drei von Erz, Von Eisen drei, und drei von Demantfelsen. Ein furchtbar Wesen saß auf jeder Seite Der Pforten; eine schien ein reizend Weib Bis an den Leib, doch endete sie häßlich In vielen schuppgen weitgewundnen Ringen, Als eine Schlange mit dem Todesstachel. Rings um den Leib bellt' unaufhörlich laut Ein Rudel Höllenhunde mit dem Rachen Des Cerberus und machte wilden Lärm; Willkürlich konnten sie bei jeder Störung Sich in den Bauch verbergen, wo sie immer Fortheulend, wenn auch ungesehen, bellten. Weit minder Scheußliche wie diese, plagten Die Scilla, als im Meer sie badete, das von Trinacriens Gestad Calabrien scheidet; Nicht Aergre folgen Nachts der Zauberin, Wenn auf geheimen Ruf sie durch die Luft Im Ritte fliegt, gelockt durch Kinderblut In Lappland mit der Hexen Schaar zu tanzen, Indeß der Mond vor ihren Sprüchen dunkelt. Die andre Nachtgestalt, wenn man so nennt, Was ohne Glieder und Gestalt sich zeigt, Und wenn man Wesen nennt, was Schatten schien, Ja oder Beides ganz vereint, erhob Schwarz wie die Nacht sich, wie zehn Furien grimmig, Und wie die Hölle furchtbar; in der Hand Schwang sie das fürchterlichste Wurfgeschoß; Was etwa einem Haupte gleichen konnte: Trug etwas einer Königskrone gleich. Jetzt nahte Satan, und von seinem Sitz Schritt ihm das Ungeheuer schnell entgegen, Mit grassem Schritt, von dem die Hölle bebte. Der unverzagte Feind erstaunte nur Was dieses sei, doch ferne blieb ihm Furcht, Nur Gott und dessen Sohn, sonst scheut er kein Erschaffnes Wesen; und verächtlich sprach er: »Was bist Du, und woher, verfluchtes Bild, Daß Du Dich wider mich erhebst und mir, Wenn grimmig auch und greulich, Deine Stirn, Die mißgeschaffne, vor den Weg der Pforte Zu stellen wagst? Ich gehe doch hindurch, Und ohne Dich zu bitten um Erlaubniß. Zurück! Sonst magst Du Deine Tollheit fühlen, Und aus Erfahrung lernen, Höllenbild, Daß schlechtes Kämpfen ist mit Himmelsgeistern.« Mit voller Wuth erwidert das Gespenst: »Bist Du nicht der Verräther jener Engel, Der jüngst zuerst den Himmelsfrieden brach Und Treue, welche nie zuvor gebrochen, Und der mit stolzen Waffen sich empörend Der Himmelssöhne dritten Theil bewog Sich wider den Allmächt'gen zu verschwören, Für welchen Frevel Du sowol, wie sie, Von Gott verstoßen wurden und verdammt, Die Ewigkeit in Qual und Pein zu leben? Und Du zählst selbst Dich zu den Himmelsgeistern, Verdammter Du der Hölle, bietest Trotz, Hier wo ich König bin, und Dir zum Aerger Dein Herr und König! Falscher Flüchtling Du, Zurück zur Qual und eile schnell beflügelt, Damit ich nicht mit Geißeln von Scorpionen Dich Zaudernden verfolgen muß, und wenn Dich dieser Speer berührt, ergreift Dich Angst Und ungewohntes Weh, wie nie Du fühltest.« So sprach das Schreckensbild und ward dabei, So sprechend und so drohend, an Gestalt Noch zehn Mal greulicher und häßlicher. Von Zorn entflammt, stand Satan andrerseits, Doch unerschrocken, wie ein Glutkomet, Der längs dem ungeheuren Ophiuchus Am Himmel flammt; und aus den grassen Haaren Pest schüttelt so wie Krieg. Ein Jeder zielt Mit Todesstreichen nach des Andern Haupt. Sie sinnen nicht auf einen zweiten Schlag, Verächtlich blicken sie einander an. Wie wenn zwei schwarze Wolken mit des Himmels Geschütz beladen, rasselnd rücken über Das caspische Meer und Stirn an Stirn gekehrt, Ein Weilchen schweben, bis die Winde blasen, Worauf in mittler Luft die Schlacht beginnt: So finster blickten sich die Streiter an, Daß von dem Groll die Hölle dunkelte. Gleichartig waren sie, denn Keinem sollte Ein solcher Feind wol jemals noch begegnen, Gewalt'ge Thaten wären jetzt gediehn, Wovon die Höll' erklungen wäre, wenn Die Schlangenzauberin an der Höllenpforte, Die den verhängnißvollen Schlüssel trug, Sich nicht erhoben hätte, mit gewalt'gem Geschrei die beiden Drohenden zu trennen. »O Vater!« schrie sie, »was beginnt Dein Arm Jetzt gegen Deinen einz'gen Sohn? Und was Heißt Dich o Sohn nach Deines Vaters Haupt Den Pfeil des Todes richten? Weißt Du nicht Für wen? Für ihn, der droben Deiner lacht, Indem er Dich zu seinem Schergen wählt, Und das zu thun, was je sein Zorn befiehlt, Den er Gerechtigkeit benennt, sein Zorn, Der einst Euch Beide noch vertilgen wird!« So sprach sie, und es wich die Höllenpest Bei ihren Worten; Satan aber sagte: »Dein seltsam Schrei'n, Dein sonderbares Wort Tritt zwischen uns, daß meine schnelle Hand Noch zögerte Dir durch die That zu sagen, Was sie beginnt; bis Du mir erst gekündet, Was für ein Wesen Deine Doppelform, Warum Du mir den Namen Vater giebst, Die wir uns doch zum ersten Mal begegnen, Und diesem Schemen hier den Namen Sohn? Dich kenn' ich nicht, und sah auch nie bisher Verflucht're Wesen wol als ihn und Dich.« Die Pförtnerin der Hölle sprach darauf: »Vergaßest Du mich denn, und schein' ich jetzt So häßlich Deinen Augen? die ich doch Im Himmel einst so hold erschien, als Dich Im Rath der Seraphim, die sich mit Dir Kühn gegen Gottes Macht verschworen hatten, Ein wilder Schmerz so plötzlich überkam, Dein Auge dunkel nur in Nächten schwamm, Indeß Dein Haupt die dicksten Flammen schoß, Bis ich die linke Seit' eröffnete Und ich, ganz gleich Dir an Gestalt und Mienen An Glanze himmlisch schön, aus Deinem Haupt An's Licht hervorsprang, daß die ganze Schaar Des Himmels sich entsetzte, schreckensvoll Damals den Namen mir der Sünde gab, Mich für ein unheilvolles Zeichen haltend. Doch später mehr vertraut, gefiel ich ihnen, Gewann durch Reiz die ärgsten Feinde selbst, Vor Allen Dich, Du sahst Dich – ganz in mir, Und triebst mit mir geheime Liebeslust, Daß eine Bürde bald mein Leib empfing. Indeß ward Krieg im Himmel, und die Schlacht Worin (wie konnt es anders sein?) der Sieg Dem Allgewalt'gen wurde, trug Verlust Und Flucht uns ein im weiten Himmelsraum. Häuptlings hinunter stürzten sie vom Himmel In diesen tiefen Schlund, und ich zugleich. Damals kam dieser mächt'ge Schlüssel hier In meine Hand mit dem Befehl, die Thore Verschlossen stets zu halten. Niemand kann Eingeh'n, wenn ich nicht öffne. Brütend saß Ich hier allein; doch lange saß ich nicht Als sich mein Leib von Dir befruchtet trug, Bewegung fühlte, so wie grause Wehen. Zuletzt brach dies verhaßte Wesen sich, Du siehst Dein eigen Kind, gewaltsam Bahn, Daß ich durch Angst und Schmerz zerrissen Verwandelt ward an meinen untern Gliedern. Der Feind, den ich geboren, sprang heraus Und schwang den Pfeil unseliger Zerstörung! Tod! rief ich aus, und floh – es zitterte Die Hölle bei dem schaudervollen Namen Und seufzt aus allen ihren Höhlen, laut Den Namen Tod im Echo widerhallend. Ich floh, doch er verfolgt mich, (wie es schien Von Wollust mehr, als wie von Wuth entzündet) Schnellfüßig überholt er seine Mutter Und in erzwungner gräßlicher Umarmung Erzeugt er diesen ungeheuren Schwarm, Die unaufhörlich heulend mich umringen, Wie Du gesehn, die stündlich stets empfangen Und stündlich auch gebären, unaufhörlich Mir Schmerz bereiten, denn wenn sie's gelüstet, Kehrt diese Brut in meinen Leib zurück Und nagt an meinem Eingeweid' als Speise; Dann brechen sie von Neuem wieder vor, Umstürmen mich mit innerlichen Schrecken, So daß mir weder Rast noch Ruhe bleibt. Mir gegenüber sitzt der grasse Tod, Mein Sohn und Feind, der jene hetzt, und mich, Die eigne Mutter längst verschlungen hätte, Aus Mangel andrer Beute, wüßt' er nicht, Daß er mit meinem Ende seines findet. Er weiß, daß ich für ihn ein bittrer Bissen Und Gift ihm werde, sei es wann es will, Denn so sprach das Verhängniß über uns. Darum Warn' ich o Vater Dich vor seinem Pfeil, Und hoffe nicht, daß Du in diesen Waffen, Wie wol sie himmlisch, unverwundbar sei'st, Denn Niemand widersteht der Todesspitze – Als der allein, der rings das All beherrscht.« Sie endet, und der schlaue Feind, belehrt, Ward milder nun und sprach mit glattem Wort: »O Tochter, Deinen Vater nennst Du mich Und zeigst mir meinen Sohn, das theure Pfand Des trauten Umgangs, den mit Dir ich pflog, Der süßen Wonne, jetzo grausen Wechsels, Der ungeahnt und unversehns uns traf, So wisse, daß ich nicht als Feind gekommen, Nein, nur um ihn und Dich, sammt jenem Heer Der Himmelsgeister aus dem finstern Haus Der Qualen und der Schmerzen zu befrei'n, Denn all' die Geister griffen zur Verfechtung Des Rechtes zu den Waffen, da sie fielen. Für sie betrat ich diesen rauhen Grund, Und für sie Alle duld' ich die Gefahr, Und wag' allein die bodenlose Tiefe, Das ungemeßne Leere zu beschreiten Und suche den vorhergesagten Ort, Der uns durch manche Zeichen als erschaffen Dort schon verkündet ward, ein Platz der Wonne In dem Bezirk des Himmels, einem neuen Geschlecht von Wesen eingeräumt, die uns Vielleicht ersetzen, wenn auch jene weiter Vom Himmel fern, damit sich übervölkert Dereinst kein neuer Aufruhr bilden möge. Ob dies der Zweck, ob ein geheim'rer sei, Erforsch' ich jetzt, und wenn ich es erspäht, Kehr' ich zurück und bring' Euch an den Ort, Wo Du so wie der Tod gemächlich wohnst Und in der weichen, balsamreichen Luft Still, ungesehen auf und nieder fliegst. Dort werdet unermeßlich ihr gesättigt, Und alle Dinge werden Euer Raub.« Er schwieg, und Beide schienen hoch entzückt; Der Tod auch grinste furchtbar schauerlich, Daß er den Hunger einmal stillen würde, Er pries den Schlund, dem diese gute Stunde Beschieden sei, nicht minder freute sich Boshaft die Mutter, die zum Vater sprach: »Den Schlüssel trag' ich zu dem Höllengrund Aus Pflicht und auf Befehl des Himmelsfürsten, Der mir verbot, die diamantnen Thore Je zu eröffnen, gegen die Gewalt Steht rüstig mit dem Pfeile schon der Tod Furchtlos vor jeder Macht der Lebenden, Doch brauch' ich ihm gehorsam wol zu sein, Der mich voll Haß in diesen Tartarus Herunter stieß, verhaßten Dienst zu thun, Die ich vom Himmel stamme, dorten wohnte, Und hier in ew'ger Qual und Angst verweile Vom Grausen meiner eignen Brut umringt, Die heulend mir am Eingeweide nagt? Du bist mein Vater, gabst mir ja das Sein, Wem soll ich sonst gehorchen, wenn nicht Dir? Wem folgen? Du wirst in die neue Welt Des Heiles und des Lichtes bald mich führen, Zu Göttern, die nach Wunsch in Freuden leben, Wo ich zu Deiner Rechten üppig herrsche, Endlos, wie Deiner Tochter es geziemt.« Drauf nahm sie den verhängnißvollen Schlüssel, Das Werkzeug unsers Jammers, von der Seite, Und ihren Schweif bis zu der Pforte rollend Zog sie das ungeheure Gatter auf, Das außer ihr die ganze Macht des Styx Nicht heben konnte. Darauf drehte sie Den Schlüssel in dem innern Schloß herum Und schob die Riegel von massivem Eisen Und festen Felsen ohne Mühe weg. Die Höllenthore flogen plötzlich auf Mit ungestümem Prallen und Geräusch; In ihren Angeln kracht ein dumpfer Donner, Daß tief der Hölle Grund erzitterte, Sie öffnet, doch vermag sie nicht zu schließen. Weit offen stand das Thor, daß mit den Bannern Mit ausgedehnten Flügeln wol ein Heer Durchziehen konnte, sammt den Pferd' und Wagen: So weit geöffnet waren sie und spieen Gleich einem Ofen Rauch und Flammenglut. Vor ihre Augen traten nun der Tiefe Geheimnisse, das dunkle ewige Meer, Das grenzenlos und ohne Länge, Breite Und Höh' und Zeit und Raum sich dehnt, wo Chaos Und ewige Nacht, Urahnen der Natur Gesetzlos herrschen, mitten in dem Lärmen Des Kampfes durch Verwirrung sich erhalten; Dort ringen Hitze, Kälte, Dürr' und Nässe Gewaltig um die Herrschaft, führen Der ungeborenen Atome Schaar Zur Schlacht, die schwärmend um das Banner sich Nach den verschied'nen Reih'n und Horden sammeln, Leicht oder schwer bewaffnet, scharf und sanft, Schnell oder träge, zahllos wie der Sand Von Barka oder von Syrene's Boden, Der aufgewühlet von der Stürme Kampf Der Winde leichtre Schwingen schwerer macht. An wem die meisten der Atome hängen Herrscht auf Momente dann; das Chaos sitzt Schiedsrichterlich und wirrt durch die Entscheidung Nur mehr den Kampf, der ihm die Herrschaft giebt. Als zweiter an Gewalt, regiert der Zufall. An diesem wilden Schlunde, – wo Natur Erschaffen ward, und der vielleicht ihr Grab, Wo weder See noch Strand, noch Luft und Feuer, Ja alle nur in ihrem Keim verworren, Und die gemischt sich stets bekämpfen müssen, Bis dem allmächtigen Schöpfer einst gefällt, Mehr Welten aus dem finstern Stoff zu bilden, – An diesem wilden Schlunde stand der Feind, Behutsam an dem Höllenrand, und schaute Hinunter, seine Reise wohl erwägend, Denn einen weiten Raum mußt' er durchkreuzen. Auch traf sein Ohr ein laut erschütterndes Getös, als wenn Bellona wüthend stürmt, (Wenn Großes man mit Kleinem darf vergleichen,) Und alle Kriegsmaschinen gegen große Hauptstädte, sie von Grund zu schleifen, pflanzt, Als wenn der Bau des Himmels niederstürzte Und die empörten Elemente rings Die Erd' aus ihrer Axe reißen wollten. Zuletzt erhebt er seine breiten Flügel Zum Flug und spornt den Boden, keck getragen Von Dampfeswolken; manche Meile fährt Er wie in einem Feuerwagen auf, Doch bald entschwindet dieser Sitz, er kommt In unermeßne Leere, flatternd wanken Die Schwingen, und zehntausend Klaftern tief Stürzt er hinunter, und er sänke noch, Hätt' ihn durch Zufall nicht der Gegenstoß Von einer feuerschwangern Donnerwolke So viele Meilen just emporgeschleudert. Als ihre Wuth erschöpft in Sumpfeswüste, Die weder See noch trocknes Land erschien, Versank er fast in jener dichten Masse Halb schreitend und halb fliegend, um zugleich Die Ruder und die Segel zu gebrauchen. Wie wenn ein Greif in schnellem Flügellauf Hoch über Hügel und durch sumpfig Thal Dem Arimaspen folgt, der seiner Hut Heimlich vertrautes Gold entwendete: So wild verfolgt der Satan seinen Weg Durch Moor und über Berge, Schlucht und Haide, Mit Haupt und Händen, Flügeln oder Füßen, Er schwimmt und sinkt, er wadet oder fliegt, Bis endlich an sein Ohr ein wild Getös Gemischter Töne wie verworrner Stimmen Mit Heftigkeit durch's hohle Dunkel dringt. Dort eilt er hin, um ungeschreckt zu forschen, Was für ein Geist des allertiefsten Schlundes In diesem Lärme haust, um ihn zu fragen, Wo er des Dunkels nächste Küste treffe, Die an das Lichtmeer grenzt. Da plötzlich sieht Er jenen Thron des Chaos und das Zelt, Das dunkel über öder Tiefe gähnt. Bei ihm saß auf dem Thron in schwarzem Kleid Die Nacht, das älteste von allen Dingen, Die Theilerin seines Reichs, und dabei standen Orkus und Hades, und das Schreckensbild Von Demogorgon. Zufall und Gerücht, Aufruhr, Verwirrung standen um sie her, Und Zwietracht mit den tausendfachen Zungen. Zu ihnen wandt' sich Satan kecklich so: »Ihr Mächt' und Geister dieses tiefen Schlundes, Chaos und alte Nacht, ich komme nicht, Als Späher, in der Absicht, eures Reichs Geheimniß zu ergründen und zu stören, Nein, nur gezwungen wandl' ich durch die dunkle Und wüste Gegend, da mich just mein Weg Zum Licht hierher führt, wo ihr herrschend thront. Allein und ohne Führer, halb verloren Such' ich den Pfad dahin, wo euer Reich An's Licht des Himmels grenzt. Ja giebt es einen Noch andern Raum, der Euch entrückt, und jüngst Vom Himmelskönig in Besitz genommen, So geht mein Weg durch diese Tiefe hin; Zeigt mir den Weg und wenn ihr dieses thut, Wird euch kein schlechter Lohn dafür, denn wieder Einnehmen will ich das verlorne Reich, Wenn ich die Anmaßung des Herrn vertilgt, Und in ursprünglich Dunkel wieder führen, Und was der Reise Ziel, auf's Neu' das Banner Der alten Nacht noch einmal dort errichten. Euch sei der Vortheil, mein die Rache nur.« Also sprach Satan, und Erwiderung gab Ihm der Anarch betreten und nur stammelnd: »Wohl weiß ich Fremdling wer Du bist, der Engel Gewalt'ges Haupt, der jüngst dem Himmelskönig Sich widersetzt und dann vernichtet ward. Ich sah und hört es, denn solch zahlreich Heer Wie Deines, floh nicht schweigend durch die Tiefen, Mit Sturz auf Sturz, Zerrüttung auf Zerrüttung, Verwirrung, die sich ärger noch verwirrt, Da aus den Himmelspforten Millionen Siegreicher Horden euch verfolgten. Hier Auf meinen Grenzen halt' ich meinen Sitz, Ob mir's gelingt, das Wenige, was mir blieb, Zu schirmen, das durch Euern innern Zwist Stets angegriffen ward, wodurch das Scepter Der alten Nacht noch mehr geschwächt. Zuerst Verlor die Höll' ich, euern Kerker, der Sich unten weit und breit erstreckt und jüngst Noch Erd' und Himmel, eine neue Welt, Die über meinem Reiche hängt, geschmiedet An goldne Ketten, an des Himmels Seite, Wo eure Legionen niederstürzten: – Geht dort Dein Gang hin, hast Du nicht mehr weit, Und näher die Gefahr. Beeile Dich; Verwüstung, Raub und Sturz sind mein Gewinn.« Er schwieg; und Satan stand nicht Antwort ihm, Sprang aufwärts, hocherfreut, daß auf einmal Sein Meer ein Ufer finden sollte, frisch Und mit erneuter Kraft und Munterkeit Gleich einer Feuerpyramide nach dem Raum Und schlägt sich durch der Elemente Kampf, Die ihn umringten, seinen Weg hindurch; Gefährlicher und enger war die Bahn, Als wie die Argo sie bestanden einst, Da sie durch Felsen fuhr im Bosporus, – Und wie Ulysses die Charybdis mied Und auch vorbei der Scilla steuerte: So mühsam setzt er seine Reise fort Mit harter Schwierigkeit, doch als er endlich Hindurch gedrungen, welch ein eigner Wechsel Erschien auf einmal nach des Menschen Fall: Denn Tod und Sünde folgten seiner Spur Mit aller Macht, so war's des Himmels Wille, Und bahnten hinter ihm bequemen Weg Durch jenen finstern Schlund, deß wilder Golf Geduldig eine Brücke schlagen ließ Von wunderbarer Länge, die sich stracks Bis zu dem Außenring der Erde dehnt. Auf dieser wandeln die gefallnen Geister Gemächlich hin und her, um bald die Menschen Zu locken, bald zu strafen, wenn nicht Gott Und Engel sie besonders gnädig schirmen. Jedoch zuletzt erscheint der heil'ge Strom Des Lichts, und flutet von den Himmelsmauern Bis in den Busen jener dunkeln Nacht Mit Dämmerschein; und hier beginnt zuerst Die fernste Grenze der Natur, – es weicht Zurück das Chaos, wie ein Feind geschlagen Aus seinen Schanzen wird; auch das Getöse Ist minder feindlich hier und minder laut, Daß Satan mit geringern Mühen auch Behaglich auf den stillen Wellen schwebt Bei zweifelhaftem Licht, er fährt mit Lust Zum Hafen wie ein Schiff, das von dem Sturm Zerrüttet Tau und Mast verloren hat. Die ausgespannten Schwingen wiegt er nun Im leeren Raume, so der Luft vergleichbar: Um so von fern das Strahlenreich zu schauen, Das weit sich dehnt, von unbestimmter Form, Mit Thürmen von Opal und mit lebendigen Saphiren rings die Zinnen ausgeschmückt, Einst seine Heimath – und nicht fern davon An goldner Kette hing die neue Welt, Ein Stern in kleinster Größe, dicht am Mond. Boshafter Rache voll eilt er dahin, Er selbst verflucht, und in verfluchter Stunde. Dritter Gesang Dritter Gesang. Heil Dir! Du erstgebornes Kind des Himmels, Du heilig Licht, ja darf ich ungestraft Dich ewig gleich dem ewigen Strahle nennen? Denn Gott ist Licht, er wohnt allein im Licht, Unnahbar seit der Ewigkeit in Dir, Dem klaren Ausfluß unerschaffnen Wesens. Doch heißt Du lieber: reinätherischer Strom, Deß Quelle Keiner je entdecken kann? Du warst schon vor der Sonne, vor dem Himmel, Und auf die Stimme Gottes hülltest Du Die ganze Welt ein, wie mit einem Mantel: Sie, die aus dunkel-tiefen Wassern stieg, Als sie dem leeren Raum, dem formenlosen Unendlichen entrungen war. Ja! Dich Such' ich mit kühnern Schwingen wieder heim, Dem stygischen Pfuhl entronnen, der so lang In jenen finstern Räumen mich gehalten, Als ich auf meinem Flug durch jenes Dunkel Mit andern Klängen, als des Orpheus Leier, Das Chaos und die ew'ge Nacht besang; Da mich die Himmelsmuse lehrte, nieder Zur Nacht zu steigen und auf's Neue dann Herauf zu dringen, obwol mühevoll. Du bist noch unversehrt, ich fühle Dein Lebend'ges Feuer, aber Du besuchst Nicht dieses Auge mehr, es rollt umsonst, Den Strahl zu suchen, der dies All durchdringt, Doch findet es nicht mehr das Tageslicht, Ein dichter Tropfen hat den Kreis bewölkt, Vielleicht ein trüber Schleier ihn umzogen. Doch wandl' ich immer noch zum klaren Quell Der Musen hin, zu ihres Haines Schatten Und Sonnenhügeln, für den heil'gen Sang Entbrannt, und such' in nächtigen Stunden Dich O Zion auf, voll blumenreicher Bäche, Die Deinen heil'gen Fuß süßtönend baden. Auch denk' ich manchmal jener andern Zwei, Die einst ein gleiches Schicksal mit mir theilten, – O theilt' ich doch mit ihnen gleichen Ruhm! – Des Maeoniden und des Thamyris, Des Phineus, und Tiresias auch, des Sehers. Dann nähr' ich von Gedanken mich, die willig Harmonische Verse werden, wie im Dunkel Der wache Vogel unterm Schattenlaub Den nächtlichen Gesang ertönen läßt. Die Jahreszeiten kehren jedes Jahr, Mir aber kehrt der Tag nicht, noch der süße Anblick des Morgens und des Abends wieder; Die Schönheit nicht der holden Frühlingsblumen, Der Sommerrosen und der Heerden nicht, Noch auch das göttliche Gesicht der Menschen. Dafür umziehn mich Wolken ew'ger Nacht, Ganz abgetrennt vom Umgang froher Leute, Und statt des Buches herrlicher Erkenntniß Ward mir ein weißes Blatt nur vorgelegt: Die Werke der Natur sind todt für mich, Der Weisheit Pforten gänzlich mir geschlossen. Drum scheine heller Du, o himmlisch Licht, Im Innern mir, durchflamme jede Kraft Des Geistes, pflanze dahinein die Augen, Und reinige sie von jedem Nebelflor, Daß solche Ding' ich singen kann und schaun, Die unsichtbar dem sterblichen Gesicht. – Von Oben senkte der Allmächt'ge jetzt, Vom reinen Himmel, wo er heilig thront, Das Auge nieder, um sein eigen Werk Und ihr's mit einem Blick zu überschau'n: Wie Sterne dicht umstanden alle Heil'gen Des Himmels ihn, und sogen namenlose Glückseligkeit aus seinem Blicke; rechts Sein einziger Sohn. – Zuerst sah er auf Erden Die einz'gen Zwei des sterblichen Geschlechts, Der Menschheit Eltern in dem sel'gen Garten, Die ew'ge Frucht der Lust und Liebe sammelnd, Ununterbrochner Lust und lautrer Liebe In sel'ger Einsamkeit; er schaute dann Die Hölle sammt der Kluft, so diese trennt: Den Satan, streifend an des Himmels Wall, Die Nacht zur Seite, hoch in trüber Luft, Bereit herabzusinken willigen Fußes Und müder Schwingen, auf den kahlen Rand Von dieser Welt, die festes Land erschien, Doch ohne Firmament, und ungewiß, Ob sie im Ocean, ob in der Luft. Als Gott ihn sah von seinem hohen Thron, Wo er das Einst und Jetzt und Künft'ge sieht, Sprach er prophetisch zum geliebten Sohn: »Mein Eingeborner, siehst Du, welche Wuth Den Widersacher peinigt? keine Grenzen, Der Hölle Riegel nicht, noch alle Ketten, Die dort gehäuft sind, noch die tiefe Kluft Des weiten Abgrunds können ihn erhalten. Auf Rache der Verzweiflung sinnt er stets, Die nur zurückfällt auf sein eigen Haupt. Jetzt, da er jede Hinderung durchbrach, Nimmt er nicht fern vom Himmel seinen Weg, Im Vorbezirk des Lichts, gerade hin Zur neuerschaffnen Welt, und zu dem Menschen, Versuchen will er, ob ihn nicht Gewalt, Ja schlimmer noch, ihn List verderben könne. Und sieh! er wird's! – Denn seinen Schmeichellügen Vertraut der Mensch und übertritt das einz'ge Gebot, als des Gehorsams einzig Pfand. So wird er fallen und sein ganz Geschlecht. Durch wessen Schuld? durch seine nur allein! Der Undankbare, der ja Alles hatte, Was er nur haben konnte; schuf ich doch Gerecht und recht ihn; gab ihm Kraft zu stehn, Doch Freiheit auch zu fallen. Ich erschuf Also die ganzen Himmelsmächt' und Geister, Die jetzt noch stehn, wie die Gefallenen. Die standen frei, und diese fielen frei. Unfrei, was wäre der Beweis der Treue, Des echten Glaubens und der Liebe dann, Wenn sie nur thäten, was nothwendig wär', Nicht, was sie wollten? Welches Lob für sie? Und welche Lust hätt' ich an dem Gehorsam, Wenn Wille wie Vernunft (auch sie ist Wahl) Vergeblich, nutzlos und der Freiheit baar, Zum Leiden nur geboren, nimmer mir, Nur der Nothwendigkeit gedienet hätte? Drum schuf ich sie, wie es das Recht erheischt, Sie können weder ihren Schöpfer, noch Die Schöpfung und das Schicksal je verklagen, Als ob Vorherbestimmung, durch Beschluß Und durch Voraussehung unänderlich, Den Willen ganz beherrschte. Nur sie selbst Beschlossen ihren Abfall, nimmer ich. Wußt ich ihn schon, so übte dieses Wissen Nicht Einfluß auf die Schuld, die so gewiß Begangen ward – auch unvorhergesehn. Sie sündigen drum ganz sonder Einwirkung Und Schatten des unänderbaren Schicksals. Durch Urtheil oder Wahl sind sie in Allem Urheber selbst, denn ich erschuf sie frei, Und frei auch bleiben sie, bis selber sie Sich unterjochen; ändern müßt ich sonst Ihr Wesen, und den hohen wandellosen Beschluß für ihre Freiheit widerrufen, Denn sie beschlossen selber ihren Fall. Aus eignem Triebe fiel das erste Paar, Sich selbst verführend, doch durch sie betrogen Fällt erst der Mensch, ihm werde Gnade drum, Doch jenen nicht. Im Himmel und auf Erden Soll meine Glorie durch Gerechtigkeit Und Gnade leuchten, ja vor Allem soll Im hellsten Lichte stets die Gnade strahlen.« Da Gott so sprach, erfüllt Ambrosiaduft Den ganzen Himmel, goß in die erwählten Glückseligen Geister ein unsägliches Gefühl der Wonne. Herrlich anzuschaun War Gottes Sohn, des Vaters Wesen strahlte Aus ihm zurück; in seinen Zügen lag Ein göttliches Erbarmen, ew'ge Liebe, Und grenzenlose Gnade, die er zeigte, Indem er so zu seinem Vater sprach: »O Vater, gnädig war Dein letztes Wort, Dein hoher Ausspruch für des Menschen Gnade; Wofür der Himmel Dich, die Erde preist Unendlich in der Hymnen heil'gem Sang, Wovon Dein Thron, Allseliger, umringt Erklingen soll. Wär' auch der Mensch verloren, Dein jüngster Sohn, Dein heißgeliebtes Werk, Durch List verführt, obwol ihn eigne Thorheit Dahin gebracht? O dies sei fern von Dir, Fern sei's von Dir, o Vater, der gerecht Die Welt Du richtest. Soll der arge Feind Den Zweck erreichen, Deinen zu vereiteln? Soll seine Bosheit triumphirend stehn, Und Deine Güte Nichts bewirken können, Soll stolz er, wenn zu ärgerm Elend auch, Nach rasch verübter Rache wiederkehren, Und das Geschlecht der Menschen, das verführte, Mit in die Hölle ziehn? Und willst Du selbst Die Schöpfung Dir zerstören seinethalb, Was Du zu Deiner Ehre schufst? Es würde Dann Deine Güt' und Größe schwer geschmäht Und ohne Widerrede wohl verlästert.« Erwidernd sprach der große Schöpfer drauf: »O Sohn, Du meiner Seele Wohlgefallen, Sohn meines Busens, Sohn, der Du allein Mein Wort und meine Weisheit bist und Macht, Du hast aus meinem Innern ganz gesprochen, Recht wie mein ew'ger Zweck beschlossen hat. Nicht gänzlich soll der Mensch verloren sein, Wer will, mag ihn erlösen, aber nicht Durch seinen Willen, nur durch meine Gnade. Noch ein Mal will ich seine Kraft erneu'n, Obwol durch Sünde sie verwirkt nur schnöden Begierden huldigt, doch noch ein Mal soll Er wider seinen Todesfeind sich rüsten, Durch mich gestärkt, damit er seine Schwäche In dem gefallnen Stand erkennend sehe, Daß mir allein er die Erlösung schuldet. Besondrer Gnade hielt ich einige werth, Die ich mir auserwählt, so ist mein Wille; Die andern sollen all mich rufen hören, Und oft erinnert werden ihrer Sünde; Damit sie noch zur Zeit der Gottheit Groll Besänftigen, und noch die Gnade haben; Denn ich will ihre finstern Sinne heitern, Ihr Herz von Stein erweichen zum Gebet, Damit Gehorsam sie und Reue zeigen. Dem Beten, dem Gehorsam und der Reue, Wenn sie aufrichtig sie und wahr erweis't, Ist nie mein Ohr, mein Auge nie geschlossen. Zu meinem Richter will ich das Gewissen Als Führer in die Seelen ihnen legen, Und hören sie darauf, wird ihnen Licht, Und wenn sie bis zum Ende drauf beharren, Erreichen sie den Hafen sicherlich. Doch solche, die mich schmähen, sollen nie Den Tag der Gnade, meine Mild' erkennen, Nein, jene Harten sollen mehr verhärtet, Die Blinden mehr geblendet werden, daß Sie mehr noch straucheln, und noch tiefer fallen; Von meiner Gnade schließ ich sie nur aus; Doch Alles ist noch nicht gescheh'n. Der Mensch Verletzt durch Ungehorsam seine Treue Und sündigt gegen die Gewalt des Himmels, Denkt sich ein Gott – und so verliert er Alles, Nichts bleibt ihm, seinen Hochverrath zu sühnen; Zum Untergang ist er verbannt, verdammt, Mit seinen ganzen Enkeln muß er sterben, Ihm, oder der Gerechtigkeit sei Tod, Wenn nicht ein andrer Hochbegabter willig Dem strengen Recht zu huldigen genügt, Und Tod um Tod bezahlt. Ihr Himmelskräfte Sprecht, wo sich solche Liebe finde je? Wer wollte sterblich werden, um den Menschen Von seiner Schuld des Todes zu befrei'n, Und Ungerechte durch Gerechtigkeit Zu retten? Wohnt im Himmel solche Liebe?« Er fragte, doch es schwieg des Himmels Chor, Still blieb der ganze Himmel; Keiner Erschien als Mittler für des Menschen Rettung, Noch weniger Einer, der die Todesschuld Und die Erlösung auf sein Haupt genommen, Es wäre jetzt der Menschen ganz Geschlecht Verloren ohne Rettung, durch den Spruch Dem Tod der Hölle nur anheim gefallen, Wenn Gottes Sohn nicht, der das Uebermaß Der höchsten Liebe theilte, voller Huld Sogleich die Sühne so vermittelte: »Du hast, o Vater, jetzt Dein Wort gegeben, Der Mensch soll Gnade finden, sollte sie Nicht Mittel finden? sie die schnellste doch Von Deinen Flügelboten, die den Weg Zu jedem Wesen findet, ungerufen Und unerbeten und auch ungesucht; O Heil dem Menschen, daß sie also naht! Wenn er durch Sünden todt ist und verloren. Kann er nicht Hülfe bei ihr suchen, nimmer Kann er für sich ein sühnend Opfer bieten, Da er zu tief verschuldet und verdorben. O blick' auf mich und nimm für jenen mich, Mein Leben für das seine, laß Dein Zürnen Auf mir nur ruh'n, laß mich als Menschen gelten, Um seinetwillen laß ich Deinen Schoos, Freiwillig meid' ich dieser Glorie Schein Und will zuletzt für ihn mit Freuden sterben, Des Todes ganze Rache werde mein! Nicht lange werd' ich seiner finstern Macht Erliegen, denn Du gabst mir den Besitz Des Lebens in mir selbst auf ewig ja, Durch Dich ja leb' ich, wenn der Tod mich faßt, Und er ein Recht auf alle Sterbliche An mir erhält; doch wenn die Schuld gesühnt, Wirst Du mich nicht im dumpfen Grab als Beute Ihm lassen, noch gestatten, daß die reine Und unbefleckte Seele dort verderbe. Glorreich werd' ich erstehn und meinen Sieger Bezwingen und den stolzen Raub ihm nehmen; Der Tod empfängt dann seine Todeswunde, Des Stachels selbst beraubt, liegt er im Staub. Zum Trotz werd' ich die Hölle durch die Luft Gefangen im Triumphe führen, rings Die dunklen Mächte schwer gefesselt zeigen, Vom Himmel wirst Du lächelnd niederblicken, Indeß ich durch Dein Angesicht gestärkt, All meine Feinde niedertreten werde, Zuletzt den Tod, mit dessen eigner Leiche Das tiefe Grab ich sättige. Darauf Werde ich mit der erlösten Schaar auf's Neu' Nach langem Fernesein zum Himmel kehren, Dein Angesicht zu sehn, wo keine Wolke Des Zorns sich zeigt, nur Frieden und Versöhnung. Dann wird der Groll sich nimmer wieder zeigen, Nur Freude wird in Deiner Nähe sein.« Er endigte, doch seine holden Blicke – Sie sprachen schweigend noch, und hauchten Liebe, Unsterbliche für's sterbliche Geschlecht; Der kindliche Gehorsam glänzte nur Noch höher durch die Freude für das Opfer: Ein Opferlamm, das sich mit Freuden bietet, Erwartet er des großen Vaters Willen. Verwundert lauscht der ganze Himmel rings, Was dieses deuten, wie es enden solle. Doch bald erwidert der Allmächtige: »Du, der den einzigen Frieden für die Menschen, Die meinem Zorn erliegen, aufgefunden! Mein Wohlgefallen Du! Dir ist bekannt, Wie lieb mir alle meine Werke sind, Der Mensch zumeist, wiewol zuletzt erschaffen; So daß ich Dich für ihn nur aufbewahre, Dich eine Zeitlang ganz an meinem Busen Und meiner Rechten misse, sein Geschlecht, Das schon verlorne, wieder zu erretten. Drum eine Du die menschliche Natur, Die Du allein erlösen kannst, der Deinen, Und werde Mensch bei Menschen auf der Erde! Ja werde Fleisch, sobald die Zeit sich naht, Von einer Jungfrau wunderbar empfangen. Sei Du der Menschen Haupt an Adams Statt, Wiewol sein Sohn Du bist. So wie in ihm Die ganze Menschheit ihren Tod empfängt, So finden wie aus einem zweiten Stamm In Dir so Viele Rettung, als nur können, Doch Niemand ohne Dich; denn seine Schuld Theilt sich dem ganzen Stamm der Söhne mit, Doch Dein Verdienst soll jene ledig sprechen, Die ganz Verzicht auf ihre Thaten leisten, Auf die gerechten, wie die ungerechten, Und sich in Dich verpflanzen, um ein neues, Schuldloses Leben von Dir zu empfangen. So soll der Mensch, wie es das Recht erheischt, Für Menschen Sühne thun, gerichtet werden Und sterben, dann vom Todten auferstehn, Und auferstehend seine Brüder heben, Die er erkauft mit seinem theuern Leben. Des Himmels Liebe tilgt der Hölle Haß, Indem sie Dich dem Tode giebt anheim, Und theuer mit dem Sterben kauft, was Haß Der Hölle mit so leichter Müh' zerstört, Und dann in denen ewiglich zerstört, Die Gnade nicht empfangen, da sie's können. Auch sollst Du nicht, wenn Du die Menschenform Annimmst, die eigene Natur erniedern; Weil Du, obschon in höchster Göttlichkeit Mir gleich, und den Genuß der Gottheit fühlend, Dies Alles ließest, um vom Untergang Doch eine Welt zu retten; weil Du mehr Durch Dein Verdienst, als Rechte der Geburt Für Gottes Sohn erkannt bist und gehalten; Weil mehr durch Deine Güte Du bewiesen, Als durch die Macht und Größe, wer Du bist; Weil Liebe mehr als Herrlichkeit Dich schmückt, Soll Deine Demuth auch die Menschen einst Mit Dir erheben auf den höchsten Thron; Im Fleische sollst Du weilen hier und herrschen, Als Gott und Mensch, Sohn Gottes und der Menschen, Gesalbter König über alle Welt! Die ganze Macht leg' ich in Deine Hand, Auf ewig magst Du herrschen mit dem Recht, Das Dein Verdienst erwarb. Jedweder Thron, Die größten Reich' und Fürstenthümer sollen Dir unterthan als höchstem Haupte sein; Es beuge sich vor Dir ein jedes Knie, Im Himmel, auf der Erd' und in der Hölle. Wenn Du vom Himmel in dem Glorienschein Herniedersteigst, und durch die Engelschaar Verkünden läßt das schreckliche Gericht; Dann eilen gleich von allen Winden her Die Lebenden und Todten aller Zeiten Und harren auf den allgemeinen Spruch; Posaunenlaut erweckt sie aus dem Schlaf, Du richtest in der Mitte Deiner Heil'gen Die Engel und die Sünder; Deinem Wort Wird dann sich Alles beugen; und die Hölle, Wann sie gefüllt, wird ewig dann sich schließen. Die Welt wird sich in Flammenglut verzehren, Doch aus der Asche werden Erd' und Himmel Auf's Neu' erstehn, wo die Gerechten wohnen, Nach schweren Müh'n die goldne Zeit erkennen, Fruchtbare Tage ziehn aus goldner That, In Freude, Lieb' und Wahrheit triumphirend. Dann legst Du nieder Deinen Königsscepter, Denn nöthig ist der Herrscherstab nicht mehr, Gott wird ja Alles dann in Allem sein. Ihr Engel betet an und ehret Den, Der um dies zu vollführen selbst sich opfert, Ihn betet an, und ehrt ihn, wie mich selbst.« Kaum schwieg der höchste Herr, als laut ein Ruf Rings von der zahllos dichten Engelschaar Süß, wie nur sel'ge Stimmen ihn verhauchen, Das Freudejauchzen wunderbar bewies. Der Himmel klang vom Jubel; Hosiannas Erfüllten jeden Raum der Ewigkeit. Sie neigten tief sich von den beiden Thronen, Und warfen ihre Kronen, schön geflochten Von Gold und Amaranth, anbetend nieder. Mit Amaranth, der Blumen ewigster, Die einst im Paradies beim Lebensbaum Zu blühn begann, doch ob des Menschen Sünde Bald in den Himmel rückgenommen ward, Wo sie zuerst erwuchs, und jetzt noch sproßt, Den Lebensbrunnen blühend dort umschattet, Und wo der Strom der Seligkeit die Fluten Voll Ambra auf Elysiums Fluren spült: Mit solchen Blumen, welche niemals welken, Umwinden die erwählten Geister sich Das lichte Haar und flechten Strahlen ein. Jetzt lächelt auch, nach abgestreiften Kränzen Der Himmelsboden wie ein Meer von Jaspis, Im Purpurglanz der holden Himmelsrosen. Dann nahmen sie, auf's Neu' das Haupt bekränzt, Die gold'nen ewig rein gestimmten Harfen, An ihrer Seite glänzend, Köchern gleich; Den heil'gen Sang mit einem lieblichen Vorspiel beginnend, weckten sie Entzücken; Nicht eine Stimme schwieg, sie fielen All' In eine wundersüße Melodie, Ein solcher Einklang herrscht im Himmelsdom. Zuerst besangen sie, o Vater Dich, Allmächtiger, unsterblich-ewger König! Du Schöpfer aller Wesen, Quell des Lichts, Du Unsichtbarer in der Glorie Glanz, Wo Du unnahbar auf dem Thron regierst, Und hüllst Du selbst das Leuchten Deiner Strahlen In Schatten ein, und legst Du eine Wolke Um Deinen Saum, daß dunkel er erscheine, Es blendet doch den Himmel, daß die Engel Die strahlenvollsten selber Dir nicht nahn, Mit beiden Flügeln nur die Augen decken. Dann sangen sie zuerst aus aller Schöpfung Dich eingebornen Sohn, der Gottheit Bild, In dessen Antlitz Gott sich offenbart Und wolkenlos sich zeigt, den kein Geschöpf Sonst sehen kann; der Abglanz seiner Glorie Weilt nur auf Dir, es ruht sein reicher Geist In Dir ergossen. Er erschuf durch Dich Den Himmel sammt den ganzen Mächten drin, Und stürzte die Rebellenschaar durch Dich. Du spartest Deines Vaters Donner nicht An jenem Tag, und hieltest nicht im Lauf Den Feuerwagen auf, der wild den Himmel Erschütterte, wie Du dem Feindesheer Mit Flammenrädern übern Nacken fuhrst. Nach Deiner Rückkehr wurdest Du allein Von Deiner Schaar mit lautem Ruf gepriesen, Als Sohn von Deines Vaters Macht und Kraft, Um seine Feinde fürchterlich zu rächen, Doch nicht den Menschen; denn der Gnade Herr Hat ihn, der nur durch ihre Tücke fiel, Erbarmungsvoll nicht allzu streng gerichtet, Sobald Dein einziger, Dein geliebter Sohn Vernahm, daß Du das schwache Menschenkind So streng nicht richtest, und Dich sein erbarmst, Versucht' er Deinen Zorn zu sänftigen, Den Streit der Mild' und der Gerechtigkeit, Den er in Deinem Antlitz las, zu schlichten, Und ließ die Seligkeit ganz außer Acht, Die ihm nach Dir zu Theil, und war bereit, Zu sterben für der Menschen Sündenfall. O Liebe sonder Gleichen; hohe Liebe, Die göttlich nur verdient genannt zu sein! Heil! Gottes Sohn! Heil Dir, Du Menschenretter! Dein Name sei mir einst des Sanges Stoff, Dein Lob wird meine Harfe nie vergessen, Und nie vom Lobe Deines Vaters trennen. So schwanden ihnen über Sternensphären Im Himmel die glücksel'gen Stunden hin In Freuden und in süßem Lobgesang. Indessen schritt der Satan auf der festen Und dichten Kugel uns'rer runden Welt, Wo schwächre Lichter um die Wölbung kreisen, Vom Chaos und der alten Nacht umringt. Nun scheint ihm, was von ferne Kugel schien, Gedehntes, festes Land, doch grenzenlos, Wild, öde, finster, sternenlose Nacht, Des Chaos Stürme brausen rund herum, Ungünstiger Himmel rings bis auf die Seite, Die von den Himmelszinnen, wenn auch fern, Den matten Schein der Strahlenlust empfängt, Die minder wird vom lauten Sturm geplagt. Hier ging auf weitem Feld der böse Feind, Wie wenn ein Geier auf dem Imaus, An dessen schneeigem Rand der Tartar haust, Das Land verläßt, wenn's keine Beute hegt, Um mit dem Fleisch des Lamms, der jungen Ziege Auf Hügeln sich zu sättigen, und sodann Zum Ganges Quell und zum Hydaspes fliegt, Doch unterwegs auf Sericana's Wüsten Verweilt, wo der Chinese leichte Wagen Aus Rohr mit Wind und Segel weiter treibt: So wandelt Satan auf dem rauhen Meer Von Sand alleine seinem Raube nach, Denn kein Geschöpf, lebendig so wie leblos, War in dem Raum vorhanden; später erst Flog hieher jene Menge flücht'ger Dinge, Luftdünsten gleich, als schon der Menschen Werke Die Sünde mit der Eitelkeit erfüllt; Die eiteln Dinge, wie die Menschenkinder, Die ihre Hoffnung eines ew'gen Ruhms Der Seligkeit auf Erden und im Himmel Auf eitle Dinge bauten, ihren Lohn Auf Erden als die Frucht des Aberglaubens Und blinden Eifers schon empfingen, nichts Als nur das Lob der andern Menschen suchend: Sie fanden hier Belohnung, die so nichtig Wie ihre Thaten ist. Auch alle Werke, Die unvollendet die Natur erschuf Als unreif, mißgeformt und ungeschickt Sie fließen, auf der Erden aufgelöst, Hieher und wandern hier, bis sie verschwinden, Nicht in den nahen Mond, wie manche träumen: Denn diese Silberfelder hegen sicher Bewohner höhern Rangs, versetzte Heil'ge, Und Geister, die halb Engel sind und Mensch. Von daher kam vor Zeiten ein Geschlecht Zur Erde, das aus übelm Liebesbund Entsprossen: jene Riesen, die berühmt Durch manch ein eitles Unternehmen wurden. Dann auch die Schaar, die auf der Ebene Von Sennar Babel baute, die auch jetzt Mit dem gehörigen Stoff zu eitelm Zweck Manch neues Babel noch erbauen würde! Noch andre kamen einzeln, der bekannte Empedokles, der um als Gott zu gelten Begeistert in des Aetna Flammen sprang; Sodann Cleombrotus, der in den See Sich stürzte, Plato's Eden zu genießen. Noch andre, ganze Rudel: Embryonen, Idioten, Mönche, Klausner, schwarz und weiß Und grau, mit ihrem niedrigen Betrug. Hier wallen Pilger, die sich so verirrt, Daß sie auf Golgatha bei Todten suchten Ihn, der im Himmel lebt; und dann auch solche, Die sterbend, um das Paradies zu erben, Des Dominik Gewand sich umgethan, Auch sie, die in dem Franziskaner Kleid Dort Einlaß hoffen. Sie durchwandeln dann Die Sieben der Planeten, fixe Sterne, Die Sphäre von Krystall, die in dem Schweben Der Himmelskörper Zittern erst begründet. Dort wartet Petrus mit den Himmelsschlüsseln Bereits auf sie, und sie erheben schon Den Fuß, die Himmelsstiege zu betreten, Als plötzlich ungestümer Wirbelwind Sie Häuptlings tausend Meilen in die Luft Hinaus versprengt; dort sieht man Kappen, Kutten, Sammt ihren Trägern in den Lumpen flattern, Reliquien, Rosenkränz' und Ablaßbriefe Und Bullen sind der leichten Winde Spiel; Dies Alles fliegt in Wirbel fernehin Von dieser Welt in einen breiten Schlund, Den später man das Paradies der Narren Genannt hat, das so Manchem ward bekannt, Das aber jetzt noch öd' und unbevölkert. Die dunkle Kugel fand der böse Feind Und wallte lang, bis endlich Dämmerglanz Die müden Füße hastig eilen hieß. Er sieht von fern ein hohes Prachtgebäu, Das allgemach sich zu dem Himmelswall Erhob, wo droben wie ein Königsthor Ein Werk erschien, doch noch weit prächtiger, Den Giebel schmückte Gold und Diamant, Die Thore funkelten von Ostens Gemmen, Nicht gleichen Bau kann je die Erde schaffen, Noch ihn des Pinsels Licht und Schatten malen. Die Stufen glichen denen, worauf Jacob Die Engel auf- und niedersteigen sah, Als er nach Padan-Aram floh vor Esau, Und Nachts dann unter freiem Himmel träumte Im Felde Luz, daß er erwachend rief: »Dies ist des Himmels Pforte!« – Jede Stufe Besaß geheimnißvollen Sinn, und wechselnd Ward dieser hohe Bau dem Aug' entrückt Zum Himmel aufgezogen. Dann floß drunter Ein lichtes Meer von Jaspis oder auch Von flüss'gen Perlen, worauf alle Jene, Die von der Erde kamen, segelten, Von Engeln sanft gehoben, oder sie Gelangten auch in einem Wagen rasch Mit Feuerrossen, über jenen See. Die Stufen waren just herabgelassen, Um Satan zu dem Steigen anzuspornen, Und seinen Bann, die Ausschließung vom Thor Der Seligkeit mehr fühlen ihn zu lassen. Tief unten, jenen Stufen gegenüber, Just über jenem holden Paradies, Eröffnet sich ein Weg hinab zur Erde, Ein weiter Weg, viel weiter als der Pfad, Der später über Zions Berg geführt, Als jener auch, der zum gelobten Land, Dem Gott so lieben Lande leitete, Worauf, die sel'gen Stämme zu besuchen, Die Engel auf Befehl des höchsten Herrn, Dann auf- und niederstiegen: Von dem Quell Des Jordans, Panea, bis Berseba Besuchte selbst sein Blick sie, wo die Grenze Des heil'gen Landes liegt, die an Egypten Und an Arabien stößt. So weit erschien Die Oeffnung, wo die Finsterniß zu Ende, Wie an dem Strand der Ocean. Von hier Erblickte Satan an der letzten Stufe Der goldnen Stiege, die zum Himmel führt, Verwundert plötzlich diese ganze Welt. Wie ein Spion, wenn er die lange Nacht Bahnlose Wege mit Gefahr geschlichen, Und endlich bei dem holden Tageslicht Den Gipfel eines hohen Bergs erreicht, Der unerwartet ihm die Aussicht plötzlich In fremdes Land gewährt, das nie er sah, Auch wol in eine reiche, mächt'ge Stadt, Mit Thürmen und mit Zinnen rings geziert, Die in der Morgensonne golden glänzen: Solch Staunen überkam den bösen Geist. Obwol er schon den Himmel selbst gesehn, Ergriff ihn doch nur ärger noch der Neid, Als er die Schönheit dieser Welt gewahrte. Rundum besieht er sie (er konnte dies, Da über des Gewölbes Rund er stand, Worin die Nacht die Schatten breitete) Vom Punkt der Wage, die im Osten steht, Bis hin zum Vliesgestirn, das weithinaus Fern übern Horizont und Ocean Andromeda'n geführt. Dann überblickt Von Pol zu Pol er unsrer Erde Breite, Und stürzt sich ohne langes Zögern dann Grad in die erste Region hinab, Behaglich streicht er durch die reine Luft Und zwischen Sternen mitten durch, die nur Von weitem Sterne, näher aber Welten: Eilande der Glückseligkeit, wie jene Hesperischen Gärten; segensvolle Fluren Und Wälder, Au'n und blumenreiche Thale, O drei Mal sel'ge Felder! wer dort wohnt, Erforschte Satan nicht! – Die goldne Sonne, An Glanz dem Himmel wol am ähnlichsten, Entzückt zumeist sein Auge; dahin geht Sein Flug (ob aufwärts oder niederwärts, Ob von, ob nach dem Centrum, weiß ich nicht) Durch's Firmament, wo jener wundergroße Lichtball von fern der kleinern Sternenschaar, Die seinem Herrscherauge nie sich naht, Den Strahlenglanz verleiht. In Harmonie Bewegt sich dieser Sterne Tanz, wonach Sich Tag und Monat, so wie Jahr bestimmt, Um diese Glutenampel, die das All Belebt, und wendet immer sich nach ihrem Magnetischen Strahl, wenn sie die Welt erwärmt, Und unsichtbar das Innre selbst durchdringt, Der Tiefe selbst die Wunderkräfte spendend. So wunderbar ist ihre Strahlenstellung! Dort landet endlich an der böse Geist, Solch einen Flecken sah kein Astronom Je in der Sonne mit bewehrtem Auge. Den Ort fand er so unaussprechlich hell, Wie kein Metall, kein Stein auf Erden glänzt. Nicht waren alle Theil' einander gleich, Doch alle gleich vom Strahlenglanz erfüllt, Wie glühend Eisen es vom Feuer ist. War dies Metall, so schien ein Theil von Gold, Ein andrer lichtes Silber; war es Stein, So war's Karfunkel, Chrysolith, Rubin Und auch Topas, wol jenen zwölfen gleich, Die Arons Schild geziert; vielleicht auch der, Den öfter man geträumt, doch nie gesehn, Der Stein, den Weise nur vergebens suchten, Die doch durch ihrer Künste reiche Macht Den flüchtigen Mercur zu binden wissen, Und auch den seegebornen Proteus selbst In mannichfache Formen aufgelöst, Die Urform anzunehmen nöthigen. Was Wunder drum, daß Feld und Wälder hier Ein reines Elixir in Lüfte hauchen, Und trinkbar selbst das Gold in Strömen fließt, Da doch als Urchemie der Sonnenball, So fern von uns durch kräftige Berührung Mit Erdenfeuchte hier im Dunkeln manches Kleinod in Farben und an Kraft erzeugt? Hier fand der Satan neuen Stoff zum Schaun, Und ohne Blendung schweift sein Aug' umher; Kein Hemmniß fand sein Blick und keinen Schatten, Rundum nur Sonnenschein, so wie er Mittags Ganz senkrecht vom Aequator niederfällt, So schoß er jetzo immer senkrecht auf, Weshalb ringsum von einem dunkeln Körper Kein Schatten fallen kann; die Luft, die nirgends Wol sonst so helle, schärfte seinen Blick Für weite Ferne. So erblickt er bald In dem Gesichtskreis einen hehren Engel, Den nämlichen, den später in der Sonne Johannes sah; er kehrt dem Satan zwar Den Rücken zu, jedoch sein Glanz war schimmernd; Ein goldnes Diadem von Sonnenstrahlen Umschloß sein Haupt, nicht minder leuchtete Der Glanz der Locken, welche reichlich wallend Auf die beschwingten Schultern niederflossen. Zu einem großen Werk schien er berufen, Und wie in tiefes Sinnen ganz versenkt. Frohlockend stand der Satan in der Hoffnung, Den Geist in ihm zu finden, der den Pfad Zur Paradiesesflur ihm zeigen könnte, Der Menschheit Eden, seiner Reise Ziel Und unsres Elends schmählicher Beginn. Zuerst verwandelt er nun die Gestalt, Die ihm Verzug und Unheil schaffen könnte, Und naht als jugendlicher Cherub sich, Wenn auch vom ersten Range nicht, doch so, Daß Himmelsjugend auf dem Antlitz lachte, Auf alle Glieder Anmuth sich ergoß; So täuschend hatte Satan sich verstellt! Sein flatternd Haar umspielt in krausen Locken Und unter einem Kranz die Wangen ihm; Buntfarbige Flügel trug er, goldgestreifte, Sein leicht Gewand war aufgeschürzt zur Eile, Und hüllte seinen anmuthvollen Gang In eine Silberwand! – Kaum naht' er sich, Hört' ihn der Engel auch, und wandte rasch Sein strahlend Antlitz, durch sein Ohr gemahnt. Satan erkannt' ihn bald als Uriel, Der sieben Engel einen, die vor Gottes Antlitz zunächst an seinem Throne stehn; Gewärtig seines Winks, sein Augenlicht, Das durch die Himmel eilt und auf die Erde Die schnelle Botschaft über Meer und Land Hernieder trägt. Zu ihm sprach Satanas: »Uriel, der Du – der sieben Geister Einer – Vor Gottes hohem Throne leuchtend stehst, Und als der Erste seinen großen Willen Als Herold durch den höchsten Himmel trägst, Wo Deiner Botschaft seine Söhne harren; Du bist wol auf Befehl des Höchsten hier, Um gleich geehrt zu sein und als sein Auge Der neuen Schöpfung Runde zu besuchen; Unsäglich Sehnen, seine Wunderwerke Zu schaun, jedoch zu allermeist den Menschen, Der seine Wonn' und Lust, für welchen er All diese Werke wunderbar erschuf, Trieb aus den Chören mich der Cherubim Hieher, wo ich so einsam wandernd irre. Drum künde, lichter Seraph, mir, auf welcher Von diesen Kugeln ist des Menschen Sitz; Und wechselt er den Wohnsitz gar vielleicht, Hat er die Wahl von diesen Strahlenbällen? O sprich, wie find' ich, dem ich heimliche Bewundrung oder offne zollen kann? An den der große Schöpfer Welten schenkte, Auf den er alle diese Gnaden goß, Daß wir in ihm und Allem, wie sich's ziemt, Den allgemeinen Meister preisen können, Der die empörte Feindesschaar mit Recht Zur tiefsten Hölle stieß und den Verlust Dann zu ersetzen, dieses selige Geschlecht der Menschen schuf, damit dies besser Ihm diene. Weise sind all' seine Wege!« – So sprach der falsche Heuchler unerkannt, Denn weder Mensch noch Engel kann durchschaun Die Heuchelei, der Uebel einziges, Das Gott allein erkennt, jedoch nicht hindert, Das Erd' und Himmel unsichtbar durchschleicht. Und oft, wenn auch die Weisheit wachsam, schläft Verdacht am Thor der Weisheit, überlassend Sein Amt der Einfalt, deren Güte nie Das Arge sieht, wo nicht das Arge scheint. So ward auch einmal Uriel jetzt betrogen, Obwohl er als der Fürst der Sonne stets Für den umsichtigsten der Geister gilt, Er gab dem schnöden trügerischen Feind In offenherziger Rede die Erwiderung: »Holdsel'ger Engel, Deiner Sehnsucht Drang, Die Werke Gottes preisend zu erkennen, Führt nicht zu tadelhafter Uebertretung, Verdient vielmehr, je mehr es Uebertretung, Nur größer Lob, da Du allein hieher Geeilt, um eignen Auges anzuschaun, Wovon den Andern die Erwähnung gnügt; Denn wunderbar sind alle seine Werke, Entzückend ewig ihrer zu gedenken. Doch welcher Geist kann ihre Zahl ermessen, Die Weisheit, welche diese Welten schuf, Und ihren Zweck so tief verborgen hält? Ich sah, wie auf sein Wort der Stoff der Welt, Die Masse formenlos sich sammelte; Es hörte die Verwirrung seine Stimme, Das wilde Toben ward gezähmt, und Schranken Begrenzten den unendlich leeren Raum. Ein zweiter Ruf – und sieh! die Nacht entwich, Licht ward, und Ordnung aus der Unordnung. Die Elemente, Wasser, Erde, Luft Und Feuer eilten schnell in ihre Grenzen; Die beste Kraft des Himmels aber flog In mancherlei Gebilden in die Höh, Die kugelförmig sich zu Sternen rollten, Die, wie Du siehst, unzählig dort sich regen: Doch Jedem ward bestimmte Bahn und Schranke, Das Uebrige wallt um das große Weltall. Sieh unten jene Kugel, deren Seite Nach uns gekehrt, vom Lichte hell erglänzt, Das hier entlehnt ist und zurück nur prallt. Es ist der Sitz des Menschenstamms, die Erde; Ihr Tag ist dieses Licht, denn außerdem Wär' Nacht, wie auf der andern Erdenhälfte, Jedoch auch die bescheint zur rechten Zeit Der nahe Mond, (so heißt der Stern genüber) Der seinen Rundlauf monatlich beendet, Und mitten durch den Himmel stets erneut; Mit dem von hier entlehnten Lichte füllt Dreiförmig er sein Aeußres, was er dann Auch wieder leert, die Erde zu beleuchten, Und mit dem blassen Schein die Nacht zu bannen. Dort jener Flecken ist das Paradies, Die Wohnung Adams, und der hohe Schatten Ist seine Laube. Sieh nun selber zu, Dein Weg liegt offen, doch mich ruft der meine.« Er sprach's, und wandte sich; der Satan neigte Sich tief, wie's schuldig höhern Himmelsgeistern, Bei denen nie man Hochachtung vergißt. Abschied dann nehmend eilt' er nach der Erde, Die Sonnenbahn verlassend, hoffnungsvoll: Im Fluge schlug er manches luft'ge Rad, Bis er auf des Niphates Gipfel stand. Vierter Gesang Vierter Gesang. O! hätte jetzt doch jene Warnungsstimme, Die auch der Offenbarung Jünger hörte Im Himmel einst, als der zum zweiten Mal Gestürzte Drache wüthend niederschoß Am Menschen sich zu rächen, jene Stimme »Weh, weh euch Erdensöhnen,« noch zur Zeit Die ersten Eltern vor der Ankunft ihres Geheimen Feind's gewarnt, daß sie den Schlingen Des Todes glücklich so entronnen wären; Denn Satan kam, entflammt von wilder Wuth Herab erst als Versucher, dann als Kläger Des menschlichen Geschlechts, um den Verlust Der ersten Schlacht, die ihn zur Hölle trieb, Nun an des Menschen Schwäche frech zu rächen. Doch war er nicht ob seiner Eile froh, Wiewol er furchtlos in der Ferne war; Auch ohne Prahlerei beginnt er nun Den greulichen Versuch, der jetzt gereift In seinem stürmischen Busen wogt und siedet Und auf ihn selbst ein höllisches Geschoß Zurückprallt. Zweifel, Schreck verstören jetzt Sein düst'res Brüten, und erregen wild In ihm die Hölle, denn er trägt die Hölle In sich und um sich her, nicht einen Schritt Kann er durch Ortesänderung so wenig Der Höll' entfliehen, als sich selbst. Es weckt Verzweiflung jetzt sein schlummerndes Gewissen; Weckt die Erinnerung dessen, was er war Und was er ist, und ärgres werden muß, Denn ärgere Leiden zeugt die schlimmre That. Zuweilen blickt auf Eden er betrübt, Das anmuthvoll vor seinen Augen lag. Zum Himmel auch und zu der Strahlensonne, Die hoch auf ihrer Mittagszinne saß, Dann viel bedenkend sprach er unter Seufzen: »O Du, die mit dem höchsten Glanz gekrönt Von Deinem einz'gen Reich hernieder schaust, Wie Gott auf diese unerschaffne Welt, Vor deren Anblick ihr entschwindend Haupt Die Sterne rings verhüllen, Dir, ja Dir, Ruf' ich, doch nicht mit freundlich milder Stimme, Und nenne Dich o Sonne, Dir zu sagen, Wie arg ich Deine Strahlen hasse, die Mich des verlornen Stand's auf's Neu erinnern, Als herrlich ich noch über Deiner Sphäre, Wo Stolz und schlimmer Hochmuth mich gestürzt, Als ich im Himmel wider ihn gekämpft, Der unvergleichbar König ist im Himmel. Ach und warum? verdiente jener doch Den Undank nicht von mir, den er erschuf Zu hohem Glanz, und dem er seine Güte Nie vorgerückt; auch war ja leicht sein Dienst, Genug war, als Vergeltung ihn zu preisen Und ihm gebührend Dank und Lob zu zollen! Ach! all' sein Gutes ward in mir zum Bösen Und schuf nur Bosheit, denn so hoch erhöht, Verschmäht ich Unterwürfigkeit und meinte, Noch höhre Stufe mache mich zum Höchsten, Befreie mich in einem Augenblick Von jener Schuld endloser Dankbarkeit, Die lästig ist zu zahlen wie zu schulden. Vergaß ich doch, was ich von ihm empfing, Und sah nicht ein, daß dankerfüllte Herzen, Die ihre Schuld bekennen, nimmer schulden, Nein zahlen stets und sich der Schuld entladen. Was war die Bürde drum? O hätte nur Sein mächtig Schicksal mich zu niedrem Engel Bestimmt, ich wäre glücklich doch geblieben, Unmäßige Hoffnung hätte nimmer dann Ehrgeiz in mir erweckt. Jedoch warum nicht? Ein andrer Geist, vielleicht mir gleich an Macht, Empörte sich, und hätte mich zugleich Den niedrern Engel in den Kampf gezogen; Doch andre Geister, die so groß wie ich, Sind nicht gefallen, innen so wie außen Gewaffnet gegen der Versuchung Reiz; – Und hattest Du nicht auch den freien Willen, Die Kraft zu stehn? Du hattest sie zu gut. Wen oder Was vermagst Du anzuklagen, Als nur die freie Liebe, wie sie Allen Vom Himmel gleich ertheilt? Sie sei verflucht, Weil Liebe, so wie Haß, die beide gleich Ein ewiges Weh und Leiden mir ertheilt. Nein, sei Du selbst verflucht! weil wider seinen Dein Will' erwählte, was Du jetzt beklagst. O ich Verdammter! wie soll ich dem Zorn Der ewigen Verzweiflung je entfliehn? Wohin ich fliehe, kommt die Hölle ja, Die Hölle bin ich selbst, im tiefsten Grunde Eröffnet eine tiefre Tiefe sich, Und droht mich zu verschlingen, daß die Hölle, Die ich erdulde, mir ein Himmel scheint. O werde milder endlich, ist kein Raum Für Reu' gelassen, für Vergebung keiner? O keiner, als durch Unterwerfung nur, Und dieses Wort verbietet mir mein Stolz Und Furcht der Scham bei jenen Geistern drunten, Die durch Versprechen und durch Prahlen ich Verführt, als könnt' ich dem Allmächt'gen trotzen. Weh mir, sie ahnen nicht, wie schwer ich büße Dies eitle Prahlen, unter welcher Pein Mein Busen stöhnt, indeß sie auf dem Thron Der Hölle mich verehren. Hoch gestellt Mit Diadem und Scepter, sink ich doch Nur tiefer, zwar der Höchste doch – im Elend! Das ist die Wollust, die dem Hochmuth wird. Doch könnt' ich auch bereun, auf's Neu' durch Gnade Den frühern Stand erlangen, würde bald Die Höhe wieder mir Gedanken wecken, Die hochaufwallend widerrufen würden, Was ich verstellt in Unterwerfungsschwur. Die Wonne würde die Gelübde bald, Im Schmerz gethan, ungültig widerrufen, Denn nicht zeigt die Versöhnung sich als wahr, Wo Todeshaß so tiefe Wunden schlug; Es führte nur zu ärgerm Treuebruch Und schwerem Sturz, ich würde doppelt hoch Mit Schmerzen eine kurze Pause kaufen; Dies weiß mein Rächer, drum gewährt er mir So wenig Frieden, als ich ihn erbitte. So ist nun alle Hoffnung ausgeschlossen, Statt uns Verworfner und Verbannter schuf Er sich zu seiner neuen Lust die Menschen Und diese Welt für sie! Fahr' wohl, o Hoffnung, Fahr' wohl, o Furcht, und fahre wohl auch Reue! Für mich ist alles Gute hier verloren, Das Böse sei mein Gutes! Denn durch Dich Hab ich des Reiches Hälfte doch, das ich Mit dem Allmächtigen theile; ja durch Dich Werd' ich vielleicht noch mehr als halb regieren, Was bald der Mensch der neuen Welt erfahre.« Wie er so sprach, verdunkelt Leidenschaft Drei Mal sein Antlitz, Zorn, Verzweiflung, Neid, Entstellten sein verworfnes Angesicht, Verriethen als Betrüger ihn dem Auge, Denn himmlische Gemüther sind von solchen Schwachheiten frei. Er nahm sich bald in Acht Und dämpfte jede Wallung rasch mit Ruhe, Ein Meister des Betrugs, der Erste wol, Der Falschheit unter Heil'genschein geübt, Um racheschwang're Bosheit zu verbergen: Doch nicht genug war er darin gewandt, Den schon gewarnten Uriel zu betrügen, Deß Auge jedem seiner Wege folgte, Auf dem Assyrer Berg entstellt ihn sah, Wie kaum ein Geist der glücklichen sich zeigt; Er sah die wilden Mienen und sein Toben, Denn, Satan glaubte sich ganz ungesehn. So wallt er fort, und kommt zu Edens Grenze, Dem holden Paradiese näher nun, Das mit den grünen Hecken rings das Haupt Der Wildniß wie mit einem Walle krönt, An dessen Seiten rauhe Büsche wuchsen, Und sonderbar und wild den Zugang hemmten. Hoch oben wuchs in unermeßner Höhe Erhabner Schatten, Ceder, Tann' und Föhre, Bei zackigen Palmen, eine Waldesscene, Wo Schatten sich auf Schatten reihenweis Empor als schönste Waldesbühne hoben. Doch höher noch als ihre Gipfel ragt Des Paradieses grüner Wall empor, Der unserm Ahnherrn einen Blick verlieh Auf's niedre Reich in seiner Nachbarschaft; Und höher als der Wall, hob sich ein Kreis Der besten Bäume, reich an schönen Früchten, Goldfarbig glänzte Blüthe d'ran wie Frucht Im bunten Farbenschmelz, worauf die Sonne Nur schöner ihre Strahlen niedergoß, Als auf die Abendwolken und den Bogen, Der feuchte sich gebildet, wann der Herr Der Erde Regenschauer sendete. So reizend war die Landschaft, reinste Luft Wie keine mehr umhaucht den Nahenden, Die Frühlingsluft in alle Herzen träuft, Den Gram verscheucht, nur die Verzweiflung nicht; Gelinde Lüftchen mit den duft'gen Schwingen, Verspenden Wohlgerüche, leise flüsternd, Wo sie den heimischen Balsamduft geraubt. Wie Jenen, die das Cap der guten Hoffnung Umschifft, und Mosambique vorüber sind, Von dem Nordost sabäischer Wohlgeruch Vom würzereichen Strand des glücklichen Arabiens wunderbar entgegenweht Und sie, ob solchen Aufenthalts erfreut, Die Fahrt verlängern, und auf viele Meilen Der Ocean am Duft sich lächelnd labt; So auch behagte dieser Wohlgeruch Dem bösen Feind, der als ihr Gift sich naht. Obwol er mehr sich labt, als Asmodeus Am Dampf der Fische, der ihn rasch verscheucht, Wie sehr er auch verliebt war, von der Braut Des Sohnes von Tobias, und aus Medien Gewaltsam nach Egypten ihn verbannte. Nunmehr war Satan langsam und bedächtig Den steilen, wilden Berg hinangestiegen, Doch fand im Dickicht er den Weg nicht weiter, Denn eine Hecke hatte mit Gebüsch Und Streifen sich verflochten, und den Menschen Und Thieren hier den rauhen Pfad versperrt. Es war nur eine Pforte, welche seitwärts Gen Osten sah; als Satan sie erblickte, Verschmäht den Eingang er, und sprang verächtlich Mit leichtem Sprung hoch über alle Grenzen, Den höchsten Berg und Wald so überhüpfend, Stand plötzlich er auf festem Fuße drin. So wie ein Wolf, den Hunger treibt auf Raub In neue Fluren, lauernd, wo die Schäfer Des Abends auf dem Feld in sichre Hürden Die Heerden pferchen, über die Umzäunung Behend dann springt; auch wie ein list'ger Dieb, Der eines Bürgers Wohnung plündern will, Deß dichte Thür verriegelt und verrammelt, Nicht die Gewalt des Einbruchs fürchten würde, Zum Fenster oder Dach hinein sich schwingt: So stieg auch dieser erste große Dieb In Gottes Hürde; so erklimmt auch noch Manch frecher Söldner seine Kirche jetzt. Dann hob er sich und schwang sich wie ein Rabe Urplötzlich auf den Baum des ewigen Lebens, Den mittelsten und höchsten, der hier wuchs; Doch wahres Leben ward ihm nicht zu Theil, Er sann auf Tod nur für die Lebenden, Der Kraft nicht denkend, die der Baum gewährt; Zur Umsicht braucht er ihn, statt daß er sonst Ein Pfand ihm der Unsterblichkeit geworden. So wenig weiß ein Jeder außer Gott Das Gute recht zu schätzen, das er sieht, Ja! er verkehrt die besten Dinge selbst Zum schnöden Mißbrauch und geringsten Dienst. Jetzt sieht der Satan staunend unter sich Den ganzen Reichthum der Natur, erschaffen Zur höchsten Lust des menschlichen Geschlecht's, Ja noch mehr, einen Himmel auf der Erde, Denn Gottes Garten ward das Paradies, Den er im Osten Edens angepflanzt, Denn Eden streckte seine Grenzen ostwärts Von Aron bis zum königlichen Thurm Seleucia's, erbaut von griechischen Fürsten, Wo Edens Söhne lange schon zuvor Im Land Telassar wohnten. Es erschuf Der Höchste seinen Garten holder noch Auf diesem holden Boden. Denn es trug Die edelsten der Bäume dieser Boden, Entzückend für Geschmack, Geruch und Auge, Und mitten drunter stand des Lebens Baum, Hochragend mit ambrosiasüßer Frucht Wie wachsend Gold, und nah am Lebensbaum Wuchs der Erkenntniß Baum, der unser Tod, Indem des Guten Kenntniß theuer nur Um die des Bösen zu erkaufen war. Südwärts durch Eden floß ein breiter Fluß, Der seine Richtung nimmer änderte, Durch jene waldigen Hügel weiter drang, Wo er verschwand. Denn Gott warf dies Gebirg Als Gartengrund auf diesen schnellen Strom, Der durch die Adern der erweichten Erde Sanft aufgesogen ward und lieblich dann Als frischer Quell emporstieg, und den Garten Mit manchem Bache wässernd, dann vereint Bergabwärts fiel und sich dem Flusse mischte, Der aus dem finstern Durchgang wiederkommt Und in verschied'ne Ströme dann sich theilt, Manch' rühmlich Land und Königreich durchwandert, Die jetzt mein Lied nicht zu verkünden braucht, Doch künden soll es, wenn es Kunst vermag, Wie aus dem Saphirquell die Bäche kräuselnd Auf Goldsand und auf Perlen weiter rollend Sich unter Büschen schlängeln und wie Nektar Die Pflanzen tränkt und Blumen, würdig Edens, Die nicht die Kunst in dichte Beete pflanzte, Nein, wie die gütige Natur auf Bergen, Im Thal und auf der Flur sie ausgesä't, Wohin die Morgensonne warme Strahlen Zuerst gesendet und zur Mittagszeit Die Lauben rings ein dichter Schatten bräunt; So war der Ort ein ländlich sel'ger Sitz Mit mannichfacher Aussicht voller Wälder, Aus deren Bäumen duft'ge Harze troffen, Wo Früchte glänzten mit der goldnen Schaale, So lieblich, daß Hesperiens Fabeln hier Zur Wahrheit wurden, köstlich an Geschmack. Dazwischen lagen Au'n und holde Matten, Die für die Heerden zarte Kräuter boten; Auch Palmenhügel, wo im tiefern Thal Den besten Schatz ein Blumenbusen streut, Und Blüthen jeder Farbe sich erwiesen Und ohne Dorn die Rose selbst erblüht. Jenseits dann waren Grotten, deren Schatten Die kühlsten Sitze hegte, drüberhin Der Weinstock seine Purpurtrauben rankt, Und üppig wachsend, sanft empor sich schlingt, Indeß die Wasser von den Hügeln rauschen, Sich bald im Wasser, bald im See sich einen, Der dem geschmückten myrthumkrönten Strand Krystallne Spiegel zum Beschauen beut. Die Vögel schmettern Chöre voll Musik, Und Frühlingsluft, gewürzt vom süßen Duft Der Au'n und Wälder, stimmen allgemein Die zitternden Blätter, da indessen Pan Mit Grazien und Horen leichten Tanzes Den ewigen Frühling nah und näher führt. Nicht Enna's holdes Feld, wo Blumen pflückend Proserpina, die allerschönste Blume, Vom dunkeln Dis gepflückt ward, was die Ceres Sie in der ganzen Welt dann suchen ließ, Noch Daphnes traute Waldung am Orontes, Noch die castalische Quelle könnte je Mit diesem Paradies in Eden eifern; Noch auch des Niseus Insel, die umringt Vom Flusse Triton, wo vor Zeiten Cham, Von Heiden Ammon, Lydiens Zeus genannt, Die Amalthea und den schmucken Sohn, Den jungen Bacchus, vor den Augen Rhea's, Die ihm Stiefmutter war, verborgen hatte; Noch Amara, der Berg, wo jener Stamm Der Abassiden herrscht, das Paradies Der Moslemiten, an dem Haupt des Nils, Umringt von Klippen, Tagereisen hoch, Doch weit entlegen von dem Garten Assurs; Wo Satan mißvergnügt die ganze Luft Der lebenden Geschöpfe, für ihn fremd Und neu, erblickte; zwei von ihnen edler, Emporgerichtet und erhabnen Leibes, Göttlich erhaben, in angeborner Größe: Sie schienen Herrn in nackter Majestät, Auch schienen sie dies werth, denn aus den Augen Erglänzte göttlich ihres Schöpfers Bild, Wahrheit und Weisheit, reine Heiligkeit, (Die kindlich sich in ihrer Freiheit zeigt) Worin des Menschen wahre Hoheit liegt. Doch waren Beide nicht einander gleich, Wie auch der äußern Bildung nach verschieden. Des Einen Bild war Kraft und Ueberlegung, Der Andern Bild Anmuth und süße Huld, Er schien ein Gott allein, doch sie in ihm. Die hohe Stirn und der erhabne Blick Bezeugten seiner Herrscherkraft Gewalt; Die hyacinthnen Locken hingen ringelnd Ihm vom getheilten Scheitel dicht herab, Jedoch an Breite nur den Schultern gleich. Sie trug die goldnen Haare frei und luftig, Ein Schleier, der zur Hüfte niederwallt In losen Ringeln, wie die vollen Ranken Sich an dem Weinstock kräuseln und sich dehnen. Ihr ganzes Wesen sprach von Unterwerfung, Von solcher, die mit Sanftmuth wird erheischt, Von ihr gezollt und liebreich aufgenommen, Die züchtig mit bescheidnem Stolz sich fügt, Mit sanftem, liebevollem Widerstreben. Auch war der Leibesform geheimer Theil Noch unverhüllt; die Scham trug keine Schuld; Scham, die nicht für Naturgebilde paßt, Ehrlose Scham, von Sünde nur erzeugt, Wie hast Du doch das menschliche Geschlecht Mit leerem Schein der Reinheit arg verblendet, Und aus dem Menschenleben allen Segen, Der Einfalt und der Unschuld Glück verbannt! – Sie gingen nackt einher, und scheuten nicht Das Auge Gottes noch der Engel Blick; Denn Arges nimmer denkend, gingen sie, Das liebevollste Pärchen, Hand in Hand, Wie nimmer eines wieder sich umarmt: Adam, der schönste von der Männerschaar, Eva, die lieblichste von allen Frau'n! Sie setzten unter laubigem Schattendach, Das sanft auf grünem Felde säuselte, Bei einem kühlen Brunnenquell sich nieder; Nachdem sie mit dem holden Garten sich So viel gemüht, als nöthig, um der Ruhe, Des West's Erquickung reiner zu genießen, Und Durst und Hunger süßer zu befried'gen: Vereinte sie der Nektar-Früchte Mahl, Die ihnen freundlich tief die Zweige boten, Als sie sich auf die Rasenbank gelehnt, Die rings umgürtet war mit duft'gen Blumen. Sie labten sich am saftig süßen Fleisch, Und schöpften Wasser aus dem Quell mit Schalen, Auch fehlte nicht der Jugend Tändelei, Des Lächelns und des Kosens Zärtlichkeit, Wie's einem schönen Liebespärchen ziemt, Das ganz allein im Ehebunde lebt. Es spielten um sie scherzend alle Thiere, Die jetzo wild in Wald und Wüsten sich, In Forst und Höhlen bergen. Tändelnd spielte Der Löwe mit dem Lämmchen in der Klaue, Es sprangen Bären, Tiger, Panther, Unzen Um sie herum; der Elephant versucht, Trotz seiner Tücke, Freude zu bereiten Und krümmte seinen Rüssel mächtiglich; Die kluge Schlange ringelt mit dem Schweif Einschmeichelnd gordische Knoten, unbedacht Von ihrer argen List Beweise gebend. Noch andre legten sich in's Gras und ruhten Gesättigt aus, auch gingen wiederkäuend Zum Lager ein'ge; denn die Sonne schied Und eilte schnell zum Ocean hinab; Am Himmel flammten Stern' und kündeten Den Abend schon, als Satan staunend noch Wie Anfangs stand und endlich ganz betrübt Die fast verlorne Sprache wieder fand: »O Hölle! was erblick' ich hier mit Gram? In unserm Wonnesitz so hoch erhöht Geschöpfe, die aus anderm Stoff gemacht, Vielleicht aus Erde, die nicht Geister sind, Und doch so himmlisch wie die Geister strahlen, Die ich in tiefem Sinnen nur bewundern Und lieben könnte, da die Göttlichkeit Aus ihnen leuchtet, und auf die Gestalt Des Schöpfers Hand den höchsten Liebreiz goß! Du holdes Paar, Du ahnest nicht, wie nah Der Wechsel schon, wo alle diese Freuden Verwehn und Dich dem Jammer überlassen, Nur größerm Jammer nach so großer Freude. Glückselig seid ihr, doch auf lange nicht Ward euer Glück bestimmt, denn euer Himmel Ist als ein Himmel übel nur geschirmt, Um Feinde so wie mich davon zu wehren. Doch nah ich nicht mit Absicht euch als Feind, Weil Mitleid ich für so Verlassene Doch hegen könnte, wenn ich selber auch Kein Mitleid noch erhielt; die Freundschaft nur Such' ich mit euch und wechselseit'gen Bund; So eng, daß unter euch ich wohnen muß, Wo nicht, daß ihr bei mir verweilen müßt. Mein Wohnort schmeichelt euch vielleicht nicht so, Wie dieses schöne Paradies; doch nehmt Ihn nur als Werk von euerm Schöpfer an. Er gab ihn mir; und euch geb' ich ihn willig! Euch zu ergötzen, soll der Hölle Thor Sich weit eröffnen und all' ihre Fürsten Dann euch entgegensenden; dort ist Raum, Nicht diesen engen Grenzen gleich, so viel, Um eurer Söhne reiche Zahl zu fassen; Und ist der Ort nicht besser, dankt es ihm, Der wider Willen mich zur Rache treibt An euch, die nimmer mich beleidigten, Anstatt an ihm, der Unrecht mir erwies. Und rührt' auch eurer Unschuld Zauber mich, So zwingt mich jetzo Ehre doch und Reich, Um diese neue Welt mir zu erobern, Daß ich aus Rache thue, was ich sonst, Obwol ich ein Verdammter, würde scheun.« So sprach der Satan und entschuldigte, Wie stets Tyrannen, mit Nothwendigkeit Das böse Thun. Dann stieg er von dem Baum Zur muntern Schaar vierfüß'ger Thiere nieder; Und wandelt' sich in eines um das andre, Wie die Gestalt am dienlichsten ihm schien, Um unentdeckt auf seinen Raub zu lauern, Ihr Wesen recht in Wort und That zu kennen. Als Löwe schreitet er mit Feuerblick, Als Tiger dann, der wie durch blosen Zufall Zwei zarte Reh' in einem Wald erblickt, Die mit einander spielen, der sich näher Herangeschlichen, streckt und dann erhebt, Und lauschend seine Lagerstatt verändert, Wie Einer, der bequemen Punkt erspäht, Von wo aufspringend er am sichersten Sie Beide mit den Tatzen packen kann: Als Adam sprach, der erste Mann, zu Eva, Der ersten Frau, daß Satan gierig lauschte, Um dieser neuen Sprache Reiz zu hören: »Die Du allein mit mir die Freuden theilst, Du, theurer mir als Alles, jene Macht, Die uns erschuf und diese Welt für uns, Muß sicherlich unendlich gütig sein, Und wie unendlich, so freigebig auch, Da sie uns aus dem Staub erhob, und hier In alle diese Seligkeit versetzte, Die wir doch Nichts verdient, und Nichts vermögen, Womit wir ihr zu Dienste könnten stehn; Die ein Gebot zu halten nur verlangt, Dem wir so leicht Gehorsam leisten können, Von allen Bäumen hier im Paradies, Die so verschiedne süße Früchte tragen, Von diesem einz'gen Baume nicht zu kosten, Dem Baume der Erkenntniß, der so nah Bei jenem Baum des Lebens hingepflanzt; So nahe wächst beim Leben dort der Tod, Was Tod auch sei, gewiß ein schrecklich Ding! Den, wie Du weißt, hat Gott mit Tod bedroht, Wer von dem Baume kostet; dies allein Ließ er als des Gehorsams Unterpfand, Bei diesen vielen Zeichen von Gewalt, Die er uns über alle Wesen gab Auf Erden und im Meer und in der Luft. Drum nennen wir solch leicht Verbot nicht schwer, Da Freiheit uns für jeglichen Genuß, Und unbeschränkte Wahl für Freuden blieb. Laß uns vielmehr ihn preisen und erheben, Indem wir unser Tagewerk vollbringen, Die Pflanzen säubern und der Blumen pflegen, Was, wenn auch mühsam, sich bei Dir versüßt!« Darauf sprach Eva: »Du, für den ich lebe, Aus dem ich wurde, Fleisch von Deinem Fleisch, Und ohne Den ich zwecklos wäre, Du Mein Haupt und Führer! Was Du mir gesagt, Ist gut und recht, ihm schulden wir fürwahr Tagtäglich Lob und Dank, vorzüglich ich, Da ich ein glücklicher Geschick genieße, Indem ich Dich genieße, der durch manchen Vorzug hervorragt, während Du ein Wesen, Dir selber gleichend, nirgends finden kannst! Oft denk' ich jenes Tags, als ich zuerst Vom Schlaf erwachend unter Blumenschatten Mich liegen fand, verwundert, was ich wäre, Woher, und wo und wie ich hingekommen. Nicht weit davon ergoß aus einer Grotte Sich murmelnd eine Quelle, die sich dann In einer flüssigen Ebne breitete, Und unbewegt, klar wie der Himmel, stand. Dort ging ich hin mit unerfahrnem Sinn Und legte mich am grünen Strande nieder, Um in den hellen glatten See zu schaun, Der als ein zweiter Himmel mir erschien. Als ich hineinzusehn mich niederbeugte, Erschien just gegenüber mir im Wasser Ein Bild, das mich zu sehn sich niederbeugte, Ich fuhr zurück, auch jenes wich zurück; Doch wandt' ich bald vergnügt mich wieder hin, Und ebenso wandt' jenes sich zu mir Voll Mitgefühl und Liebe; ja mein Auge Wär' schmachtend dort geblieben, sehnsuchtvoll, Wenn eine Stimme mich nicht so gewarnt: Was Du erblickst hier, liebliches Gebild, Das bist Du selbst; es kam und geht mit Dir; Doch folge mir; ich bringe Dich dahin, Wo nicht ein Schatten Deines Kommens harrt, Ihn, dessen Ebenbild Du bist, ihn sollst Untrennbar Du als Deinigen genießen, Und viele Deines Gleichen ihm gebären, Die Mutter sein des menschlichen Geschlechts. Was konnt' ich thun, als unverzüglich folgen, So unsichtbar geführt! Bald sah ich Dich Zwar schlank und schön dort im Platanenschatten, Doch minder schön und minder sanft und hold, Als jenes Wasserbild; ich wandte mich, Du folgend riefest laut: O Eva komm! Wen fliehst Du? Bist Du selber doch von ihm, Den jetzt Du fliehst! von gleichem Fleisch und Bein; Dich zu erschaffen, lieh ich Dir den Stoff Aus meiner Seite, nahe meinem Herzen, Um Dich an meine Seite stets zu fesseln, Als untheilbarer, ewig theurer Trost; Ich suche Dich als meiner Seele Theil, Und fordre Dich als meine zweite Hälfte! Da faßte Deine holde Hand die meine; Ich gab mich drein, und sehe seit der Zeit, Wie Schönheit von des Mannes Reiz und Weisheit Weit überragt wird, da nur diese schön!« So redet' unser Aller liebe Mutter; Und schmiegte sich mit Blicken zärtlicher Eh'licher Lieb' und Demuth halb umarmend An unsern ersten Vater. Ihre Brust Hob sich und traf die seine, wo das Gold Von ihren freien Locken niederfloß. Adam, von ihrer Huld und ihrem Reiz Entzückt, sah lächelnd auf das liebe Weib Und liebevoller noch als Zeus auf Juno, Wenn er die hohen Wolken fruchtbar macht, Die auf den Auen Frühlingsblumen netzen. Er drückt den reinsten Kuß auf Frauenlippen; Da wandt' der Teufel neidisch sich hinweg, Doch hämisch, eifersüchtig blickt er noch Sie seitwärts an, und klagte tief in sich: »Verhaßter Anblick! voll von Qual und Pein! So selig Eines in des Andern Armen, Ein glücklicheres Eden, sollen diese Der Seligkeiten höchste Lust genießen, Indessen ich zur Hölle bin verdammt, Wo weder Lust noch Liebe, sondern nur Glutvolle Wünsche, die sammt andern Qualen Die Pein der Sehnsucht, unerfüllt, erwecken! Doch werd' ich nicht vergessen, was ich jetzt Aus ihrem Mund vernahm. Nicht Alles hier Scheint ihnen eigen; ein Verhängnißbaum Steht dort gepflanzt, Erkenntnißbaum genannt, Von dem zu kosten streng der Herr verbot! Wie? die Erkenntniß soll verboten sein! Das ist verdächtig, gänzlich ohne Grund! Warum vergönnte diese nicht der Herr? Wär's Sünde, zu erkennen? Wär' es Tod? Bestehn sie einzig durch Unwissenheit? Ist dies ihr Glück, und des Gehorsams Pfand Und ihrer Treue? Welch ein schöner Grund, Um ihr Verderben drauf zu baun! – Ich will In ihre Herzen das Verlangen drum Nach Wissen pflanzen, daß sie voller Haß Des Herrn Gebot verschmähn, das nur ersonnen, Um niedrig sie zu halten, die sich Götter Durch die Erkenntniß leichtlich dünken könnten! Wenn sie sich nun erheben, essen sie – Und sterben dann; denn was erfolgte sonst? Zuerst doch muß den Garten ich genau Ringsum in jedem Winkelchen durchspähn, Vielleicht durch Zufall treff' ich irgendwo Auf einen Geist des Himmels, der am Quell Im Schatten lagert, um aus ihm zu forschen, Was irgend weiter noch zu wissen dient. Leb' wohl indeß, Du still beglücktes Paar! Genieße, bis ich kehre, kurze Lust, Denn langes Weh wird auf die Freude folgen.« So sprechend, wandt' er spöttisch seinen Schritt, Vorsichtig und behutsam, und begann Durch Wald und Haide, Berg und Thal zu streifen. Indessen sank im Westen, wo der Himmel Mit Erd und Meer sich eint, langsam die Sonne, Und richtet' ostwärts mit geradem Blick Zum Thor des Paradieses ihre Strahlen. Es war ein Alabasterfels, gethürmt Hoch in die Wolken, und von fern zu schaun, Wo ein gewundner Pfad zum einzigen Eingang hinaufwärts von der Erde führte; Das andre war ein steiles Klippenriff, Das hoch empor sich hebend, überhing, Und das unmöglich war zu übersteigen. Bei diesen Pfeilern nun saß Gabriel, Das Haupt der Engelschaar, die Nacht erwartend. Rings um ihn übte sich des Himmels Jugend In Heldenspielen, und zwar waffenlos, Doch hingen in der Näh die Himmelswaffen, Schild, Helm und Speer, wie Gold und Demant glänzend. Hieher kam Uriel auf einem Sonnenstrahl, Schnell wie ein fallender Stern im Herbst die Nacht Durchkreuzt, wenn Feuerdunst die Lüfte füllt, Und den Matrosen zeigt, auf welchem Punkt In des Compasses Richtung Stürme drohn. Er naht und sprach in Hast und Eile so: »Dir, Gabriel, ward als Loos di strenge Wache, Die Aufsicht zuertheilt, daß diesem Ort Der Seligkeit nichts Böses nahen darf. Heut, um die Mittagsstunde schwang ein Geist In mein Gebiet sich, der voll Eifer schien, Des Höchsten Werke näher anzuschaun, Zumeist den Menschen, Gottes Ebenbild. Ich wies den Pfad ihm, seinen Flug verfolgend; Auf dem Gebirg, das nördlich liegt von Eden, Wo er zuerst sich niederließ, gewahrt' ich An seinem Blick, daß er dem Himmel fremd, Von niedern Leidenschaften arg verdunkelt; Mein Auge folgt ihm immer, doch verlor Es endlich unter einem Schatten ihn. Mir bangt, daß einer der verdammten Schaar Zu neuem Unheil aus dem Pfuhle stieg: Ihn aufzufinden, sei nun Deine Sorge!« Erwidrung gab ihm der beschwingte Krieger: »Uriel, kein Wunder ist es, wenn Dein Blick Vom lichten Kreis der Sonne, Deinem Thron, So weit und ferne schaut; durch dieses Thor Läßt Wachsamkeit nur solche Wesen ein, Die wohlbekannt im Himmel sind, seit Mittag Hat sich von dort kein lichter Geist genaht; Doch wenn ein andres Wesen diese Grenzen Zu überspringen wagte, weißt Du wol, Daß schwer es halten muß, das Geistige Durch körperliche Schranken abzuhalten. Wenn er indeß im Umkreis irgend lauscht, In welcher Form er sich auch bergen mag, So weiß ich's morgen mit der Dämmerung.« Auf dies Versprechen kehrt zu seiner Pflicht Uriel zurück auf jenem lichten Strahl, Deß nun erhöhte Spitze jetzt ihn schief Zur Sonne trug, die jenseits der Azoren Gesunken war; ob nun die Himmelsscheibe Unglaublich schnell sich dorthin täglich rollt, Ja oder ob die Erde, minder flüchtig Durch kurzen Flug gen Osten, dort zurück Die Sonne läßt, wenn mit dem Widerschein Von Gold und Purpur sich die Wolken schmücken, Die sich um ihren Thron im Westen reihn. Jetzt kam der Abend, und das Dämmerlicht Hüllt Alles in ein düsteres Gewand; Und sein Gefolg war Stille; Thier' und Vögel Sie schlichen hin zum Lager und zum Nest, Nur nicht die wache, muntre Nachtigall, Sie sang die ganze Nacht ihr zärtlich Lied. Süß war dies Schweigen, glühend funkelte Das Himmelszelt von lebenden Saphiren; Es führte Hesperus das Sternenheer, Und rollt' als glänzendster von Allen hin, Bis auch der Mond in Wolkenmajestät Emporstieg und ein sichtbarer Monarch Sein unvergleichlich Licht entschleierte, Und um die Nacht den Silbermantel warf. Da sprach Adam zu Eva: »Holdes Weib, Die Stunde der Nacht, wo Alles sanft entschlummert, Mahnt uns zu gleicher Ruh; da Gott dem Menschen Arbeit und Ruh in gleichem Maß vertheilt, Wie Tag und Nacht; der Abendthau des Schlafs Fällt nun mit sanftem Druck auf unsre Lider. Den ganzen Tag lang schweifen andre Wesen Müßig umher, der Ruh nicht so bedürftig; Der Mensch jedoch hat sein bestimmtes Werk Für Körper und für Geist, was seine Würde Beweist, und wie der Himmel seiner achtet; Indeß die Thiere ringsum träge schweifen, Und Gott nicht auf ihr Treiben weiter sieht. Früh, eh' die Morgenkühle mit dem ersten Annahn des Lichts den Osten röthlich säumt, Erheben wir zu unsrer Arbeit uns, Beschneiden jene Bäume, jene Lauben, Den überzweigten grünen Mittagsgang, Der unsrer schwachen Arbeit höhnt und doch Mehr Hände noch erfordert, als die unsern, Um zu beschneiden seinen üppigen Trieb. Auch diese Blüthen, dieses Harz umher Unappetitlich fordern Fortschaffung, Sobald bequem wir unsre Pfade wünschen: Doch die Natur gebietet Ruh des Nachts.« Eva erwidert ihm in hoher Schöne: »O Herr! wenn Du befiehlst, gehorch ich gern; So will es Gott, und Gott ist Dein Gesetz, Wie Du das meine bist; nicht mehr zu wissen, Das ist des Weibs Erkenntniß, Glück und Ruhm. Zur Seite Dir, vergess' ich ganz die Zeit, Des Tages Wechsel ist mir gleich ergötzend. Süß ist des Morgens Hauch, und süß sein Kommen Mit seiner frühen Vögel Zaubersang. Hold ist die Sonne, wenn sie auf's Gefild Zuerst die rothen Morgenstrahlen wirft, Auf Blumen, Frücht' und Bäume thaubeglänzt. Süßduftend ist der Boden nach dem Regen, Süß auch des sanften Abends holdes Nahn, Und dann die stille Nacht mit Nachtigallen Und ihrem schönen Mond, dem Sternenheer; Doch weder Morgenhauch, wenn sanft er kühlt Bei früher Vögel zauberhaftem Sang, Noch auch die Sonne, wenn sie dem Gefild Die Strahlen schenkt, noch Blumen thaubenetzt Sammt Bäum' und Früchten; noch der süße Duft Nach Regen, noch des Abends holde Milde, Noch auch die stille Nacht mit Nachtigallen, Noch auch ein Gang im sanften Mondenlicht, Noch auch der Sterne blasser Lichterschimmer Ist süß und lieblich ohne Dich, Geliebter! Doch warum scheinen Sterne selbst zu Nacht, Da doch der Schlaf die Augen Aller schließt?« Hierauf entgegnet unser Aller Ahn: »Eva, Du Tochter Gottes und des Menschen, Sie haben ihren Lauf rund um die Erde Bis morgen Abend zu vollenden, und Den Völkern, die zwar ungeboren noch, Von Land zu Land bereitet Licht ertheilend. So gehn sie auf und unter, daß bei Nacht Nicht Finsterniß ihr altes Recht erhalte, Und all das Leben tilge der Natur, Daß diese milden Feuer nicht allein Erleuchten, sondern auch mit sanfter Glut Von mannichfachem Einfluß wärmend pflegen, Ernähren oder mildern, und zum Theil Gestirnkraft auf die Erdendinge thaun, Und so sie fähig machen, durch der Sonne Gewaltigere Strahlen sich zu bilden. Obwol sie nur gesehn in dunkler Nacht, So leuchten doch umsonst nicht diese Sterne. Auch wähne nicht, wenn keine Menschen wären, Daß es dem Himmel an Beschauern fehlte Und Gott an Lob; Millionen geistger Wesen Umwandeln unsichtbar der Erde Rund, Ob wir nun wachen oder schlafen mögen. All' diese schaun, endlosen Lobes voll, Auf seine großen Werke Tag und Nacht. Wie oft vernahmen wir an jäher Schlucht Im Dickicht eines Hügels Widerhall Bei Nacht von Stimmen, einzeln und erwidernd, Lobsingend ihres großen Schöpfers Macht! Oft, wenn in Schaaren sie die Wache halten, Und Nächtens wallen mit den süßen Tönen Himmlischer Saiten voller Harmonie, Wie rauschen ihre Lieder durch die Nacht Und lenken unsre Sinne himmelwärts!« So sprechend schritten Hand in Hand allein Sie nach der segensvollen Laube hin. Dies war ein Ort, gewählt vom höchsten Gärtner, Als alle Ding' er zu des Menschen holdem Gebrauch erschuf; das dicht belaubte Dach Wob sich aus Myrth' und Lorbeer seinen Schatten, Und aus den duft'gen Blättern höhrer Bäume. Acanth umzäunte rings auf beiden Seiten Bei würzigem Pflanzenduft die grüne Wand; Die schönsten Blumen, Iris aller Farben, Jasmin und Rosen hoben ihre Kronen Empor und einten sich als Mosaik; Darunter stickten Veilchen, Hyacinthen Und Crocus reich den Boden, bunter glänzend, Als Steine höchsten Werthes. Andre Wesen, Insecten, Vögel, Säugethiere wagten Hier nimmer einzutreten, denn sie ehrten Den Menschen so. Es schliefen nimmer Pan Und Sylphen, nimmer Nymphen wol und Faun In schattenreichrer Laube, wenn die Sage Dies heil'ger auch und stillverborgner meldet. Hier schmückte jüngst in traulichem Versteck Mit Blumen-Kränzen, duftigsüßen Stauden Eva ihr erstes Hochzeitlager aus. Hier sang ein Himmelschor das Hochzeitlied, Als unsrem Ahn der Engel sie gebracht, In nackter Schönheit lieblicher geschmückt Als einst Pandora, die der Götter Huld So reich mit allen Gaben ausgestattet. Doch ach! auch dieser in dem Unheil gleich, Als sie zu Japhets unvorsicht'gem Sohn Durch Hermes hingeführt, mit holdem Blick Die Menschheit arg bethörte, sich zu rächen An ihm, der Jupitern das Feuer stahl. So angelangt an ihrer Schattenlaube, Zum Himmel hingewendet, standen Beide, Und beteten zu Gott, der Erde, Luft Und Himmel schuf, was sie mit Augen sahn, Des Mondes lichten Ball, den Sternenpol. »Du schufest auch die Nacht, gewalt'ger Schöpfer, So wie den Tag, den bei ertheilter Arbeit Wir endeten mit wechselseit'ger Hülfe Und Liebe, die des höchsten Glückes Krone; Du schufst den holden Ort, für uns zu groß, Wo Andre fehlen, so die Fülle theilen, Die ungeärntet auf den Boden fällt. Doch einen Stamm verkündest Du uns Beiden, Die Erde zu bevölkern, der mit uns Dein endlos gütig Walten preisen soll Im Wachen und bei Nacht, wenn wir wie jetzt Dein herrliches Geschenk des Schlafes suchen.« Einmüthig sprachen sie's, ganz unbekümmert Um andern Andachtsbrauch, anbetend nur, Was Gott zumeist gefällt; ins Innerste Der Laube gingen sie nun Hand in Hand. Die lästigen Kleider, die wir jetzo tragen, Entbehrend, legten sie sich traulich gleich Dicht bei einander nieder; und ich meine, Es wandte sich nicht Adam von der Braut, Noch sträubte lang' sich Eva, den geheimen Ehlichen Brauch zu dulden; was auch Heuchler Von Reinheit, Unschuld voller Strenge reden, Als unrein lästern, was Gott rein erklärt, Und Einigen befiehlt, und freistellt Allen. Der Herr befiehlt uns zu vermehren selbst, Enthaltsamkeit gebietet nur der Satan, Feind Gottes und der Menschen. Heil Dir Liebe, Ehliche Liebe, treu, geheimnißvoll, Du wahre Quelle menschlicher Verpflanzung, Du einziges Eigenthum im Paradies, Wo alle Dinge sonst gemeinsam Gut! Durch Dich ward sündenvolle Lust verbannt, Dem Thier gesellt, durch Dich, gegründet Auf Recht und Pflicht, Vernunft und reinen Sinn, Erkannte man zuerst die theuren Bande Des Vaters und des Sohns und der Geschwister. Fern sei's von mir, daß ich dich Sünde nenne, Dich nicht des heil'gen Ortes würdig achte, Beständige Quelle häuslichsüßer Lust, Wo unbefleckt und rein das Bett gegolten Jetzt so wie einst von heil'gen Patriarchen! Hier sendet Liebe goldne Pfeile fort, Hier leuchtet dauernd ihrer Ampel Licht, Schwingt ihre Purpurschwingen jubelnd hier: Nicht in der Buhlerinnen feilem Lächeln, Lieblos und freudeleer, und ohne Reiz, Zufällige Genüsse nur gestattend, Noch in Liebschaften, wie sie Schmaus und Feste Und Maskeraden oder Bälle bieten Und Ständchen, die ein schmachtend süßer Buhle Der spröden Schönen bringt, Verachtung ärntend. Doch unser Elternpaar schlief sanft umarmt, Von Nachtigallen süß in Schlaf gewiegt: Auf ihre nackten Glieder fielen Rosen Des Blüthendachs, vom Morgen neu ersetzt. So schlaf Du sel'ges Paar, Du glücklichstes, Wenn Du kein größer Glück erhaschen willst, Und der Erkenntniß Schranken recht erkennst! Es hatte jetzt die Nacht mit dichtem Schatten Aufwärts der Erdenkugel eine Hälfte Durchmessen, und die Cherubs standen schon Vor ihrem Thor von Elfenbein gewappnet, Ausrückend zur gewohnten Stund' und Wache; Als Gabriel zum Engel, der an Macht, An Rang und Ansehn ihm der Nächste, sprach: »Uziel, die Hälfte nimm von diesen hier Und geh' mit ihnen nach dem Süden zu, Die andre Wache soll nach Norden wallen, Es schließe sich im Westen unser Kreis!« – Wie eine Flamme schieden sie sodann, Indem sie sich nach beiden Seiten theilten. Aus ihnen rief zwei Geister Gabriel, Die stärksten und die schlausten unter ihm, Um ihnen die Befehle zu ertheilen: »Ithuriel und Zephon, sucht und späht Mit Flügelschnelle durch des Gartens Rund, Laßt auch nicht einen Winkel unerforscht, Zumeist, wo jenes schöne Pärchen wohnt, Von Unheil nicht im süßen Schlafe träumt. Ein Cherub stieg vom Sonnenniedergang Heut Abend nieder, der berichtete, Daß unvermuthet sich ein böser Geist Hier eingeschlichen aus der Hölle Pforten, Der ohne Zweifel böse Thaten sinnt; Wenn ihr ihn findet, greift und bringt ihn her.« So sprechend führt er seine Strahlenreihn Den Mond verdunkelnd; jene Beiden aber Begaben eilig nach der Laube sich, Um jenen, den sie suchten, zu erspähn. Sie fanden dort ihn, hingestreckt als Kröte An Eva's Ohr, durch Höllenlist versuchend Die Phantasie mit Träumen zu befangen, Vielleicht auch Gift einflößend ihre Sinne Und Lebensgeister, die aus reinem Blut Wie holde Dämpf' aus lautern Flüssen steigen, Zu reizen, und unruhige Gedanken Und eitles Hoffen, schnöde Gier und Lust, Von Dünkel aufgebläht, in ihr zu wecken. Ithuriel berührte mit dem Speer Leicht den Versucher, denn es kann kein Trug Vor der Berührung Himmlischer bestehn, Und kehrt gezwungen in die wahre Form. Satan sprang auf, entdeckt und überrascht, Wie wenn ein Funke fällt auf einen Haufen Salpeterpulvers, das man aufgestaut Als Vorrath für den angedrohten Krieg, Das schwarze Korn mit schnellem Blitz entglimmt Und flammend auffährt, so auch fuhr der Böse In seiner eignen Schmachgestalt empor. Die beiden Engel wichen halb bestürzt Zurück, da sie den fürchterlichen Fürsten Plötzlich erblickten, doch sie redeten Bald ohne die geringste Furcht ihn an: »Wer bist Du unter den verdammten Geistern, Der seiner Haft entronnen? Warum lugst Du wie ein Feind verlarvt im Hinterhalt, Und wachst zu Häupten dieser Schlummernden?« Drauf höhnte Satan: »Wie! ihr kennt mich nicht? Einst kanntet ihr mich wol, nicht eures Gleichen, Ich thronte, wohin nie ihr steigen durftet. Mich nicht zu kennen, dient mir als Beweis, Daß ihr die niedrigsten von eurer Schaar. Doch kennt ihr mich, was soll die Frage dann, Und tretet überflüss'ge Sendung an, Die auch nur leer und fruchtlos enden wird?« Zephon entgegnet Hohn mit Hohn ihm so: »Empörter Geist, vermeine nicht etwa, Gestalt und Glanz sei unverkennbar noch, Wie damals, als Du rein im Himmel standest; Die Glorie wich, als Du der Schuld verfielst, Du gleichst der Sünde jetzt und Deinem Ort Der Nacht und des Verderbens. Jetzo komm, Denn Rechenschaft mußt Jenem Du ertheilen, Der uns gesendet, dessen Amt es ist, Den Ort hier unverletzlich zu bewachen, Und dieses Paar vor jedem Harm zu schirmen.« So sprach der Cherub, und sein ernstes Wort, So streng in seiner jugendlichen Schöne, Erhöhte nur die Huld und Anmuth noch. Beschämt stand Satan da und fühlte recht, Wie hehr die Tugend und wie liebenswürdig Sie in Gestalt erscheint. Er sah's und fühlte Mit Schmerzen den Verlust, vor Allem aber, Daß auch sein Glanz dahin geschwunden sei. Doch stand er ungebeugt. »Und muß ich streiten, So sprach er, streit' ich mit den Tapfersten; Mit Jenem, der euch sendet, nicht mit Boten; Ja oder selbst mit Allen. So ist Ruhm Mehr zu gewinnen, minder zu verlieren!« Zephon entgegnet kühnlich: »Deine Furcht Erspart uns den Beweis, was der Geringste Selbst einzelnstehend wider Dich vermag, Der Du Dich ruchlos zeigst und darum schwach.« Der Satan schwieg, von innrer Wuth erfüllt. Stolz schritt er, wie ein übermüthig Roß, Das wild zernagt sein eisernes Gebiß. Fruchtlos erschien ihm streiten so wie fliehn, Furcht vor dem Höchsten dämpfte seinen Muth, Der unerschrocken sonst. Sie wandeln nun Gen Westen zu, wo auch der andre Theil Der Wache grade kam auf seiner Runde, Und im Geschwader eng geschlossen stand, Befehl erwartend. Gabriel, das Haupt An ihrer Spitze, sprach mit lauter Stimme: »O! Freunde! schneller Füße Tritt vernehm' ich Auf diesem Weg, und jetzt erkenn' ich schon Im Schatten Zephon und Ithuriel Am Glanz, mit ihnen kommt ein Dritter noch Von königlichem Anstand, nur verdüstert. Nach Gang und stolzer Haltung scheint er mir Der Hölle Fürst. Vermuthlich wird er hier Nicht ohne Kampf entweichen. Stehet fest, Denn Trotz verräth sein ganzes Angesicht!« Kaum endet er, als diese Beiden nahn, Und kurz berichten, wen sie hier gebracht, Wo sie ihn fanden, was er dort getrieben, In welcher Form und Haltung er gelegen. Mit ernstem Blick sprach Gabriel zu ihm: »Warum durchbrachst Du, Satan, Deine Schranken, Die Deinen Frevelthaten vorgesteckt? Und störtest Andrer Pflicht, die nicht zur Sünde Sich neigen, doch Gewalt und Recht besitzen, Zu fragen, was hieher so keck Dich trieb, Bemüht vielleicht, den Schlummer zu verletzen, Und Jene, die Gott schuf zur Seligkeit!« Satan entgegnete verächtlich ihm: »Gabriel, im Himmel schätzte man Dich weise, Ich selber that's, doch die gestellte Frage Macht mich zum Zweifler. Lebt wohl Irgendwer, Der seine Qualen liebt? Wer würde nicht, Bahn findend, sich der Höllenglut entziehn, Ob er auch hingebannt? Du thät'st es selbst Und wagtest kühn Dich an jedweden Ort, Der fern von Qual, wo Dir die Hoffnung lachte Mit Ruh die Qual zu tauschen, und den Schmerz Mit Lust zu lohnen; wie ich's hier gesucht! Für Dich ist dies kein Grund, da Gutes nur Du kennst, doch Böses immer fremd Dir blieb Und hältst mir seinen Willen jetzt entgegen, Der uns verbannte? Laß sein Eisenthor Ihn sichrer wahren, wenn er uns im dunkeln Verhaft verschließen will; die Antwort Dies Auf Deine Frage; denn das Andr' ist wahr, Sie fanden dort mich, wie sie ausgesagt, Doch spricht dies nicht von Tücke noch Gewalt.« So sprach er höhnisch. Doch entrüstet-lächelnd Entgegnet ihm der Kriegesengel so: »Welch einen Geist verlor der Himmel doch, Den Richter für der Weisheit wahren Werth, Seit Satan fiel, den Thorheit niederstürzte Und jetzt hieher aus seinem Kerker führt, Bezweifelnd, ob er die für weise hält, Die ihn befragen, welcher tolle Muth Ihn unerlaubt die Hölle meiden ließ. Für weise hält er's, vor dem Schmerz zu fliehn Und seiner Strafe zu entgehn. – Vermess'ner! Urtheile Du nur immer so; die Rache, Der Du im Fliehn gerad' entgegen gehst, Begegnet Deinem Flüchten siebenfach, Und peitscht zur Hölle diese Weisheit wieder, Die Dich noch nicht gelehrt, daß keine Qual Unendlich aufgereiztem Zorn genügt. Was kamst Du so allein? Warum nicht auch Mit Dir die ganze wilde Höllenschaar? Ist minder ihre Qual, um nicht zu fliehn? Bist minder stark Du, diese Qual zu tragen? O muthiger Häuptling, der zuerst entweicht! Wenn dem verlaßnen Heere Du den Grund Zu Deiner Flucht verkündet, wärest Du Gewiß der einz'ge Flüchtling nicht entflohn!« Zornvoll, verächtlich sprach der böse Feind: »Nicht trag' ich minder jene Höllenqual, Noch beb' ich vor dem Schmerze, höhnischer Engel! Du weißt, daß ich am kühnsten mit Dir stritt, Als ich im Kampf der Donner der Vernichtung Dir rasch zu Hülfe kam, und Deinem Speer, Sonst nie gefürchtet, Beistand leistete. Doch Deine Worte, just so hin gesprochen, Bezeugen wieder Mangel an Erfahrung, Daß einem treuen Häuptling stets geziemt, Nach harter Prüfung, mißlichen Erfolgen, Nicht alle Kräfte der Gefahr zu weihn, Die er nicht selbst erprobt. Drum hab' ich's selbst Allein versucht, den Abgrund zu durchfliegen, Die neu erschaffne Welt hier auszuspähn, Wovon die Hölle Kunde selbst erhielt; Ich hoffte, bess're Wohnung hier zu finden, Und mein geschlagnes Heer auf Erden – oder Auch mitten in dem Luftraum anzusiedeln. Und müßt' ich auch um den Besitz versuchen, Was Du sammt Deiner lichten Schaar vermagst, Für die es leichter ist, dem Herrn zu dienen Im Himmel droben und mit Lobgesängen Um seinen Thron zu winseln – als zu fechten.« Doch schnell erwidert ihm der Kriegesengel: »Erst sagen, widerrufen dann und drauf Behaupten, weise sei's, die Qual zu fliehn, Und einen Späher offenbar sich nennend, Zeigt keinen Häuptling, einen Lügner nur; Und konntest auch Dich treuen Häuptling nennen? Entweihter Name! Wem doch bist Du treu? Treu den Empörern? Einer Schaar von Teufeln, Der solch ein Haupt gebührt, wie Du Dich zeigst! War es des Krieges Zucht, die schuld'ge Treu, Die Unterthanenpflicht und den Gehorsam Gen die erkannte höchste Macht zu brechen? Und Du Betrüger, der Du scheinen möchtest Ein Schirm der Freiheit, sprich, wer schmiegte sich Einst mehr, denn Du. Wer kroch und betete Den Herrn des Himmels sclavischer wohl an? Nur in der Hoffnung, ihn vom Thron zu stürzen Und selbst zu herrschen! Doch ich rathe Dir, Flieh' wieder dahin, wo Du hergeflohn! Wenn Du fortan den heil'gen Grenzen nahst, Schlepp' ich gefesselt wieder Dich zurück In Deinen Höllenpfuhl, und wahre Dich Nicht fürder mehr zu spotten, daß die Pforte Der Hölle nur ganz schwach verriegelt sei!« So droht er ihm, doch Satan merkt nicht drauf, Entgegnet nur in noch erhöhter Wuth: »Erst wann ich Dein Gefangner, stolzer Cherub, Dann sprich von Fesseln; doch zuvor erwarte Die ärgere Last von meinem Arm zu fühlen, Wenn auch des Himmels Herr auf Deinen Schwingen Einherfährt und mit den Genossen Du, Des Jochs gewohnt, auf sternbesäter Bahn Des Himmels seinen Siegeswagen ziehst.« Wie er so sprach, erröthete die Schaar Der Engel, krümmte den geschloss'nen Trupp Mondhörnern gleichend, und umgab so dicht Satan mit Speeren, wie ein Feld der Ceres, Zur Ernte reif, der Aehren hohen Wald Im Winde, der sie wiegt, hinwogend neigt; Der Landmann fürchtet bang, daß in der Tenne Die hoffnungsvollen Garben Spreu nur werden. Satan stand andrerseits zum Kampf bereit, Die ganze Kraft ermessend, hoch gestreckt Wie Teneriff und Atlas, unbewegt. Bis in die Wolken reichte seine Höh', Auf seinem Helmkamm lagerte der Schrecken, In seiner Faust erglänzte Speer und Schild. Jetzt wären Greuelthaten wol geschehn, Nicht nur das Paradies, der Sternendom Sammt allen Elementen wär' vielleicht Zertrümmert worden durch des Kampfes Hitze Und wär' aus allen Fugen aufgelöst, Wenn nicht der Ewige, diesen Kampf zu hindern, Die goldne Wag' am Himmel aufgehängt, Die sichtbar zwischen der Asträa noch Und zwischen dem Gebild des Scorpions; Worin er jegliches Erschaffne wog: Der Erde schwebend Rund im Gleichgewicht Mit ihrer Luft, worin er noch erwägt Ein jegliches Ereigniß, Reich und Schlachten. In ihre Schalen legt er zwei Gewichte, Die Folgen von des Satans Flucht und Kampf; Die letztre flog mit Hast empor, und zog Den Balken auf. Kaum sah dies Gabriel, So sprach er auch zu dem empörten Feind: »Ich kenne Deine Stärke, Du die meine! Nicht unser ist sie, nein, uns nur verliehn! Wie thöricht drum, mit Waffen sich zu brüsten, Die Deinen können mehr nicht, als der Wille Des Himmels zuläßt; auch die meinen nicht, Obwol sie jetzt verdoppelt sind, wie Staub Dich zu zermalmen; sieh zum Himmel auf, Lies Dein Geschick in jenem Himmelszeichen, Wo Du gewogen bist; da wirst Du sehn, Wie schwach und leicht Du bist zum Widerstande!« Satan blickt auf, er sieht der Wage Schale, Die hoch zum Schaden ihm empor geschnellt. Er floh mit Murren ohne Zaudern fort, Und mit ihm flohen all' die nächt'gen Schatten. Fünfter Gesang Fünfter Gesang. Auf Rosenschritten naht der Morgen sich Im Osten, sät des Orientes Perlen Auf Erden aus. Adam erwacht mit ihm, Wie er's gewohnt, vom luftig leichten Schlaf, Den seiner Nahrung Reinheit ihm vergönnt, Erweckt vom sanften Dunst, den wunderbar Aurorens Fächer in der Blätter Rauschen Und in der Bäche Dampf verbreitete Beim hellen Sang der Vögel in den Zweigen. Doch um so mehr war er erstaunt, daß Eva Noch unerwacht mit wirren Locken lag, Mit glühenden Wangen, wie von ruhelosem Schlaf wild erhitzt; an ihrer Seite lehnend Mit herzlich liebevollen Blicken hing Adam und schaute sie in ihrer Schöne, Die Reize strahlt' im Wachen wie im Schlaf; Dann sprach er sanften Tons, wie wenn ein Zephir Um Flora haucht, und streichelt ihre Hand: Erwache meine Schöne, mir Vermählte, Zuletzt Gefundne, Du des Himmels letzte Doch beste Gabe, voll von neuer Lust! Erwach'! der Morgen strahlt! es ruft die Flur; Die Stund' entflieht, und wir gewahren nicht Die Pflanzen sprießen, die Citrone blühn, Die Myrrhe tropfen und das Balsamrohr, Wie die Natur die bunten Farben mischt, Und Bienen süßen Saft aus Blumen saugen. So flüsternd weckt er sie, jedoch mit Blicken Der Scheu auf Adam sprach sie, ihn umarmend: »Du Einziger, in dem mein ganzes Sein Vollkommenheit und Stolz und Ruhe findet! Erfreut seh' ich Dein Antlitz und den Morgen; Denn diese Nacht, wie kein' ich noch bestand, Da träumt' ich, wenn ich träumte, nicht wie sonst Von Dir, und von des vorigen Tages Müh'n, Von Plänen für den nächsten Morgen, nein Ich träumte von Verbrechen ruhelos, Die vorher nie mein Busen noch gekannt; Mir war, als riefe dicht an meinem Ohr Mir Jemand fortzugehn mit sanfter Stimme, Ich glaubte Deine sei's; sie sprach: Warum Schläfst Du jetzt, Eva? Sieh' die Stund' ist hold, Ist kühl und still, das Schweigen unterbricht Der nächtlich singende Vogel ganz allein, Der wachend jetzt von süßer Liebe singt; Vollscheibig glänzt der Mond und leuchtet lieblich Mit schattigem Licht auf die Gestalt der Dinge; Umsonst, wenn Niemand schaut; der Himmel wacht Mit seinen Augen, Dich nur anzustaunen, Du Sehnsucht der Natur, bei deren Anblick Ein jeglich Wesen hingerissen wird Durch Deine Schönheit, immer Dich zu schaun. Dann stand ich auf, ganz wie auf Deinen Ruf, Doch sah ich nirgends Dich; um Dich zu finden, Ging ich dann meinen Pfad und wie mich dünkt Allein dahin, wo plötzlich mir der Baum Verbotener Erkenntniß stand genüber; Schön war er, und weit schöner noch im Traum, Als wie bei Tag; und wie ich staunend blickte Stand seitwärts Einer, jenen Engeln gleich An Schwingen und Gestalt, die oft wir sehn; Ambrosia troff aus den bethauten Locken; Auch er bestaunte diesen Baum und sprach: O holde Pflanze, reich mit Frucht beladen, Erleichtert Niemand Deine Last und kostet Von Deiner Süße, weder Gott noch Mensch? Verschmäht man so Erkenntniß? Ist es Neid, Denn welcher Rückhalt kann es sonst verbieten? Verbiet' es, wer da will, doch Niemand soll Dein dargereichtes Gute mir entziehn; Denn weshalb wärst Du sonst hieher gepflanzt? Er sprach's und ohne Zögern brach er Früchte Mit kühnem Arme sich und kostete: Eiskalter Schauder überlief mich da Ob dieser Frevelwort' und Frevelthat. Er aber sprach entzückt: O Götterfrucht, Süß an sich selbst, doch süßer so gepflückt, Verboten, weil Du Göttern nur gebührst, Doch Götter auch aus Menschen schaffen kannst, Warum auch nicht, da Gutes mitgetheilt Nur herrlicher gedeiht und selbst den Geber Nicht einschränkt, nur Verehrung mehr ihm beut. Hier glückliches Geschöpf, Eva, Du Holde, Genieße mit davon; wenn Du auch selig, Kannst dennoch Du glückseliger noch werden, Werthvoller nimmer; koste nur davon, Sei eine Göttin selber unter Göttern, Nicht auf die Erde ganz allein beschränkt, Heb' Dich zuweilen in die Luft wie wir, Zuweilen in den Himmel, durch Verdienst Schon Dein, und sieh, was für ein Leben dort Die Götter führen und so leb' auch Du. So redend naht' er sich, und hielt mir dicht Am Mund ein Stückchen der gepflückten Frucht; Der süße Duft erregte solche Lust, Daß, wie mich dünkt, ich davon kosten mußte. Sogleich flog ich mit ihm in Wolkenräume, Sah unermeßlich, tief, die Erde drunten, Und weite mannichfache Gegenden, Bestaunend meinen Flug zu solcher Höhe; Plötzlich verschwand mein Führer, und mich dünkte Ich sank herab und fiel in tiefen Schlaf; – Doch froh erwacht' ich, als ich fand, daß Alles Nur Traum gewesen!« – Also schilderte Eva die Nacht, doch Adam sprach betrübt: »O Du mein bestes Abbild, theure Hälfte! Die Unruh Deiner Seel' in dieser Nacht Bekümmert mich; der sonderbare Traum Ergötzt mich nicht, da er vom Bösen stammt; Allein woher kommt Böses? Kann es doch In Dir nicht herrschen, rein Erschaffene! Doch wisse, daß so manche niedre Kraft Auch in der Seele wohnt, die der Vernunft Als Herrin dienet, und vor allen diesen Die Phantasie; von allen Außendingen, Die ihr die Sinne widerspiegeln, zaubert Sie Einbildungen, Luftgebilde vor; Die Bilder trennt dann die Vernunft und schafft, Was wir behaupten oder auch verneinen, Was unsre Kenntniß oder Meinung heißt; Dann kehrt in ihre Zelle sie zurück. Wann die Natur ruht, wacht oft rege noch Die Phantasie, sie gaukelnd nachzuahmen; Doch Bilder plump vereinend, zeugt sie oft Ein wildes Werk, in Träumen meist erschaffen, In Worten, die unpassend sich verbinden Und Thaten, die oft lange schon geschehn. In Deinem Traume find' ich Aehnlichkeit Mit unserm gestrigen Gespräch zu Abend. Seltsam nur Einzelnes noch beigefügt. Doch sei nicht traurig; denn das Böse kann In Götter – wie in Menschenherzen schleichen, Und ungebilligt wieder draus entfliehn, Nicht einen Fleck der Schuld zurückelassend, Dies läßt mich hoffen, daß Du wachend nicht Vollbringen wirst, was Du schon träumend scheutest. Drum zage nicht, umwölke nicht den Blick, Der heiter sonst und holder als der Morgen, Wenn er zuerst der schönen Erde lacht. Laß uns zu neuer Arbeit rasch erstehn, An Quellen, unter Hainen, unter Blumen, Die ihre reichsten Düfte jetzt verhauchen, Zu Nacht in Kelchen nur für Dich gesammelt!« So tröstend heitert er das holde Weib, Doch ließ sie schweigend ein paar Thränen sinken, Und trocknete mit ihren Haaren sie; Zwei andre, die vor dem krystallnen Thor Schon fallend standen, küßt ihr Adam weg, Als Zeichen süßer Rührung, frommer Scheu, Die bang befürchtet, daß sie sündigte. So waren Beide wieder ganz erheitert Und eilten auf das Feld. Sobald sie aber Zum offnen Tagesanblick aus dem Schatten Der Bäume traten, und den Sonnenball, Den kaum erstandnen, an dem Rande schwebend Des Oceans erblickten, wie im Lauf Er thauige Strahlen sandte, rings den Osten Des Paradieses und die sel'gen Fluren Von Eden hold verklärend, beugten sie Demüthig sich und sprachen ihr Gebet, Das Morgens in verschiedner Form sie hielten; Denn nie entbehrten sie der Form des Ausdrucks, Noch der Begeist'rung zu des Schöpfers Lob, Das sie gebührend sprachen oder sangen, Und ohne lang zu sinnen; denn es floß Beredsamkeit von ihrem Lippenpaar Frei oder rhythmisch, so voll Melodie, Daß sie nicht Harf' und Flöten erst bedurften, Um Süßigkeit dem Sange zu verleihn; Und so begannen sie: »Allmächtiger! All' dies sind Deine Wunderwerke, Vater Des Guten Du! der ganze Weltendom Ist Dein in seiner wunderbaren Schönheit! Wie wunderbar mußt Du erst selber sein! Du Unaussprechlicher, der in den Himmeln Für uns unsichtbar thront, und dunkel nur In seinen kleinsten Werken angeschaut, Die all' die Güt' und Göttermacht verkünden. Ihr Engel sprecht, ihr seid die besten Zeugen, Des Lichtes Söhne, denn ihr sehet Ihn, Und wallt mit Chören voller Harmonie In Tagen ohne Nacht um seinen Thron, Auf Erden einen alle Wesen sich, Um ihn zu preisen, der als Anfang, Schluß, Als Mitte sonder Ende sich erweist. Du schönster Stern, der im Gefolg der Nacht Der letzte, wenn Du nicht der Dämmrung Mehr angehörst, des Tages Unterpfand, Der Du den Morgen krönst mit Deinem Kranz Voll Strahlen, preise Du in Deiner Sphäre Ihn, da der Tag beginnt, in süßer Stunde! Du Sonne, dieser Welten Aug' und Seele, Erkenne jetzt ihn als Gebieter an, Laß Du sein Lob im ew'gen Lauf erschallen, Wenn Du emporsteigst, wenn zur Mittagshöhe Du Dich erhebst und wenn Du niedergehst! O Mond, der Du der Sonne bei dem Aufgang Begegnest, und mit jenen Sternen fliehst, Die festgeheftet in ganz engem Kreise, Und ihr fünf andern Wandelfeuer dort, Die in melodischem Tanze sich bewegen, Verkündiget sein Lob, der aus der Nacht Das Licht erschuf! – Luft und ihr Elemente, Ihr erstgebornen Kinder der Natur, Die vierfach ihr im ewigen Kreise wandelt, Vielförmig, alle Dinge mischt und nährt, Laßt euren Wechsel immerdar erneun, Des großen Schöpfers neues Lob zu künden. Ihr Dünst' und Nebel, die ihr jetzt vom Hügel, Vom Dampf der See euch düstergrau erhebt, Bis euern woll'gen Saum mit Gold die Sonne Bemalt, steigt auf zu eures Schöpfers Ehre! Mit Wolken schmückt die farblos leere Luft, Mit Regen tränkt der Erde heißen Durst, Im Steigen wie im Fallen preiset ihn! Ihr Winde, die ihr von vier Enden her Der Erde weht, haucht sanft und laut sein Lob! Neigt eure Wipfel all ihr Fichtenbäume, Sammt allen Pflanzen, zollt Anbetung Ihm! Ihr Quellen, die ihr fließend lieblich murmelt, Verkündet rauschend eures Schöpfers Preis! Eint euch mit ihnen, all ihr Lebenden, Ihr Vögel, die ihr euch gen Himmel schwingt, Tragt auf den Schwingen in den klarsten Tönen Sein Lob empor! die ihr im Wasser gleitet, Und die ihr auf der Erde stattlich wandelt Und niedrig kriechet, o bezeuget all, Ob Morgens oder Abends je ich schweige, Vor Hügeln oder Thal, vor Quell und Schatten, Die ich durch meiner Stimme Laut belebe, So daß sie Echo sind von seinem Lob. Heil Dir, o Herr der Welt, sei gütig stets, Uns Gutes nur zu geben; wenn die Nacht Uns Böses spendet oder auch verbirgt, Vertreib' es, wie das Licht die Dunkelheit!« So sprachen betend sie, und dem Gemüth Kam wieder bald gewohnte Ruh zurück. Sie eilten an ihr ländlich Tagewerk Hin unter Thau und Blumen, wo die Reihe Fruchtüberladner Bäume weit die Zweige Hervorgestreckt, die einer Hand bedurften, Um die Verschlingung zu verhindern, oder Sie lenkten hin zum Ulmenbaum die Rebe, Daß sie vermählt als Gatten ihn umschlingt, Indem sie ihm als Mitgift Trauben bringt, Um seine dürren Blätter zu verzieren. Auf die Beschäftigten sah voll Erbarmen Des Himmels Herrscher; er rief Raphael Den guten Geist, der sich herniederließ In spätrer Zeit, Tobias zu begleiten Und dessen Eh'bund hülfreich zu beschützen Mit einer sieben Mal vermählten Frau. »Du hörest Raphael, welch Ungemach Satan, der Höll' entronnen durch den Schlund, Im Paradies erregte, wie er heut Zu Nacht das Menschenpaar im Schlummer störte, Und wie er dem Geschlecht Verderben sinnt. Drum eile fort und rede, wie ein Freund Mit einem Freunde spricht, zu Adam jetzt, Den Du im Schatten einer Laube findest, Wohin er vor der Mittagshitze floh, Um sich von seinem Tagewerk durch Ruh' Und Nahrung zu erquicken, wende so Die Worte, daß er der Glückseligkeit Auf's Neue sich erinnert, die allein Beruht auf seinem eignen freien Willen, Der frei zwar, aber doch veränderlich. Gieb ihm die Warnung, daß er auf der Hut Vor der Verirrung; zeig' ihm die Gefahr Und welcher Feind ihm droht, der selber jüngst Vom Himmel fiel, und nun mit allen Ränken Glückselige vom Thron zu stürzen sucht; Nicht mit Gewalt, denn dies ist ihm verwehrt, Doch durch Betrug und Lüge; meld' ihm dies, Damit er nicht, mit Vorsatz sündigend, Als Vorwand Ueberraschung nennen kann.« So sprach der ewige Vater und erfüllte Gerechtigkeit, und ohne Zaudern schwang Der Flügelengel sich mit seiner Botschaft Aus tausend Himmelsflammen weit hervor, Wo er in seinen Schwingen stand umhüllt, Und schwebte mitten durch den Himmelsraum. Die Engelschöre theilten sich im Nu, Um Raum ihm durch die Aetherbahn zu geben, Bis er zur Himmelspforte kam, die sich Von selbst eröffnete, mit goldnen Angeln, Ein göttlich Werk, vom Höchsten selbst erbaut. Von hier aus stellt sich kein Gewölk, kein Stern Dem Blick entgegen, denn er sieht die Erde, Zwar klein, den andern lichten Kugeln gleich; So wie das Fernrohr Galilei's Nachts Vermeinte Länder in dem Mond entdeckt, Wie ein Pilot als dunstigen Punkt zuerst Aus den Cycladen Delos Fels erblickt. Dort eilt er raschen Flugs hinab und segelt Durch den unmeßbar weiten Aetherraum, Durch Zwischenräume vieler Welten fort, Den Winden folgend, die der Pol versendet, Dann theilt behend er die geschmeid'ge Luft, Bis er in solcher Höhe, wo der Adler Empor sich hebt, ein Phönix allen Vögeln, Von Allen angestaunt als einz'ger Vogel, Wenn er, um seine Reste zu bestatten Im Sonnendom, nach Theben sich begiebt. Auf einmal läßt der Engel sich im Osten Des Paradieses nieder, in der Urgestalt Als Seraph, mit sechs Flügeln ausgerüstet, Beschattend seinen Leib; das eine Paar, Das seine mächtigen Schultern überwallte, Hüllt fürstlich wie ein Mantel seine Brust; Das mittlere schlang wie ein Sternengürtel Sich um den Leib, und säumte seine Schenkel Mit flaumigem Gold und himmlischreinen Farben. Das dritte Paar umschattet seine Fersen, Befiedert einem Schuppenpanzer gleich Von himmelblauer Farbe. Stand er doch Wie Maja's Sohn, er schüttelt sein Gefieder, Daß Himmelsduft die Gegend überfliegt. Sogleich erkannten ihn die Engelsschaaren, Und lauschten ehrerbietig seiner Kunde, Denn hohe Kunde glaubten sie in ihm. Er ging an ihrem Strahlenzelt vorbei, Und naht' der sel'gen Flur durch Myrrhenhage, Durch Blüthenduft von Cassia, Nardus, Balsam, Durch eine Wildniß, voll von Wohlgerüchen; Denn die Natur scherzt hier in ihrer Jugend, Und läßt willkürlich Raum der Phantasie. Indem sie Wonn' und höchste Lieblichkeit Weit über Kunst und Norm hinaus, erschuf. Wie er den würzereichen Wald durchschritt, Ward Adam ihn gewahr vor seiner Laube, Indeß senkrecht die hochgestiegne Sonne Die Glutenstrahlen niederschoß, den Schooß Der Erde zu erwärmen; in der Laube War Eva und bereitete zum Mahl Schmackhafte Früchte, die dem Gaumen munden, Und die dem Durst nach süßem Nektartrank Aus Milch und Beeren nimmermehr zuwider. Zu ihr sprach Adam: »Eva, komm hieher Und sieh, des Schauens werth, nach Osten hin, Dort unter Bäumen, welche Glanzgestalt Des Weges kommt; sie scheint ein neuer Morgen, Zu Mittag aufgegangen; uns vielleicht Bringt sie vom Himmel her ein Machtgebot, Und würdigt uns, für heute Gast zu sein. Drum eile fort, und was Dein Vorrath faßt, Schaff flugs herbei und gieb's im Ueberfluß Dem Himmelsgast zum ehrenden Empfang. Leicht können unsern Gebern wir die Gaben, Die sie uns reichten, wiederum verleihn, Und von dem reich Ertheilten reichlich spenden, Da ihr Gedeihn nur die Natur vermehrt, Fruchtbarer nur durch die Entlastung wird, Daß aufzusparen Sorge nicht von Nöthen.« Eva erwidert ihm: »Adam, Du heil'ges Erdbild, von Gott beseelt; genügen wird, Wo Vorrath reif zu jeder Jahreszeit Am Stengel hängt, ob Vieles auch durch Sorgfalt Bewahrt wird und durch Festigkeit erst nährt. Doch eilen will ich und von jedem Zweig, Von Pflanz und Kürbis nur das Beste wählen, Um zu bewirthen unsern Engelgast, Damit er schauend künde, daß auf Erden Gott seine Gaben spendet wie im Himmel.« So sprechend wandt sie sich mit schnellen Blicken, Nur auf die Art der Gastlichkeit bedacht, Welch eine Wahl von dem sie treffen müsse, Was des Genusses höchste Wonne beut, Die Ordnung, daß die Nahrung wohl vereint, Und dem Geschmack den besten Wechsel leiht. Sie bricht von jedem zarten Zweige Früchte, Was nur die Allgebärerin, die Erde, In Indien im Ost und West erzeugt, Was an des Mittelmeers Gestaden sie, An Pontus oder Puniens Küstenrand, Im Reiche des Alcinous erschafft, Von allen Arten Früchte, rauh und glatt In bärtigen Hülsen oder harten Schalen; Und Alles dies häuft in der Laube dann Verschwenderisch ihre Hand, sie preßt aus Trauben Unschädlich süßen Most und Meth aus Beeren; Und aus zermahlten Kernen mischt sie selbst Noch süßen Saft. Auch fehlt ihr reinliches Geschirr nicht, um dem Gaste zu kredenzen, Dann streut sie Rosen auf den Boden hin Und frische Blumen voll gewürz'gen Duftes. Indessen schreitet seinem Himmelsgast Adam entgegen, im Geleite nur Die eigne Tugend und Vollkommenheit, Nur in sich selbst trug er die ganze Pracht, Viel reicher als der lästig ekle Pomp, Der Fürsten folgt in langgestreckter Reih' Von goldbeladnen Dienern, Reitern, Rossen, Was blendend nur den Pöbel stutzen macht. Als Adam sich ihm nähert, beugt er sich Nicht etwa scheu, doch voller Ehrerbietung So wie vor einem überlegnern Wesen, Und sprach bescheiden: Himmelseingeborner, Denn wohl kein andrer Ort als nur der Himmel Kann an Gestalt so holdes Wesen fassen, Da Du, herniedersteigend von dort oben, Das selige Gefild mit unserm tauschtest, Gewähr' uns Beiden, die wir diese Flur Als ein Geschenk des Mächtigsten besitzen, In jenem Laubenschatten auszuruhn, Und was der Garten Auserwähltes hegt, Zu kosten, bis die Mittagsglut sich lindert Und kühler dann die Sonne niedergeht. Huldreich gab ihm der Engel die Erwidrung: Adam, ich kam deshalb; denn Du bist ja Sammt diesem Ort, den jetzo Du bewohnst, Der Art geschaffen, daß Du Himmelsgeister Oft selber zum Besuche locken kannst. So führe mich zu Deiner Schattenlaube, Denn diese Mittagstunden bis zum Abend Sind meinem Willen ganz anheim gestellt. – So gingen sie zur waldigen Hütte hin, Die gleich Pomona's Baume lächelte, Mit Blumen lieblich duftend ausgeschmückt. Eva, vom eignen Reize nur geziert, Holdseliger als eine Nymphe wol, Die schönste Göttin von den drei'n der Mythe, Die auf dem Ida nackt vor Paris stritten, Erwartete den himmlischhohen Gast. Die Tugend selbst – war ihr kein Schleier nöthig, Kein Sündetrieb entfärbt' ihr Wangenpaar. »Heil!« rief der Engel ihr, den heil'gen Gruß, Der einer zweiten Eva später auch, Der heiligen Maria ward verkündet: »Heil, Mutter Dir des menschlichen Geschlechts, Durch deren Leib, mit Fruchtbarkeit gesegnet, Die Welt zahlreichre Söhne wird empfangen, Als mit den mannichfachsten Früchten hier Die Bäume Gottes diesen Tisch beladen!« Von grünem Rasen war der Tisch gebaut, Moosbänke standen rund um ihn herum, Und auf dem weiten Viereck lagen hoch Des Herbstes reiche Gaben aufgehäuft, Doch gingen Herbst und Frühling Hand in Hand. Sie sprachen eine Zeitlang ruhig fort, Nicht fürchtend, daß die Mittagskost erkalte; Dann sprach der Ahn der Menschheit: »Himmlischer, O koste diese Gaben, die der Herr, Von dem ja Alles so vollkommen stammt, Zur Lust und Nahrung aus der Erde schuf; Die Kost vielleicht ist nicht für geist'ge Wesen So schmackhaft, doch das Eine weiß ich wol, Daß ein allmächtiger Vater Allen giebt.« Der Engel sprach: »Drum wird auch seine Gabe, Gelobt sei Er, die er dem Menschen giebt, Der auch zum Theil ein geistig Wesen ist, Von reinsten Geistern angenehm befunden, Denn Nahrung auch bedürfen jene Wesen, Wie ihr, Vernunftbegabte, sie erheischt. Die Kraft der Sinnlichkeit wohnt ja in Beiden, Wodurch sie sehen, hören, riechen, fühlen, Und schmecken und Genossenes verdaun, Vereinigen und aus dem Körperlichen Unkörperliches schaffen. Wisse denn, Ein jegliches Geschöpf bedarf der Nahrung. So nähren bei den Elementen selbst Die gröbern stets die feinern, so die Erde Die See, und Erd und See sodann die Luft, Die Luft hinwieder diese Himmelssterne, Zuvörderst deren niedrigsten, den Mond. Daher in seinem Vollgesicht die Flecken Von Dünsten, die noch nicht gereiniget, In seinen Stoff noch nicht verwandelt sind. Der Mond auch dünstet wieder Nahrung aus Von seinem feuchten Land für höh're Sterne. Die Sonne, die den Andern Licht ertheilt, Empfängt von Allen feuchten Nahrungsstoff, Und labt sich Abends an dem Ocean. Im Himmel tragen zwar des Lebens Bäume Ambrosiafrüchte, Nektarsaft die Rebe, Wir streifen jeden Morgen von dem Zweige Zwar honigsüßen Thau, und sehen rings Mit Perlenschmuck den Boden dicht besät, Jedoch hat Gott so mannichfache Güte Hier offenbart, daß mit dem Himmel selbst Die Erde sich vergleichen kann; o glaube, Ich bin verwöhnt nicht, um das Mahl zu kosten.« Sie setzten sich, und aßen von den Speisen, Der Engel nicht nur scheinbar, wie ein Nebel, So wie's die Meinung gottgelahrter Herrn, Nein, mit des wahren Hungers Thätigkeit, Verdauend diese Kost in Licht zu wandeln; Was rückbleibt, dunstet leicht bei Geistern aus. Kein Wunder drum, wenn durch der Kohlen Glut Der Alchymist Metall vom gröbsten Erz In Gold so rein, wie's aus den Minen kommt, Verwandelt oder zu verwandeln denkt. Indessen dient, durch Kleider nicht verhüllt, Eva beim Mahl, und füllt mit süßem Saft Die Becher an. Unschuld, des Paradieses würdig! Wenn jemals, wär' es damals zu verzeihn, Wenn bei dem Anblick selbst des Himmels Söhne In Liebe fielen, doch in jenen Herzen War keine Wollust, und sie wußten nichts Von Eifersucht, verschmähter Liebe Hölle! Als sie mit Trank und Speise sich gesättigt, Doch die Natur nicht überladen hatten, Stieg ein Gedanke rasch in Adam auf, Nicht die Gelegenheit entgehn zu lassen, Durch den Besuch veranlaßt, zu erfahren Was über dieser Welt, und was für Wesen Im Himmel wohnen, deren Majestät Die eigene bei weitem überstrahlte, Und deren Glanzgestalt, der Ausfluß Gottes Und Macht den Menschen sichtlich überwog. Drum wandt behutsam seine Red' er so An den Bewohner jener Himmelsfluren: »Du, der bei Gott Du wohnest, ich erkenne Nun Deine Huld, wie Du den Menschen ehrst, Den Du gewürdigt bei ihm einzutreten Und diese Früchte, die nicht Engelsspeise, Zu kosten, und mit solcher Güt' und Milde, Daß Du vergnügter nicht erscheinen könntest, Wenn Du an Himmelsspeise Dich gelabt, Der nicht vergleichbar dieses Erdenmahl: Erwidrung ward ihm vom beschwingten Engel: Adam, es ist nur ein Allmächtiger, Von welchem Alles kommt, zu welchem Alles Zurückkehrt, was sich nicht vom Guten ab Zum Bösen wendet; alle Dinge sind Erschaffen zur Vollkommenheit und alle Aus einem ersten Stoff mit mannichfacher Gestaltung und verschiednen Wesensgraden; Und bei den Wesen, welche Leben fühlen, Mit Lebenskraft begabt; das Feinere, Geläuterte, mehr Geistige steht ihm nah, Wo nicht, so strebt es näher ihm zu kommen, Ein jedes in der angewiesnen Sphäre, Bis sich der Leib zum Geist emporgeschwungen, Ein jegliches Geschlecht in seinen Grenzen. So sprießt der Stengel aus der Wurzel freier, Aus diesem keimt das Blatt noch luftiger, Zuletzt haucht die entfaltet schöne Blume Den geistigen Duft; die Blüthe sammt der Frucht, Des Menschen Nahrung, stufenweis verfeinert, Sie schwingen sich zu Lebensgeistern auf, Zu thierischen, zu geistigen; verleihn Dem Leben Sinn, Verstand und Phantasie; Dadurch erhält die Seele die Vernunft, Und die Vernunft ist selbst ihr Wesen, schließt Und schaut, das Schließen bleibt für euch, Das innre Schaun ist unser meisten theils. Drum staune nicht, wenn ich, was Gott als gut Für euch erkannte, nicht verschmähe, sondern In's eigne Wesen wandle, so wie ihr. Die Zeit kann nahn, wo Menschen selbst mit Engeln Die Mahlzeit halten, und die Speisen nicht Zu leicht noch auch undienlich finden mögen; Durch diese körperliche Speise kann Zuletzt sich euer Leib vergeistigen, Veredelt durch die Zeit, und dann beflügelt Zum Aetherraume schwingen wie der unsre, Vielleicht hier unten wohnen, oder auch Im Paradies des Himmels, wenn ihr stets Gehorsam seid und immer wechsellos Aufrichtig lieb den ew'gen Schöpfer habt, Von dem ihr stammt. Indeß genießt die Fülle, Die unermeßlich euern Stand beglückt.« Der Ahn des Menschenstammes sprach darauf: »O milder Geist, der Du mir so geneigt, Du zeigest uns den Weg, der zur Erkenntniß Uns führt, so wie die Gnade der Natur, Vom Mittelpunkt zum Umkreis aufgestellt, Worauf wir in Betrachtung des Erschaffnen Zu Gott empor allmählich steigen können. Doch sprich, was Deine Warnung uns bedeute: Wenn ihr gehorsam seid? Kann jemals uns Gehorsam fehlen oder wär' es möglich, Die Liebe Dem zu weigern, der uns erst Aus Staub geschaffen und hieher gesetzt Vom höchsten Maß der Seligkeit beglückt, Die je ein Menschenwunsch erfassen kann?« Der Engel sprach: »O merke treulich, Sohn Des Himmels und der Erde, was ich rede: Daß jetzt Du glücklich bist, verdankst Du Gott, Daß Du es bleibst, verdankest Du Dir selbst, Das heißt, wenn treu Du im Gehorsam bist. Dies ist die Warnung, die Dir Gott gestellt. Drum sei auf Deiner Hut. Vollkommen zwar Er schuf Dich Gott, jedoch auch wandelbar. Er schuf Dich gut, doch überließ er's Dir Auch gut zu bleiben. Freier Wille ward Dir von Natur, vom unvermeidlichen Geschick nicht und Nothwendigkeit beherrscht. Freiwilligen Dienst verlangt er, nicht erzwungnen, Denn solchen wird er nie genehmigen, Und kann's auch nie, denn könnten jemals wol Unfreie Herzen einer Probe stehn, Ob willig sei ihr Dienst, da sie nur wollen, Was ohne Wahl sie durch Verhängniß müssen? Ich selbst und unser ganzes Engelheer, Das vor dem Angesichte Gottes steht, Wir können unsern sel'gen Stand allein, Wie ihr den euern, nur so lang erhalten, Als wir gehorsam unserm Gott und Herrn. Darin besteht nur unsre Sicherheit. Frei dienen wir, weil wir freiwillig auch Ihn lieben, weil's in unserm Willen liegt Zu lieben oder nicht, was unser Glück, Was unser Fall ist; ein'ge sind gefallen Durch Ungehorsam aus dem Himmelsglanz Zur tiefsten Hölle. Welch ein grauser Fall Von höchster Seligkeit in endlos Weh!« Erwidernd sprach dann unser großer Ahn: »Aufmerksam hört' ich jedes Deiner Worte Mit mehr Entzücken, göttlich hoher Lehrer, Als wenn der Cherubim Gesang zu Nacht Von Hügeln luftige Musik uns sendet. Zwar weiß ich wohl, daß Wille so wie That Ganz frei geschaffen, und daß nimmer wir Vergessen sollen unsern Gott zu lieben Und ihm zu folgen, dessen einziges Gebot so sehr gerecht und gnädig ist. Mein Denken sagte mir's und sagt mir's immer; Doch was vom Himmel Du erzähltest, weckt In mir so manchen Zweifel, und noch mehr Den Wunsch, vollkommne Kunde zu erfahren, Die sicherlich ganz seltsam ist und werth In heil'ger Stille nur gehört zu werden. Der Tag ist ja noch lang, die Sonne hat Die Hälfte kaum der Bahn vollbracht, und kaum Beginnt die andre sie am Himmelsbogen.« So bat den Engel Adam; und es sprach Einwilligend Raphael nach kurzem Schweigen: »Hochwichtiges verlangst Du, Ahn der Menschen, Ein traurigschweres Werk, denn wie vermag ich Dem Menschensinn die unsichtbaren Thaten Des Geisterkampfs zu schildern? wie vermag ich Dir ohne Schmerz den Untergang so mancher Vollkommnen, da sie standen, zu verkünden? Wie endlich soll ich einer andern Welt Geheimniß Dir enthüllen, da vielleicht Ich unbefugt, Dir's zu entdecken, bin? Doch Dir zum Guten ist es mir erlaubt, Und was zu hoch für menschlichen Verstand, Will ich in solcher Art und Weise schildern, Daß ich den geist'gen Formen irdische Vergleiche, wie am besten es bezeichnet. Doch wie, wenn hier die Erde nur der Schatten Des Himmels wär' und alle Dinge Beider Sich ähnlicher, als man auf Erden wähnt!« Als diese Welt noch unerschaffen war, Und wildes Chaos herrschte, wo die Himmel Jetzt rollen, wo die Erde jetzo ruht Auf ihrem Mittelpunkt im Gleichgewicht; Erschien an einem Tage (denn die Zeit Selbst in der Ewigkeit mißt, angewandt Auf die Bewegung, jeglich dauernd Ding Nach Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft) An einem Tag des großen Himmelsjahrs Das Strahlenheer der Engel, vorgerufen Durch Wink des Höchsten, zahllos vor dem Thron Des Allgewalt'gen aus den Himmelsenden Sammt ihrer Fürsten glanzumwob'nen Reih'n; Zehntausendmal zehntausend Fahnen wehten, Standarten, Banner rauschten in der Luft, Und zeichneten die Vorhut von der Nachhut Und Rang und Ordnung der verschiednen Grade, Der Stufenfolge; ja sie trugen auch Auf reichen Glanzgeweben Angedenken Von heilger That des Eifers und der Liebe. Als sie im Kreis unsäglich weiten Raumes, Und Kreis im Kreise standen, sprach der Ew'ge, Zu dessen Rechte reich an Seligkeit Der Sohn verweilte, wie aus Flammenbergen. Wo unsichtbar vor Glanz der Gipfel wird: Hört all' ihr Engel, Kinder ihr des Lichts, Ihr Throne, Fürsten, Tugenden und Kräfte, Hört meinen Rathschluß, der unwiderruflich Bestehen soll! Ihn hab ich heut gezeugt, Ihn, den ich jetzt als einz'gen Sohn erkläre, Den ich auf diesem heil'gen Berg gesalbt, Und den ihr jetzt zu meiner Rechten seht, Zu eurem Haupt ernenn' ich ihn und schwur Mir selber zu, daß sich ein jedes Knie Im Himmel vor ihm beuge, so als Herrn Ihn anerkennend; bleibet unter Ihm Als untheilbare Seele stets vereinigt, Auf ewig selig; wer ihm ungehorsam, Der ist es mir, bricht die Vereinigung Und stürzt, von mir verstoßen, selben Tags In tiefste Nacht, vom Abgrund wild verschlungen, In heillos Graun, endlos, erlösungslos! So sprach der Allgewalt'ge. Darauf schienen Die Engel all' mit seinem Wort zufrieden. An diesem Tag, wie dies gewöhnlich ist Bei festlichfrohen Tagen, sangen sie Und tanzten um den heil'gen Berg den Tanz, Der in der geist'gen Windung jenem gleicht, Den sonst die Sternensphäre der Planeten Und fixen Sterne führt, verworrene Gewinde, dichtverschlungen, ungewöhnlich, Im Regellosen am geregeltsten; In der Bewegung schaffen Götterlaute So zaubervolle Töne, daß voll Wonne Das Ohr des Höchsten selbst den Klängen lauscht. Der Abend nahte jetzo (denn wir haben Auch Abend so wie Morgen, doch zur Wonne Im Wechsel nur, nicht aus Nothwendigkeit) Rasch wenden sie vom Reigen sich hinweg Zum süßen Mahl: wie sie in Kreisen standen, So wurden Tafeln aufgestellt, und plötzlich Mit Engelsspeisen reich besetzt, es schäumt Rubinenrother Nektar im Geschirr Von Perlen, Diamanten, ächtem Golde, Kostbarer Reben Frucht, Gewächs des Himmels. Auf Blumen ruhend und bekränzt mit Blumen Genießen Trank und Speise sie; und schwelgen So hold vereinigt in Unsterblichkeit, Vor Ueberfüllung sicher, denn allein Das volle Maß beschränkt das Uebermaß, Vor dem Allgütigen, der mit reicher Hand Die Spenden reicht, sich ihrer Wonne freuend. Als die ambrosische Nacht mit Wolken nun, Vom hohen Berge Gottes ausgedampft, Aus dem zugleich das Licht sammt Schatten dringt, Das Angesicht des hellsten Himmelklars In angenehme Dämm'rung änderte, (Denn Nacht naht dort im finstern Schleier nicht) Und rosiger Thau die Augen Aller rings, (Die Gottes ausgenommen, die nie schlummern,) Zur Ruhe lud, da streckte weit hinaus Viel weiter, als die Erdenfläche wär' Ganz ausgebreitet, in dem Vorhof Gottes, Das Engelsheer, in Reihen und zerstreut, Sein Lager unter Lebensbäumen aus Lebend'gen Strömen nah; zahllose Zelte Und Hütten waren eiligst aufgestellt, Worin sie schliefen, kühl vom Wind umhaucht, Nur jene nicht, die ihrer Reihe nach Abwechselnd nächtlich ihren Lobgesang Voll Melodie dem Thron des Höchsten brachten. – Doch so nicht wachte Satan, so genannt Seit man im Himmel seinen Namen tilgte; Der Ersten Einer, – wenn auch nicht der erste Erzengel, groß an Geist, Gewalt und Rang, Doch neidisch gegen Gottes großen Sohn, Der selbigen Tags von seinem ew'gen Vater Geehrt ward und als ein gesalbter König, Als ein Messias ward verkündet, – konnte Aus Stolz den Anblick nimmermehr ertragen; Er hielt sich für entehrt. Von Bosheit drum Und Groll durchdrungen, faßt er den Beschluß, Sobald als Mitternacht im Dunkel naht, Am günstigsten dem Schlummer und der Stille, Mit allen seinen Schaaren aufzubrechen, Anbetungslos und ungehorsam Gott Den höchsten Thron verächtlich zu verlassen Und seinen nächsten Untergeb'nen weckend Sprach er zu ihm, doch heimlich, diese Worte: Schläfst Du, geliebter Freund? Was für ein Schlaf Schließt Deine Lider, wenn Du dran gedenkst, Welch ein Beschluß vom Mund des Ewigen Erst gestern ausgegangen? Warst Du doch Gewohnt, mir jeglichen Gedanken gleich Zu künden, wie ich's auch mit Dir gethan; Im Wachen einig, könnte jetzt der Schlaf Es anders meinen? Siehst Du doch die Last All der Gesetze, die der Herrscher schmiedet, Sie können neuen Sinn in uns erwecken, Ahnungen, was Bedenkliches uns droht; Mehr noch zu äußern, scheint hier nicht der Ort. Versammle Du von jenen Myriaden, Die uns gehorchen, all die Häupter; sprich, Daß auf Befehl, eh' noch die finstre Nacht Ihr schattiges Gewölk zurückgezogen, Mit allen, deren Banner unter mir, Ich in dem schnellsten Zuge heimwärts eile, Wo uns im Norden unsre Wohnung lacht, Die Voranstalten anzuordnen, würdig Den herrlichen Messias, unsern König Sammt seiner neuen Herrschaft zu empfangen, Denn bald will er durch alle Himmelsstaaten Gesetze gebend, im Triumphe ziehn. So sprach der Falsche, bösen Einfluß übend Auf des Genossen unvorsicht'ge Brust. Der rief sogleich die Engelsherrscher all, Die unter ihm die Schaar geführt, zusammen Und meldet, wie er unterwiesen ward, Daß auf Befehl des Höchsten, eh die Nacht Vom Himmel weicht, das Heer der Himmlischen Fortziehen soll. Er meldet den von ihm Erlognen Grund und wirft zweideutige, Verdächt'ge Worte drein, um ihre Treu Und Redlichkeit zu prüfen und zu täuschen. Sie all' gehorchten dem gewohnten Zeichen, Dem höhern Machtruf des gewalt'gen Herrschers. Denn wahrlich groß war seines Namens Ruf Und hoch im Himmel stand an Würden er. Es lockte seine Machtgestalt sie an, So wie der Morgenstern die Sterne leitet, Und voll Betrug zog er den dritten Theil Des Himmelsheeres mächtig nach sich hin. Indessen sah der Blick des Ewigen, Der die verborgensten Gedanken sieht, Von seinem heil'gen Berg beim Strahlenglanz Der goldnen Lampen, welche nächtlich glühn, Wie sich der Aufruhr regt, ob auch das Licht, Das ihn umgiebt, nicht jenen Raum erhellte. Er sah, wie die Empörung sich verbreitet Bei jener Engelschaar der Morgensöhne, Wie sie vereinigt waren, seinen Rathschluß Durch wilde Widersetzung zu bekämpfen, Und lächelnd sprach er zu dem einz'gen Sohn: »Mein Sohn, in dem sich meine Herrlichkeit Ganz widerstrahlt, Du Erbe meiner Macht, Jetzt gilt es, unsre Allmacht uns zu sichern, Und auch, mit welchen Waffen wir das Recht Auf Herrschaft oder Göttlichkeit behaupten. Ein Feind erhebt sich, der im weiten Norden Sich einen Thron, an Macht dem unsern gleich, Errichten will, zugleich hegt er im Sinn, Im Kampf zu prüfen, was wol unser Recht Und unsre Macht. Laß uns erwägen drum, Und unsre Kräfte rasch zusammenziehn, Die uns geblieben noch in der Gefahr, Laß Alles jetzt uns zur Vertheidigung einen, Damit wir unvermuthet nicht den Thron, Dies Heiligthum, den hohen Stand verlieren.« Mit göttlichheiterm, leuchtendklarem Blick Erwidert ruhig der geliebte Sohn: »O! mächt'ger Vater, Du verhöhnst mit Recht Die Feinde dort, und spottest ihrer Pläne Und ihres Treibens, das mir Ruhm verheißt. Ihr Haß verherrlicht mich, wenn sie die Macht Mir übertragen sehn, um ihren Stolz Zu bänd'gen, und durch Thaten zu beweisen, Ob ich Empörer zu bestehn vermag, Ob ich im Himmel der Geringste bin.« So sprach der Sohn; doch Satan rückte schon Weit vorwärts mit der hastbeschwingten Schaar, Ein Heer, unzählbar wie die nächt'gen Sterne, So reich, wie Perlentropfen Thau des Morgens, Die Sternen gleich auf Blatt und Blume zittern. Fort zog's durch mächt'ger Seraphim Bereiche, Der Mächte die auf Thronen dreifach herrschen; Durch Reiche, gegen welche Dein Gebiet Nicht mehr ist, Adam, als was dieser Garten, Verglich man ihn der Erde sammt dem Meer, Die Kugelform der Länge nach gestreckt. Nachdem sie diese Reiche rasch durchzogen, Gelangten endlich sie zu Nordens Grenze, Und Satan zu dem königlichen Sitz, Auf einen Hügel, welcher weithin glänzte, Ein Berg gewälzt auf einen Berg, mit Thürmen Und Pyramiden, aus Demant gehaun Und goldne Felsen, zu dem Prachtpalast Des großen Lucifer (so heißt der Bau, Wenn ihn die Menschensprache nennen will) Den Satan bald darauf, indem er kühn, Nach Gleichheit Gottes strebend, jene Höhn Nachahmte, wo im Angesicht des Himmels Vom Ew'gen der Messias ward erklärt, Die Höhe der Versammelten benannte. Denn hier versammelt' er die ganzen Schaaren, Und gab als Vorwand ihnen das Geheiß, Den großen König würdig zu empfangen. Und unterm Schein der Wahrheit schafft er sich, Verleumderischer Künste voll, Gehör: »Ihr Herrscher, Fürsten, Mächtigthronende, Wenn von den prächt'gen Titeln anders noch Mehr bleibt als nur der Name, weil ein Andrer, Durch Gottes Rathschluß alle Macht gewonnen, Und mit dem Namen des gesalbten Königs Uns ganz verdunkelt hat, für welchen jetzt All' diese Hast des mitternächtigen Zugs Uns zur Versammlung trieb, um zu berathen: Wie wir am würdigsten mit neuen Ehren Ihn hier empfangen können, wenn er naht, – Mit Knietribut, den wir noch nie gezollt, Schon viel zu viel für Einen! aber doppelt Entwürdigend für diesen Zweiten, den Er als sein Abbild offen ausgerufen? Wie? wenn ein bessrer Rath die Herzen stärkte Und lehrte von dem Joch uns zu befrein? Wollt lieber ihr den Nacken drunter schmiegen Und die geschmeid'gen Kniee beugen? – Nein! Das wollt ihr nicht, wenn anders ich euch kenne, Und ihr euch selbst, als Eingeborene Des Himmels, der zuvor nur euer war, Ihr, wenn nicht alle gleich, doch sämmtlich frei, Und in der Freiheit gleich, denn Rang und Stand Entfernt nicht Freiheit, sondern wächst in ihr. Wer also kann denn mit Vernunft und Recht Die Herrschaft über solche sich erzwingen, Die nach dem Rechte seines Gleichen sind, An Freiheit gleich, wenn minder auch an Macht? Wer kann Gesetz uns geben, da wir ohne Gesetz noch nie geirrt? Viel weniger Solch ein Gesetz, das einen Herrn uns giebt, Den wir anbeten sollen, wie zur Schmach Der königlichen Titel, die beweisen, Daß wir nur herrschen, nimmer dienen sollen.« Soweit fand seines Worts Vermessenheit Nicht Widerstand, als plötzlich Abdiel, Ein Seraph, der am eifrigsten die Gottheit Verehrt und göttlichen Geboten folgte, Aufstand und in des strengen Eifers Drang Dem Strome seiner Wuth sich widersetzte: »O gotteslästernde, vermessne Rede, Die nie ein Ohr im Himmel noch vernahm, Am wenigsten erwartete, von Dir So Schimpfliches zu hören, Undankbarer, So hoch gestellt selbst über Deine Fürsten! Kannst mit verruchtem Tadel Du den Ausspruch Des Herrn verdammen, der verkündend schwur, Daß vor dem eingebornen Sohne, dem Er erst mit Recht das Königs-Scepter gab, Sich alle Himmelsgeister beugen sollten, Um in der schuldigen Verehrung ihn Als König zu erkennen? Unrecht nennst Du, Durch ein Gesetz die Freien binden wollen, Den Gleichen über Gleiche herrschen lassen, Und über Alle mit der größten Macht. Willst Du Gesetze denn dem Höchsten geben? Und mit ihm rechten über Freiheitspunkte, Der Dich zu dem geschaffen, was Du bist, Der alle Himmelskräfte bildete, Wie's ihm gefiel, und der ihr ganzes Wesen Beschränkte? Die Erfahrung lehrt uns ja, Wie gut er und besorgt für unser Wohl Und unsre Würde waltet, wie so fern Von dem Gedanken, zu verkleinern uns, Wie er nur unser Glück zu fördern strebt, Wenn enger uns ein neues Haupt vereint, Doch wär's auch ungerecht, daß über Gleiche Der Gleiche herrsche, kannst Du, wenn auch noch So groß und herrlich, die Natur der Engel Vereint in Einer, dem erlauchten Sohn Vergleichen, da durch ihn, wie durch sein Wort, Der mächtige Vater alle Dinge schuf, Selbst Dich, und all die andern Himmelsgeister, Nach Graden mit der Glorie Strahlen krönte, Und zur Verherrlichung ihnen Macht ertheilte Nach Thronen, Fürstenthümern, Tugenden, So daß sich seine Herrschaft nicht verdunkle, Vielmehr verkläre, weil als unser Haupt Er unsrer Schaar sich eint, und sein Gesetz Zugleich das unsre wird; da Alles, was Er ihm als Ehr' erweist, auf uns auch fällt, Laß darum ab von der verruchten Wuth, Verführe diese nicht, und eile lieber Den schwererzürnten Vater zu versöhnen, Und den erzürnten Sohn, weil Du Verzeihung, Zu rechter Zeit gesucht, noch finden kannst.« So sprach im Zorn der Engel, aber keiner Verlieh ihm Beistand, denn man hielt den Eifer Unzeitgemäß, seltsam und übereilt. Weshalb noch trotziger der Abtrünnige Und hocherfreut die Worte darauf sprach: »Du sagst, daß also wir geschaffen wurden, Ein Werk von zweiter Hand, dem Sohne nur Vom Vater aufgetragen! Seltsam neue Behauptung! sprich, von wem die Lehre Du Erlernt? wer sah's, als diese Schöpfung ward? Erinnerst Du Dich Deines Ursprungs noch, Da Dir der Schöpfer Form und Leben gab? Wir kennen keine Zeit, da wir nicht waren, Was jetzt wir sind, wir kennen vor uns Keinen, Denn wir sind selbst erzeugt und selbst entstanden Durch eigne Kraft, als des Geschickes Lauf Den Kreis vollendet, als der Himmel uns Als Aethersöhne selbst im Schooß gebar. Die Macht, die wir besitzen, ist uns eigen. Die eigne Rechte lehrt uns höchste Thaten, Um durch Versuch zu prüfen, wer uns gleicht. Dann sollst Du sehn, ob wir demüthig uns Vor ihm erweisen und den Thron der Allmacht Mit Bitten oder Flehn umringen werden. Die Antwort, den Bericht vermelde nun Ihm, dem gesalbten König, flieh jedoch, Bevor Verderben in der Flucht Dich hemmt.« Er sprach's, und wie das Brausen tiefer Wogen Ertönte seinem Wort das heisre Tosen Des Beifalls im unendlich großen Heer. Jedoch nicht minder furchtlos sprach zu ihm Der Flammenseraph, stand er auch allein Und eingeschlossen rings von seinen Feinden: »Du gottvergeßner und verfluchter Geist, Fremd allem Guten! Deinen Fall gewahr' ich, Und Dein unselig Heer in treuelosen Betrug verstrickt, wie Deine Schuld und Strafe! Nicht kümmre Dich, wie Du fortan das Joch Des göttlichen Messias meiden werdest, Solch ein Gesetz der Milde wird Dir ferner Nicht mehr gewährt, denn andere Beschlüsse, Sind gegen Dich und ohne Widerruf. Das goldne Scepter, welches Du verworfen, Zum Eisenstabe wird's, im Dich zu geißeln Und Deinen Trotz zu brechen. Wol gemahnt Hast Du mich, aber nicht der Drohung wegen Meid' ich jetzt diese schwerverfluchten Zelte, Nein nur aus Furcht, daß die gewicht'ge Rache In Flammenwuth nicht unterscheiden würde, Denn bald wird Dich verzehrend Feuer treffen, Und seinen Donner wird Dein Haupt empfinden. Wehklagend lerne dann, wer Dich erschuf, Sobald Du den erkennst, der Dich vernichtet.« So sprach der treue Seraph Abdiel, Allein getreu in der Verrätherschaar, In jener Menge Falscher unbewegt, Und unerschüttert, standhaft, unverführt Bewahrt er seine Liebe, seinen Eifer. Nicht Zahl noch Beispiel macht ihn wandelbar, Vom Wahrheitpfad zu lassen oder nur Den Sinn zu ändern, stand er auch allein. Fort schritt er durch den Schwarm und duldete Den Spott der Feinde muthig und erhaben, Dann wandt er voll Verachtung sich hinweg Von jenen stolzen Thürmen, deren Zinnen So bald ein schneller Untergang ereilt. Sechster Gesang Sechster Gesang. Es zog furchtlos und unverfolgt der Engel Die Nacht hindurch auf weiter Himmelsfläche, Bis sanft der Morgen, von den flücht'gen Stunden Geweckt, mit rosiger Hand des Lichtes Thore Entriegelte. Dort ist im Berge Gottes, Nah seinem Thron, gelegen eine Höhle, Wo Licht und Dunkel wechselweis im Kreislauf Einziehn und wieder schwinden, was im Himmel So holden Wechsel schafft, wie Tag und Nacht; Das Licht erscheint, und zu dem andern Thor Schleicht Dunkel ein, bis seine Stunde naht, Den Himmel zu verhüllen, obwohl Dunkel Hier nur als Dämmerung erscheinen möchte; Jetzt trat der Morgen vor, wie er erscheint Am höchsten Himmel, ganz in Gold gekleidet. Vor ihm verschwand die Nacht, von seinen Strahlen Durchblitzt, als sich die ganze Fläche rings Mit dicht zur Schlacht gereihten Schaaren, Wagen Und Flammenwaffen, Feuerrossen zeigte Und Glanz auf Glanz vor seinen Blicken lag. Er sah zur Schlacht sich rüsten und erkannte, Man wußte schon, was er verkünden wollte. Frohlockend eint er sich dem Freundesheer, Die jubelnd ihn mit lauter Lust empfingen, Daß Er, der Eine vieler Myriaden Gefallener doch unverloren kehrte. Zum heilgen Berge führten sie ihn preisend Und stellten vor den Thron des Höchsten ihn, Von dem herab aus einer goldnen Wolke Der Ton von einer milden Stimme klang: »Du hast ganz wohl gehandelt, Diener Gottes! Hast jenen bessern Kampf mit Ruhm gestritten, Der einzeln Du gen die empörte Schaar Die Wahrheit kühn vertratest, mächtiger In Worten schon als sie in ihren Waffen. Da Du als Zeugniß für die Wahrheit auch Den allgemeinen Hohn erduldetest, Der schwerer zu ertragen als Gewalt. Denn Deine ganze Sorge ging darauf Vor Gottes Angesicht bewährt zu stehn, Ob auch verkehrt Dich viele Welten hielten. Jetzt lächelt Dir der leichtre Sieg, beschützt Durch dieses Heer von Freunden, zu den Feinden Glorreicher rückzukehren, als verhöhnt Du schiedest, mit Gewalt die zu bezwingen, Die der Vernunft Gesetz verworfen haben, Vernunft, die ihnen Recht, wie ihrem König Messias, der nur Herrscher nach Verdienst. Geh Michael, Du Fürst der Himmelsheere, Und Du, am nächsten ihm an Tapferkeit, O Gabriel, zum Kampfe führet jetzt Die unbezwingbar muth'gen Himmelssöhne, Die Heil'gen, die in Waffen sich zur Schlacht Zu Tausenden, zu Millionen reihten, Zahlreich wie der Empörer freche Schaar. Mit Feuer und mit Feindeswaffen fallt Furchtlos sie an, verfolgt sie bis zum Rand Des Himmels und vertreibt aus Gottes Nähe Und aus der Seligkeit sie in den Pfuhl Des Tartarus, dem Orte der Bestrafung, Deß Flammenchaos ihren Sturz erharrt.« So sprach des Höchsten Stimme. Wolken hüllten Den ganzen Berg, und Rauch in finstern Wirbeln Entlud in kämpfendem Flammenqualme sich, Ein Zeichen seines Zorns. Nicht minder furchtbar Erschollen droben himmlische Drommeten, Worauf die Kämpfermächte für den Himmel Ihr Strahlenheer in mächtig Viereck zogen, Unwiderstehlich, schweigend vorwärts rückten Beim lauten Schall wohlklingenden Getöns, Das sie mit Heldenmuth zu großen Thaten Für Gottes und für des Messias Sache, Geführt von göttergleichem Haupt, beseelte. Sie ziehen unauflösbar fest dahin, Kein Berg, kein enges Thal, kein Strom und Wald Bricht die geschloss'nen Reihn, denn hoch empor Ging über'n Boden hin ihr Zug, die Luft Trug ganz geduldig ihren schnellen Schritt. Wie einst der Vögel ganz Geschlecht geordnet Auf Schwingen über Eden kam, von Dir Die Namen zu empfangen, so auch zogen Sie über manches himmlische Gebiet, Manch weite Gegend, zehnfach größer wol Als dieser Erde Fläche. – Ganz zuletzt Ersah man gegen Norden hin den Saum, Ein feuriges Gefilde, weit gestreckt Von kriegerischem Aeußern, aber näher Erblickte man des Satans Heeresmacht Vereinigt vorwärts dringend wilden Zugs, Draus starrten Lanzen aufrecht mit den Spitzen, Zahllose dichtgereihte Helm' und Schilde, Mit manchem Sinnbild prahlerisch verbrämt. Sie glaubten noch am selben Tag durch Kampf, Vielleicht durch Ueberfall den Berg des Höchsten Sich zu erobern, und den stolzen Geist, Den Neider Gottes, auf den Thron zu heben. Doch schon auf halbem Weg erwies ihr Plan Als thöricht sich und eitel; zwar erschien Es Anfangs seltsam uns, daß Engel selbst Mit Engeln kämpfen sollten, die gewohnt, So oft bei Festen höchster Lieb' und Lust Einmüthig sich als Kinder eines Haupts Den ewigen Vater preisend, zu versammeln. Doch Schlachtgeschrei erhob sich, das Geräusch Des Angriffs scheuchte bald den mildern Sinn. Hoch in der Mitte, wie ein Gott erhöht, Saß der Abtrünnige, wie ein Idol Der Gottesmajestät im Sonnenwagen, Umringt von Flammencherubs, goldnen Schilden. Vom prächt'gen Thron stieg er herab sodann, Ein enger Raum nur schied die Heere noch, Ein Zwischenraum, wo Reihe gegen Reih' Entsetzlich breit sich trotzte. Da nun rückte Satan zum wolkendichten Treffen vor Am Rand des Heeres, eh' die Schlacht begann, Hochmüthigen Schrittes, einem Thurme gleich Mit Gold und Diamanten reich verziert. Abdiel, der unter den Gewalt'gen stand, Ertrug den Anblick nicht, und sann auf Thaten, Erforschend so sein unerschrocknes Herz: O Himmel, daß die Aehnlichkeit des Höchsten Noch bleibt, wo Treu entschwunden und Gehorsam! Warum soll da nicht Macht und Stärke fliehn, Wo Tugend flieht, und sich am schwächsten zeigen, Wo frech und unbesiegbar sie erscheint! Erproben will ich seine Macht, vertrauend Auf des Allmächt'gen Hülfe, der ich jüngst Den Satan lügenhaft und falsch erfunden. Auch ist es recht, daß Jeder, der mit Worten Für Wahrheit siegt, auch in den Waffen siege, Damit er Sieger sei in beiden Kämpfen. Zwar roh und niedrig ist ein solcher Streit, Wenn die Vernunft mit der Gewalt sich mißt, Doch auch vernünftig, daß Vernunft gewinne. So sinnend trat er aus der Brüder Schaar Dem stolzen Feind auf halbem Weg entgegen, Durch dessen Trotz nur mehr entrüstet noch, Er voller Zuversicht dies ihm entbot: »Verwegner, trifft man Dich? Dein Hoffen war, Dein Ziel ganz ungehindert zu erreichen, Hieltst Gottes Thron für unbewacht, da Alles Vor Deiner Zunge Macht und Schreck gewichen. Du Thor, der nicht bedacht, wie es vergeblich Sich gegen den Allmächt'gen zu bewaffnen, Der aus den kleinsten Dingen unaufhörlich Endlose Kriegesheere schaffen kann, Um Deine Thorheit zu vereiteln, Er, Der ja mit seiner Hand, die grenzenlos Hinausreicht, ja mit einem Schlage Dich Vernichten kann und Deine Schaaren stürzen. Du siehst, nicht Alle sind von Deiner Art, Es weilen Schaaren hier, die gottesfürchtig Und treu verbleiben, wenn sie Dir auch nicht Sichtbar geworden, als ich ganz allein In Deiner falschen Welt im Widerspruch Mit Allen schien. Erlerne jetzt zu spät, Wie Wenigen oft sich die Erkenntniß beut, Wo viele Tausende voll Irrthum blieben.« Verächtlich blickend sprach der große Feind: »Zum Unheil Dir, doch zur ersehnten Stunde Für meine Rache, die zuerst Dich suchte, Kehrst Du, empörter Engel, von der Flucht, Den Lohn, den wohlverdienten, zu empfangen, Den ersten Probestreich von dieser Rechten, Die Du gereizt, da Deine Zunge wild Von Widerspruch beseelt, dem dritten Theil Der Götter sich zu widersetzen wagte, Die ihre Göttlichkeit behaupten wollen, So lang' noch Götterkraft in ihren Adern, Die keinem Einz'gen Allmacht zugestehn. Wol kommst Du den Genossen noch zuvor, Glorreich mir eine Feder abzuringen, Damit Dein Sieg den Andern Untergang Verkünden solle; diese Zwischenzeit (Damit Du nicht mit meinem Schweigen prahlst) Mag Dir nur sagen, daß ich früher wähnte, Freiheit und Himmel seien Eins und Alles Für Himmelssöhne; doch nun seh ich klar, Die Meisten dienen in der Trägheit Schmach, Als Sclaven lieber, bei Gesang und Festen! Des Himmels Sängerchor hast Du bewaffnet, Damit die Knechtschaft mit der Freiheit kämpfe, Wie, wenn man ihre Thaten mit einander Vergleichen würde, dieser Tag bezeugt.« Abdiel erwidert kurz und ernst ihm so: »Abtrünniger! Du irrest immer fort, Und endest nie mit Irren, der vom Pfad Der Wahrheit Du gewichen; schmählich nennst Du Knechtschaft, dem zu dienen, welchen Gott Und die Natur gebietet; Gott, Natur Erfodern dies, da dieser Herrscher würdig Die Andern übertrifft, die er beherrscht. Knechtschaft nur ist es, einem Thoren dienen, Und Jenem, der sich gegen Bessere Empört, und so dient Deine Rotte Dir, Der selbst nicht frei, sich selber unterjochte, Und dennoch wagst Du's, unsern Dienst zu schmähn! Beherrsche Du Dein Königreich, die Hölle, Laß mich im Himmel ewig-selig Gottes Gebot gehorchen, welches würdig ist, Daß man gehorche; doch erwarte nicht Ein Königreich, nur Ketten von der Hölle; Indessen nimm von mir, der rückgekehrt Von seiner Flucht, wie Du Dich ausgedrückt, Jetzt diesen Gruß auf Dein verfluchtes Haupt.« So redend führt' er einen mächt'gen Streich, Der unverzüglich wie ein Wetterschlag Auf Satans stolzes Haupt herniederfuhr, Daß nicht der Blick, noch die Bewegung auch Des schnellen Denkens, noch der Schild den Sturm Abwenden konnte. Satan taumelte Zehn ungeheure Schritt' zurück, am zehnten Sank er, auf seinen großen Speer gestützt, In seine Knie; wie wenn auf Erden Wind Und Wasser, Bahn im Boden sich erzwingend, Flugs einen Berg von seiner Stelle stürzte, Daß er mit seinen Tannen halb versinkt. Entsetzen faßte die empörten Fürsten, Doch heft'ger war die Wuth noch, als sie sahn, Wie jetzt der Mächtigste bezwungen war. Die Unsern jubelten im Vorgefühl Des Siegs, in wilder Lust zu Kampf und Streit. Da ließ der Engel Michael des Heers Drommete tönen, die im weiten Raum Des Himmels widerklang und Hosianna Rief rings das Heer, doch auch die Feindesschaar Stand müßig nicht, sie einte wüthend sich Zum fürchterlichen Kampf. Ein stürmisch Toben Erhob sich jetzt mit schrecklichem Geschrei, Wie nie im Himmel es vernommen ward. Die Waffen klirrten an den Waffen wider In grauenvollem Mißklang, rauschend rollten Der ehrnen Wagen Räder; schrecklich war Das Kampfgetümmel, über Häuptern flog Manch grauser Schwarm von glühenden Pfeilen hin, Und wölbte Flammen über beide Heere. So unter Feuerdecken stürzten beide Gewalt'ge Reihen auf einander ein, Verderben brütend, unerbittlich grollend. Laut donnerte der ganze Himmel wider, Und war die Erde damals schon, sie hätte In ihrem Mittelpunkte schwer gebebt. Welch Wunder auch, da Millionen Engel Ergrimmt einander sich befehdeten, Von denen der Geringste schon die Macht Der Elemente leicht bewält'gen konnte, Um sich mit ihren Kräften zu bewaffnen. Und wie viel mächt'ger waren diese Heere, Um zahllos kämpfend einen Schreckensbrand Zu wecken und der Seligkeiten Sitz Wild zu zerstören, wo nicht zu vertilgen, Wenn nicht der ewig herrschende Monarch Von seinem starken Himmelsthron herab Sie ganz beschränkt und überwältigt hätte; Ob auch die Zahl so unermeßlich wäre, Daß jede Legion ein Heer erschien, Und jeder Arm als eine Legion; Geführt ins Treffen, schien ein jeder Kämpfer Selbst Führer an Erfahrung doch zu sein, Wol wissend, wenn es nöthig einzudringen, Zu steh'n, und dann die Stellung zu verändern, Des grimmen Kampfes Reihen zu eröffnen Und dann zu schließen. Kein Gedank' an Flucht, Noch auch an Rückzug, keine feige That, Von Furcht erzeugt, verrieth sich in dem Heer. Ein Jeglicher vertraute nur sich selbst, Als liege nur in seinem Arm des Sieges Entscheidung. Thaten ew'gen Ruhmes glänzten, Denn weit verbreitet war der Kampf und wechselnd, Bald ein Gefecht zu Fuß auf festem Grund, Bald auf gewalt'ger Schwinge sich erhebend, Erbraust die Luft, die kämpfend Feuer schien. In gleicher Schale schwebte lang die Schlacht, Bis Satan, der sich wundermächtig zeigte, Und seines Gleichen nicht in Waffen traf, Verwirrt durch's Kampfgewühl der Engel eilend Den Ort erblickt, wo Michaels mächtig Schwert Mit einem Streich Geschwader niederstürzte. Mit beiden Händen, ungeheuern Schwungs Emporgehoben, fuhr Verderben sendend Die Klinge nieder. Um zu widerstehn, Streckt Satan hastig seinen Felsenschild Zehnfachen Diamantes ihm entgegen, Die große Wehr von unermeßnem Umfang. Bei seinem Nahen hielt der Engel flugs Im Kriegeswüthen ein, der Hoffnung froh, Daß er des Himmels innern Krieg beende, Sobald der Feind bezwungen und in Ketten Gefesselt läg'; mit feindlicher Verachtung Und zornentflammtem Blick begann er so: »Des Bösen Schöpfer, das vor deinem Aufruhr Noch unbekannt und fremd im Himmel war, Doch jetzo, wie Du siehst, im Uebermaß Sich durch verhaßte Kriegesthaten zeigt, Die Allen zwar verhaßt, obwol für Dich Und Deine Schaar am allerdrückendsten. Wie hast des Himmels Frieden Du gestört, Und Elend eingepflanzt in die Natur, Das unerschaffen war vor der Empörung! Wie hast Du Bosheit Tausenden verimpft, Die, treu und redlich erst, nun falsch geworden! Doch hoffe nicht, die heil'ge Ruh' zu stören, Aus seinen Grenzen stößt der Himmel Dich. Der Thron der Seligkeit, der Himmel, duldet Die Werke nicht des Kriegs und der Gewalt. Hinweg drum! und das Böse, Dein Geschöpf, Fahr' mit Dir in die Hölle, zu dem Sitz Des Bösen! Fort mit Deiner schnöden Rotte! Dort sinn' auf Schmach und Aufruhr, ehe noch Dies Rächerschwert Dein Urtheil unterschreibt, Eh' noch des Höchsten Strafe plötzlich nahend Hinab Dich stürzt mit argvermehrter Qual!« So sprach der Engel Fürst; worauf der Satan Erwiderte: »Mit Wind von leerem Drohn Vermeine Den zu schrecken nicht, den Du Mit Thaten schrecken kannst. Hast Du den Schwächsten Von diesen in die Flucht gejagt, die selbst Gefallen, stets sich unbesiegt erhoben, Daß Du mit mir so leicht zu rechten denkst, Um herrisch mich mit Drohen zu verjagen? O glaube nicht, daß so die Schlacht beendet, Die bös Du nennst, wir aber nennen sie Die Schlacht des Ruhms und hoffen voll Vertrauen Sie zu gewinnen, oder diesen Himmel Zur Hölle zu verwandeln, die Du fabelst. Hier wollen frei wir wohnen, wenn nicht herrschen, Indessen nimm die höchste Kraft zu Hülfe Und ihn, den hoch allmächtig Du genannt, Ich fliehe nicht, Dich sucht' ich nah und fern.« Sie schlossen ihr Gespräch und rüsteten Zum Kampfe sich, der unaussprechlich war; Denn wer vermag, selbst mit der Engel Zunge Ihn Dir zu schildern, oder zu vergleichen Mit Dingen, die auf Erden sichtbarlich, Um so der Menschen Phantasie zu heben Zur Höhe göttergleicher Kraft und Macht? Sie schienen Götter in jedweder Stellung, Im Gang, Bewegung und im Waffenglanz, Bereit, des Himmels Herrschaft zu entscheiden. Nun schwangen sie die Flammenschwerter kühn, Und zogen in der Luft furchtbare Kreise; Zwei große Sonnen glänzten ihre Schilde, Indeß die Engel vor Erwartung bebten. Sie zogen hastig sich zurück, wo eben Noch wüthend sich ein Kampfgewühl erhob, Das Feld blieb frei; denn des Getümmels Macht Erschreckte sie. Soll Großes ich mit Kleinem Vergleichen, so erschien der grause Kampf, Als ob die Eintracht der Natur gewichen, Krieg unter den Gestirnen ausgebrochen, So daß sich zwei Planeten wild ergrimmt Am Himmel auf einander stürzend stritten, Und ihre Sphären sich verworren mischten. Zugleich erhoben sie den drohenden Allmächtigen Arm, um so mit einem Schlag Entscheidung zu erlangen, der nicht fürder Zu wiederholen nöthig ob der Kraft. Nicht ungleich schienen sie an Macht und Schnelle; Doch Michaels Schwert aus Gottes Waffensaal War so gestählt, daß seiner Klinge nimmer Das Scharfe wie das Feste widerstand. Es traf des Satans Schwert, mit jäher Macht Zum Streiche niederfahrend, und zerhieb Es gänzlich, rastlos theilt es dann sich wendend Des bösen Feindes rechte Seite tief. Zum ersten Male fühlte jetzt der Satan Den Schmerz, und krümmt' und wälzte sich umher. So tief durchschnitt das Schwert des Engels ihn Mit klaffender Wunde, doch der Aetherstoff, Nicht lange trennbar, schloß sich bald darauf Und aus der Oeffnung floß ein Strom wie Blut Von Nektarnaß, wie Himmelsgeister bluten, Und färbte dunkel seiner Rüstung Glanz. Von allen Seiten rannten ihm zu Hülfe Sogleich der starken Engel große Schaaren, Die sich vertheidigend zwischen Beide warfen, Indeß ihn Andre hin zu seinem Wagen Auf Schilden trugen, der vom Schlachtgefild Entfernt verweilte; darauf ließen sie Ihn dort, vor Scham und Bosheit knirschend, Daß er unüberwindlich nicht befunden, Und daß sein Stolz durch solchen Stoß erniedrigt, Der Gott an Kraft zu gleichen sich vermaß. Doch bald war er geheilt, denn Geister tragen Die feinste Lebenskraft in jedem Theil, Nicht wie der schwache Mensch in Herz und Kopf, Im Eingeweid', in Leber und in Nieren; Sie können drum nur durch Vernichtung sterben, Auch können sie in ihrem flüss'gen Stoff Nie eine wahre Todeswund' empfangen, So wenig wie die dehnbar flüss'ge Luft. Ganz Herz und Haupt, ganz Auge, ganz Verstand, Gefühl und Sinn, vermögen nach Behagen Sie ihrer Glieder Formen anzunehmen, Gestalt und Farbe, wie's am Besten just Ihr Wunsch erheischt, verdichtet oder dünn. Indeß verdienten auch an anderm Ort Manch kühne Thaten der Erwähnung Ruhm; Wo Gabriel focht, mit ungestümen Bannern Die tiefen Reihen Molochs wild durchbrach, Des grimmen Fürsten, der ihn forderte Und an die Räder seines Wagens ihn Gebunden fortzuschleifen drohete. Auch schont er selbst des Himmels Heiligsten Mit seinem Lästermunde nicht, jedoch Bald floh er, bis zur Hälfte durchgespalten, Und mit zerstückten Waffen, furchtbar brüllend Vor grausem Schmerz. Auf beiden Heeresflügeln Besiegten Raphael und Uriel Den Adramelech und Asmodei, Die stolzen Feinde, zwei gewalt'ge Fürsten, Gigantenhaft mit Demantfels umpanzert, Die es verschmähten, niedriger zu sein Als Gott, jedoch bescheidner denken lernten Auf ihrer Flucht, wo sie mit großen Wunden Trotz Schild und Panzerrüstung nur entkamen. Auch Abdiel stand nicht unbekümmert dort, Er züchtigte die gottvergess'ne Rotte, Schlug Ariel und Arioch zu Boden, Und sengt' in Flammen Ramiels Ungestüm. Von Tausenden vermöcht' ich zu verkünden, Die Namen hier auf Erden zu verew'gen; Jedoch die auserwählten Engel sind Zufrieden schon mit ihrem Himmelsruhm Und suchen nicht das Lob der Sterblichen; Die andern, ob an Macht auch wunderbar, Und minder nicht nach Thatenruhme durstend, Doch durch ihr Urtheil aus dem Himmelreich, Aus heiligstem Gedächtniß ausgeschlossen, Sie lass' ich namenlos in ewiger Nacht. Denn Kraft, von Wahrheit und von Recht getrennt, Ist rühmlich nicht und muß nur Schmach erwerben, Zwar strebt ruhmsüchtig sie nach Ehr' und Ruf, Und will durch Schande Kraft und Macht erlangen. Ein ewiges Schweigen sei drum ihr Gericht. Als so die Mächtigsten gebändigt, schwankte Die Schlacht, durch manchen Einbruch schon geschwächt. Verwirrt und arg zerrüttet war das Heer, Der Boden war bestreut mit Waffenstücken, Auf einem Haufen lagen Wagenlenker Sammt Roß und Wagen. Wer noch irgend stand, Schlich sich erschöpft durch Satans mattes Heer, Das, tüchtig kaum mehr zur Vertheidigung, Zum ersten Mal von Furcht ergriffen ward Und herben Schmerz empfindend, schmählich floh, Durch Sünde gab sich's so dem Unheil preis, Das vorerst Furcht und Schmerz und Flucht nicht kannte. Ganz anders rückte jener Heil'gen Schaar In dichtem würfelgleichem Viereck vor In unverwundbar fester Waffenrüstung. So großen Vortheil über seinen Feind Lieh Unschuld diesem sündereinen Heer, Das unermüdlich in dem Kampfe stand, Dem Schmerz der Wunden nimmer unterworfen, Wenn auch Gewalt die Reihn verdrängen mochte. Die Nacht begann den Lauf, und schuf, den Himmel In Dunkel hüllend, holde Waffenruh Und Schweigen nach verhaßtem Kriegsgetöse. Der Sieger, der Besiegte wich zurück In dichte Wolkenschatten; Michael Mit seiner Engelschaar verweilt allein Noch auf dem Feld der Schlacht; er hatte rings, Die Wachen ausgestellt, die Himmelsfeuer; Doch andrerseits verschwand mit den Empörern Der Satan, tief in Dunkelheit sich bergend, Er rief zum Rath die Mächtigsten herbei Und sprach ganz unverzagt in ihrer Mitte: »Ihr theuren Schaaren, in Gefahr geprüft, Und unbezwingbar nun bewährt in Waffen, Ihr seid der Freiheit würdig, ja noch mehr, Der Ehre, Herrschaft, und des höchsten Ruhms! In eines Tages zweifelhafter Schlacht Habt ihr den mächt'gen Schaaren widerstanden, Die uns des Himmels Allgewalt'ger sandte. Wenn dies an einem einz'gen Tag gelang – Warum soll dies auf ewig nicht gelingen? Er hielt sein Heer für mächtig uns zu werfen, Doch dies erwies sich nicht; so scheint es fast, Daß er sich in der Zukunft Deutung irrt, Obwol man für allwissend ihn gewähnt. Zwar litten, minder stark gewaffnet, wir So manche Noth und unbekannten Schmerz, Doch lernten wir auch schnell die Pein verachten, Da wir nun unsern Aetherstoff als fest Und Todesstreichen unverletzlich fanden, Unsterblich, ob von Wunden auch durchbohrt, Doch schnell sich schließend und durch innre Kraft Sogleich geheilt. So klein dies Uebel ist, So leicht ist auch das Mittel schon zur Hand, In nächster Schlacht wird stärk're Waffenrüstung Gewaltigere Wehr uns Sieg verleihn, Den Feind verderben oder jenem Heer Ganz gleich uns stellen, das uns überlegen, Wenn auch durch Künste nur, nicht von Natur. Ob andrer Grund es überlegen macht, Das wird, so lang' wir unsre Geisteskraft Und unser Urtheil nur gesund bewahren, Genaues Forschen leichtlich uns entdecken.« Er setzte sich. In der Versammlung stand Nisroch zunächst auf, als der Fürsten Erster; Er stand wie Einer, der kaum dem Gefecht Entronnen arg zerhau'n ist und verwundet, Mit ernstumwölktem Blicke sprach er drauf: »Befreier von den Herrschern! Führer Du Zum freien Hochgenuß des Götterrechts! Jedoch zu hart, für Götter selbst zu ungleich Erscheint die Schlacht, die gegen stärk're Waffen Und unter Schmerzen gegen Schmerzensfreie Gefochten ward; Verderben folgt daraus. Was frommt uns Muth, wenn unvergleichlich auch, Wann ihn der Schmerz besiegt, der Alles beugt Und der die Hand des Mächtigsten entkräftet? Gefühl für Lust entbehren wir vielleicht, Und ohne Reue, denn wir leben ja Zufrieden, was das schönste Leben ist. Doch Schmerz ist Elend, und der Uebel ärgstes, Da er durch Uebermaß Geduld besiegt. Wer drum ersinnt, durch welches Mittel wir Den unverwundbar starken Feind verletzen, Ja oder uns mit gleicher Wehr bewaffnen, O! der verdient gewiß Geringres nicht, Als was wir für Erlösung schuldig sind.« Darauf erwidert Satan ruh'gen Blicks: »Nicht unerfunden blieb, was Du mit Recht Für unsre Rettung so gewichtig glaubst. Ich biet' es dar. Wer dort die Strahlenfläche Des Aetherbodens sieht, worauf wir stehn, Dies beste Land im weiten Himmelsraum, Mit Pflanzen, Früchten, Gold und Stein geschmückt, Erblickt nicht oberflächlich nur die Dinge, Und ahnt, daß sie aus tiefem Boden sprießen, Aus dunklen Stoffen geistigen Feuers voll, Bis sie vom Himmelsstrahle sanft berührt, So schön emporgeschossen sich entfalten, Dem Lichte, das sie wundermild umfängt. Die Tiefe soll uns solche Stoffe fördern, Mit unterirdischer Flammenglut geschwängert, Die dann, in lange Röhre dicht gerammt, Berührt mit Feuer an der einen Oeffnung, Mit donnerndem Getöse fernehin Auf unsre Feinde solches Unheil schleudern, Daß Alles rings besiegt wird und zerschmettert, Was uns entgegensteht, so daß sie fürchten, Wir hätten den gewaltigen Keil des Donn'rers. Auch dauert unsre Müh' nicht allzulang, Denn ehe noch es tagt, wird schon die Wirkung Rasch unsern Wunsch beenden. Lebet auf, Verbannt die Furcht; wo Stärk' und Klugheit sind, Ist Nichts zu schwer, wer wollte drum verzweifeln!« Er endet, und sein Wort erheiterte Die ganze Schaar und gab ihr Muth und Hoffnung. Ein Jeglicher bewundert die Erfindung Und staunt, daß er sie selber nicht erdacht; Es schien so leicht, was jetzt erfunden war, Und was doch unerfunden von den Meisten Für ganz unmöglich nur gegolten hätte. Vielleicht jedoch wird Einer Deiner Brüder Dereinst, wenn Bosheit ärger noch gediehn, Auf Unheil sinnend und auf Teufelsrath Ein gleiches Werkzeug zu der Menschen Qual Erfinden für die Sünden, wenn sie Mord Und blutigen Untergang einander drohn. Rasch wandten sie vom Rathe sich zur That, Kein Gegner regte sich; unzähl'ge Hände Erwiesen sich bereit. Sie öffnen weit Den Himmelsboden, sahen der Natur Urstoff darin in rohester Empfängniß, Den schwefel- und salpeterreichen Schaum, Sie mischten ihn, und bildeten geläutert Durch Kunst geröstet ihn zu schwarzen Körnern, Und häuften dann in Vorrath diese Masse. Noch Andre gruben die verborgnen Adern Von Erz und Steinen aus (wie auch die Erde Dergleichen Eingeweide hat) und schufen Geschoß und Kugeln voll Verderben draus. Noch Andre sorgten für die Zünder schon, Die durch Berührung schnelles Feuer wecken. Dies Alles ward vor Tagsbeginn vollbracht, Die Nacht der einz'ge Zeuge bei dem Werk, Das insgeheim, behutsam ward verborgen. Als nun der Morgenstrahl am Himmel glänzte, Erhob sich auch der Engel Siegesschaar; In Waffen standen sie, in goldner Rüstung, Ein schimmernd Heer, das eilig sich geschaart, Noch Andre blickten durch die Dämmerung Von Höhn als Wachen, oder streiften forschend In leichten Waffen nach den Seiten hin, In jener Gegend zu erspähn, wie weit Der Feind entfernt, ob er im Lager weile, Ob er geflohen oder näher rücke, Zum Kampf bereit die Reihen stille halte; Bald sehn sie ihn, wie er die Fahnen breitet, Wie langsam er mit dichtem Heere naht. Da fliegt zurück in Eile Zophiel, Im Flug der Schnellste wol der Cherubim, Und ruft mit lauter Stimme durch die Luft: »Auf zu den Waffen, Krieger, auf zum Kampf, Der Feind ist da, den wir geflohen wähnten! Er will ein lang Verfolgen uns ersparen, Befürchtet seine Flucht nicht; dicht geschlossen Wie eine Wolke naht er; seine Züge Verkünden Muth und Sicherheit des Siegs. Drum gürtet eure diamantnen Panzer, Schnallt fest den Helm und faßt den runden Schild, Hoch oder flach getragen, denn mich dünkt, Der heut'ge Tag bringt uns nicht Regenschauer, Nein, ein Gewitter flammenträchtiger Pfeile!« So warnt er sie, die sich schon selbst behütet, Und ohne Hemmung rasch in Ordnung standen. Sogleich ergriffen ruhig sie die Waffen, Und rückten kampfbereit in Reihen vor, Als plötzlich auch der Feind sich unermeßlich Mit schweren Schritten naht, in hohlen Röhren Die teuflischen Geschosse mit sich schleppend, Doch blieb den Blicken noch von allen Seiten Durch dichte Truppen der Betrug verborgen. Drauf stehn die beiden Heere kurze Zeit Still gegenüber; bis der Satan nahte Und laut dann die Befehle hören ließ: »Vorhut, eröffne rechts und links die Reihn, Daß Alle, die uns hassen, sehen mögen, Wie wir Versöhnung nur und Frieden suchen, Mit offner Brust bereit, sie zu empfangen, Wenn den Vergleich sie nicht zurückeweisen, Und nicht verstockten Sinns sich von uns wenden. Doch dies befürcht' ich! Wie's auch kommen mag, Bezeuge mir o Himmel, wie wir jetzt Frei nach Gebühr gehandelt. Tretet vor, Ihr, die ihr für den Auftrag auserwählt, Eröffnet kurz, was unser Vorschlag ist, Und laut, damit es Jeglicher vernehme.« Mit doppelsinnigen Worten also spottend, Hat er geendet kaum, als rechts und links Die Vorderschaar sich theilt und auf die Flanken Zurück sich zog. Da bot sich unsern Augen Seltsamer Anblick dar, auf Rädern lagen Dreifache Reihn von Säulen (denn sie schienen Am meisten Säulen ähnlich oder hohlen Eichstämmen ohne Laub, im Wald gefällt) Aus ehernem Stoff, aus Eisen oder Stein. Mit großer Oeffnung gähnten uns die weiten Mündungen an voll falscher Waffenruhe. Dicht hinter jeder Säule stand ein Seraph, Und schwang in seiner Hand ein dünnes Rohr, Mit Feuer vorn; indessen standen wir Gedankenvoll und ungewiß ein Weilchen, Da plötzlich legten sie mit Einemmal Die Rohre mit der leisesten Berührung Auf eine kleine Mündung jener Säulen. Sogleich erschien der Himmel ganz in Glut, Doch dann durch Qualm und Rauch verdunkelt, den Der Schlund von den Geschossen ausgespien. Ein wüthendes Getös und wild Gebrüll Zerriß die Luft und all ihr Innerstes; Die teuflisch grause Füllung sprüht heraus Zusammgefügte Donnerkeil' und Hagel Von Eisenkugeln, die auf's Siegesheer Geschleudert solche Wuth entfalteten, Daß keiner der Getroffnen auf den Füßen, Und stand er felsenfest, mehr stehen konnte. Viel Tausend sanken; Cherubs, Engelfürsten Sie rollten auf dem Boden, um so eher, Da sie mit enger Rüstung angethan; Denn unbewaffnet hätten sie als Geister Durch rasche Wendung und Zusammenziehn Gar leicht entschlüpfen können. Aber jetzt Erfolgte böse Niederlag' und Flucht. Was frommt es jetzt, die Reihen zu erweitern! Was blieb uns noch? Erneuten wir das Treffen, So wiederholte sich die Niederlage, Die so verdoppelt uns nur mehr verachtet Und unserm Feinde zum Gelächter machte. Denn vor uns stand die andre Seraphschaar, Bereit, den zweiten Donnerschlag zu schleudern. Drum ward ein neuer Sturm von uns verschmäht, Da er noch schlimmer, als die Niederlage. Da Satan unsern Zustand ausgeforscht, Rief er verhöhnend seinen Brüdern zu: »Ihr Freunde, warum nahn die Sieger nicht? Sie rückten doch so trotzig erst heran: Nun da wir sie mit offner Stirn und Brust Empfingen, und (was konnten mehr wir thun?) Versöhnung ihnen vorgeschlagen, ändern Sie ihren Sinn und fliehen schnell davon In sonderbarem Drang, als ob sie tanzten! Obwol ein solcher Tanz etwas zu wild Erscheinen möchte; doch vielleicht aus Freude Ob des gebot'nen Friedens sind sie so; Vermuthlich käm' es bald zu einem Schluß, Wenn unsern Vorschlag nochmals sie vernähmen.« Mit gleichem Spott entgegnet Belial: »Mein Herrscherhaupt, der Vorschlag, den wir sandten, War von Gewicht und Inhalt sicherlich, Von so eindringender Gewalt und Kraft, Daß wir sie all' betäubt und stolpernd sahn; Wer ihn empfing, hat ihn gewiß begriffen, Und war dies nicht, so zeigt's der Antrag doch, Wenn unser Feind nicht eben aufrecht geht.« So höhnten sie voll Laune; denn es hielt Ihr stolzer Sinn den Sieg unzweifelhaft; Leicht wähnten sie es auch, der ew'gen Macht Durch die Erfindung völlig gleich zu kommen, Und seinen Donner und sein Heer zu höhnen, Das jetzt auf kurze Zeit verwirret stand. Doch blieb's nicht lange, Wuth befeuert es, Und gab ihm Waffen, welche Höllenmacht Vereitelten. Sieh, welche Kraft und Gabe Gott seiner mächtigen Engelschaar verliehn; Sie werfen eilig ihre Waffen weg, Und rennen, fliegen leicht und schnell wie Blitze Den Bergen zu (die Erde hat vom Himmel Erst jenen schönen Wechsel, der in Berg Und Thälern liegt) sie reißen aus dem Grund Die festen Berge sammt der ganzen Last Von Felsen, Wäldern, Wassern, mit der Hand Bei ihren struppigen Gipfeln angefaßt. Da packte Schrecken die Rebellenschaar, Als sie gewahrten, wie der Berge Grund Aufwärts gekehrt ward und sodann gewälzt Auf ihrer teuflischen Geschosse Reihn, Daß ihre ganze Zuversicht begraben Tief unter dem Gewicht der Berge lag. Sie selber wurden dann mit Kampf bedroht, Manch Vorgebirge flog um ihre Scheitel, Das durch die Luft mit Schattendunkel nahte, Und ganze Legionen niederdrückte. Die Waffenrüstung mehrte nun die Noth, Zerschmettert drangen sie in ihren Stoff, Was ihnen unstillbare Qual bewirkte, Und manchen schmerzlichherben Seufzerlaut; Sie rangen lang am Boden, eh sie sich Aus solcher Haft befreiten, wenn sie auch Vom reinsten Licht geschaffne Geister waren, Die unrein nur vom Sündigen geworden. Nachahmend griffen nun die Uebrigen Zu gleichen Waffen, rissen nahe Berge Aus ihren Wurzeln, daß sich in der Luft Gebirge wild begegneten und gräßlich Herumgeschleudert wurden; tiefer unten Focht Heer mit Heer, in schrecklicher Beschattung Ein Höllentosen! gegen diesen Lärm Erschien die Wuth des Krieges nur ein Spiel! Furchtbar häuft sich Verwirrung auf Verwirrung! Der ganze Himmel wär' zu Grund gegangen, Mit Trümmern übersät, wenn der Allmächt'ge, Der in dem Heiligthum des Himmels thront, Der Dinge Wesen nicht erwogen hätte, Und diesen Sturm absichtlich zugelassen, Um den gesalbten Sohn recht zu verklären, Gerächt an seinen Feinden zu verkünden, Daß sein die ganze Macht und Herrlichkeit; Deßhalb auch wandt' er sich zu seinem Sohn, Der ihm zur Rechten auf dem Throne saß: »Du Abglanz meines Ruhms, in dessen Antlitz Sichtbar erscheint, was ich durch Gottheit bin, Durch dessen Hand man jeglichen Beschluß Von mir erkennt! Du Zweiter in der Allmacht! Zwei Tage, nach der Frist der Himmelstage, Entschwanden schon, seit Michael gegangen, Mit seinem Heer zu bänd'gen die Rebellen. Es war ein harter Kampf vorauszusehn, Da feindlich sich zwei solche Mächte trafen, Denn überlassen hab' ich sie sich selbst; Du weißt, daß sie ganz gleich erschaffen wurden, Ob ungleich auch die Sünde sie gemacht. Doch nur unmerklich war der Sünde Wirkung, Da ich verschoben ihren Untergang. Drum müßten endlos sie im Kampf verharren, Und keine Lösung fände sich für sie. Der Krieg hat das gethan, was er vermochte. Er ließ der wilden Wuth die Zügel frei, Er wehrte sie mit Bergen wie mit Waffen. Verwüstung ist im Himmel drum entstanden, Die selbst dem Ganzen noch gefährlich ist. Zwei Tage schwanden, Dein ist jetzt der dritte; Dir ließ ich ihn, und litt darum den Kampf, Damit der Ruhm, den heißen Krieg zu schlichten, Der Deine sei, denn Niemand selbst, als Du Vermag ihn zu beenden. Legt ich doch In Dich die unermeßlich reiche Kraft, Daß jeder Geist des Himmels wie der Hölle Als unvergleichbar Deine Macht erkennt. Dies grause Kämpfen hab' ich so gelenkt, Damit Du Dich als würdigster erweisest, Herr dieses Alls zu sein, als Herr und König Durch heilige Salbung und verdientes Recht. Geh! Mächtigster in Deines Vaters Macht, Besteige meinen Wagen, lenke Du Die schnellen Räder, daß des Himmels Grund Erzittre, führe meine Waffen all', Den Bogen und den Donner, gürte Dir Der Allmacht Rüstung um, das Strahlenschwert An Deine mächt'ge Hüfte; tilge Du Des Chaos Söhne, treibe sie hinab Zur ärgsten Tiefe, fern vom Himmelsplan, Dort mögen sie nach ihrem Wunsche lernen, Gott und Messias den Gesalbten schmähn!« Er sprachs, und wandt' im vollsten Strahlenglanz Sich zu dem Sohne, der des Vaters Pracht Im Antlitz unaussprechbar wiedergab. Antwortend sprach der göttlichhohe Sohn: »O Vater, Du Erhabenster des Himmels, Du Erster, Höchster, Heiligster und Bester, Du suchtest immer Deines Sohnes Ruhm, Und ich den Deinen, wie es nur gerecht. Dies ist mein Ruhm und meine höchste Wonne, Daß Du in mir mit Wohlgefallen stets Erfüllt erklärest Deinen Willen, da Mir's Seligkeit gewährt, ihn zu erfüllen. Die Gaben, Macht und Scepter, nehm' ich jetzt, Um sie einst freudiger zurückzubringen, Wenn Alles Du zuletzt in Allem bist, Und ich in Dir, und Alle die in mir, Die lieb Dir sind; doch hass' ich alle jene, Die Du mit Haß bestrafst, und kann die Schrecken Von Dir annehmen, wie ich Deine Milde Annehme, ganz Dein Ebenbild in Allem. Bald werd' ich mit der Waffe Deiner Macht Den Himmel von Rebellenwuth befrein Und sie zum Ort der Qual hinunter treiben, Zu Ketten ew'ger Finsterniß; zum Wurme, Der nimmer sterben kann, sie , die sich sträubten, Rechtmäßigen Gehorsam Dir zu zollen, Dem zu gehorchen wahre Seligkeit. Dann werden Deine Heil'gen, unvermischt, Von den Unreinen ganz geschieden sein, Den heil'gen Berg umschwebend, Hallelujah Dir freudig singen, Hymnen Deines Preises Und unter ihnen ich als erstes Haupt.« Er sprach's und über'n Scepter niederbeugend Erhob er sich zu Gottes rechter Hand; Das dritte heil'ge Morgenroth begann Zu leuchten durch den Himmel. Wirbelnd rauschte Der Wagen des allmächt'gen Gottes fort, Glutflammen sprühend, in den Rädern selbst War geist'ge Kraft, die sie von selbst bewegte, Begleitet nur von Cherubimgestalten, Von denen jede vierfach war von Antlitz, Leib, Flügel waren sternengleich mit Augen Besä't so wie die Räder von Beryll, In deren Speichen lichte Flammen lohten. Krystallner Himmel war ob ihren Häuptern, Den er bestieg auf einem Saphirthrone, Der ausgelegt mit reinstem Ambra war Und in des Regenbogens Farben spielte. Er stand gerüstet in dem Waffenschmuck Der Strahlen Urim, eines Götterwerks. Zur Rechten saß der Sieg mit Adlerflügeln, Zur Seite hing der Bogen sammt dem Köcher, Versehn mit dreigezackten Donnerkeilen, Und um ihn rollte wilder Qualm und Rauch, Durchzuckt von Flammen und von Funkenglut; Zehntausendmal zehntausend Engel folgten; Fern leuchtete sein Kommen, zwanzigtausend Der Götterwagen im Geleit, getheilt Zu beiden Seiten; hoch auf Cherubschwingen Fuhr er dahin an dem krystallnen Himmel, Weithin erglänzend, doch zuerst erblickt. Die Engelschaar ward überrascht, beseligt, Als des Messias Banner funkelte, Sein Zeichen von den Seraphim getragen, Worunter Michael die Heeresmacht, Die an den Flanken weit sich ausgedehnt, Zu einer Masse bald vereinigte. Die Wege bahnte vor ihm Gottes Macht, Auf sein Gebot verschwanden rings die Berge, Und kehrten zu den Wurzeln wieder heim, Sie hörten seiner Stimme Laut gehorsam. Dem Himmel ward die vorige Gestalt, Voll Blumen lachte wieder Berg und Thal. Dies sah der Feind – und doch blieb er verstockt. Er reiht zum Aufruhr die Rebellenschaar, Wahnwitzig Hoffnung aus Verzweiflung schöpfend. Vermochte solcher Trotz in Himmelsgeistern Zu wohnen? Freilich welche Zeichen möchten Den Stolzen überzeugen? Welches Wunder macht Verstockte mild? – Was sie am meisten hätte Bekehren müssen, machte sie verstockter. Als des Messias Ruhm sie angeschaut, Ergriff sie Neid; nach seiner Höhe strebend, Ermannten sie sich wiederum zum Kampf, Und wähnten durch Gewalt und List zuletzt Gott und Messias zu besiegen oder In's äußerste Verderben sich zu stürzen; Nun zogen sie zur letzten Schlacht, die Flucht So wie den feigen Rückzug arg verschmähend, Als Gottes großer Sohn zu seinem ganzen Kriegesheere hin nach beiden Seiten sprach: »Steht hier, ihr Heil'gen all' in Strahlenreih'n, Steht hier, ihr Engel, ruht vom Kämpfen aus. Treu fochtet ihr, zu Gottes Wohlgefallen, Und furchtlos für des Herrn gerechte Sache. Was euch befohlen, habt ihr ausgeführt Und unbesiegt; doch die Bestrafung dieses Verfluchten Schwarms gebühret andrer Hand. Die Rach' ist nur sein eigen, oder Dessen, Den er ernennt. Des heut'gen Tages Werk Erfordert keine Menge; bleibet hier, Um anzuschaun, wie des Allmächt'gen Zorn Auf die Verruchten niederfällt durch mich. Sie haben Euch nicht, sondern mich verschmäht, Den sie beneideten; ich war's allein, Der ihre Wuth gereizt, weil mich der Vater, Dem Reich und Macht und Herrlichkeit gebührt, Geehrt hat seinem hohen Willen nach. Drum übertrug er mir auch ihr Gericht, Damit sie ihren Wunsch erreichen mögen, Mit mir zu streiten, wer der Stärk're sei, Sie sämmtlich oder ich allein. Sie messen Nur Alles nach der rohen Kraft, und eifern Nach anderm Vorzug nicht, den sie verschmähn. Ganz unbekümmert, wer sie überbietet, Halt' ich auch andern Kampfes sie nicht werth.« So sprach der Sohn, und wandelte die Miene In Schrecken, viel zu streng, sie zu ertragen, Voll Zornes auf die Feindesschaar gerichtet. Die Cherubs breiten ihre Sternenflügel, Berühren sich mit furchtbar grausem Schatten, Des Wagens Räder rollten wie Getös Des Bergstrom's oder eines mächt'gen Heers. Er selbst fuhr hin auf den verruchten Feind, So finster wie die Nacht. Des Himmels Grund Erzittert unter seinen Flammenrädern Allüberall, nur nicht an Gottes Thron. Schnell war er unter ihnen. Mit der Rechten Wirft er zehntausend Donner auf sie nieder, Daß ihre Seelen tiefe Pein durchdrang. Bestürzt verloren sie den Muth zu stehn, Und schleuderten die Waffen all' hinweg; Auf Schilden, Helmen, helmbedeckten Häuptern Von hingestürzten Fürsten, mächt'gen Engeln, Fuhr er dahin, daß sie voll Klagen wünschten, Die Berge würden wieder auf sie nieder Geschleudert als ein Schirm vor seinem Zorn. Auf beide Seiten fielen seine Pfeile, Durch Augen der vier Cherubs abgesandt, Die vierfach jeglicher ein Antlitz zeigten, Und durch die Räder, die lebendig klar In gleicher Weise reich an Augen waren. Ein Geist durchfloß sie, jedes Auge blitzte, Und schoß verderblich Feuer auf die Schaar Verfluchter, das die Kraft in ihnen dörrte, Und sie, da ihre Stärke ganz entmarkt, Erschöpft, gebeugt und trostlos niederstreckte. Doch braucht' er kaum die Hälfte seiner Kraft; Er hemmte selbst im Fluge seinen Donner, Denn nicht vernichten wollt' er diese Rotte, Nein, bannen aus dem Himmelraume nur. Die Hingestreckten hob er wieder auf, Und trieb sie vor sich her wie eine Heerde Furchtsamer Schafe, schwer bedrängt vom Donner, Verfolgt von Schreck und Graus bis an die Grenzen Des Himmels, zum krystallnen Mauerwall, Der weit aufgähnend sich nach innen rollte, Und eine tiefe Kluft ins Oede bot. Des Anblicks Schauder treibt den Feind zurück, Im Rücken aber ärger noch bedrängt, Stürzt häuptlings sich die Schaar vom Himmelsraum, Der ew'ge Zorn flammt hinter ihnen her, Hinab zum tiefen, bodenlosen Schlund. Die Hölle hört das gräßliche Getös, Sie sah den Himmel aus dem Himmel stürzen, Und wär' entsetzt geflohn, wenn das Geschick Zu tief nicht ihren finstern Grund gelegt. Neun Tage fielen sie; das Chaos brüllte, Und fühlte zehnfach ihres Falls Verwirrung, Denn überall erfüllte diese Flucht Den Raum mit Trümmern. Endlich nahm die Hölle Gähnend sie auf, und schloß sich über ihnen. Die Hölle, fürder nun des Feindes Sitz, Mit Feuer angefüllt, das nie zu löschen, Der Ort des ewigen Schmerzes und der Qual. Der Himmel jauchzte, seiner Bürde ledig, Und füllte bald den Riß der Mauer aus, Die rasch zurückkehrt, wo sie hergerollt. Der siegende Messias wandte nun Nach der Vertreibung seines Feinds den Wagen Des Sieges um; die Heil'gen all, die schweigend Des Herrn allmächt'ge Thaten angeschaut, Umgeben jubelnd ihn und vorwärtsschreitend Beschatten sie mit Palmenzweigen ihn, Und jede Strahlenreihe sang Triumph, Sie priesen ihn, den sieggekrönten König, Den Sohn und Erben, dem des Reiches Macht Als würdigsten verliehn. Er fuhr gefeiert Und triumphierend mitten durch den Himmel, Zum Thron und Tempel des gewalt'gen Vaters, Der ihn in seiner Glorie Glanz empfing, Wo jetzt er sitzt zur rechten Hand des Heils. »So hab' ich, Himmelsthaten nach den Dingen Der Erde messend, Dein Gesuch erfüllt, Damit Dich die Vergangenheit belehre, Und Dir berichtet, was dem Menschen sonst Verborgen ewig wol geblieben wär'. Ich nannte Dir den Streit, der sich ereignet, Den Kampf im Himmel zwischen Engelschaaren, Den tiefen Sturz der übermüth'gen Rotte, Die jüngst mit Satan nach zu Hohem strebte, Der jetzt Dein Loos beneidet und nun sinnt, Wie er auch Dich zum Sündenfall verlocke, Daß Du mit ihm, der Seligkeit beraubt, Die Strafe theilen mögest, ew'ges Elend; Was all sein Trost und seine Rache wär', Weil er dann Schmach dem Höchsten angethan, Und als Genossen Dich der Pein gewönne. Doch horche seiner Lockungsstimme nicht, Und warne Deine schwächere Gefährtin! Es fromme Dir, durch schreckenvolles Beispiel Des Ungehorsams Lohn erkannt zu haben; Sie konnten fest sich halten, doch sie fielen, Bedenke dies, und scheu' die Uebertretung.« Siebenter Gesang Siebenter Gesang. Vom Himmel steige jetzo zu mir nieder, Urania, wenn dies Dein wahrer Name, Du, deren Götterstimme mich gelockt, Als über den Olympus ich geschwärmt, Weit über Räume, wo ein Pegasus Die Schwingen rührte. Deinen Namen nicht, Dein Wesen ruf' ich an! Du wohnest nicht Auf dem Olymp, gehörst nicht zu der Musen Neunzahl; im Himmel bist Du schon geboren, Eh' Berge ragten und eh' Quellen flossen, Geselltest Dich der ew'gen Weisheit zu, Die Dir der Herr als Schwester auserwählt, Und sangst mit ihr vor dem allmächt'gen Vater, Der an dem Himmelslied Gefallen fand. Von Dir emporgetragen, wagt' ich mich Zum Himmel auf, ein armer Erdengast, Den Aetherduft zu athmen, der für mich Von Dir gemildert ward. Jetzt leite mich Mit gleicher Sicherheit zur Erde wieder, Zu meinem angebornen Element, Damit ich nicht vom wilden Flügelroß Wie einst Bellerophon, ob dieser auch Aus tieferm Himmelsstriche niedersank, Auf die Aleïschen Gefilde stürze, Verlassen, ohne Hülfe dort zu irren. Zu singen blieb mir eine Hälfte noch, Begrenzt von dieser sichtbar engen Sphäre. Hier auf der Erde stehend, nicht enthoben Den Polen, sing' ich sichrer mit der Stimme Des Sterblichen, nicht heiser oder stumm, Obwol in bösen Tagen jetzt ertönend, Und unter bösen lästervollen Zungen, In Dunkelheit, umgeben von Gefahr, In Einsamkeit und dennoch nicht allein, Denn Du umschwebst ja meinen Schlummer Nachts Und wann den Ost der Morgen purpurn färbt. O leite Du mein Lied, Urania, Und gieb mir würd'ge Hörer, wenn auch wen'ge. Doch scheuch' aus meiner Näh' das Mißgetön Des Bacchus und der Schwelger, das Geschlecht Der wüsten Rotte, die einst Thraciens Sänger Auf Rhodope zerriß, wo Wald und Fels Entzückt Gehör empfand, bis wild Geschrei Gesang und Harfe hämisch übertäubte, Und ihres Sohnes Leben selbst die Muse Nicht schützen konnte. So verlaß Du nicht Den, der Dich jetzo angefleht! Denn himmlisch Bist Du, doch jene war ein leerer Traum! Sprich Göttin, was erfolgt', als Raphael Der Freundesengel durch den Graunbericht Adam gewarnt, sich vor Abtrünnigkeit Zu hüten, wie's der Geisterschaar erging, Damit ein Gleiches nicht im Paradies Dem Adam einst und seinem Stamm geschehe, Wann er das einzige Verbot vergäße, Das eines Baums Berührung untersagt, Dem er so leicht Gehorsam leisten kann, Weil jegliches Gelüst verschiedner Art Befriedigung in Eden finden wird. Adam und die Gefährtin Eva lauschte Gespannt der Rede, staunend und bedenklich Ob solcher hohen sonderbaren Dinge; Die so undenkbar waren ihrem Geist, Als Haß im Himmel, Krieg, der Gottes Frieden Und Seligkeit so nahe ward gekämpft, Doch war das Böse bald hinausgeschlagen, Und strömte flutengleich auf die zurück, Die es erschufen, fern von allem Heil. Drum gab auch Adam bald die Zweifel auf, Die er im Herzen trug; und sündenfrei Erstrebt er nur zu wissen, was ihn selbst Und diese Welt betraf, wie Erd' und Himmel Zuerst entstand, wann und woraus sie ward. Was vor ihm schon in Edens Raum geschah, Was außerhalb in diesem Weltenall. Wie Einer, dessen Dürsten kaum gelöscht, Noch auf der Quelle Strom die Blicke richtet, Deß flüssig Rauschen neuen Durst erweckt, So fuhr er fort, den Himmelsgast zu fragen: »Du hast gewaltige Dinge jetzt enthüllt, Die ganz verschieden sind von dieser Welt, Und wunderbar zu hören. Bote Gottes, Den gnädig uns der Himmel niedersendet, Um uns bei Zeiten noch vor Dem zu warnen, Was ungekannt uns in's Verderben stürzte Und Menschensinn wol nie erreichen konnte. Drum sind wir dem unendlich güt'gen Wesen Dank schuldig, und empfangen diese Warnung Ihm feierlich gelobend, wandellos Als Lebensziel des Höchsten Wort zu ehren. Doch da Du uns so freundlich hast belehrt In Dingen über unsern Erdenkreis, Die doch zu unserm Wissen nöthig waren, Weil es der höchsten Weisheit so gefiel, So würdige tiefer jetzt herab zu steigen, Und künde, was nicht weniger wol uns frommt, Wie dieser Himmel, der so hochentfernt Und zahllos wandelnder Gestirne voll, Anfangs entstand; mit ihm die weite Luft, Die jeden Raum erfüllt und ausgegossen Der theuern blumigen Erde Rund umschließt. Verkünde, was den Schöpfer wol bewog In seiner heil'gen Ruh der Ewigkeit So spät ins Chaos noch zu bauen; sprich! Wie bald vollbracht er das Begonnene? Wenn die Entdeckung nicht verboten ist, Enthüll' uns, was wir über Gottes Reich Dich fragen, nicht aus Neugier nach Geheimem, Nein! um nur mehr sein Wirken zu erheben, Je mehr wir es erkennen und beschau'n. Des Tages großes Licht hat lange noch Auf seiner Bahn zu wandeln, obwol abwärts; Doch wird's von Deinem Wort vielleicht gehalten, Sobald es Deine mächtige Stimme hört, Und länger weilen, um von seinem Ursprung Von Dir zu hören, und wie die Natur In der Geburt aus finsterm Chaos stieg. Und wenn der Mond, der Stern des Abends naht, Bringt Nacht ihr Schweigen, daß Dich Alles hört; Dir lauschend wird zum Wachen selbst der Schlaf, Er bleibt uns fern, bis Dein Gesang verweht, Und bis des Morgens Dämmern Dich entläßt.« So bittet Adam seinen hohen Gast, Und mild erwidert ihm der Engel Gottes: »Auch dieses Dein Begehren sei gewährt, Da Du es voll Bescheidenheit gestellt, Obwol des Seraphs Sprache nicht genügt Die Werke des Allmächt'gen aufzuzählen, Und sie kein Menschengeist erfassen kann. Doch was Du zu begreifen jetzt vermagst Und was des Schöpfers Herrlichkeit vermehren Und Dich glückselig dadurch werden läßt, Sei Deinem Wissen nicht mehr vorenthalten; Solch ein Geheiß ward droben mir ertheilt, Mit Schranken Deine Wißbegier zu stillen. Doch Tiefres zu erforschen, hüte Dich, Auch hoffe nicht, durch eignes Brüten Dinge, Die nicht geoffenbart sind, zu enträthseln, Die der Allmächt'ge, der allein allwissend, Mit Nacht bedeckt, im Himmel wie auf Erden Von keinem Wesen irgendwie erkannt. Genug ist übrig noch, danach zu forschen! Das Wissen gleicht der Speise, man bedarf Nur so viel, als die Mäßigkeit verlangt, So viel, als wol der Geist begreifen kann. Die Ueberladung drückt ihn, und die Weisheit Wird Thorheit, wie die Nahrung Ekel wird. So wisse denn: Als Lucifer vom Himmel (So nennt man ihn, der glänzender im Heer Der Engel war, als jener helle Stern Im Sternenheer) gefallen war und nieder Mit seiner Flammenschaar zur Hölle sank, Und der gewalt'ge Sohn mit seinen Heil'gen Siegreich zum ew'gen Vater wiederkehrte, Der schon von seinem Thron die Schaaren sah, So wandte sich der Vater zu dem Sohn: So täuschte sich der neiderfüllte Feind, Der Alle für Empörer hielt, wie sich, Damit durch ihren Beistand ihm der Sitz Der hohe Thron der höchsten Gottheit werde, Und ob er Manchen auch zur Schuld verlockt, Der hier an dieser Stätte nicht mehr weilt, Hat doch der größre Theil, wie ich's erkannt, Sich treu behauptet! Eine reiche Zahl Umfaßt der Himmel, seine weiten Reiche Rings zu besetzen, und dem hohen Dom Erheischten Dienst und heil'gen Brauch zu weihn. Frohlocken soll indessen nicht der Feind, Daß er schon jetzt des Unheils viel verübt, Und wähnen, daß den Himmel er entvölkert; Ersetzen will ich darum den Verlust, Ist's einer, Selbstverlorne zu verlieren. Im Nu erschaff' ich eine neue Welt, Aus einem Menschen gleich ein ganz Geschlecht, Unzählig dort zu wohnen, nicht im Himmel, Bis selbst sich's stufenweise durch Verdienst Den Weg hieher eröffnet, durch Gehorsam In jener Welt geprüft. Die Erde soll Sich dann zum Himmel wandeln, und der Himmel Zur Erde. Nur ein Reich, darinnen Lust Und Wonn' und Eintracht bis in Ewigkeit. Indessen breitet Euch, ihr Himmelsmächte, Und Du mein Wort, mein eingeborner Sohn, Durch den ich alles Dies vollbringe, sprich Und es geschieht! Ich sende meinen Geist, Der Dich beschattet, meine Macht mit Dir! Zieh hin! befiehl der Tiefe, daß sie Himmel Und Erd' in festgesetzten Grenzen werde. Befiehl der Tiefe, die ganz grenzenlos, Weil ich allein Unendlichkeit erfülle, Im Raume, der nicht leer ist, wenn auch ich, Obwol ich unumschränkt, zurückgetreten Und meine Güte nicht geäußert habe, Der frei es steht, zu schaffen oder nicht. Nothwendigkeit und Zufall nah'n mir nicht, Und was ich will, gilt ewig als Geschick.« So sprach der Herr, und seine Rede schuf Die Göttlichkeit des Sohnes gleich zur That. Unmittelbar sind Gottes Thaten, schneller Als Zeit und als Bewegung; doch sie können Den Sterblichen nur so verkündet werden, Wie's irdischer Begriff erfassen kann. Im Himmel herrschte jauchzender Triumph, Als des Allmächt'gen Wille ward gehört. Die Engel sangen laut dem Höchsten Preis, Dem Himmel Frieden und ein Wohlgefallen Den künft'gen Menschen. Preis und Ruhm dem Herrn, Deß Zorn gerecht Abtrünnige geschieden Von seinem Antlitz und von den Gerechten. Ruhm ihm und Preis, deß Weisheit Gutes schafft Aus Bösem; statt der bösen Geister wird Ein besseres Geschlecht der Welt zu Theil, Er füllt den leeren Raum und strömt auf Welten Und Ewigkeiten seiner Güte Meer! So scholl der Engel Lied. Indeß erschien Der Sohn, bereit zu seinem großen Werk, Umgürtet mit der Allmacht, und gekrönt Mit aller Pracht der Gottesmajestät. Weisheit und grenzenlose Liebeshuld, Sein ganzer Vater strahlt aus ihm zurück. Um seinen Wagen wallten sonder Zahl Seraphs und Cherubs, Himmelsmächt' und Fürsten, Beschwingte Geister und beschwingte Wagen Aus Gottes Waffensaal, wo schon seit ewig Myriaden zwischen ehernen Bergen stehn, Geschirrt, als himmlisches Geräth geschmückt, An feierlichen Tagen Gott zu dienen. Jetzt nahten sie von selbst, es lebte drin Ein Geist, der ihren Herrn begleitete. Der Himmel öffnet weit die ew'gen Thore, Harmonischer Klang scholl aus den goldnen Angeln, Damit durchziehe jetzt des Ruhmes König, Der in dem mächt'gen Wort und Geiste kam, Neu Welten zu erschaffen. An dem Rand Des Himmels standen sie und sahen dort Den wüsten, unermeßlich tiefen Abgrund, Aufbrausend wie ein Meer, und öd' und düster, Von wilden Stürmen aus dem Grund gehoben, Voll bergeshoher Wogen, so die Höhn Des Himmels zu bestürmen und den Pol Bis an den Mittelpunkt zu schleudern drohten. Still ihr erzürnten Wogen! still du Tiefe! (Sprach das allmächt'ge Wort) die Zwietracht ende! Dann fuhr der Göttliche von Cherubschwingen Emporgetragen, von des Vaters Glanz Umgeben in das Chaos weit hinein, Zur unerschaffnen Welt. Das Chaos hörte Schon seinen Ruf. Die Engel folgten ihm Im Strahlenzug, die Schöpfung anzuschaun, Und seiner Allmacht Wunder zu bestaunen. Der Wagen hielt; drauf nahm die Hand des Herrn Den goldnen Zirkel, der in Gottes Dom Bereitet war, dies Weltall abzumessen, Sammt allen Dingen, die erschaffen drin. Im Mittelpunkt mit einem Fuße stehend, Dreht er den andern durch die finstre Tiefe Und sprach: »So weit erstrecke dich, o Welt, So weit sei deine Grenze, sei dein Umfang!« So schuf den Himmel er, so wie die Erde, Ein formenloser und ganz leerer Stoff. Den Abgrund hüllte tiefe Finsterniß, Doch auf dem ruhigen Wasser breitete Der Geist des Herrn die Schwingen brütend aus, Und goß des Lebens Kraft und Wärme nieder Auf jene flüss'ge Masse; niederschlug Er all die schwarzen kalten Höllenhefen, Die Leben nur verpesten. Gleiche Dinge Eint er mit gleichen dann; vertheilt den Rest An ganz besondern Ort, und spannt dazwischen Die Luft aus, und in stetem Gleichgewicht Hing jetzt auf ihrem Mittelpunkt die Erde. Gott sprach: es werde Licht! und sieh es ward Aetherisch Licht, der Dinge reinster Stoff, Von Osten, seiner Heimat, wandelt es Durch dunkle Luft in einer Strahlenwolke, Denn damals glänzte noch die Sonne nicht, Sie weilte noch in einem Wolkenzelt. Gott sah, das Licht war gut; er theilt es nun Durch Hemisphären von der Finsterniß, Licht nannt' er Tag, und Nacht die Finsterniß. So ward der Tag mit Morgen und mit Abend. Die Himmelschöre jubelten und sangen, Als sie das Morgenlicht aus Dunkelheit Aufdämmern sahn, und priesen hoch den Tag, Der Erd' und Himmel schuf. Ihr Freudelaut Erfüllte rings des Weltalls hohlen Kreis, Zu goldnen Harfen rühmt' ihr Lobgesang Den Herrn und seine Werke. Sie besangen Den Schöpfer, als der erste Morgen ward Und als zuerst der Abend niedersank. Und aber sprach der Herr: »Es werde jetzt Das Firmament inmitten dieser Wasser, Und scheide Wasser von dem Wasser rings!« Er schuf das Firmament, den weiten Raum Von flüssig reinem, klarem Aetherstoff, Der bis zur höchsten Wölbung dieses großen Weltrundes ausgebreitet, fest und sicher Die tiefen Wasser von den ober'n trennt. Denn er erschuf die Erde, wie die Welt Auf ringsumfließend Wasser, den krystallnen Glanzocean, des Chaos Wuth zu bannen; Das nicht die äußern Enden sich berührend Den ganzen Bau zertrümmerten. Er nannte Dies Firmament den Himmel. So besang Der Abend- und Morgenchor den zweiten Tag. Die Erde war geformt, jedoch im Schoos Der Wasser noch als ungereifte Frucht, Ein großes Meer floß auf der Erdenfläche Doch thätig, denn mit fruchtbar warmem Naß Den Ball erweichend sanft, befruchtete Es diese große Mutter zur Empfängniß, Die mit dem Zeugungssaft gesättigt ward. Gott sprach: Nun sammelt euch ihr Wasser all' In einem Raum, und zeuget festes Land! Im Nu erschienen ungeheure Berge, Und reckten ihre breiten kahlen Nacken Zum Wolkenreich, die Gipfel stießen hoch Am Himmel an; so hoch Gebirge sich Erhob, so tief versank der hohle Boden, Als Bett der Wasser; dahin fluten sie In froher Hast, wie Tropfen sich im Staube Zusammenballen. Einige stiegen auf Als Mauern von Krystall, als schlanke Säulen, Denn Eile hatte das Gebot des Herrn Den Fluten aufgedrungen; wie ein Heer (Du hörtest ja von Heeren) auf den Ruf Der Kriegsdrommeten sich zur Fahne sammelt, So eilt der Wasser Schwall in Wogen an, Und Well' auf Welle, wo sie Wege fanden. Von Klippen stürzten rasend sie herab, Auf oberm Pfade glitten sie gemach. Kein Fels und Berg bot ihnen Widerstand, Die Wasser fanden drunter ihre Bahn, Und schossen theils in Schlangenwindung fort, Theils gruben Furchen sie im feuchten Schlamm, Denn Gott ließ noch des Bodens Grund nicht trocknen, Der innerhalb der Ufer, wo die Ströme Fortfluten und die nassen Pfade ziehn. Und Erde nannte Gott das trockne Land, Und den Behälter aller Wasser: Meer! Er sah wie gut es war und sprach: Die Erde Erzeuge grünes Gras und Samenkräuter, Und Bäume mit den Früchten aller Art, Die sich durch eignen Samen weiterpflanzen. Kaum sprach er's, als die Erde, bisher wüst, Schmucklos und nackt, das zarte Gras erzeugte Und frisch in Grün die ganze Fläche hüllte. Dann keimten Kräuter mit verschiednem Laub, Die plötzlich blühten, sich mit buntsten Farben Den Busen schmückten, und süß dufteten. Kaum blühten Blumen, als von Trauben schwer Der Weinstock trieb, der Kürbis wucherte, Kornähren dichtgereiht im Felde glänzten, Und Strauch und Busch ihr krauses Haar verwirrten. Zuletzt erhoben stattlich wie im Tanz Die Bäume sich, sie breiteten die Zweige Mit Früchten reich beschwert, und öffneten Die Blüthenaugen. Felder krönten rings Mit Wäldern sich und Thäler mit Gebüsch, Und jeder Quell und Fluß mit langen Ufern. Die Erde schien nun ganz dem Himmel gleich, Ein Ort, wo Götter wohnen oder wandeln, Geweihte Schatten liebevoll zu suchen, Ob Gott auch keinen Regen noch der Erde Verliehn und noch kein Mensch war zum Bebaun. Doch aus dem Boden stieg ein Nebelthau Und wässerte das Land und jede Pflanze, Die, eh' sie in der Erde wuchs und grünte, Gott an dem grünen Stengel schon erschuf. Der Herr sah, daß es gut war und es priesen Der Morgen und Abend nun den dritten Tag. Und der allmächt'ge Gott sprach wiederum: Es sollen Lichter an dem Himmelsraum Erglänzen, von der Nacht den Tag zu trennen. Sie seien Zeichen für die Jahreszeiten Und für die Tag' und für die Jahreswechsel. Sie sollen Leuchten auch der Erde sein, Dies sei ihr Amt am Firmament des Himmels! So ward es – Gott erschuf zwei große Lichter, Groß ihres Nutzens wegen für den Menschen; Das größre sollte Tags, das kleinre Nachts Abwechselnd herrschen. Er erschuf die Sterne Und setzte sie an's Firmament des Himmels, Die Erde zu erleuchten und den Tag So wie die Nacht abwechselnd zu beherrschen, Und von der Finsterniß das Licht zu sondern. Gott sah beschauend jetzt, wie gut sein Werk; Denn von den Himmelskörpern schuf er jetzt Zuerst der Sonne mächtig großen Ball, Zwar dunkel anfangs, doch von Aetherstoff, Dann bildet' er den Mond und andre Sterne Verschiedner Größe, sät' sie an dem Himmel So dicht aus, wie die Saat im Felde steht. Drauf nahm er auch des Lichtes größern Theil. Aus seinem Wolkenzelt, verpflanzt und legt Ihn in die Sonnenscheibe, deren Kreis Das flüss'ge Licht trank und die Strahlenmassen Bewahrte, daß zum Lichtpalast sie ward. Die andern Sterne wanderten zu ihr, Wie zu dem Quell, in ihre goldnen Urnen Licht einzuschöpfen; hier vergoldet auch Der Morgenstern die Hörner. Sie erhöhn Durch Widerschein und Mischung ihren Theil, Der klein ist und so fern dem Menschenauge, Daß er sich viel verkleinerter ihm zeigt. Zuerst im Osten ward der Ball gesehn, Der prächtig stets den Tag beherrschen wird, Und der dem Horizonte Strahlen leiht, Die freudig ihre Himmelsbahn durchlaufen. In grauer Dämmrung tanzten die Plejaden Vor ihm, den süßen Ausfluß hold verschwendend. Im Westen, gegenüber, ward der Mond Mit milderm Glanz und Schein der Sonne Spiegel, Mit vollem Antlitz ganz ihr Licht erborgend, Denn es bedarf nicht andern Lichts sein Stand, Und so verbleibt er immer bis zur Nacht. Dann wendet er sich und erglänzt im Osten, Und dreht sich auf des Himmels großer Axe; Und herrscht mit tausend andern kleinen Lichtern, Mit abertausend Sternen, welche klar Am Himmelsraume blinken. Als sich jetzt Zum ersten Mal die hellen Lichter zeigten, Die auf und unter gingen, krönten Abend Und Morgen feierlich den vierten Tag. Gott sprach: Das Wasser zeuge Thiere jetzt, Mit reicher Brut, lebendige Geschöpfe; Gevögel fliege mit gehobner Schwinge Am Firmament und ob der Erde hin! Und Gott erschuf den Wallfisch, und die Wesen, Die kriechen, schwimmen, von der Wasserflut Nach ihren Arten häufig jetzt erzeugt, Und das Gevögel in verschiednen Arten. Er sah wie Alles gut und segnete, Indem er sprach: Seid fruchtbar, mehret Euch Und füllt die Meere. Ström' und Wogen an. Mehrt euch, beschwingte Vögel, auf der Erde. Es wimmelten im Nu die Sund' und Meere, Die Bai'n und Buchten mit zahlloser Brut Von Fischen, die mit Flossen und mit Schuppen Die grüne Flut hingleiten und in Schaaren Wie Dämme glänzen mitten in dem Meer. Die bleiben einsam, jene paaren sich, Ernähren sich vom Meergras treugesellig Und streifen durch die Wälder von Corallen. Noch andre spielen schimmernd und behend, Ihr goldgesprengtes Kleid der Sonne zeigend; Noch andre harren in den Perlenschalen Geduldig auf die feuchte Nahrung, lauern Im Schuppenpanzer unter'm Fels auf Futter. Das Seekalb spielt auf glatter Meeresfläche, So wie der flink sich schnellende Delphin. Noch andre von gewalt'gem Bau bestürmen Langsam sich wälzend mit Geräusch das Meer. Dort ruht das größte der lebend'gen Thiere, Leviathan, auf's weite Meer gestreckt Gleich einem Vorgebirge; wann er schwimmt, Scheint er ein wandelnd Land zu sein, er schlürft Ein Meer in seine Kiemen ein und speit Es wiederum mit seinem Rachen aus. Die lauen Ufer, Moore, Grotten brüten Zahlreich Geschöpfe, die dem Ei entschlüpfen. Es bricht und schickt ein Junges kahl hervor, Das bald jedoch befiedert hoch die Luft Mit seinen Flügelchen durchschwirrt und singend Den Grund verschmäht und in die Wolken steigt. Dort baut der Adler und der Storch auf Felsen Und Cederwipfeln sich das Nest; ein Theil Fliegt irrend durch die Luft; ein andrer bricht Keilartig mit Genossen sich die Bahn, Die Jahreszeiten kennend, setzt die Reise Er in der Luft fort über Meer und Land, Und wechselnd mit dem Flügelpaar erleichtert Er seinen Flug. So leitet klug der Kranich Die Reise jährlich, von dem Wind getragen. Die Luft erzittert, wo der Schwarm sich regt, Gefächelt von unzähl'gen Fittigen. Die Schaar der kleinern Vögel schwingt sich flink Von Zweig auf Zweig, und leiht Gesang dem Wald, Die bunten Flügel breitend, bis es dunkelt. Doch dann selbst schweigt die Nachtigall noch nicht Mit ihrem Wirbelschlag, sie singt ihr Lied Die ganze Nacht. Noch andre baden flink Die flaumige Brust in Silberseen und Flüssen. Der Schwan mit dem gewölbten Hals, der stolz Sich zwischen weiße Schwingen hüllt, er segelt In seiner Pracht mit ruderförmigem Fuß; Doch läßt er oft die Wasserflut, und schwingt Auf starken Fittigen sich zum Aether auf. Noch andre spreizen sich auf festem Boden, Der Hahn mit seinem Kamm, deß gelles Krähn In stillen Stunden hell ertönt; und jener Im Pomp des schönen Schweifs, den Sternenaugen Und Regenbogenfarben noch erhöhn. Als so mit Fischen sich gefüllt die Flut, Die Luft mit Vögeln, feierten mit Jubel Der Abend und Morgen ihren fünften Tag. Der sechste Tag, der Schöpfung letzter, stieg Mit Engelklang und Morgenharfen auf; Da sprach der Herr: Die Erde zeuge Wesen, Lebendige von ganz verschiedner Gattung, Landthiere, wie Gewürm in seiner Art. Gehorsam öffnete die Erde schnell Den fruchtbar reichen Schoos und spendete Gebärend zahllos lebende Geschöpfe, An Form und Gliedern reichlich ausgebildet Und ausgewachsen. Aus dem Boden sprang Das wilde Thier wie von der Lagerstatt, Wo es im Wald, im Busch und Höhlen haust. Sie standen paarweis unter Bäumen auf, Und wandelten; das zahme Thier auf Feld Und Wiesen, einsam einige, doch andre In Schaaren, und in großen Heerden weidend. Der grasige Boden brachte mehr hervor; Der falbe Löwe hob sich halb heraus, Und scharrt, den Hintertheil noch zu befrei'n, Dann springt er wie aus Kettenhaft und schüttelt Die zottige Mähne. Leoparden, Unzen Und Tiger warfen, wie's der Maulwurf pflegt, Die Erd' in Hügeln auf; der leichte Hirsch Hob aus dem Boden seines Hauptes Zinken; Der Thiere größtes, Behemoth, entwand Der Erde kaum die ungeheure Form. Die wolligen Heerden stiegen blökend auf, Wie Pflanzen. Zwischen Land und Wasser schwankt Das Flußpferd und das schuppige Crocodil. Dann kam hervor all', was auf Erden kriecht, Insekt und Wurm; die einen schwangen flink Die fächerart'gen Flügel, eingehüllt Die zarten Gliederchen in Sommertracht, In Gold und Purpur, Himmelblau und Grün. Die andern zogen sich wie Linien hin, Und ließen streifige Spuren auf dem Sand. Nicht alle waren klein, auch einige Von Schlangenart, an Länge wunderbar, Versehn mit Schlangenringen und mit Flügeln. Dort krochen auch Ameisen sparsam sorgend Für ihre Zukunft, die im kleinen Leib Ein großes Herz verbergen, und dereinst Vielleicht gerechter Gleichheit Muster sind, Wenn ihre Stämme zur Gemeinschaft kommen. Hier schwärmt die Biene, die den trägen Gatten Kostbar ernährt, aus Wachs die Zellen baut, Gefüllt mit Honig. Zahllos sind die andern, Du kennst ihr Wesen ja, und nanntest sie, Unnöthig wär es drum, sie jetzt zu nennen. Auch ist die Schlange Dir nicht unbekannt, Das schlauste Thier im Feld, von großem Leib Mit ehernem Blick und fürchterlicher Mähne, Doch Dir nicht schädlich, sondern ganz gehorsam. In aller Glorie glänzte jetzt der Himmel, Und rollt in der Bewegung, wie die Hand Des großen Schöpfers seinen Lauf gelenkt. Die Erde lächelt hold in ihrer Pracht, Luft, Wasser, Land war reichlich angefüllt Mit Vögeln, Fischen und mit andern Thieren. Und doch blieb etwas noch dem sechsten Tag. Es fehlte jetzt der Schöpfung Meisterwerk. Der Zweck von Allem, was erschaffen war: Ein Wesen, das nicht thierisch und gebeugt Wie der Geschöpfe Schaar, nein ausgerüstet Mit heiliger Vernunft, den Leib erheben Und aufrecht mit verklärter Stirn die andern Beherrschen könnte, seiner selbst bewußt, Und dadurch würdig, mit dem Himmel selbst Verkehr zu halten und voll Dankbarkeit Den Quell der höchsten Gnade zu erkennen. Ein Wesen, das mit Auge, Herz und Mund Demüthig aufgewandt den großen Gott Anbete, weil er es zum Haupte schuf Der ganzen Schöpfung. Darum sprach der ew'ge Monarch der Welt (denn er ist überall) Vernehmlich so zu dem geliebten Sohn: Laßt uns den Menschen jetzt nach unserm Bild, Nach unserm Gleichniß schaffen, laß ihn herrschen Frei über Fische, Vögel und Gethier In Meer und Luft und auf der ganzen Erde, Und über jeden Wurm, der darauf kriecht. Er sprachs und formte Dich Adam, den Menschen, Aus einem Erdklos, blies den Lebenshauch Auf's Antlitz Dir, und schuf Dich nach dem Bilde, Dem ächten Bilde Gottes, und Du lebtest. Dich formt er männlich, aber die Genossin Erschuf er weiblich, ein Geschlecht zu zeugen, Dann segnet' er den Menschenstamm und sprach: Seid fruchtbar, mehret euch und füllt die Erde, Regiert sie und beherrscht die Fisch' im Meer, Den Vogel in der Luft und jegliches Geschöpf, das auf der Erde sich bewegt. Wo er Dich auch erschuf (denn Namen nennen Noch keinen Ort), er brachte Dich hieher, In diesen schönen Hain, in diesen Garten, Der, mit den Bäumen Gottes rings bepflanzt, Für Mund und Augen wunderlieblich ist. Freigebig schenkt' er Früchte Dir zur Nahrung Von allen Arten, so die Erde zeugt. Nur von dem Baume, dessen Frucht gekostet Erkenntniß lehrt des Guten wie des Bösen, Darfst Du nicht essen; wenn Du je dies wagst, So stirbst Du, denn der Tod ist Deine Strafe. Drum hüte Dich und zähme Dein Gelüst, Damit die Sünde Dich nicht überrasche, Und ihr Begleiter, der so dunkle Tod. Hier endete Gott sein Werk und überschaute Die ganze Schöpfung, darin Alles gut, Und somit schloß sich auch der sechste Tag, Worauf der Schöpfer, von dem Schaffen lassend, Doch unermüdet in der Himmel Himmel, Zum höchsten Sitze wieder sich erhob. Von dort aus seine neue Welt zu schaun, Die er zu seinem Reich gefügt, ob sie Von seinem Thron gesehn sich stattlich zeige, Ob gut, ob schön und seinem Plan entsprechend. Er fuhr empor, vom Jubelruf begrüßt, Und bei dem Klang von hunderttausend Harfen, Die Himmelsmelodien harmonisch tönten. Die Luft und Erde hallten schallend wieder (Gedenkst Du noch, Du hast es selbst gehört), Die Himmel sammt den Sternen klangen all; Und die Planeten blieben lauschend stehn, Als jubelnd sich der Strahlenzug erhob. Sie sangen: Oeffnet euch, ihr ew'gen Pforten! Ihr Himmel, öffnet die lebend'gen Thore! Empfangt den Schöpfer, der vom großen Werk, Der Schöpfung einer Welt zurückekehrt, Geschaffen in sechs Tagen! Oeffnet euch Und oftmals noch! denn Gott wird würdigen Der guten Menschen Wohnung heimzusuchen, Und wird zu häufigem Verkehr beschwingte Herolde senden, Himmelsgnade kündend. Aufschwebend sang dies der verklärte Zug; Der Himmel schloß die Strahlenpforten auf, Die zu dem ew'gen Throne Gottes führen, Den breiten Pfad entlang, deß Staub von Gold Und dessen Boden Sterne, wie die Sterne Der milchigweißen Straße, die Du Nachts Wie einen Gürtel sternbestäubt gewahrst. Ein siebenter Abend brach in Eden nun Auf Erden an, die Sonne war gesunken Und Dämm'rung, die Verkünderin der Nacht, Erschien im Osten, als die Macht des Sohns Zum heiligen Berg, wo Gottes Königsthron Auf ewig fest und sicher steht, gelangte, Und bei dem großen Vater dann verweilte. Unsichtbar hatt' er ihn begleitet; und War auch geblieben (denn Allgegenwart Ist Gottes Vorrecht) und er ordnete Die Schöpfung, als das A und O der Dinge. Vom Wirken ruhend segnet' er den Tag Als siebenten, wo er vom Schaffen ruhte. Doch nicht mit Schweigen ward der Tag gefeiert, Die Harfe klang, die festlich holde Flöte, Die Laute, so wie jeglich Instrument, Von süßem Ton, und lieblich sanft erschallten Berührte Saiten oder goldne Drähte, Gemischt den Chören feierlichen Sangs. Im Weihrauchwolken, die aus Goldgefäßen Aufqualmten, war der ganze Berg gehüllt. Die Schöpfung der sechs Tage sangen sie: Wie groß sind Deine Werke, Jehovah! Endlos ist Deine Macht! Welch' ein Gedanke Kann fassen Dich und welches Wort Dich schildern! Noch größer ist jetzt Deine Wiederkehr, Als wie Du ob der Riesenengel siegtest; Damals verklärte nur Dein Donner Dich, Jedoch ein größer Werk ist das Erschaffen, Als das Erschaffne siegreich zu zerstören. Wer kann, gewalt'ger Herrscher, je Dein Reich Begrenzen oder mindern? Leicht vertriebst Du die empörten Geister sammt dem Plan, Dich ruchlos zu beschränken und die Zahl Anbetender Verehrer Dir zu rauben. Wer Dich vermindern will, hilft wider Willen Nur mehr noch Deine Wunder offenbaren, Denn aus dem Bösen schaffst Du Gutes nur, Wie diese neuerschaffne Welt bezeugt, Ein andrer Himmel, nah dem Himmelsthor, Gegründet auf dem klaren spiegelnden Krystall des Meers. Sie dehnt sich unermeßlich Mit unzählbaren Sternen, deren jeder Für eine Welt zur Wohnung ausersehn; Du nur hast jedem seine Zeit bestimmt: Darunter ist der Menschen Sitz, die Erde, Die als holdselige Wohnung Meer umfließt. Dreimal beglückte Menschen, sammt den Kindern, Die Gott erwählt nach seinem Bilde schuf, Um dort zu wohnen und ihn anzubeten; Zum Lohn dafür dort über seine Werke Weit über Erde, Luft und Meer zu herrschen; Die ein Geschlecht von frommen und gerechten Anbetern zeugen, dreimal selig sie, Wenn sie ihr Glück erkennend Tugend lieben! So sangen sie und es erklang der Himmel Vom Hallelujah; somit schloß der Sabbath. »Jetzt hab' ich Deine Bitte Dir gewährt, Weil Du gefragt, wie Anfangs diese Welt Und aller Wesen Urgestalt begann, Und was vom Anbeginn, bevor Du warst, Geschah, damit Du Dein Geschlecht belehrst. Wenn sonst Du Etwas noch zu fragen glaubst, Was Menschenkraft nicht übersteigt, so sprich!« Achter Gesang Achter Gesang. Der Engel schwieg, in Adams Ohre klang Die Stimme so bezaubernd, daß er selbst Sie lang nachher noch zu vernehmen meinte, Und starren Blickes lauschte; dann jedoch Gleichsam erwachend, sprach er dankesvoll: »Welch angemess'nen Dank und welchen Lohn Vermag ich Dir zu geben, göttlicher Verkünder, der Du meinen Durst nach Wissen So reichlich stilltest, und mich würdigtest Mir zu erzählen, was sonst unerforschlich, Und was ich nur mit Staunen jetzt vernahm, Jedoch entzückt; wofür ich nach Gebühr Dem großen Schöpfer Preis und Ehre zolle. Ein Zweifel nur verblieb noch meiner Brust, Den Du allein zu lösen mir vermagst. Erblick' ich dieser Welten Götterbau, Die Erde sammt dem Himmel und erwäge Die Größe Beider, so erscheint die Erde Ein Sandkorn mir, ein Stäubchen, ein Atom, Verglichen mit dem Himmel voll Gestirne, Die zahlreich unbegreiflich weite Räume Durchrollen müssen (denn dies zeigt ihr Schwinden Und ihre schnelle Wiederkehr), um Licht Der dunkeln Erdenkugel darzureichen, Die nur ein Punkt ist, während Tag und Nacht Sonst völlig nutzlos in dem ganzen Umlauf: Oft staun' ich dann, warum die sorgsam weise Natur ein solches Mißverhältniß litt, Mit überflüss'ger Hand so viele Körper Zu schaffen, die doch edler sind und größer, Zu diesem einen Zweck, daß sie den Sphären Tagtäglich wiederholten Kreislauf heißt, Indeß die Erde ruhig weilt, die doch Auf kürzern Bahnen sich bewegen könnte, Bedient von edlern Sternen, als sie selbst; Und ohne Regung doch ihr Ziel erreicht, Und als Tribut, der ihr aus weiter Ferne Unzähliger Tagereisen voller Hast Gebracht wird, Wärme so wie Licht erhält.« So redet' Adam, und sein Antlitz zeigte, Daß Dunkles, Tiefes er erforschen wollte. Als Eva dies gewahrte, stand sie auf Von ihrem Sitz mit Huld und edler Demuth; Daß wer sie sah gern ihr Verweilen wünschte, Und schritt zu ihren Blumen, um zu sehn, Ob Blüten so wie Knospen gut gediehn. Sie öffneten bei ihrem Nahn den Kelch, Und sproßten unter ihrer süßen Pflege Viel freud'ger auf; jedoch sie ging nicht fort, Weil das Gespräch ihr unerquicklich schien, Noch weil ihr Ohr den Sinn nicht fassen konnte; Nein! den Genuß nur wollte sie sich sparen, Bis Adam ihr allein erzählen würde. Den Gatten zog sie selbst dem Engel vor, Und wollte lieber ihn darum befragen, Sie wußte, daß er das Erzählen schmückte Mit süßen Worten, jeder Einwendung Ehliche Liebkosung entgegenbrachte, Denn ihr gefielen Worte nicht allein Von seinen Lippen. – Giebt es wol noch jetzt Solch Pärchen, welches Lieb' und Achtung eint? – Sie wandelt fort mit göttergleichem Gang, Und in Begleitung, denn als Königin Bediente stets sie ein Gefolg von Grazien, Und sandt' um sie in aller Augen Pfeile Der Sehnsucht, immerfort sie anzuschaun. Wohlwollend und mit Freundlichkeit entgegnet Nun Raphael auf Adams Zweifelfragen: »Dein Forschen oder Fragen tadl' ich nicht; Der Himmel liegt Dir aufgeschlagen vor Als Gottes Buch, darinnen seine Wunder Zu lesen und die Jahreszeiten, Tage Und Monden so wie Jahre zu erkennen. Wenn Du dies wohl erforscht, so ist Dir's gleich Ob Himmel oder Erde sich bewege. Das Uebrige den Engeln und den Menschen Zu bergen, war ganz weislich von dem Herrn; Er offenbarte das Geheimniß nicht, Weil jene zum Bewundern, nicht zum Kritteln Geschaffen sind. Wenn sie Vermuthung wagen, So läßt er ihrem Streite seine Werke, Um ihre winzige Meinung zu belächeln; Wenn sie entwerfen einen Himmelsriß, Der Sterne Lauf berechnen, und Systeme Erfinden, um sie wieder einzureißen, Auf neue denken, um den Schein zu retten; Den Himmelsplan mit Linien rings umgürten, Die in das Centrum gehn und daraus weichen, Mit Zirkeln und mit Kreisen in den Kreisen. Dies sah ich schon aus Deiner Rede Schluß, Der Du Dein ganz Geschlecht regieren wirst, Und glaubst, die größern Körper dort voll Licht Sie sollten nicht den kleinen dunklern dienen, Noch auch am Himmel solche Bahnen gehn, Indeß die Erde stehend Heil empfängt. Bedenke nur, daß Glanz und Größe nicht Den Ausschlag giebt; die Erde, wenn auch klein Und glanzlos im Vergleich mit andern Körpern, Mag mehr des Guten hegen, als die Sonne, Die öde leuchtet, und auf sich nicht wirkt, Und nur die Erde schön und fruchtbar macht. Denn ihre Strahlen, die nur müßig sonst, Erhalten erst vom Erdenball die Kraft. Doch nicht der Erde dienet jene Leuchte, Nur Dir, dem Erdbewohner. Und des Himmels Erhabne Größe künde Dir des hohen Weltschöpfers Macht, der so geräumig baute, Und seine Grenze setzte, daß der Mensch Erkennt, er wohne nicht im Eigenthum. Für ihn ist das Gebäude viel zu groß, Für ihn, der ja so kleinen Theil bewohnt, Das Uebrige bestimmte Gott für Zwecke, Die er am besten kennt. Die Schnelligkeit Der Himmelskugeln, wenn auch unermeßlich, Schreib seiner Allmacht zu, die Körpern selbst Fast geistige Hast verlieh; Du hältst mich nicht Für langsam, der ich mit der Frühe heut Vom Himmel, wo Gott thronet, niederstieg Und noch vor Mittag schon in Eden war; Die Ferne können Zahlen nicht berechnen. Dies künd' ich Dir, und nehme die Bewegung Der Himmel an, um Dir nur zu beweisen, Wie schwach die Gründe Deiner Zweifel sind, Obwol ich nicht behaupte, daß es wirklich So ist, wie Dir es hier auf Erden scheint. Gott schuf, um seine Werke Menschensinn Weit zu entrücken, ferne von der Erde Den Himmel, daß der irdische Blick sich täuscht Und aus dem Forschen keinen Nutzen zieht. Vielleicht ist selbst der Welten Mittelpunkt Die Sonne, deren Kraft die andern Sterne Anzieht, die wiederum gereizt durch eigne In mannichfachen Kreisen sie umwandeln. Den irren Lauf, bald hoch bald niedrig gehend, Bald vor- bald rückwärts und bald stille stehend, Siehst Du an Sechsen schon; wie wenn vielleicht Der siebente Planet die Erde wär', So fest sie auch erscheint, und doch unmerklich In dreifach wechselnder Bewegung rollte? Dienstbare Kugeln müßtest Du sonst denken, Die sich in schiefen Richtungen durchkreuzen, Der Sonne Müh'n ersparen, und den schnellen Tag- so wie Nachtrhombus annehmen, der Unsichtbar über allen Sternen liegt, Das Rad, das Tag und Nacht zu drehn vermag. Du brauchst indessen dieses nicht zu glauben, Da doch die Erd' im Osten sucht den Tag, Mit dem vom Sonnenlicht gewandten Theil Der Nacht begegnet, während von den Strahlen Ihr andrer Theil erhellt wird. Wie wenn gar Das Licht, was sie durch weite Luft entsendet, Dem Mond als Stern erschiene, der bei Tag Ihn so erhellte, wie er Nachts die Erde? Dort giebt's vielleicht Bewohner auch und Land! Du siehst wie Wolken seine Flecken ja, Aus Wolken regnet es, und Regen schafft Im weichen Boden Früchte, die als Nahrung Bewohnern dienen. Auch noch andre Sonnen, Von Monden stets begleitet, wirst du sehn, Die männlich Licht und weibliches entströmen, Denn dieses Zwiegeschlecht belebt die Welt, Da jeder Raum lebend'ge Wesen faßt; Denn daß ein solcher unermeßner Raum Ganz unbewohnt, verlassen sei und öde, Zum Leuchten nur bestimmt, und daß die Sterne Nur da sind, um von ferne dieser Erde Den Glanz zu spenden, der das Licht ja selbst Zurückwirft, ist doch wahrlich zu bezweifeln. Doch wie dies immer sei, mag nun die Sonne Im Himmel herrschend, ob der Erde gehn, Mag ob der Sonne nun die Erde wandeln, Mag sie in Osten ihre Bahn beginnen, Und sie aus Westen in dem stillen Lauf Mit sanftem Schritt, der in der friedlich sich Umdrehenden Achse schlummert, vorwärts gehn Und in der weichen Luft Dich weiter tragen: Das forsche nicht, laß tiefgeheime Dinge Dem Gott da droben, den Du fürchten sollst. Laß über andre Wesen ihn verfügen, Wohin er sie nach seinem Willen schuf. Genieße, was er Dir und Deinem Weib Verliehn, dies Paradies; der Himmel ist Für Dich zu hoch, um Alles zu erfahren, Was dort geschieht; sei klug nur auf der Erde, Denk daran, was Dein Leben hier betrifft, Von andern Welten träume nicht, von Wesen, Die sie bewohnen, noch in welcher Art Und Gattung dort sie leben. Sei zufrieden Mit Dem, was Dir nicht von der Erde nur, Nein auch vom Himmel offenbaret ward.« Adam entgegnet, frei von Zweifeln, ihm: »Wie hast Du mich befriedigt, Geist des Himmels Glanzvoller Engel! Hast mich von Gefahren Befreit, ein ruhig Leben mich gelehrt, Dem nicht ein wirres Forschen alle Süße Des Daseins raubt, von welchem Gott so fern Die Sorgen scheuchte, wenn wir selbst sie nicht Mit eitlen Sinnen und Gedanken suchen. Zwar neigt die Phantasie sich gern dazu, Endlos und schrankenlos umherzuschweifen, Bis sie durch Warnung und Erfahrung lernt, Daß nicht das Wissen der uns fernen, dunklen Geheimen Dinge frommt, daß aber Kenntniß Der Dinge, die das Leben täglich beut, Die wahre Weisheit ist; was drüber liegt, Ist Dunst und leeres ungereimtes Trachten, Das uns für nöthige Dinge thöricht macht, Das ungeübt wir nur zu Grüblern werden. Drum laß von diesem hohen Gipfel uns Herniedersteigen und von nützlichen Uns nähern Dingen reden, wo sich Manches Darbieten wird, um schicklich Dich zu fragen, Wie's Deine Huld und Güte mir gewährt. Ich hörte Dich erzählen, was geschah, Bevor ich war; vernimm jetzt den Bericht Und meiner eigenen Geschichte Gang, Die Du vielleicht noch nicht gehört. Der Tag Ging noch nicht unter, und Du siehst wie sein Und schlau ich Dich so lange halten möchte, Indem ich Dich mich anzuhören bitte, Doch in der Hoffnung, daß Du mir erwiderst. Im Himmel dünk' an Deiner Seit' ich mich, Und süßer ist dem Ohre Dein Gespräch, Als wie der Palme Frucht dem Durst und Hunger Zugleich ist, nach des Tages Müh' genossen; Sie sättigt bald, wenn noch so lieblich auch, Jedoch Dein Wort, voll Götterhuld und Gnade, Fügt nimmer Sättigung zur Süßigkeit.« Mit Himmelsmilde sprach dann Raphael: »Adam, nicht Anmuth mangelt Deiner Lippe, Und Deiner Zunge nicht Beredsamkeit; Denn Gott ertheilte Deinem Innern auch Wie Deinem Aeußern reichlich seine Gaben, Sein Ebenbild; ob redend oder stumm Umschweben Liebreiz Dich und Zierlichkeit, Bei jedem Wort und jeglicher Bewegung. Auch halten wir im Himmelsraume Dich Als Mitgenossen und erforschen gern Die Wege Gottes mit dem Menschenstamm: Denn wir erkennen, Gott hat Dich geehrt Und gleiche Liebe Dir ertheilt; drum rede! Denn fern war ich an jenem großen Tag, Auf mühevoller finstrer Wanderung, Auf einem weiten Zug zur Höllenpforte; In Schaaren wachten wir, (so war's Befehl) Daß Keiner draus als Späher oder Feind Entkäme, während Gott im Schaffen war, Damit er nicht ob solcher Frechheit zürnend Zerstörung mit der Schöpfung mischen müsse. Zwar dürften ohne seinen Willen Jene Dies nimmer wagen, doch er sendet uns Als unumschränkter Herrscher mit Befehlen Bei wicht'gen Dingen, unsern Dienst zu proben. Die Schreckensthore waren fest geschlossen, Und dicht verriegelt; aber lange noch, Bevor wir nahten, hörten innen wir Ein Tosen, anders als der Klang von Sang Und Tanz, nur Jammerlaut und Pein und Rasen. Froh kehrten wir empor zu Lichtgefilden Noch vor dem Sabbathabend, wie's befohlen. Doch nun erzähle, denn nicht minder laben Mich Deine Worte, wie die meinigen Dich.« Also der Engel, worauf Adam sprach: »Dem Menschen ist es schwierig, seines Lebens Anfang zu künden. Wer kennt sein Beginnen? Der Wunsch nur, länger noch mit Dir zu sprechen, Verlockte mich dazu. Wie neu erwacht Aus tiefstem Schlaf, auf Blumenrasen liegend, So fand ich in balsamischem Schweiße mich, Den bald die Sonnenwärme trocknete, Und aus dem feuchten Dampfe Nahrung sog. Erstaunt wandt' ich mein Auge schnell zum Himmel, Und blickt' ein Weilchen in die weite Luft; Bis ich, von innrer Regung rasch gehoben, Aufsprang und aufrecht auf den Füßen stand. Rund um mich her sah Thäler ich und Berge, Und Schattenwälder, sonnige Flur und Flüsse, Geschöpfe rings, die sich lebendig regten, Und gingen oder flogen; Vögel sangen Im Laube, lachend kam mir Alles vor, So daß mein Herz von Freuden überfloß. Dann untersucht' ich meinen eignen Leib, Bestaunte jedes Glied und schritt einher, Dann lief ich mit behendem Fuß, wie mich Lebend'ge Kräfte spornten; aber wer, Warum und wo ich war, das wußt' ich nicht. Zu sprechen auch versucht' ich – und ich sprach, Die Zunge nannte mir gehorsam Alles, Was ich erblickte. Schönes Licht, o Sonne! So sprach ich, und Du Erde, frisch und schmuck, Von ihr erhellt! Ihr Berge, Thäler, Flüsse, Ihr Wälder, Auen und ihr Prachtgeschöpfe, Die ihr euch regt und lebt, verkündet mir, Wenn ihr es saht, wie ich geschaffen ward, Wie ich hierher kam? Doch nicht durch mich selbst! Durch einen großen Schöpfer sicherlich, Deß Macht und Güte grenzenlos und herrlich; O sagt mir, wie ich jemals ihn verehren Und kennen kann, ihn, der mir Leben gab, Mich regen läßt, und mich glücksel'ger fühlen, Als wie ich weiß! Indem ich also rief, Und hier und dahin irrend von dem Ort, Wo ich die erste Luft, das erste Licht Geathmet und erblickt, da setzt' ich mich, Als mir nicht Antwort wurde, sinnend nieder Auf eine blumenreiche Rasenbank. Dort faßte mich zuerst der süße Schlaf Und wand mit sanftem Druck sich um die Sinne, Doch nicht beängstigend, ich meinte nur, Ich kehrte, des Gefühls beraubt, zum frühern Zustand zurück, um so mich aufzulösen, Als plötzlich meinem Haupt ein Traum sich nahte, Deß innres Bild die Phantasie erregte, Mich glauben ließ, daß ich noch wirklich lebe. Ein Wesen kam von göttlicher Gestalt Und sprach zu mir: Adam, erhebe Dich, Ein Raum harrt Deiner, stehe darum auf, Du erster Mensch, der Du bestimmt zum Vater Zahlloser Menschen bist gerufen; jetzt Komm ich als Führer Dir in Deinen Wohnort, Im schönen Garten höchster Seligkeit.« So sprechend hob es an der Hand mich auf Und führte leicht mich über Land und Wasser, Als glitt ich ohne Tritte durch die Luft, Bis ich zuletzt auf wald'gem Berge stand, Deß hoher Gipfel flach und weit sich dehnte, Umzäunt mit Bäumen, und bepflanzt mit Lauben. Was ich zuvor auf Erden sah, erschien Mir kaum mehr lieblich. Jeder Baum, mit Früchten Der schönsten Art beladen, reizte mir Den Sinn und plötzliches Gelüst, zu kosten, – Da wacht' ich auf, und fand als Wirklichkeit, Was mir der Traum so lebhaft vorgespielt, Mein Wandern wäre nun auf's Neu begonnen, Wenn nicht mein Führer unter Bäumen mir Erschienen wär'. Anbetend sank ich nieder Zu seinen Füßen, demuthsvoll entzückt, Er aber hob mich auf und sagte mild: Ich bin es, den Du suchst, der Schöpfer Dessen, Was droben, drunten, um Dich her Du siehst. Ich gebe Dir dies Paradies, betracht' es Als Eigenthum, bebau' und unterhalt' es Und speise von den Früchten jedes Baumes, Der in dem Garten wächst, mit frohem Herzen, Zu keiner Zeit befürchte Noth und Mangel; Doch von dem Baume, welcher Dir Erkenntniß Des Guten wie des Bösen schafft, den ich Als des Gehorsams Unterpfand gepflanzt Im Garten nahe bei dem Baum des Lebens, Gedenke meiner Warnung, hüte Dich Zu kosten, scheue jene bittern Folgen; Vernimm: des Tages, da Du davon issest, Und mein Gebot nicht achtest, mußt Du sterben, Von Stund' an wirst Du diesen hohen Stand Der Seligkeit verlieren und von hier In eine Welt der Qual und Pein verstoßen. Mit Ernst und Strenge sprach er das Verbot, Das furchtbar noch in meinem Ohre tönt, Obwol es nie von mir mißachtet wird. Dann nahm er wieder milde Mienen an, Und kündete voll Gnade seinen Zweck: Nicht nur dies Eden, nein der ganzen Erde Gebiet verleih' ich Dir und Deinem Stamm. Als Herrn besitzet sie und alle Dinge, Die drauf sich regen, wie in Luft und Meer, Die Thiere, Vögel, Fische. Sieh darum All' diese Wesen von verschiedner Art, Ich bring' sie Dir, damit Du ihnen Namen Ertheilst und sie in Unterwürfigkeit Dir huldigen. Dies gilt den Fischen auch In ihren Wassern, die ich nicht berief, Weil sie ihr Element nicht ändern können, Und dünnere Luft zu athmen nicht vermögen. Indem er also sprach, da nahten sich Die Thier' und Vögel alle Paar an Paar. Die ersten beugten schmeichelnd sich vor mir, Die Vögel ließen sich auf Flügeln nieder. Wie sie vorüberzogen nannt ich sie Nach ihrem Wesen, denn der Einsicht Kraft Verlieh mir Gott; doch fand ich unter diesen Noch nicht, was jetzo mir zu fehlen schien, Drum wandt' ich mich zur himmlischen Erscheinung. Wie soll ich nennen Dich, der Du erhaben So über mich wie über Alles bist, Was höher noch als diese Menschheit, der Du jegliche Benennung überragst! Wie soll ich Dich verehren, großer Schöpfer Der Welt und all' des Guten für den Menschen, Für dessen Wohl so reichlich alle Dinge Mit so freigebigen Händen Du geordnet! – Nur seh' ich Niemand, der es mit mir theilt. Was für ein Glück liegt in der Einsamkeit? Wer kann allein genießen und darin Zufriedenheit und Seligkeit empfinden? So sprach ich kühn, worauf die Glanzerscheinung, Noch glänzender im Lächeln, also sprach: Was nennst Du Einsamkeit? Ist nicht die Erde So wie die Luft mit mannichfachen Arten Lebendiger Wesen angefüllt, die Alle gern Auf Deinen Wink sich nahn und vor Dir spielen? Kennst Du ihr Treiben nicht und ihre Sprache? Auch sie verstehn, verachte nicht ihr Denken, Mit ihnen suche Deinen Zeitvertreib; Beherrsche sie, Dein Reich ist groß und mächtig. So sprach der Herr des Weltenalls befehlend, So schien es mir; ich bat ihn um Erlaubniß Und sagte dann demüthig flehend so: Laß nicht durch meine Worte Dich verletzen, Du Himmelskraft und Schöpfer, höre gnädig Jetzt meine Rede. Hast Du mich nicht selbst Zu Deinem Stellvertreter hier gemacht, Und die Geringern unter mich gesetzt? Was für Gemeinschaft, welche Lust und Wonne Bestände zwischen so Ungleichen je? Nur wechselseitig zeigt sich dies Gefühl, In ziemendem Verhältniß dargereicht Und dann zurück empfangen; doch wo nur Ungleichheit herrscht, das Starke bei dem Schlaffen, Kann Harmonie dies beides nicht verbinden, Und Widerwille tritt bald lästig ein. Ich rede von Genossenschaft, geneigt Vernünftiges Vergnügen stets zu theilen. Doch paßt das Thier nicht als Genoß des Menschen, Es freut sich auch nur unter seines Gleichen, Der Löwe paart sich mit der Löwin dort. Denn weise hast Du paarweis sie gesellt, Der Fisch wird nicht mit Vögeln sich vermischen, Mit Affen nicht der Stier; am wenigsten Der Mensch jedoch mit irgend einem Thier. Hierauf erwidert Gott nicht ungehalten: Ein feines Glück erkürest Adam Du In der Genossin Wahl, Du willst die Lust, Selbst mitten in der Lust, nicht einsam kosten. Was denkst Du denn von mir und meinem Loos ? Erscheint Dir meine Seligkeit genügend, Der ich doch einsam bin von Ewigkeit? Denn Niemand kenn' ich, der mir ähnlich wär', Viel minder gleich. Wen hab' ich zum Verkehr, Als solche Wesen nur, die ich erschuf, Die viele Grade tiefer unter mir, Als unter Dir die übrigen Geschöpfe. Er schwieg, demüthig sprach ich dann zu ihm: Die Höh' und Tiefe Deiner ew'gen Wege Zu fassen, höchstes Wesen, dazu reicht Kein menschlicher Verstand, Du bist ja schon Vollkommen in dir selbst und ohne Mangel; Nicht so der Mensch, an dem die Kraft beschränkt, Der nach Verkehr mit seines Gleichen strebt Um seinen Fehl und Mangel zu ergänzen. Du fühlst nicht den Bedarf Dich fortzupflanzen, Da du bereits unendlich, und als Zahl, Obwol der Eine nur, unzählig bist; Jedoch der Mensch muß durch die Zahl ersetzen Die Unvollkommenheit in seinem Wesen, Und seines Gleichen zeugen, um sein Bild Zu mehren, da die Einheit mangelhaft, Und darum strebt er nach der Gegenliebe Und nach der Freundschaft zärtlichem Vertrau'n. Du findest in der Einsamkeit in Dir Gesellschaft, ohne Mittheilung zu suchen, Und kannst auch Dein Geschöpf zu jeder Höh' Des Umgangs heben und vergöttern selbst; Doch ich vermag gebeugte Thiere nicht Empor zu richten, noch mich dran zu laben. So sprach ich muthig, und benutzte wagend Die mir gewährte Freiheit, und erhielt Erwidrung von der göttlich gnäd'gen Stimme: Soweit hab' ich, o Adam, Dich geprüft, Und finde, daß Du nicht die Thiere nur, Die Du benanntest, nein dich selber auch Ganz recht erkanntest; jener freie Geist, Das Bild von mir, nicht mitgetheilt dem Thier, Das als Genosse drum für Dich nicht paßt, Zeigt herrlich sich in Dir. Mit gutem Grund Verwarfest Du freimüthig jene Thiere; Bewahre diesen Sinn. Bevor Du sprachst, Erkannt' ich es als gut, daß nicht allein Der Mensch verweile, denn der Thiere Schaar, Die hier Du sahst, war nicht für Dich bestimmt. Zur Prüfung bracht' ich sie, um zu erkennen, Ob Du das Sittlich-Schickliche vermißt. Was jetzt ich bringe, das gefällt Dir sicher; Ist ganz Dein Abbild, das Dir Hülfe bietet, Dein andres Selbst; es wird den Wunsch genau, Ganz nach Verlangen Deines Herzens stillen. Er schwieg, vielleicht hört' ich das Andre nicht. Hinfällig ward mein irdisch schwaches Wesen Vom Himmlischen bewältigt, welches mich Durch sein erhabnes Reden angestrengt, Gleichsam von einem Gegenstand geblendet, Der für den Sinn zu hoch, so sank es nieder Und suchte durch den Schlummer sich zu stärken, Der plötzlich mich befiel, wie von Natur Berufen, und mein müdes Auge schloß. Mein Auge schloß er, aber offen blieb Der Sitz der Phantasie, mein innrer Blick, Durch den ich, dünkt mich, in Verzückung sah Obwol im Schlafe, wo ich lag, und herrlich Die Gottgestalt, vor der ich wachend stand. Sie öffnete die linke Seite mir, Nahm eine Ribbe draus, die lebenswarm Vom Herzensäther noch und frischem Blut; Weit war die Wunde, doch sie füllte schnell Mit Fleisch sich aus und war darauf geheilt. Die Ribbe formt er mit der eignen Hand, Und unter seinen Schöpferhänden wuchs Bald ein Geschöpf, das zwar dem Menschen gleich, Doch im Geschlecht verschieden war, so lieblich, So schön, daß Alles, was bisher als schön Der Welt gegolten, jetzt gemein erschien, Ja oder wie in Einem Bild vereint, In ihr und ihren Blicken nur enthalten, Die mir in's Herz noch nie vorher gefühlte Anmuth und Süße flößten; jedem Ding Ertheilten ihre Mienen Liebeswonnen. Doch sie entschwand und ließ im Dunkel mich; Und ich erwachte, sie mir aufzufinden, Wo nicht, wollt' ich auf ewig den Verlust Beweinen und auf jede Lust verzichten, Schon hofft' ich kaum, da stand sie plötzlich da, Wie ich in meinem Traume sie erblickt, Geschmückt mit Allem, was nur Erd' und Himmel An Liebenswürdigkeit verleihen konnten; Sie nahte sich geführt vom Himmelsschöpfer, Doch unsichtbar, nur seiner Stimme folgend; Sie wußte schon der Ehe Heiligkeit Und heil'gen Bräuche. Jeder Schritt war Huld, Im Auge lag der Himmel und in jeder Geberde Lieb' und Würde. Voll Entzücken Rief ich zum Himmel laut und ungestüm: Ja dies Geschenk gewährt mir Alles jetzt! Du gütiger Schöpfer hast Dein Wort erfüllt, Du Geber alles Schönen, und des Schönsten Von allen Gaben, die Du nicht beneidest. Nun seh' ich Bein von meinem Bein, und Fleisch Von meinem Fleisch, mich selber neu vor mir, Weib ist ihr Namen, aus dem Mann geschaffen, Drum wird er Vater, Mutter selbst verlassen Und seinem Weibe folgen. Beide werden Ein Fleisch, ein Herz und eine Seele sein. Sie hörte mich; obwol durch Gottes Hand Mir zugeführt, so wirkten Unschuld doch Und jungfräuliche Sittsamkeit und Tugend, In dem Bewußtsein ihres eignen Werths, Der nur durch Werbung darf errungen werden, Der nie sich aufdrängt, und zurückgezogen Nur um so wünschenswerther stets erscheint; Kurz die Natur in ihr, obwol ganz rein Von sündigen Gedanken, wirkte so, Daß sie bei meinem Anblick schnell sich wandte. Ich folgt' ihr; Ehre kannte sie und fügte Sich meinen Gründen mit ergebner Würde. Zur hochzeitlichen Laube führt ich sie, Indem sie sanft erröthet' wie der Morgen. Der Himmel und des Glücks Gestirne gossen Den höchsten Segen aus auf diese Stunde; Die Erd' und alle Hügel gaben Zeichen Um Glück zu wünschen. Fröhlich sangen rings Die Vögel. Sanfte Lüftchen flüsterten Im Wald, und streuten Rosen mit den Schwingen, Und Wohlgeruch umduftete mit Kosen Gewürzige Stauden, bis der Liebesvogel Der Nacht das hochzeitliche Lied uns sang, Und Eil' und Hast dem Abendstern gebot, Der Laufbahn höchste Spitze zu erreichen, Um uns die Hochzeitsfackel anzuzünden. So hab' ich Dir mein ganz Geschick erzählt, Und die Geschichte bis zum höchsten Punkt Des Erdenglücks gebracht, das ich genieße. Ich muß gestehn, an allen Dingen zwar Find' ich Vergnügen, aber immer nur Ein solches, das gewohnt wie ungewohnt Nie Wechsel und Verlangen mir erzeugt. Ich meine jene Lust von Schau'n und Kosten, Und den Genuß an Blumen, Frucht und Kräutern, An Lustgestaden, am Gesang der Vögel; Doch hier ist anders mein Gefühl; entzückt Erblick' ich, und entzückt berühr' ich stets, Zuerst empfand ich hier auch Leidenschaft, Als fremde Regung, die mich im Genuß Sonst nie bewegt; hier war allein ich schwach Beim Zauber jenes mächt'gen Schönheitglanzes. Entweder fehlte die Natur und ließ Mir einen Theil zu schwach, nur jenem Anblick Zu trotzen oder nahm vielleicht zu viel. Ihr scheint sie wenigstens zu viel verliehn An äußerm Schmuck und Zier gebildeter, An innerm minder sorglich ausgeprägt. Denn wol begreif' ich, daß sie von Natur Geringer ward begabt mit innern Kräften, Die immer sich am herrlichsten bewähren. Im Aeußern gleicht sie minder auch dem Bild Des Schöpfers, äußert nicht die Uebermacht Der uns verlieh'nen Herrschaft über Andre; Doch nah' in ihrer Anmuth, so erscheint Sie so vollkommen und in sich vollendet, Sich selbst zu kennen, daß ihr Thun und Reden, Als Klügstes, Tugendvollstes so wie Bestes Mich dünket. Alle höhere Macht der Kenntniß Verliert in ihrer Gegenwart an Werth, Weisheit verliert selbst im Gespräch mit ihr, Und gleicht der Thorheit. Anseh'n und Vernunft Ergeben huldigend sich ihr als Einer, Die ganz zuerst im Plan der Schöpfung lag, Und nicht gelegentlich erst ward erschaffen. Ja! um ihr Wesen ganz zu offenbaren, So eint sich Adel so wie Seelengröße In ihr auf's lieblichste: sie schaffen Ehrfurcht Stets um sie her, gleich einer Engelshut. Da sprach der Engel, seine Stirne faltend: »Verklage die Natur nicht, denn sie hat Ihr Werk gethan, thu' nur das Deine Du, Mißtraue nicht der Weisheit, sie verläßt Dich nicht, wenn Du sie nimmer fahren läßt. Weil Du sie wol am meisten nöthig hast, Indem Du nichtige Dinge viel zu hoch Anrechnest? Was bestaunst Du? was enzückt Dich so? Die äußre Form? Gewiß – sie ist Recht schön und Deiner Lieb' und Achtung werth, Doch Deiner Unterwerfung nicht. Erwäg' Und schätze dann; denn oftmals wol vermag Selbstschätzung, auf gerechtes Maß begründet, Zu frommen; und jemehr Du diese Kunst Verstehst, um desto mehr erkennt sie Dich Als Haupt an, und giebt Deinem wahren Werth Den Vorzug gern vor allem ihren Schein. Sie ward so schön zu Deiner Lust erschaffen, So hehr, damit Du sie voll Würde liebst; Dein Weib, die weiß, wenn minder klug Du bist. Doch wenn Dir der Genuß der Fortpflanzung Als höchstes Lustgefühl vor Allem scheint, So denke, daß dem Thier auch dieser Sinn Verliehen ward, den dieses nicht erhalten, Wenn anders dies Gefühl die Menschenseelen Zu fesseln und zu binden wär' im Stand. Was Hohes Du an Deinem Weibe findest, Das Menschlichreizende, Vernünft'ge liebe; Die Liebe ziemt Dir, nicht die Leidenschaft, Worin die wahre Liebe nicht besteht. Die Liebe läutert die Gedanken, weitert Das Herz, und hat den Thron in der Vernunft, Sie ist die Leiter, die zur Himmelsliebe Empor Dich führt, sobald Du nicht versinkst In Sinnenlust. Darum ward unter Thieren Für Dich nicht die Gefährtin ausgesucht.« Adam erwidert halb verschämt ihm so: »Nicht ihre schöngeformte Huldgestalt, Noch auch die Sinnenlust, gemein mit Thieren, Obwol ich vor geweihter Ruh' des Menschen Weit höher denke, (voll geheimer Achtung) Ergötzt mich so, als jene Zier und Anmuth Der Sittsamkeit, die sich in Wort und That Gepaart mit Lieb' und Freundlichkeit, verkündet, Drin der Verein sich der Gemüther zeigt, Daß in uns Beiden eine Seele wohnt. Eintracht bei einem Liebespaar zu seh'n, Ist lieblicher, denn Wohllaut für das Ohr. Doch alles Dies kann mich nicht unterjochen; Ich künde, was im Innern ich gefühlt, Doch darum nicht geblendet, weil der Blick So manchen Gegenstand erfaßt, vom Sinn In vielerlei Gestalten dargestellt; Denn frei erwähl' ich stets das Beste mir Und folge Dem nur, was ich billige. Du tadelst meine Liebe nicht, denn Liebe Führt, wie Du sagst, empor zum Himmel mich, Sie ist der Pfad und auch die Führerin. O sprich, wenn es erlaubt zu fragen ist, Und sag' mir: Lieben denn des Himmels Geister, Wie äußern sie die Liebe? Blos durch Blicke? Vermischen sie durch ihre Strahlen sich, Berühren sie sich wirklich oder geistig?« Der Engel sprach mit einem Lächeln drauf, Das von des Himmels Rosenroth erglühte, Dem Farbenglanz, der eigen ist der Liebe: »Mag Dir's genügen, glücklich uns zu wissen, Denn ohne Lieb' ist keine Seligkeit. Was Du als rein an Deinem Leib genießest, (Und rein wardst Du geschaffen) das genießen Erhöht wir, ohne Hinderniß der Haut, Der Glieder und Gelenke, die beschränken. Doch leichter, als die Luft mit Luft, vermischen Sich Geister gänzlich, ein Verein des Reinen Mit Reinem, sind nicht durch Vermittlung Beschränkt, wie wenn sich Fleisch mit Fleisch vermischt, Nur Seel' in Seele; – doch jetzo vermag Ich nicht zu weilen mehr; die Sonne sinkt Jenseits der Erde grünem Vorgebirg Und der umblühten Hesperideninseln, Das treuste Zeichen, daß ich scheiden muß. Sei kräftig, lebe glücklichfroh und liebe, Vor Allem ihn, denn lieben heißt gehorchen, Und halte treu sein mächtiges Gebot. Laß Leidenschaft Dein Urtheil nicht verleiten, Etwas zu thun, das wider freien Willen. Dein so wie Deiner Söhne Wohl und Weh Liegt ganz in Deiner Macht, drum hüte Dich! Ich freue mich sammt allen Seligen. Wenn kräftig Du beharrst; steh fest! Denn steh'n Und fallen liegt in Deiner freien Wahl. In Dir vollkommen, such' nicht äußre Hülfe, Und die Versuchung weise kühn zurück.« So sprach er sich erhebend. Adam folgte Mit Dank und Segen: Da Du scheiden mußt, So lebe wohl, ätherischer Himmelsbote, Von ihm gesandt, deß Gnad' ich hoch verehre. Huldvoll und gütig ließt Du Dich herab; Dankbar erinnernd werd' ich Dein gedenken, Sei freundlich stets dem menschlichen Geschlecht Und kehre noch recht oft zur Erde wieder. So schieden sie: der Engel stieg gen Himmel Aus dichtem Schatten, Adam ging zum Hain. Neunter Gesang Neunter Gesang. Nicht kündet mein Gesang mehr jene Zeit, Wo Gott, wo sel'ge Wesen mit dem Menschen, Gleich einem Freunde, holden Umgang pflogen, Und traulich bei ihm sitzend an dem Mahl Theilnahmen, und ihm ungetadelt, frei Den lieblichen Verkehr der Sprache gönnten. Ich muß nun diese Töne trübe stimmen, Und singen von des Menschen Treuebruch, Von Mißtraun, Ungehorsam und Empörung, Und wie der Himmel dann voll Widerwillen Sich von ihm wandt' und ihm entfremdet ward, Und wie des Himmels Zürnen mit gerechtem Vorwurf das Urtheil sprach, das dieser Welt Stracks eine Welt voll Weh und Leid erschuf, Die Sünd' und ihren Schatten Tod und Elend, Des Todes Herold. Zwar ein trüber Stoff, Doch minder nicht heroisch als der Zorn Achills, wie drei Mal er um Troja's Mauern Den fliehenden Feind verfolgte; minder nicht Als Turnus' Wuth ob der entriss'nen Braut Lavinia, oder wie der Zorn Neptuns Und Juno's, die so lang das Griechenvolk Und Venus Sohn bedrängten. Ja mein Lied Zeigt gleich heroisch sich, wenn anders mir Den angemess'nen Styl zu solchem Stoff Die himmlisch hohe Gönnerin verleiht, Die ungebeten oft mich Nachts besucht, Und mir im Schlummer hohe Weisen flüstert Und unvorhergedachte Verse leiht, Seit dieser Stoff zum Heldenliede mich Zuerst begeistert nach bedachter Wahl Und spätem Anfang. Nimmer mocht' ich ja Blutreiche Schlacht besingen, die bisher Als einz'ger Stoff des Heldenliedes galt, Deß höchste Kunst es war, in langgedehnten Gefechten fabelhafte Rittersleute Dahin zu schmettern, während jener Muth Des Märterthum und der Geduld von Keinem Besungen ward; es galt allein Turniere, Wettspiele zu erheben, Schild und Wappen, Sinnbilder, Ross' und goldgewirkte Decken, Pomphaft geschmückte Ritter in der Bahn, Auch sang man noch von festlich hohem Mahl, Von Truchseß und von Seneschall umgeben, Von nichtigen Dingen sonder Kunstgeschick, Die nicht mit Recht dem Ritter und dem Lied Den heldenthümlich hohen Namen leihn, Mir, der ich nicht für solchen Sang geschaffen, Verbleibt ein größrer Stoff, der schon durch sich Den Namen des Heroischen erreicht, Wenn nicht das Alter und zu rauhe Luft Die ausgespannten Schwingen niederdrückte. Und wol geschäh dies, wär' dies Alles mein, Nicht ihr, die's nächtlich mir in's Ohr gehaucht. Die Sonne war hinab und hinter ihr Der Stern des Hesperus, deß Amt es ist, Die Dämm'rung auf die Erde rings zu breiten Als kurze Mittlerin für Tag und Nacht. Den Himmel hatte nun die Hemisphäre Der Nacht von einem Ende bis zum andern Umhüllt, als Satan, der erst kürzlich floh Vor Gabriels Drohung aus dem schönen Eden. Erstarkt, mit überdachter List und Bosheit Und auf des Menschen Untergang bedacht, Trotz der Gefahr furchtlos zurückekehrte. Er floh bei Nacht und kehrt um Mitternacht, Nachdem er lang den Erdenball umwandert; Er scheute ja den Tag, seit Uriel, Der Herrscher in der Sonne, seine Näh' Entdeckend schnell die Cherubim ermahnte. Von großer Angst getrieben schwärmt er fort In sieben Nächten durch die Finsterniß, Drei Mal umkreist er den Aequator so, Vier Mal durchkreuzt er auch das Sterngebild Des großen Bärs, den Wendekreis durchschneidend, Erst in der achten kehrt zurück er wieder Und fand am Eingang, grade gegenüber Den Cherubswachen, einen ganz geheimen Und unverhofften Pfad. Dort war ein Platz, Der jetzt nicht mehr vorhanden, seit die Sünde Und nicht die Zeit die Aenderung bewirkte, Wo Tigris an dem Fuß des Paradieses In einen Schlund tief unterm Boden schoß Und dann als Quelle bei dem Lebensbaum Aufsprudelte; der Satan stürzt hinein Und stieg mit ihm empor, gehüllt in Nebel; Dann sucht er einen still verborgnen Ort, Er hatte Land und Meer durchforscht von Eden Weitüber Pontus, und den Sumpf Mäotis, Jenseit des Flusses Ob, und niederwärts Zum Südpol, dann auch in die Länge westlich Vom Fluß Orontes bis nach Darien hin, Und zu dem Land des Ganges und des Indus. So streift er forschend durch der Erde Kreis Und prüfte jegliches Geschöpf genau, Welch' eines wol für seine Ränke paßte. Und fand als listiges der Thier' im Feld Die Schlange. Lange sann er brütend nach, Bis er beschloß, zum Mittel sie zu wählen, Das zum Betruge ganz geeignet schien, Wenn ihre Form er annähm', um die dunkeln Gedanken selbst dem schärfsten Blick zu bergen. Denn was für Schlauheit die verschmitzte Schlange Auch sehen möge, Niemand würde doch Verdächtiges gewahren, da der Witz Ihr angeboren, was bei andern Thieren Als Einwirkung der Hölle leicht erschiene, Wenn irgend sie Verstand und List verriethen. So faßt er den Entschluß, jedoch zuvor Ergoß sein Herz voll Gram in Klagen sich: »O Erde, du dem Himmel gleich, wo nicht Mit größrem Rechte noch ihm vorzuziehn, Als Sitz, der würd'ger noch für Götter ist, Weil Du nach zweitem Plan erschaffen wurdest, Und manchen alten Fehler bessertest; Denn was vermöchte Gott nach Besserem Wol Schlechteres zu erbaun? Du Erdenhimmel, Umtanzt von andern Himmeln, welche leuchten, Jedoch die schimmerreiche Glut gefällig Für Dich allein zu tragen scheinen und allein In Dir den heil'gen Strahlenschatz vereinen! Wie Gott im Himmel ist der Mittelpunkt Und doch das All umfaßt, so stehst auch Du Im Mittelpunkt, und nimmst von ihnen an; In Dir, und nicht in ihnen selbst vermögen Sich ihre Kräfte wirksam zu erweisen, In Pflanzen, Blumen und in edlern Arten Von Wesen, die sich stufenweis in Form Vernunft und Sinn erheben, bis sich Alles Vereint im Menschen. O mit welcher Lust Würd' ich Dein Rund umwandern, könnte je Mich etwas freun, und mich der Wechsel laben, Der sich in Bergen, Thälern, Flüssen, Wäldern Und Auen zeigt, in Land und Meer, in Klippen, In waldbekränzten Ufern, und in Höhlen! Doch keins von Allen bietet Zuflucht mir, Je mehr ich Lust um mich herum erblicke, Mit desto größren Qualen martr' ich mich, Dem der verhaßte Sitz des Widerspruchs Ward zuertheilt. Das Beste wird mir Gift; Im Himmel wäre nur mein Zustand schlimmer. Jedoch ich will ja weder hier, noch dort Im Himmel wohnen, außer nach Besiegung Des höchsten Herrschers, auch verhoff' ich nicht, Mein Elend zu verringern durch mein Streben, Nein, Andern hoff' ich nur das eigne Loos Auch zu ertheilen, obwol Schlimmeres Mich dann bedroht; denn im Zerstören nur Find' ich die Ruh für die unsteten Sinne. Vernicht' ich Ihn, für den dies All geschaffen, Verleit' ich ihn zu dem, was ihn verdirbt, So folgt unfehlbar auch der Untergang Der ganzen Schöpfung, weil in Wohl und Weh Sie eng an ihn gefesselt ist. Es wird Ihr Weh, und mächtig herrscht Zerstörung dann; Mein wird allein der Ruhm der Höllenmächte, An einem Tag vertilgt zu haben Alles, Was der Allmächtige, wie man ihn benennt, In sechsen mühsam schuf, und sich vielleicht Schon lange Zeit vorher mit Plänen plagte, Vielleicht auch nur seit jenes Abends Zeit, An dem ich von der Schmach der Tyrannei Der Engel Namen schon beinah befreite Und der Verehrer Schaaren lichtete. Um sich zu rächen, der Verehrer Zahl Neu zu ergänzen, weil ihm jene schon Erschöpfte Kraft gebrach, um Engelschaaren Zu schaffen, wenn sie je von ihm geschaffen, Ja oder uns zum Hohn, beschloß er nun An unserer Statt ein Wesen zu erheben, Geformt aus Erde, doch geziert mit Gaben, Die es erhöhn und die er uns geraubt. Was er beschloß, vollzog er hurtig auch! Er schuf den Menschen, baute diese Welt Für ihn und gab als Wohnung ihm die Erde, Ernannt' als Herrn ihn und, o große Schmach! Stellt ihm zu Dienste die beschwingte Schaar Der Flammenengel, um ihn zu bewachen. Ich fürchte dieser Engel Wachsamkeit, Und schleiche drum gehüllt in Finsterniß Im Dunkel fort und späh' in jedem Strauch, Ob ich vielleicht die Schlange schlafend finde, Um mich in ihre Faltenhaut zu bergen Sammt meinem Plane, den geheim ich hege. Schmachvoller Sturz, daß ich, der jüngst mit Göttern Sich um den Rang stritt, wer am höchsten stehe, Zu einem Vieh herabgewürdigt bin, Mich mit dem thierischen Schleime zu vermischen, Mit Fleisch mich zu bekleiden, der ich Gott Zu sein gestrebt! Doch wozu läßt man sich Der Rach' und Herrschsucht wegen nicht herab? Wer hoch empor strebt, muß so tief hinab Als hoch er stieg: bequemen muß er sich Früh oder spät zu würdelosen Dingen; Die Rache, süß zuerst, wird bitter bald Und prallt auf sich zurück; doch immerhin, Was kümmert's mich, wenn sie nur sicher trifft, Weil gegen einen Höhern ich verlor, Ihn, der jetzt meinen Neid erregt als neuer Liebling des Himmels, diesen Mann der Erde, Den Sohn des Hohns, den uns noch mehr zu höhnen, Sein Schöpfer aus dem Staub erhob; der Hohn Wird nur mit Hohn am trefflichsten bezahlt.« Sprach's und durch jedes Dickicht, feucht und trocken, Gleich einem schwarzen Nebel tief sich schmiegend, Setzt' er sein mitternächtlich Forschen fort, Wo er am eh'sten wol die Schlange fände. Er fand sie bald festschlafend als Gewinde Von selbstgerollten Ringen; in der Mitte Ihr Haupt, erfüllt von List und schlauen Streichen, Noch war sie nicht im Schattengraus und Nacht Versteckter Höhlen, war auch noch nicht schädlich, Nein, schlief noch furchtlos auf dem Rasengrün Und ungefürchtet. Durch des Mundes Oeffnung Schlich sich der Teufel ein, erfüllte dann Den Thieressinn im Herzen und im Haupt Mit des Verstandes Kraft; doch stört er nicht Der Schlange Schlaf, und harrte still des Morgens. Als nun das heil'ge Licht in Eden tagte, Auf die bethauten duftigen Blumen schien, Als alle Wesen von der Erde großem Altar ihr schweigend Lob dem Schöpfer droben In süßen Wohlgerüchen spendeten, Da trat hervor der Menschen erstes Paar, Und mischte seine mündliche Verehrung Dem Chor der Wesen, denen Stimme mangelt. Alsdann genießen sie der Frühe Duft, Die frischen Lüftchen und berathen sich, Wie sie an diesem Tag die Arbeit wol Am besten fördern mögen, da ihr Wirken Gewaltig für die Hände wuchs, die einen So großen Garten zu bestellen hatten. Eva begann den Gatten anzureden: »Adam, wie sehr den Garten wir auch bauen, Und Pflanzen, Kräuter, Blumen darin pflegen, Wie's zum Geschäft uns übertragen ist, So wächst die Arbeit doch, bis viele Hände Beistand uns leisten; was am Tage wir Als Auswuchs weggeschnitten und behauen, Was wir gestützt, gepfropft, gebunden haben, Verspottet eine Nacht und spendet Sprossen, Die üppig schießend zu verwildern streben. Drum schaffe Rath, und höre, was zuerst Mir für Gedanken kamen in den Sinn: Laß uns die Arbeit theilen, suche sie Nach Deiner Wahl und wo sie nöthig ist, Das Geisblatt winde lieblich um den Baum, Den Epheu laß die Ranken üppig schlingen, Indessen ich in jenem Lenz von Rosen, Verwebt mit Myrthen, mir die Arbeit suche; Denn wenn wir unser Tagewerk vereint Betreiben, mischen süße Blicke wir Und Lächeln drein, auch wol ein hold Gespräch, Das in der Arbeit stört, und wenig nur Uns fördern läßt, ob wir auch früh begannen, Bis unverdient das Abendmahl uns winkt.« Adam erwidert mild ihr: »Holdes Weib, Eva, Du einzige theuerste Genossin, Mir werther, als die sämmtlichen Geschöpfe, Auf rechte Weise hast Du dran erinnert, Wie wir am besten unser Werk vollbringen, Das Gott uns angewiesen; darum zoll' ich Dir Preis und Lob, denn nichts ist lieblicher Am Weib, als Sorge für die Hausgeschäfte Und für des Gatten nützlich gute Werke. Doch nicht so streng hat unser Schöpfer uns Die Arbeit auferlegt, daß wir uns nicht Der Lust erfreuen könnten und der Nahrung, Der Rede, so des Geistes Nahrung ist, Und des Verkehrs im Lächeln und im Blicke; Denn Lächeln ist nur aus Vernunft entsprungen, Und ist dem Thier versagt und beut der Liebe Die Nahrung dar; die Liebe selbst gehört Nicht zu den niedern Zwecken dieses Lebens, Denn nicht zur mühevollen Arbeit blos, Nein zum Vergnügen schuf uns auch der Herr, Und einte dem Vergnügen die Vernunft, Es werden unsre Hände stets vereint Mit leichter Mühe diese Weg' und Lauben Bewahren vor Verwildrung, und so weit Als uns zum Wandeln nöthig, bis dereinst Die jüngern Hände kräftige Hülfe leisten. Doch wenn ein längrer Umgang Dich vielleicht Hier sättigt, will ich gern auf kurze Zeit Entfernt mich halten, denn die Einsamkeit Zeigt oft als der Gesellschaft beste sich, Und die Entfernung drängt von neuem dann Zu süßer Wiederkehr. Jedoch ein Zweifel Quält jetzo mich, es mög' ein Unfall Dir Begegnen, wann getrennt wir Beide sind, Du kennst die Warnung, die ertheilt uns ward, Welch böser Feind um unser Glück uns neidet, Und an dem eignen ganz verzweifelnd, uns Durch List und Ränke Weh und Schande bringt. Er lauert sicherlich in unsrer Näh', In gieriger Hoffnung seinen Wunsch und Vortheil, Wenn wir getrennt sind, leichtlich zu erreichen, Denn wenn vereint wir, kann er schwerlich hoffen, Uns zu bethören, da wir wechselweis Die nöthige Hülfe schleunigst bieten können. Sein Plan ist, von der Treue gegen Gott Uns abzulenken oder unsrer Ehe Genuß zu stören, da wol keines sonst Von unsern Gütern seine Mißgunst mehr Erregt. Mag dies sein, oder Aergeres, O weiche nur von meiner Seite nicht, Die Dir das Dasein gab und immerdar Dich schützt und schirmt. Sobald Gefahr und Schmach Dem Weibe droht, so ist am sichersten, Daß sie an ihres Gatten Seite bleibt, Der sie bewacht, das Schlimmste mit ihr duldet.« Hierauf sprach Eva's jungfräuliche Würde, Mit Liebe selbst ein rauhes Wort erduldend, Mit holder aber ernster Miene dies: »Des Himmels und der Erde Sohn und Herr Der ganzen Erde! daß uns jener Feind Bedroht, hat jüngst mir Dein Bericht gekündet, Vernahm's auch von dem Engel, welcher schied, Als ich in einer Schattenlaube stand, Da just die Abendblumen sich erschlossen, Und eben ich zu euch zurückgekehrt. Doch daß Du an der Treue gegen Gott Und gegen Dich drum zweifeln solltest, weil Ein Feind sie in Versuchung locken könnte, Das wünsch' ich nicht zu hören. O Du fürchtest Gewalt nicht; sind wir doch für Schmerz und Tod Empfänglich nicht, und können darum nicht Sie fühlen oder können sie beseit'gen, Drum fürcht' ich seine List nur und dies zeigt Mir Deine gleiche Furcht, daß meine Treue Und Liebe durch Betrug verführbar sei. Wie konnte Deine Brust so Arges denken, Adam, von ihr, die Dir so theuer ist.« Adam erwidert ihr mit mildem Tone: »Du Tochter Gottes und des Menschen, Eva! Unsterblich bist Du, rein von Sünd' und Schmach, Mißtrauen heg' ich jetzt nicht gegen Dich, Indem ich die Entfernung widerrieth, Nein, die Versuchung wollt' ich nur vereiteln, Die unser böser Feind im Sinne hat. Denn der Versucher, wenn vergebens auch, Befleckt doch den Versuchten mit der Schmach, Daß er ihn nicht für unbestechlich hält, Nicht stark genug für jegliche Versuchung. Du selber würdest zornig und verächtlich Die angebotne Schmach zu strafen suchen, Wenn der Versuch auch wirkungslos geblieben. Mißdeute darum nicht, wenn ich von Dir Solch' eine Schmähung abzuwenden trachte, Die sicherlich der Feind, ob noch so keck, Nie gegen uns vereint, versuchen wird. Veracht' auch seine Bosheit nicht und List, Schlau muß der sein, der Engel selbst verführte. Auch halte nicht den Beistand eines Andern Für überflüssig. Deiner Blicke Kraft Macht mich für jede Tugend erst empfänglich, In Deiner Nähe bin ich weiser, muth'ger Und stärker, selbst an Körper, wenn es nöthig. Erblick' ich Dich, so wird bei mir die Scham, Betrogen oder auch besiegt zu werden, Die Kraft auf's Aeußerste beleben können Und so erhöht sich einigen. Warum Empfändest Du in Deinem Innern nicht Ein gleich Gefühl, sobald ich gegenwärtig, Beständest dann die Prüfung so mit mir, Dem besten Zeugen der bewährten Tugend?« So sprach er liebevoll und ehlich sorgend, Doch Eva wähnt, er zweifle noch zu sehr An ihrer offnen Lieb' und Treu', weshalb Mit süßem Tone sie erwiderte: »Ist's unser Loos, in solchem engen Raum Zu wohnen, eingeschränkt durch einen Feind, Gewaltig oder schlau, und sind wir einzeln Nicht wol bewaffnet mit Vertheidigung, Wo wir den Feind auch immer treffen mögen, Wie sind wir glücklich in der steten Furcht Vor Unglück? Doch das Unglück geht der Sünde Voran nicht. Unser Feind beschimpft uns nur Durch die Mißachtung unsrer Redlichkeit; Doch dieses Mißtraun wirft nicht Schmach auf uns, Fällt auf ihn selbst zurück. Wie sollten wir Darum ihn fürchten oder scheun? Es wird Vielmehr uns doppelt Ehre, wenn als falsch Sich sein Verdacht erweist. Wir finden Frieden Im Innern dann, erhöht noch von der Gunst Des Himmels, der des Ausgangs Zeuge wird. Und was ist Liebe, Tugend unversucht Und sonder Unterstützung äußrer Hülfe? Mißtrauen wir drum unsrer Seligkeit In keinem Fall, als ob der weise Schöpfer So unvollkommen sie gelassen hätte, Daß wir vereinzelt oder auch vereint Nie sicher wären. Unser Glück ist eitel, Wenn dies so ist, und Eden ist kein Eden, Sobald wir den Gefahren ausgesetzt.« Adam erwidert ihr mit wahrem Eifer: »O Weib, die Dinge sind am besten so, Wie sie der Wille Gottes angeordnet, Denn seine Hand ließ unvollkommen nichts Von Allem, was sie schuf, am mindesten Den Menschen, so wie auch ein jeglich Ding, Was seine Seligkeit ihm sichern möchte Vor der Gewalt von Außen; in ihm selbst Liegt die Gefahr, doch sie in seiner Macht, Denn wider seinen Willen kann kein Leid Ihn treffen, Gott ertheilt ihm Willensfreiheit. Wer der Vernunft gehorcht, nur der ist frei, Und Gott erschuf Vernunft gesund und gut, Doch er gebot ihr auch, sich wol zu hüten Und aufrecht sich für immerdar zu halten, Damit sie nicht durch irgend guten Schein Dich überrascht zeigt, fälschlich schließt und so Dem Willen Thaten eingiebt, die der Herr Ausdrücklich uns verboten hat. Es war Mißtrauen nicht, nur Liebe, die befiehlt, Daß ich Dich warnen soll, so wie Du mich. Wir bleiben so im Guten fest, vermögen Jedoch wol auch zu irren, da Vernunft Vielleicht auf schöne Gegenstände trifft, Die schlau vom Feinde vorgespiegelt sind, Daß unvermuthet wir betrogen werden, Wenn die Vernunft nicht strengste Wache hält. Drum suche die Versuchung nicht, und besser Ist sicherlich, sie ganz und gar zu meiden, Was leicht ist, wenn Du nie von mir Dich trennst. Ganz ungesucht naht die Versuchung sich; Willst Du Dich als beständig mir bewähren; So zeige Dich gehorsam mir zuerst; Wer kann das erste wissen, wenn er Dich Versuchte nicht erblickt und wer bezeugen? Doch meinst Du, daß die Prüfung ungesucht Uns sichrer finde, wie Du mir erscheinst Nach solcher Warnung, nun so geh' hinweg; Denn Dein Verweilen, wenn es frei nicht ist, Entfernet Dich nur mehr noch; wandle fort In angeborner Unschuld, und verlaß Auf Deine Tugend Dich; biet' Alles auf, Das Deine thu, wie Gott das Seine that.« So sprach der Ahn der Menschen; aber Eva Verharrt' im Willen und entgegnete Demüthig zwar, jedoch gehorsam nicht: »So geh' ich denn hinweg, weil Du's erlaubst, Und um so williger, weil Deine Worte Die Warnung sprachen, daß die Prüfung wol Erscheine, wenn am mind'sten man sie sucht, Und sie uns minder vorbereitet finde. Auch glaub' ich nicht, daß ein so stolzer Feind Zuerst den schwächern Theil versuchen werde, Doch hätt' er dies im Sinn, soll desto mehr Ihn die Zurückweisung von mir beschämen.« So sprechend zog sie langsam ihre Hand Aus der des Gatten und begab sich leicht Zum Hain, Dryaden und Waldnymphen gleich; Doch übertraf sie Delia selbst im Gang, Und in der göttergleichen Haltung auch, Obwol sie nicht mit Pfeil und Bogen war Bewehrt wie jene, sondern mit Geräthe Zum Gartenbau, wie's die noch rohe Kunst Geformt und wie's die Engel ihr gebracht. So ausgeschmückt schien sie am ähnlichsten Pomonen, wie sie vor Vertumnus floh, Der Ceres auch in ihrer Jugendblüthe Als sie noch Jungfrau, und noch nicht die Mutter Proserpina's durch Jupiter geworden. Beseligt folgt ihr lange noch sein Blick Und wünscht nur, daß sie länger noch verweile. Oft wiederholt er seine Bitte dann, Recht bald zurückzukehren, worauf sie Ihm oft gelobt, bis Mittag rückzukommen; Und wenn ein jeglich Werk geordnet wäre, Zum Mahl und dann zur Ruh' sich einzustellen. Wie sehr doch täuschest Du und irrst Du Dich O unglückselig Weib, in Deiner Rückkehr, O unglücksel'ge That, seit dieser Stunde Fandst Du im Paradies kein süßes Mahl, Und keines Schlummers holde Lieblichkeit. Ein solcher Hinterhalt im Blumenschatten War Dir mit Höllenhasse schon gelegt, Und drohte Deinen Pfad Dir abzuschneiden, Ja oder Dich zurückzusenden dann, Beraubt der Unschuld, Treu und Seligkeit, Denn jetzt und schon seit Tagesanbruch war Der Feind als Schlange still hervorgekrochen Und suchte, wo am sichersten er wol Das einz'ge Paar der Menschheit finden möchte, In welchem ganz der Stamm enthalten war, Den er als Beute sich erkoren hatte. In Hainen und in Fluren sucht er lang, Wo ein Gebüsch, ein Gartenplatz sich zeigte, Der ihnen als ein Lieblingsort behagte. Er suchte sie an jedem Quell und Bach, Doch wünscht er Eva ganz allein zu finden. So war sein Wunsch, doch hatt' er keine Hoffnung Das zu erlangen, was sich selten traf, Da sah er ganz nach Wunsch, was kaum er hoffte, Eva allein, von Duftgewölk umhüllt; Er sahe sie nur halb, so dicht umglühten Die rothen Rosen ihren schönen Leib; Oft beugt sie sich, die Blumen rings zu stützen Von zartem Stengel, deren Haupt wie Fleisch. Wie Purpur und wie Himmelblau erglänzte, Mit goldnen Streifen lieblich ausgeschmückt, Und welkend auf die Erde hing; sie stützte Mit Myrthenreis sie zierlich und vergaß Sich selbst darüber, ob sie gleich die schönste Ganz ungestützte Blume, die so fern Von ihrem Halt und gar so nah dem Sturm. Satan kam näher jetzt und wandte sich Durch manchen Gang im Schatten hoher Cedern Und Palm' und Tannen, flüchtig bald und kühn, Jetzt sichtbar, dann verborgen zwischen dichten Von Eva's Hand gewobnen Blumenlauben; Ein Ort, der sich viel herrlicher erwies, Als die erträumten Gärten des Adonis Und des Alcinous, bei dem Ulyß Zu Gaste war, wie jener schöne Garten, Wo Salomo mit seiner lieblichen Aegyptischen Braut gescherzt. Bewundernd sah Satan den Ort, doch mehr noch Eva's Formen. Wie Einer, welcher lang in laute Städte Gebannt war, wo die Häuser und Kanäle Die Luft verpesten, und hinaus dann geht Des Sommermorgens frischen Duft zu athmen Zum nahen Dorf in stillem Meierhof, Dem dann ein jedes Ding Entzücken beut, Der Duft des Korns und des gemähten Heu's, Die Rinder wie die Milch, des Landes Anblick, Und jeder holde ländlich frohe Schall. Wenn dann mit nymphengleichem Schritte schnell Ein schönes Mädchen ihm vorüber wandelt, So bringt ihm größre Wonne die Gestalt Und Alles, was ihm reizend sonst erschien, Erscheint ihm jetzt in ihrem Blick vereint. Ein solch Entzücken fühlte jetzt die Schlange Am Blumenort, und an dem holden Weib, Das so allein ihm und so früh erschien. Die engelgleiche himmlische Gestalt Doch sanfter, milder noch; der Unschuld Reiz, Ein jeder Zug in ihrem Aeußern hielt Des Satans Tücke bald in Furcht, und leise Beraubte sie des grausen Planes Wildheit, Der ihn hieher geführt. Ein Weilchen stand Der Böse wie vom Bösen ganz getrennt, Und war Momente lang, betäubt vom Guten Der List beraubt, des Neides und der Rache. Jedoch die heiße Hölle, die in ihm Stets flackert, selbst im Himmel, endet bald Die Lust und martert ihn nur um so mehr, Je mehr er Wonne sieht, die ihm entzogen. Drum rafft er rasch den wilden Haß zusammen, Und facht sein Herz zum Unheil, also redend: »Gedanken, wohin habt ihr jetzo mich geführt? Mit welchem süßen Zwange so entzückt, Daß ich vergaß, was mich hieher geführt? Der Haß, die Liebe nicht; noch auch die Hoffnung Des Paradieses statt der Hölle; nicht Die Hoffnung, hier Vergnügen sanft zu schlürfen, Nein, alle Lust von Grund aus zu zerstören, Die ausgenommen, die Zerstören bietet; Verloren ist für mich sonst jede Lust, Drum nehm' ich die Gelegenheit in Acht, Die jetzt mir lächelt; ganz alleine weilt Das Weib, für die Versuchung recht bequem, Ihr Gatte fern, so weit die Blicke reichen, Denn dessen höhern Muth, Verstand und Willen Bei stolzer Kraft und starkem Gliederbau, Wenn irdisch auch, muß ich vielmehr doch scheun: Ein großer Feind! mehr wundenfrei, denn ich! So sehr hat mich die Hölle schon erniedert, So sehr hat mich die mächtige Qual geschwächt. Sie ist so göttlich schön, daß sie die Liebe Der Götter selbst verdient, doch schrecklich nicht, Ob Lieb und Schönheit sonst auch Schrecken hegt, So lange stärkrer Haß ihr nicht genaht, Der stark sich in dem Schein der Liebe zeigt, Dies ist mein Weg, um recht sie zu verderben.« So sprach der Menschen Feind in Schlangenform, Und richtete den Weg auf Eva zu, Nicht wellenförmig auf dem Boden schleichend, Nein, als ein Knäuel schnellender Gewinde, Wo Ring sich über Ring gewaltig thürmte. Sein Haupt erhob den hohen Kamm, die Augen Erglänzten wie Karfunkel, goldiggrün Ragt mitten im Gewind der Hals hervor, Das auf dem grünen Rasen üppig spielte. Hold war und lieblich die Gestalt zu sehn, Wie sie seitdem an Schlangen nie sich zeigte, An jenen nicht, in die Hermione Und Cadmus in Illyrien sich gewandelt, An jenen nicht, in die sich Aesculap, Ammon, der Jupiter des Capitols Umwandelte, der wegen der Olympia, Der andre wegen Scipio's holder Mutter. Die Schlange schlich zuerst sich seitwärts hin, Als suchte sie sich gar zu gern zu nähern, Und scheute doch sich, irgendwie zu stören. So wie ein Schiff vom kundigen Steuermann An eines Stromes Mündung oder Klippe Hinsteuert, wo der Wind sich öfter dreht, So ändert Satan auch der Ringe Lauf, Und kräuselt oft in Knoten seinen Schweif, Um Eva's Blick zu locken. Sie vernahm Bei ihrer Arbeit bald das Blätterrauschen, Doch merkte sie nicht weiter drauf; sie war An dieses Spiel der Thiere schon gewöhnt, Die ihrem Ruf gehorsamer sich schmiegten, Als Circe's Ruf die Schaar Verwandelter. Er, kühner nun, naht ungerufen ihr, Doch wie in staunender Bewunderung; Oft neigt er seinen Kamm, und krümmte sich Um seinen glatten Nacken, leckt den Boden, Worauf sich ihrer Füße Spur geprägt. Der stummen Aeußerung Zierlichkeit gewann Endlich den Blick des Weibes, das sich wandte, Er, froh, daß er Beachtung jetzt erregt, Begann nun mit der glatten Schlangenzunge, Die Luft zur Stimme bildend, die Versuchung: »Nicht wundre dich, Gebieterin, wenn Du Dich wundern kannst, die Du das einzige Wunder? Bewaffne weniger jetzo Deinen Blick, Der höchsten Güte Himmel, mit Verachtung, Beleidigt, daß ich Dir so dreist genaht, Und unersättlich immer Dich beschaue; Ich, so allein, und ohne Deine Stirn, Die so erhaben ist, zu scheun, zumal Erhabener sie in dieser Einsamkeit. O schönstes Ebenbild des schönen Schöpfers, Dich staunen alle Creaturen an, Und alle Dinge, die durch Schenkung Dein, Sie beten Deine Himmelsanmuth an, Die sie entzückt beschaun; jedoch am besten Beschaut, wo die Bewundrung allgemeiner Und reicher ist; hier in der Einsamkeit Der Wildniß unter Thieren, diesen rohen Beschauern, welche zu beschränkt geschaffen, Als daß sie halb erkennten Deine Schönheit, Wer sieht Dich jemals, als ein einziger Mann? Und was ist Einer? unter Göttern solltest Als Göttin Du betrachtet, und von Engeln Täglich bedient und angebetet werden.« So schmeichelt der Versucher und begann Die Einleitung, die sich in Eva's Herz Bahn brach, obwol sie sich verwunderte; Zuletzt, nicht unerstaunt, entgegnet sie: »Was deutet dies? des Menschen Sprache tönt Von Thiereszung' und äußert Menschensinn? Das Erstre glaubt' ich jedem Thier versagt, Da Gott sie bei der Schöpfung sämmtlich stumm, Unfähig jeden Redelautes schuf. Das Letztre möcht' ich fast in Zweifel ziehn, Denn in der Thiere Blick und Handeln liegt Oft viel Verstand. Dich, Schlange, kannt' ich schon Als schlaustes Thier im Feld; nur wußt' ich nicht, Daß auch mit Menschenstimme Du begabt, Erneure drum dies Wunder, und verkünde, Wie wurdest Du so plötzlich redefähig; Und warum zeigst Du Dich vor allen Thieren So freundlich gegen mich. O rede, denn Aufmerksamkeit erheischt ein solches Wunder.« Erwidrung gab der listige Versucher: »Gebieterin in dieser schönen Welt, O Eva, die vor Allem leuchtet! es ist leicht, Dir Alles zu erzählen, was Du forderst. Mit vollem Rechte drum gehorch' ich Dir. Zuerst war ich den andern Thieren gleich, Die von zertretnem Gras und Kraut sich nähren, Mit einem Sinn, so schlecht wie meine Nahrung; Auch konnt' ich nur die Speisen unterscheiden Und mein Geschlecht, das Höh're blieb mir fremd; Bis einst ich, auf dem Feld herum mich treibend, Von Weitem einen schönen Baum erblickte, Der mit gar schöner goldigrosiger Frucht Beladen war; ich naht, ihn anzuschaun, Als von den Zweigen lieblichsüßer Duft Ausströmte, der die Sinne mehr erregte, Als Wohlgeruch des Fenchels oder Milch Von Schaf und Ziege, die des Abends träufelt, Von Lämmern unberührt, die spielend scherzen. Dem heftigen Verlangen zu genügen, Das mich nach jenen schönen Aepfeln trieb, Beschloß ich nicht zu säumen; Durst und Hunger Verlockten mich mit mächt'ger Ueberredung Zur Eile, jene Frucht mir abzubrechen. Bald wand ich mich den moosigen Stamm empor, Denn jene Zweige, hoch vom Boden weg, Verlangten Deinen oder Adam's Arm; Die andern Thiere standen um den Baum, Mit gleicher Gier verlangend und beneidend, Allein sie konnten jene Frucht nicht fassen. Als mitten auf dem Baum ich angelangt, Wo lockend und so nah die Fülle hing, Da unterließ ich's nicht, die Frucht zu brechen, Und satt mich dran zu essen, da ich gleichen Genuß an Trank und Speise nie empfunden. Gesättigt endlich, fühlt' ich bald in mir Den sonderbarsten Wechsel, wie im Innern Sich die Vernunft erhob, und wie mir drauf Selbst Sprache ward, ob auch die Form mir blieb. Sogleich wandt' ich mein ganzes Denken an, Um hoh' und tiefe Forschungen zu treiben, Und mit des Geistes fassender Gewalt Ein jedes Ding, was an dem Himmel sichtbar, Auf Erden und im Aether zu gewahren, Das Schöne wie das Gute zu erkennen, Doch alles Schön' und Gute seh' ich jetzt In Deinem Götterbild, in Deiner Schönheit Voll Himmelsglanz vereint, es gleicht Dir Nichts An Anmuth, und kein Wesen kommt Dir nah. Dies reizte mich, vielleicht ganz ungelegen, Daß eben jetzo ich Dir nahen mußte, Um Dich zu schauen und Dich zu verehren Als die mit Recht erklärte Königin Des ganzen Weltalls, sämmtlicher Geschöpfe.« So sprach die Schlange listig, und es sprach Vorlaut und mehr erstaunt noch Eva dies: »O Schlange, solch' ein übertriebnes Lob Läßt an den Kräften dieser Frucht mich zweifeln, Die Du zuerst versucht. Doch sage mir, Wo wächst der Baum; und ist er weit von hier? Es wächst im Paradies so mancher Baum, Der uns noch unbekannt, und allzureichlich Steht ihrer Früchte Wahl uns zu Gebote, Daß wir die meisten ungepflückt gelassen, Die unverderblich an den Aesten hängen, Bis eine größere Menschenzahl ersteht, Und mehre Hände regsam sich bemühn, Um die Natur der Früchte zu entbürden.« Die kluge Schlange sprach darauf erfreut: »Der Weg ist ganz bequem, und gar nicht weit. Der Baum steht hinter einer Reih' von Myrthen, Auf einer Fläche, nah bei einem Quell An einem kleinen Busch von Balsamstauden Und blühenden Myrthen. Nimmst Du mein Geleit, So bring' ich baldigst Dich an jenen Ort.« »So führ' mich denn,« sprach Eva. – Nun entrollte Der Satan schnell des Schlangenleibes Windung, Und straff ging's vorwärts nun zum Unheil rasch. Vor Hoffnung und vor Freude schwillt der Kamm, Wie wenn ein Irrlicht, fettem Dunst erstehend, Der von der Nacht verdickt, von Kält' umgeben, Zur Flamme durch Bewegung angefacht, Die, wie man sagt, ein böser Geist begleitet, Da dieses Licht durch gaukelnd Hüpfen täuscht, Oftmals den Wandrer Nachts vom Wege führt In Moor und Schlamm, durch Teiche wie durch Sümpfe Wo er versinkt, von Hülfe weit entfernt: So auch erglänzt die Schlange, so verführte Durch List sie Eva unsre Mutter auch, Die ihr leichtgläubig zum verbotnen Baum, Der Wurzel unsrer ganzen Leiden folgte. Gewahrend ihn, sprach sie zu ihrem Führer: »Wir konnten unsern Weg ersparen, Schlange, Mir ist er fruchtlos, ob auch Früchte hier Im Uebermaße stehn, von deren Kraft Allein Du zeugen magst, wenn ihre Wirkung Auch wunderbar ist, die hervor sie bringen. Doch wir, wir dürfen diese Frucht nicht kosten. Gott hat es so befohlen und er gab Uns dies Gebot als einz'ges seiner Stimme, Im Uebrigen sind wir uns selbst Gesetz, Und dies Gesetz heißt bei uns die Vernunft.« Hierauf entgegnet der Versucher schlau: »Hat wirklich Gott gesagt daß ihr die Früchte Von keinem Baum des Gartens essen sollt, Und hat zu Herrschern dennoch euch erklärt Ob Allem in der Luft und auf der Erde?« Eva, erwiderte, noch frei von Sünde: »Wir dürfen jedes Baumes Frucht genießen, Die Frucht nur dieses schönen Baumes nicht. Denn Gott gebot, ihr sollt von ihr nicht essen, Noch sie berühren, sonst erfolgt der Tod.« Kaum sprach sie dies, als kühner der Versucher Auf andre Weise gegen sie verfuhr, Mit einem Schein des Eifers und der Liebe Zum Menschen und des Grolls ob des Gebots; Als ob die ärgste Leidenschaft ihn faßte, Schwankt er unruhig hin und her, jedoch Mit Anstand und mit Ernst, als woll' er jetzt Von einem äußerst wichtigen Punkte reden. Wie einst im Alterthum ein großer Redner Im freien Rom und in Athen, (wo blühend Beredtsamkeit gedieh, doch später starb,) Bei einer ernsten Sache sich erhob, Und die Gedanken sammelnd, würdig stand, Indessen jede Stellung und Geberde Die Hörer schon gewann, bevor er sprach; Und oft mit hohen Worten dann begann, Als ob sein Eifer für das Recht nicht lange Vorreden erst vermöchte zu ertragen: So stehend und zur Höhe sich bewegend Sprach der Versucher jetzt mit Leidenschaft: »O heil'ge Pflanze, Weisheit spendende, Des Wissens Mutter, jetzt empfind' ich klar Dein mächtig Wirken; nicht erkenn' ich nur Den Ursprung aller Dinge, sondern auch Die Wege höchster Macht, wie weise man Sie auch geglaubt. Du Königin der Welt, O glaube dieser Todesdrohung nicht, Nicht sterbet ihr! Thät euch die Frucht dies an? Sie giebt euch der Erkenntniß Leben erst! Verlieh den Tod euch jener, der euch drohte? Sieh mich an, hab' ich doch die Frucht berührt Und auch gekostet, und ich lebe doch, Gewann ein mehr vollkomm'nes Leben noch, Als mir das Schicksal zuertheilt, indem Ich höher strebte, wie mein Loos beschied, Was Thieren offen steht, das wär' dem Menschen Verschlossen? oder zürnte Gott der Herr Ob solchen kleinen Fehlers? Wird er nicht Vielmehr an euch des Muthes Tugend loben, Den selbst des angedrohten Todes Qual, Was auch der Tod sei, nimmer niederdrückt Und von dem Sterben abschreckt, welches euch Zu seligerm Leben führt und zur Erkenntniß Des Guten wie des Bösen? denn das Gute Erkennen, wäre Pflicht; das Böse wissen, Wenn's wirklich Böses giebt, ist sicher billig, Da um so leichter ihr es meiden könnt! Gott kann euch drum nicht strafen; und gerecht Verbleibt er dann, denn wär' er dieses nicht, Wär' er nicht Gott mehr; überflüssig wär's Ihn dann zu fürchten und ihm zu gehorchen. Die Furcht vor'm Tode selbst entfernt die Furcht. Warum ward euch verboten diese Frucht? Um euch zu schrecken, niedrig und unwissend Zu lassen? Weiß er doch nur allzugut, Daß an dem Tage, so ihr davon eßt, Sich euer Auge, das so hell erscheint, Doch in der Wirklichkeit noch dunkel ist, Schnell öffnet und verklärt, und ihr dann Götter, Das Gut' und Böse kennend, seid wie Jene. Daß ihr dann Götter werdet, wie ich Mensch, Ein innerlicher Mensch ward, ist ganz richtig. Ich ward vom Thiere Mensch, ihr werdet Götter. Ihr könntet höchstens sterben, wenn ihr euch Des Menschlichen entkleidet, um in Gottheit Euch dann zu hüllen. Solcher Tod ist nur Ein wünschenswerther, ob er auch gedroht, Der Aergres nicht, wie dieses bringen kann. Was sind die Götter denn, daß nicht der Mensch Was sie sind, werden kann, und Götternahrung Wie sie genießt? Die Götter sind zuerst, Und wissen diesen Vortheil zu benutzen, Weil doch die Menschen glauben, daß durch sie Das Weltall ward. Ich aber zweifle dran, Ich seh' ja, daß die Erde, von der Sonne Erwärmt, die mannigfachsten Dinge schafft! Doch jene nichts; wenn Alles sie erschufen, Wer schloß in diesen Baum des Gut' und Bösen Erkenntniß, daß, wer jemals davon ißt, Weisheit erwirbt, auch wider ihren Willen? Worin doch liegt die Schuld, daß auch der Mensch Erkenntniß heischt? Und was vermag wol eure Erkenntniß ihm zu schaden oder dieser Baum Euch mitzutheilen wider seinen Willen, Wenn Alles sein ist? oder ist es Neid? Und wohnte Neid in himmlisch reinen Herzen? So mancher andre Grund bedeutet euch, Wie unentbehrlich euch die schöne Frucht. O Göttin Du in menschlicher Gestalt, Gebrauch' die Hand und koste nach Belieben.« Er schwieg, und seine Worte voll Betrug Gelangten in ihr Herz nur allzuleicht, Fest blickte sie die Frucht an, deren Anblick Schon Reiz erweckte; doch in ihrem Ohr Tönt auch der Klang nach seiner Ueberredung, Die ihr voll Wahrheit und Vernunft erschien. Indessen nahte sich die Mittagsstunde, Und weckt in ihr des Hungers heft'gen Reiz, Erhöht noch durch den Duft der saft'gen Frucht, Die gleichsam mit Begierde der Berührung Und dem Genuß sich hin zu neigen schien; Doch eine Zeitlang blieb noch in Gedanken Eva und sagte heimlich zu sich selbst: »Ganz sicherlich sind Deine Kräfte groß, Du beste Frucht, ob Menschen auch versagt, Bewundrungswürdig, die genossen selbst Dem stummen Thier sogleich die Sprache lieh, Und es belehrt, von Deinem Ruhm zu reden. Dein Lob verhehlt auch Jener nicht, der Deinen Genuß verbot, er nannte Dich ja selbst Erkenntnißbaum des Guten und des Bösen, Und untersagte streng, davon zu kosten. Doch sein Verbot empfiehlt Dich um so mehr, Da es Dein Gutes hegt, was uns gebricht, Denn ungekanntes Gute hat man nicht, Und hätte man es, aber ungekannt, So wär' es so, als wenn man Nichts besäß. Kurz, warum mag der Herr uns wol verbieten, Gut, klug zu sein und weise? Solch Verbot Kann nie uns binden. Wenn jedoch der Tod Uns später bindet, wozu frommt uns dann Die innere Freiheit? An dem Tage, wo Wir diese Frucht genießen, sterben wir! Doch stirbt die Schlange? Hat sie doch gekostet, Und lebt, erkennt und spricht und unterscheidet, Ein unvernünftig Thier zuvor. Für uns Erfand man nur den Tod? Ist uns allein Des Wissens Frucht versagt, die doch den Thieren Versagt nicht ist? Es scheint so! und dies Eine Der Thiere, das zuerst gekostet hat, Mißgönnt dies nicht und weist mit Lust das Gute, Das ihm geworden, unverdächtig dar, Gut gegen Menschen, fern von Lug und Trug. Was fürcht' ich denn? Vielmehr, was weiß ich denn Zu fürchten, da des Guten wie des Bösen Erkenntniß mir noch fremd, wie die des Todes, Der Strafe, des Gesetzes? Hier nun wächst Für Alles Heilung in der Götterfrucht, Die schön für's Auge zum Genusse ladend, Und kräftig ist, um Weisheit zu verleihn. Was hält mich ab, mir eine Frucht zu pflücken, Und Leib und Geist mit einem Mal zu nähren?« So sprechend streckte sie die rasche Hand In böser Stunde nach der Frucht. Sie pflückte Und aß! Die Erde fühlte tief die Wunde, Und die Natur, in ihrer Feste seufzend, Gab Zeichen argen Weh's durch ihre Werke, Weil jetzt das All verloren war. Die Schlange Schlich schuldbeladen in das Dickicht heim. Und konnt' es wol, denn Eva war vertieft Jetzt im Genuß, und achtet' sonst auf Nichts. Solch eine Wonne hatte sie bisher In keiner Frucht gekostet, ob dies nun Sich wirklich so erwies, ob eingebildet Durch die Erwartung mächtiger Erkenntniß, Daß selbst die Gottheit ihr im Sinne lag. Voll heft'ger Gier verschlang sie ihre Frucht, Und ahnte nicht, daß auch den Tod sie aß. Gesättigt endlich, gleichsam weinberauscht, Erregt und lustig, sprach sie so zu sich: »O höchster, köstlichster von allen Bäumen Im Paradies, gesegnet ob der Weisheit, Die Du verleihst; Du warst bisher beschimpft, Und Deine schöne Frucht hing unbeachtet, Als wär' zu keinem Zwecke sie erschaffen. Doch fortan weih' ich meine Sorge Dir, Mit Sang und Preis pfleg' ich Dich jeden Morgen, Erleicht're Deiner Aeste reiche Bürde, Die frei Du Allen bietest, bis genährt Von Dir ich an Erkenntniß wie die Götter Reif werde, die ja alle Dinge wissen, Wiewol sie neiden, was sie nicht zu geben Vermögen; denn wenn ihr Geschenk es wär', So wäre sie nicht also hier gewachsen. Zunächst verdank' ich auch Erfahrung Dir, Du beste Führerin, folgt ich nicht Dir, So wär' ich jetzt noch in Unwissenheit; Du öffnest mir der Weisheit Bahn und giebst Dorthin mir Zutritt, wo sie sich verbirgt. Vielleicht bin ich auch ganz verborgen hier, Der Himmel ist so hoch, und weit entfernt, Um Alles anzuschaun, was hier geschieht. Wol andre Sorgen haben unsern Schöpfer Von seiner steten Wache heut gelenkt, Und sicher bin ich auch vor seinen Spähern. Doch wie werd' ich vor Adam treten können? Soll ich ihm künden die Veränderung, Um meine Seligkeit mit ihm zu theilen; Soll lieber ich der Kenntniß Uebermacht Für mich behalten ohne Mitgenoß? So füg' ich, was dem weiblichen Geschlecht Gebricht, hinzu, gewinne seine Liebe Nur mehr, und mache mich viel gleicher ihm, Und würde, was recht wünschenswerth, vielleicht Bisweilen höher gar, denn der Gering're Ist nimmer frei! Es würde herrlich sein! Doch hätt' es Gott gesehn und folgte nun Der Tod? Dann werd' ich nicht mehr leben können, Und Adam, dann vermählt mit andrer Eva, Lebt im Genuß mit ihr, wann ich vernichtet, – Schon der Gedank' ist Tod! Das Beste drum, Mit mir soll Adam Leid' und Freuden theilen, So herzlich lieb ich ihn, daß ich mit ihm Jedweden Tod ertragen, fern von ihm Nicht eine Stunde fürder leben möchte.« So sprechend lenkte sie vom Baum die Schritte, Nachdem sie noch ehrfürchtig sich geneigt Vor ihm, der eine Macht im Innern hegte, Die in die Zweige der Erkenntniß Saft Vom Nektar, jenem Göttertranke stammend, Einflößte. – Während dieser Zeit flocht Adam, Sehnsüchtig Eva's Wiederkunft erwartend, Von auserwählten Blumen einen Kranz, Die Locken ihr zu schmücken, ihre Mühn Zu krönen, wie die Schnitter es zu thun Gewohnt bei ihrer Erntekönigin. Es hoffte große Freude schon sein Sinn, Und neuen Trost von ihrer Wiederkehr, Der lang verzögert war. Jedoch das Herz Schlug hastig ihm, als ob's ein Unglück ahnte. Unruhig ging er ihr des Weg's entgegen, Den sie genommen, als sie Morgens schieden. Vorüber schritt er dem Erkenntnißbaum, Dort traf er sie, vom Baum soeben kehrend, In ihrer Hand den Zweig der schönsten Frucht, Die weich und frisch, ambrosisch duftete. Sie eilte hin zu ihm, in ihrer Miene lag Schon ohne Wort Entschuldigung genug, Die sie mit Schmeichelreden äußerte: »Warst Du erstaunt nicht über mein Verweilen? Auch ich vermißte Dich, und lange schien's, Daß Deine Gegenwart mir ferne war. So fühlt' ich nie bisher die Liebespein; Auch werd' ich nie zum zweiten Mal sie fühlen, Denn nimmer will ich wiederum erfahren, Was ich zu schnell und unerfahren suchte, Die Qual, daß ich von Dir geschieden war. Doch seltsam war der Grund und wunderbar Zu hören; dieser Baum ist nicht gefährlich, Wie man gesagt, wenn man die Frucht genießt, Er zeigt uns nicht ein unbekanntes Uebel, Er öffnet göttlichwirkend uns die Augen, Macht Den zur Gottheit, der davon genießt. Dies ward beglaubigt durch die kluge Schlange, Sie ist beschränkt nicht so wie wir, und wollte Vielleicht auch nicht gehorchen, kurz sie that's Und kostete von dieser schönen Frucht, Und dennoch starb sie nicht, wie uns gedroht. Begabt ward sie vielmehr mit Menschensinn Und Menschenstimme, daß ich drüber staunte. Sie brachte durch Beredung mich so weit, Daß gleichfalls von der Frucht ich kostete, Und ich die Wirkung ganz entsprechend fand; Der Blick, der vorher noch ganz dunkel war, Erschloß sich mir, mein Lebensmuth gewann, Das Herz ward weiter und zur Gottheit strebend, Die ich um Deinetwillen nur ersehnt, Und die mir ohne Dich verwerflich scheint. Denn Glück mit Dir getheilt nur, ist mir Glück, Doch ungetheilt mit Dir, ist mir's verhaßt, Drum koste Du auch, daß ein gleich Geschick Uns einen möge, gleiche Lust und Liebe; Damit nicht, wenn Du nicht zu kosten wagst, Verschiedenheit uns trennt und ich zu spät Auf Gottheit Deinetwegen dann verzichte, Wenn das Geschick es mir nicht mehr vergönnt.« So kündet Eva heiter ihm ihr Thun, Doch krankhaft röthet ihre Wange sich. Als Adam Eva's Uebertretung hörte, Stand er erschreckt, bestürzt und marmorbleich, Ein kalter Schauer rann ihm durch die Adern, Und seine Glieder hingen welk und schlaff. Der matten Hand entfiel der jüngst für Eva Geflocht'ne Kranz von Rosen, die verwelkten. Sprachlos und zitternd stand er, bis er endlich Sein inn'res Schweigen brach und für sich dachte: »Der Schöpfung Schönste, Letztes Du und Bestes Von Gottes Werken, Wesen, in dem Alles Vereinigt ist, was immer nur dem Auge Und dem Gedanken heilig, göttlich, gut, Anmuthig so wie liebenswürdig schien! Du bist verloren, plötzlich so verloren, Entstellt, entwürdigt und dem Tod geweiht! Wie hast Du es vermocht, ein streng Gebot Zu überschreiten, und zu schmähen diese So heilig uns verbotne Frucht! Es täuschte Dich irgend eines Feinds verfluchte List, Und stürzte mich wie Dich in das Verderben. Mit Dir zu sterben ist ja mein Entschluß, Wie könnt' ich leben ohne Dich! wie könnt' ich Vergessen Deinen Umgang, unsre Liebe, Und einsam wieder in den Wäldern schweifen? Wenn Gott sogar ein neues Weib erschuf Und ich die zweite Rippe dazu lieh, So würde Dein Verlust doch nimmermehr Aus meinem Herzen weichen. Nein, ich fühl's, Die Fessel der Natur zieht mich zu Dir, Du Fleisch und Bein von meinem Fleisch und Bein! Von Deinem Loos sei meines nie geschieden, Mag es nun Glück verleihen oder Weh!« Als dies er überlegt, wie Einer, der Getröstet sich nach einem Trauerfall Und dann gefaßten Sinn's sich Dem ergiebt, Was unabänderlich und heillos scheint; Wandt' er ganz ruhig sich an Eva so: »Wol eine kühne That hast Du vollbracht, Vermeßnes Weib, gewaltige Gefahr Herausgefordert, da Du Dich erdreistet, Nicht nur mit Lüsternheit die Frucht zu schaun, Die der Enthaltsamkeit geweiht, nein selber Sie zu genießen, trotz des Fluches Bann. Wer aber macht Gescheh'nes ungeschehn? Das Schicksal kann's nicht, noch die Allmacht Gottes; Vielleicht jedoch bist Du vom Tode frei, Vielleicht ist auch die That nicht mehr so furchtbar, Da schon die Schlange jene Frucht entweiht, Bevor wir kosteten. Auch zeigt sie sich An ihr nicht tödtlich; denn sie lebt ja noch, Lebt wie Du sagtest und gewinnt sich auch Des Lebens höhern Grad, dem Menschen gleich. Dies scheint uns durch der Frucht Genießen eine Verhältnißmäß'ge Höhe zu verkünden, Daß wir zu Göttern oder Engeln werden. Auch glaub' ich nicht, daß Gott der weise Schöpfer, Obwol er's droht, im Ernst zerstören werde Die Wesen, die er erst so hoch begabte Und über alle seine Werke setzte, Die auch mit unserm Fall, als eng vereint, Für uns erschaffen, untergehen müßten. So würde Gott, was er erschuf, vernichten, Und somit seiner Mühe Lohn verlieren. Das läßt sich denken nicht vom großen Gott, Der, kann er auch die Schöpfung wiederholen, Uns dennoch ungern nur vertilgen würde, Daß nicht der Böse triumphirend spräche: Veränderlich ist deren Loos, die Gott Zumeist begünstigt, wer gefiel ihm lang? Zuerst ward ich vernichtet; jetzo folgt Das menschliche Geschlecht! wer kommt zunächst? Derartigen Stoff zum Hohne läßt er nicht Dem Feind. Wie dem auch sei, ich habe mein Geschick an Deins geknüpft und bin entschlossen, Ein gleiches Loos mit Dir fortan zu tragen, Eint sich der Tod mit Dir, ist Tod mir Leben; So mächtig fühl' im Herzen ich die Macht, Wodurch mich die Natur an Dich gefesselt; Mein ganzes Selbst liegt einzig nur in Dir, Denn was Du bist, ist mein, und unser Wesen Ist unzertrennbar; wir sind eins im Fleisch, Mich selbst verlieren hieße Dich verlieren.« So Adam; ihm erwidert Eva drauf: »Ruhmvolle Probe wunderbarer Liebe, Erhab'nes Zeugniß und gewalt'ges Beispiel, Das mich zu gleichem Eifer jetzt ermuntert, Doch, da ich so vollkommen nicht wie Du, Wie werd' ich dies, o Adam, dessen Seite Ich einst entsprang, was mich mit Stolz erfüllt; Erfreut hört' ich von unserm Bund Dich sprechen, Von einem Herzen, einer Seel' in Beiden, Wovon am besten zeugt der heut'ge Tag, Da Du entschlossen bist, viel lieber Schuld Und Strafe zu erdulden, wenn es sträflich Von jenen schönen Früchten zu genießen, Als daß der Tod und Aerg'res als der Tod Uns scheiden solle, die wir doch so eng Vereint durch Liebe sind. Die hohe Kraft Von jener Frucht (denn aus dem Guten kommt Stets Gutes) hat Beweise Deiner Liebe So glücklich dargethan, wie sie gewiß Sonst nimmermehr sich wol erwiesen hätte. Erführ' ich, daß der angedrohte Tod Aus meiner Uebertretung folgen müßte, Trüg' ich das Schlimmste gern und würde nicht Auch Dich bereden; lieber einsam sterben, Als Dich zu einer solchen That bewegen, Die Deiner Ruh' verderblich, da zumal Ich auf so unvergeßlich liebe Weise Die unvergleichlich treue Lieb' erfuhr, Doch Folgen andrer Art empfind' ich jetzt, Nicht Tod, vermehrtes Leben öffnet sich, Erhellter Blick und neuverjüngte Hoffnung, So göttlicher Genuß, daß was bisher Mein Sinn von Lust genoß, nur matt und arm Dagegen scheint. Nach dem, was ich erfahren, Kannst ohne Scheu Du kosten; übergieb Den leichten Winden Deine Todesfurcht.« So sprach sie und umarmte zärtlich ihn, Vor Freude weinend, und so hoch entzückt, Daß er jetzt seine Liebe so geadelt, Tod wählt und Gottes Zorn um ihretwillen. Zum Lohn (denn solchen Lohn verdiente ja So arge Schwachheit) reicht sie ihm vom Zweige Freigebig die verführerische Frucht. Er aß und hörte nicht der innern Stimme; Auch nicht getäuscht, nein nur vom Reiz des Weibes Bewältigt. Es erbebt in ihren Tiefen Die Erde wie beängstet; die Natur Erdröhnte seufzend, trübe ward der Himmel Und weinte donnernd Thränen seiner Trauer Ob der Vollbringung dieser ersten Sünde. Doch Adam achtete nicht drauf und aß, Auch Eva wiederholte sonder Scheu Den Frevel, um ihm durch Geselligkeit Die That noch zu versüßen. Wie berauscht Von Weine schwammen Beide nun in Lust, Und wähnten selbst der Gottheit rege Flügel Zu fühlen, um der Erde nun zu spotten. Jedoch die falsche Frucht erzeugte bald Ganz and're Wirkung, sie entflammte wild Die fleischliche Begier; er wirft auf Eva Wollüstige Blicke, die sie lüstern wieder Entgegnet, beide brennen vor Gelüst, Bis Adam so zur Liebkosung sie lockt: »Eva, nun seh' ich, wie mit seinem Sinn, Mit Anmuth und mit Weisheit Du begabt. Geschmack gehört zu jeglichem Gedanken Und auch dem Gaumen geben wir sein Recht; Dein ist der Preis, denn wohl hast Du gesorgt Für diesen Tag. Wir haben manche Lust Verloren, da wir uns der schönen Frucht Enthielten, und die wahre Lust nicht kannten. Wenn solcher Wonnerausch in Dingen liegt, Die uns verboten sind, so wünschte man, Zehn Bäume wären lieber statt des Einen Verboten. Aber komm, so süß gelabt, Laß uns nun kosen, wie dies Mahl erheischt. Noch nie hat Deine Schönheit seit dem Tag', Als ich zuerst Dich sah, so reich begabt Mit aller Anmuth, mich so sehr entflammt, Dich zu genießen, da Du jetzt viel schöner, Was Dir der einflußreiche Baum verlieh.« So sprach er und vergaß auch nicht die Blicke, Das süße Tändeln nach verliebter Art, Was Eva wol verstand, da gleiche Glut Ihr Auge schoß. Er nahm sie an der Hand Und führte sie, die sich nicht eben sträubte, Auf eine schattige Rasenbank, worüber Ein grünes Dach von Laub sich breitete. Das Lager war aus Blumen, Hyacinthen, Stiefmütterchen und Veilchen, Asphodel, Der Erde lieblichster und kühlster Schooß. Da nun genossen sie die reichste Lieb' Und Liebeslust, das Siegel ihrer Schuld, Und was zugleich der Trost der Sünde war. Bis dann ermattet von dem Liebesscherz, Ein thauig süßer Schlummer sie befiel. Sobald die Kraft der trügerischen Frucht, Die mit dem Dunst der Lustigkeit behend Um ihre Sinne spielt' und keck sie täuschte, Verraucht war und ein dumpfer Schlaf, erzeugt Von düst'rem Nebel, und beschwert mit sünd'gen Traumbildern, sie verließ: da standen Beide Vom Lager auf, von Ruhe nicht gestärkt, Sie schauten sich einander an und fanden Ihr Auge wol geöffnet, ihr Gemüth Jedoch verdunkelt; Unschuld, die als Schleier Sie vor dem Bösen schützte, war dahin! Gerechtes Selbstvertrau'n und angebor'ne Rechtschaffenheit und Ehre war verschwunden, Die Nackten überfiel die schuld'ge Scham, Die sich verhüllt und dadurch nur vielmehr Entblößt erscheint. So stand auch der Danite, Der riesenhafte Simson einst vom Schooß Delila's auf, und fand sich dann erwachend Mit abgeschnitt'ner Kraft. Der Tugend bar, Verlassen, schweigend saßen und verstört Die Beiden jetzt, als ob die Sprache fehlte, Bis Adam, wenn auch minder nicht beschämt Als Eva, mit erzwung'nen Worten sprach: »Zur bösen Stunde liehest Du Gehör Dem falschen Thier, von wem dies auch belehrt Die Menschenstimme nachzuahmen war, Das unsern Fall verkündet, die Erhebung Nur fälschlich uns verhieß, denn unser Auge Ist zwar geöffnet und wir kennen Gut' und Böses, Das Gute schwand, das Böse ward gewonnen! O trübe Frucht des Wissens, wenn es Wissen, Was so entblößt uns läßt, der Ehre bar; Die Unschuld, Treue, Reinheit ganz befleckt, Die uns're Zierden waren; selbst im Antlitz Grub Lüsternheit noch ihre Spuren ein, Woraus so manches Böse kommt; sogar Die Scham verband sich uns, der Uebel letztes, Um so der ersten ganz gewiß zu sein. Wie soll ich fürder Gottes Angesicht Und das der Engel schauen, mit Entzücken Und Lust dereinst erblickt? Die himmlischen Gestalten werden nun uns Irdische Mit ihrem hellen Glanz so mächtig blenden, Daß es kein Menschenauge kann ertragen. O lebt' ich hier in wilder Einsamkeit; In irgend einer Wildniß dicht verborgen, Wo rings die hohen Wälder ihren Schatten, Dem Stern und Sonnenlicht selbst undurchdringlich, So düster wie der Abenddämmer bieten; Hüllt mich ihr Tannen! Cedern hüllt mich ein, Daß ich den Himmel nicht mehr sehen kann! Doch laß' uns jetzt in uns'rer Lage sinnen, Wie jene Körpertheile wir verhüllen, Die sich der Scham zu zeigen nicht geziemen. Ein Baum, deß breite zarte Blätter wir Zusammenfügend um die Lenden gürten, Dient uns dazu den mittlern Theil zu decken, Damit nicht unser neuer Gast, die Scham, Dort weilen mag, und uns als unrein schmähn.« So rieth Adam. Es gingen Beide nun Zur tiefsten Waldung und erwählten sich Den Feigenbaum, doch nicht von jener Art, Die ihrer Früchte wegen so berühmt, Nein, jenen Baum, der heute noch bekannt Den Indern Malabars und Decans ist, Der weit und breit die ästigen Arme streckt, So daß sie auf den Boden hingebogen Neu Wurzel fassen und den Mutterbaum Als Töchterstämme wieder rings umwachsen: Ein säulenart'ger, überwölbter Schatten, Worin so mancher Echogang sich beut. Dort sucht oft Indien's Hirt, die Hitze fliehend, Obdach im Kühlen und verpflegt die Heerde Durch Löcher, die ins dichte Laub geschnitten. Dergleichen Blätter holten sich die Beiden, Wie Amazonenschilde breit, und fügten Sie, wie sie's nur vermochten, dann zusammen Als Gürtel für die Lenden. Eitler Schurz, Um ihre Scham und ihr Vergeh'n zu bergen! Wie ungleich ihrer nackten Herrlichkeit! So fand Columb Amerikaner einst Mit Federgürteln angethan, doch sonst Ganz nackt, und zwischen Bäumen wild und frei Auf Inseln und an wald'gen Küsten schweifend. Geschirmt und wie sie glaubten, nun zum Theil Die Scham bedeckt, doch ohne Ruh' im Geist, So setzten sie sich nieder, um zu weinen; Nicht flossen Thränen nur aus ihren Augen, Nein schlimmer tobte noch der innre Sturm Von Leidenschaften, Zorn, Verdacht und Haß, Und wühlten heftig im Gemüthe nun, Einst eine heit're friedenvolle Wohnung, Doch jetzt erregt und ungestüm; es herrschte Nicht der Verstand, noch hörte mehr der Wille. Von sinnlichen Begierden unterjocht, Die von dem Herzen aus selbst die Vernunft Bewältigt hatten, waren Beide jetzt. Entstellten Blick's, Verändrung in der Stimme Und in gebroch'ner Rede sprach jetzt Adam: »O hättest meinen Worten Du gehorcht, Und wärst bei mir geblieben, wie ich bat, Als Dich die sonderbare Lust erfaßte An dem unsel'gen Morgen fortzuwandern. Wir wären dann noch im Besitz des Glücks, Und nicht wie jetzt des Guten ganz beraubt, Nackt, elend und beschämt! Es suche Keiner In Zukunft nutzlos Treue zu erproben, Wird sie versucht, so zeigt sich's sicherlich, Daß schon zu wanken diese Treu' beginnt.« Gekränkt entgegnet hierauf Eva schnell: »O welch' ein Wort entschlüpfte Deinen Lippen, Gestrenger Adam! rechnest Du die That Nur mir zu und der Lust umherzuwandern, Wie Du es nanntest, was sich uns beisammen Leicht auch so heillos wol ereignen konnte, Ja oder gar Dir selber ganz allein! Warst Du dabei, Du hättest den Betrug Der Schlange nicht entdeckt, so wie sie sprach, Es war kein Grund der Feindschaft zwischen uns, Warum sie bös sein und mir schaden sollte. Sollt' ich von Deiner Seite nimmer scheiden? So wär's ja besser, wenn ich dort geblieben Als lebenslose Rippe. Warum gabst Du Als Haupt mir nicht, der Untergebenen, Streng den Befehl zu bleiben, um in solche Gefahren nicht zu kommen, wie Du sagst? Allzu gefällig, widersprachst Du wenig, Erlaubtest, ja Du lobtest es sogar, Und ließt mich freundlich gehn. Wenn standhaft Du Und fest in Deiner Weigerung verharrt, Hätt' ich nicht, noch auch Du mit mir gesündigt.« Zum ersten Mal erzürnt erwidert Adam: »Ist dies die Liebe, dies der Liebe Lohn, Die ich, o Undankbare, wandellos Dir noch gestand, als Du verloren schon, Nicht ich, der ich noch hätte leben können, Unsterbliche Glückseligkeit genießen, Und doch den Tod mit Dir freiwillig wählte? Und jetzt soll ich der Grund sein Deiner Schuld? Nicht streng genug hätt' ich Dich abgehalten? Was konnt' ich mehr? Ich warnte Dich ermahnend, Ich prophezeite die Gefahren Dir, Den bösen Feind, der im Verborg'nen lauscht; Hätt' ich noch mehr gethan, wär's Zwang gewesen, Und Zwang des freien Willens ziemt uns nicht. Doch Selbstvertrauen lockte sicher Dich, Entweder nicht Gefahr zu treffen, oder Vielleicht den Ruhm der Prüfung zu erwerben. Vielleicht irrt' ich auch selbst in der zu großen Bewundrung Dessen, was an Dir vollkommen, So daß ich wähnte, Böses könne nie Dir nah'n; doch ich bereue diesen Irrthum, Der mir zur Schuld ward, deren Kläger Du. So geht es Jedem, der den Werth der Frauen Zu hoch geschätzt, dem Weibe Willen läßt; Einschränkung will sie nimmermehr ertragen, Doch kommen böse Folgen an den Tag Aus ihrem Thun, was eigens sie vollbracht, Sucht sie des Mannes Nachsicht zu verklagen.« So brachten sie in wechselweisen Klagen Fruchtlose Stunden hin; doch keins von Beiden Ertheilte selber sich dabei die Schuld, Und ihres eiteln Streites ward kein Ende. Zehnter Gesang Zehnter Gesang. Des Satans boshaft hinterlist'ge That Im Paradies, wie er in Schlangenform Eva und sie den Gatten dann verführt, Zu kosten von der unglücksel'gen Frucht, Ward unterdeß im Himmel auch bekannt. Denn was ertrönne Gottes Auge wol, Was täuschte jemals sein allwissend Herz? Der stets gerecht und weis' in allen Dingen, Der nicht den Satan hindert, das Gemüth Des Menschen zu versuchen, da ja dieser Bewaffnet ist mit Stärk' und freiem Willen, Um seines Feindes Ränke, wenn er sich Scheinfreundlich zeige, völlig zu enthüllen. Es wußten Beide ja, und sollten immer Sich des Befehls erinnern, diese Frucht Nie zu genießen, wer sie auch versuche. Da sie nun nicht gehorchten, fielen sie (Was konnten minder sie) der Straf' anheim, Und ihre mannichfache Schuld verwirkte Der Menschen Fall, wie dies natürlich war. Zum Himmel stieg empor vom Paradies In Hast der Engel Wache, stumm, betäubt. Sie kannten schon des Menschen neuen Stand Und staunten, wie der list'ge Feind sich jüngst So ungesehen eingeschlichen habe. Sobald die unwillkommne Kunde droben Im Himmel angelangt war, fühlten Alle Die tiefste Wehmuth über jene That. Ein düstrer Gram erwies sich auf den Zügen Der Himmlischen, jedoch gemischt mit Mitleid Ward nicht der Engel Seligkeit gestört. Um die neu angekommnen Wachen strömten In Massen sie, um Alles zu erfahren, Was sich ereignet; darauf eilten Jene Zum Thron des Höchsten, um die Wachsamkeit Mit ganz gerechten Gründen zu beweisen, Und sie bewährten sie, als Gott der Herr Aus der geheimen Wolke mächtiglich Im Donnertone seiner Stimme sprach: »Ihr Engel und ihr Mächte, die ihr jetzt Von dem mißglückten Auftrag heimgekehrt, Seid nicht betrübt und laßt euch nicht verstören Durch jene Kunde, da die höchste Sorge Sie zu verhüten nicht vermögend war. Ich prophezeite was geschehen würde, Als der Versucher aus der Hölle Raum Jüngst durch den weiten tiefen Abgrund flog. Ich sagte damals seinen Sieg voraus, Daß er den Menschen arg verführen würde, Der sich durch Schmeichelei bewegen ließe, Um Lügen gegen seinen Schöpfer selbst Zu glauben; ohne meine Mitwirkung Den eig'nen Fall sich selber zu erzwingen, Und ohne daß ich seinen freien Willen, Der ihm in gleichem Maß anheimgestellt, Gelenkt nur hätte. Dennoch fiel der Mensch! Was bleibt mir noch, als ihm das Todesurtheil Auf sein Vergehn zu künden, wie's gedroht? Er hält den Tod für nichtig jetzt und eitel, Weil dieser ihn durch einen raschen Schlag, Wie er befürchtete, noch nicht ereilte; Bald aber wird er sehn, daß Zögerung Noch keine Freisprechung von Strafe sei. Gerechtigkeit soll kommen über ihn Statt der verschmähten Güte. – Wen jedoch Entsend' ich, sie zu richten? Wen als Dich, Mein Sohn, dem ich die Richtermacht im Himmel, Auf Erden, in der Hölle zugestand. Leicht soll man sehn, daß mit Gerechtigkeit Ich Gnade zu verbinden strebe, da Ich Dich, des Menschen Freund und seinen Mittler Entsende, der Du Dich freiwillig jüngst Als den Erlöser darbot'st, um dereinst Als Mensch zu richten den gefall'nen Menschen.« So sprach der Vater und entfaltete Zur Rechten seines Glanzes Herrlichkeit Und lieh' dem Sohn die unbewölkte Gottheit, Er spiegelte den ganzen Vater wider Im vollen Glanz' und sagte göttlich mild: »Mein ewiger Vater, Du hast zu beschließen, Mir kommt nur zu, im Himmel wie auf Erden Was Du gewollt zu thun, damit Du stets In mir, dem theuern Sohn, gefällig ruhst. Ich eile fort, die Menschen jetzt zu richten, Die Uebertreter des Gebots; jedoch Du weißt, wie auch das Urtheil immer sei, Daß auf mich selbst das Aergste fallen muß, Wann meine Zeit gekommen; denn ich habe Dies Loos erwählt, und da es mich nicht reut, Giebst Du das Recht mir, daß ich mildern darf Ihr Urtheil, das auf mich einst wieder fällt. Mit Gnade will Gerechtigkeit ich üben, Daß Beiden sie genügt und Dich versöhnt. Nicht des Gefolg's bedarf ich, da ja Niemand Als die Gefall'nen dies Gericht vernehme. Der Dritte wird abwesend wol am Besten Verurtheilt, denn ihn überführt die Flucht Und die Empörung gegen die Gesetze; Denn Ueberführung ziemt der Schlange nicht.« So sprach er und erhob sich von dem Sitz In hoher Glorie zur Rechten Gottes. Die Himmelsmächt' und Fürsten folgten ihm Und gaben bis zum Himmelsthor Geleit, Von wo aus Eden und das ganze Land Dem Blick sich zeigte. Schnell flog er hinab; Den Flug der Götter kann die Zeit nicht messen, Wär' sie beschwingt auch von den hastigsten Minuten. Schon begann im Westen tief Die Sonne sich zu neigen, es erwachten Die holden Lüftchen, um der Erde Kühlung Sanft zuzufächeln, als der Mittler, kühler An Zorne noch, als milder Richter kam, Das Urtheil dem gefall'nen Paar zu künden. Die Stimme Gottes hörten sie im Garten, Von sanfter Luft zu ihrem Ohr gebracht. Indeß der Tag sich seinem Ende neigte. Sie hörten ihn, und bargen sich vor ihm In dicht Gebüsch, der Mann sammt seinem Weib, Bis Gott sich naht und so zu Adam sprach: »Wo bist Du, Adam, der doch sonst gewohnt Mit Freud' entgegen mir zu gehn, sobald Du mich von fern' sahst? – Hier vermiss' ich Dich! Nicht gern seh' ich Dich in der Einsamkeit, Wo jüngst Dein Dienst mir ungesucht erschien. Komm ich vielleicht Dir minder strahlenvoll? Entfernt ein schneller Wechsel Dich von mir? Ist es ein sonderbarer Zufall? Komm hervor!« Er nahte sich und mit ihm auch sein Weib, Langsamer, zwar die erst' im Sündigen, Verlegen und verstört erschienen Beide. Nicht Liebe lag in ihren Blicken; aber Sichtbare Schuld, und Scham, Verzweiflung, Groll, Halsstarrigkeit, und Haß und böse List. Adam erwidert kurz nach langem Stammeln: »Ich hörte Dich im Garten und erschrak Vor Deiner Stimme; weil ich also nackt, Verbarg ich mich.« – Drauf sprach der milde Richter: »Oft hast Du meine Stimme ja gehört, Und hast Dich niemals noch davor gefürchtet, Fast stets gefreut, wie wurde sie Dir plötzlich So schrecklich? wer hat Dir gesagt, daß Du So nackt bist? Hast vom Baume Du gegessen, Vor dessen Frucht Dich mein Verbot gewarnt?« Hierauf erwidert Adam tief betrübt: »O Himmel, in der ärgsten Lage wol Steh' ich vor meinem Richter, muß entweder Die Schuld allein ertragen, oder Klage Selbst gegen die Genossin meines Lebens, Mein and'res Selbst erheben, deren Unrecht, Weil ihre Treu' mir bleibt, ich hehlen sollte, Um sie nicht argem Tadel auszusetzen. Allein es zwingt mich die Nothwendigkeit, Damit die Sünde mit der Strafe Schwere, Ob noch so unerträglich, nicht allein Auf mein unglücklich Haupt entladen werde. Wiewol Du, wenn ich es verschweigen wollte, Das, was ich hehlen würde, leicht entdecktest. Dies Weib, das Du zur Hülfe mir erschufst, Das mir als höchst vollkomm'ne Gabe ward, So gut, so passend und so göttlich hold, Daß ich von ihrer Hand nichts Böses ahnte, Daß Alles, was sie that und was es war, Durch ihr Benehmen schon als gut erschien: Sie reichte von dem Baum mir – und ich aß.« Des Höchsten Gegenwart entgegnete: »War sie Dein Gott, daß seine Stimme Dir Viel weniger galt, als was sie Dir gebot? War sie Dein Führer und Dein Oberhaupt, Nur Deiner gleich, daß Deine Mannheit Du Ihr überträgst sammt jenem Platz, den Gott Für Dich erschuf, der in Vollkommenheit Der wahren Würde weit sie übertrifft, Warum Dich Gott hoch über sie gesetzt? Wol war sie hold und lieblich ausgeschmückt, Um Deine Liebe zu gewinnen, aber Nicht Unterwerfung, denn von solcher Art Sind ihre Gaben, daß beherrscht sie herrlich Erscheinen, aber nie zum Herrschen selbst Sich ziemen, was nur Dir allein gebührte, Wenn Du dich selber recht erkannt nur hättest.« Nach dieser Rede sprach er kurz zu Eva: »Sprich, Weib, warum vollbrachtest Du die That?« Eva betrübt, vor Scham vergehend fast, Bekannte schnell vor ihrem Richter jetzt, Geschwätzig nicht und keck, vielmehr beschämt: »Die Schlange hat getäuscht mich und ich aß.« Als der allmächtige Herr dies hörte, sprach Sogleich er über die verklagte Schlange Das Urtheil aus, obwol ein Thier sie war. Er konnte nicht die Schuld auf jenen wälzen, Der sie zum Werkzeug dieses Unheils machte, Und vom Beginn der Schöpfung an befleckte, So daß man sie mit Recht darum verflucht; Mehr noch zu wissen brauchte nicht der Mensch, Auch könnt' es seinen Frevel nicht vermindern, Doch richtete der Herr auf Satanas, Den ersten in der Sünde, seinen Spruch, Obwol in ganz geheimnißvollen Worten, Wie er's gerad' am besten hielt und ließ Solch einen Fluch herab auf jene Schlange: »Weil Du dies thatest, bist Du jetzt verflucht Vor jedem Thier, das auf dem Felde lebt; Auf Deinem Bauche sollst Du kriechend gehn, Staub essen Deine ganze Lebenszeit. Feindschaft sei zwischen Dir stets und dem Weib, Und zwischen Deinem, zwischen ihrem Samen. Ihr Same soll zertreten Dir das Haupt, Und Du dafür ihn in die Ferse stechen.« So kündet das Orakel jetzt des Herrn, Dereinst erfüllt, als Jesus, der Maria, Der zweiten Eva, Sohn den Satanas Gleich einem Blitz vom Himmel stürzen sah. Dann hob er aus dem Grabe sich empor, Und nahm der Feinde Macht und triumphirt Mit offnem Prunk. Dann führt er himmelfahrend Gefesselte Gefang'ne durch die Luft, Des Satans Reich, der lang sich's angemaßt. Ihn wird er unter unsern Fuß einst treten, Der Herr, der jetzt in Eden prophezeit, Wie Satan einst von uns zertreten wird. Zum Weib gewandt, erklang des Gottes Urtheil: »Durch die Empfängniß werd' ich Deine Weh'n Vermehren, unter Schmerzen sollst Du Kinder Gebären, und Dein Wille sei dem Mann Stets unterworfen. Er soll Dich beherrschen.« Zuletzt verkündet er das Urtheil Adam: »Weil Du der Stimme Deines Weibs gehorcht, Und von dem Baum gegessen hast, von dem Ich Dir gebot: Du sollst nicht davon essen, So ist um Deinetwillen dieser Boden Verflucht; in Kummer sollst Du davon essen: Er wird Dir Dornen auch und Disteln reichen, Und Du sollst essen von des Feldes Kräutern Im Schweiße Deines Angesichts Dein Brod, Bis einst Du kehrst zur Erde, draus Du wurdest; Vernimm denn Deinen Ursprung Du bist Staub, Und wirst dereinst zu Staube wieder werden.« So richtet' er den Menschen, als Erlöser Und Richter kommend, und den Todesschlag, Der diesen Tag schon angekündigt war, Rückt er noch fern hinaus. Er schaute jetzt Voll Mitleid auf das nackte Menschenpaar In offner Luft, der mancher Wechsel drohte, Und so verschmäht er's nicht in Knechtgestalt Vor ihnen zu erscheinen, wie er später Die Füße seiner lieben Jünger wusch, So kleidet er als Vater jetzt der Seinen Der Menschen Blöße mit der Thiere Fell, Die er geschlachtet oder die er auch Nach Schlangenart mit neuer Haut begabte. So hatt' er seine Feinde selbst bekleidet. Und nicht ihr Aeuß'res blos, nein auch die inn're Viel schmählichere Blöße hüllt er ein In das Gewand der Huld vor Gottes Antlitz. Hinauf zu ihm kehrt er in schnellem Flug, In seinem sel'gen Busen aufgenommen, Zur Herrlichkeit zurück, wie ehedem. Er kündet Gott, deß Zorn besänftigt war, Und dessen Blick schon Alles übersehn, Was mit dem Menschen sich ereignet hatte, Und bat für ihn um seine Huld und Gnade. Bevor jedoch auf Erden ward gesündigt, Saß an der Höllenpforte gegenüber Dem Tod die Sünde. Jene Pforte stand Geöffnet und spie wilde Flammenglut Weit in das Chaos, seit der Höllenfürst Hindurch geschritten, von der Sünd' eröffnet, Die zu dem Tod zu reden jetzt begann: »O Sohn, weshalb doch sehen wir uns müßig Einander an, da unser großer Vater: Satan das Glück in andern Welten sucht, Und bess're Wohnung noch für uns besorgt, Die wir von ihm entsprossen. Sicherlich Hat ihn ein günstiger Erfolg begleitet, Sonst wär' er schon zu uns zurückgekehrt, Vertrieben von der Feinde Wuth, da ja Kein andrer Ort für seine Strafe paßt. Mich däucht, ich fühle neue Kraft in mir, Die Schwingen wachsen und ein weites Reich Dehnt jenseits dieser Tiefe mir sich aus, Mag mich ein eingebornes Mitgefühl, Mag eine Macht mich ziehn, die stark genug, Um in der größten Ferne ganz geheim Von gleichem Wesen Dinge zu verbinden. O Du mein Schatten, von mir unzertrennlich, Mußt mich begleiten. Keine Macht vermag Den Tod je von der Sünde ganz zu scheiden; Jedoch damit der Reise Schwierigkeit Durch unzugänglich ungebahnte Tiefe Nicht seine Rückkehr hindre, laß uns jetzt Ein kühnes Werk versuchen, welches Deinen Und meinen Kräften angemessen ist, Den Weg laß bau'n uns über diese Hölle Zur neuen Welt, wo Satan jetzo herrscht, Ein Denkmal voll Verdienst für jene Schaar Der Hölle zur Erleichtrung des Verkehrs, Ja selbst zur Uebersiedlung, wenn's beschlossen. Den Weg verfehl' ich nicht. So heftig zieht Ein niegefühlter Trieb und Reiz mich an.« »Hierauf entgegnet ihr der hag're Schatten: So geh', wohin Geschick und Trieb Dich zieht, Ich bleibe nicht zurück, noch auch verfehl' ich Den Weg, wenn Du mich führst. Ich witt're schon Den Duft des Fleisches unzählbarer Beute, Und schmecke schon den Tod von allen Dingen, Die dort gelebt; nicht fehl' ich bei dem Werk, Das Du beschlossen, sondern helfe Dir.« So sprechend sog entzückt den Duft er ein Der tödtlichen Verändrung auf der Erde. Wie eine Schaar Raubvögel vor dem Tag Der Schlacht, obgleich noch manche Meil' entfernt, Zum Felde fliegt, wo Kriegesheere lagern, Vom Dunst lebend'ger Körper angelockt, Die für den nächsten Tag dem Tod bestimmt; So witterte das Graungespenst und reckte Die Nasenlöcher in die düst're Luft, Den Raub aus weiter Ferne schon verspürend. Dann trennten sie sich beid' und flogen fort In's öde, weite, dumpfig düst're Reich Des Chaos, und mit Kraft, die mächtig war, Auf Wassern schwebend, trieben sie die festen Und schlammigen Dinge wie ein wildverworrnes, Durchwühltes Meer zusammgeschichtet rings, Von beiden Seiten in den Schlund der Hölle. Wie wenn zwei Winde, die vom Pol' entgegen Sich weh'n, auf Croniums Meer die Eisgebirge Zusammentreiben, die den Weg nach Osten Jenseits Petsoras nach den reichen Küsten Cathay's eng versperren. Darauf schlug Der Tod den Schlamm mit seiner Keule trocken, Die schnell versteinert, wie mit einem Dreizack, Und stampft ihn fest wie Delos, als es schwamm. Das And're bannt sein Blick, gorgonenkräftig; Sodann befestigten sie dicht die Küste, Breit wie das Höllenthor und tief sich streckend, So weit der Hölle Wurzeln reichten, führten Gewölbt den grenzenlosen Damm hinüber Den tiefen Schlund, als ungeheu're Brücke, Die an der Erde feste Mauer grenzte, Der Welt, die schutzlos jetzt dem Tod verfiel. So führte nun ein breiter eb'ner Weg, Der ganz bequem auch war, zur Hölle nieder. So kam, wenn Kleines man mit Großem kann Vergleichen, Xerxes einst, um Griechenlands Freiheit zu unterjochen, an das Meer Von Susa, dem memnonischen Palast, Und einte mit Europa Asien Durch Brückenschlagen über'n Hellespont, Und geißelte mit manchem Schlag die Wogen. – Nun hatten Beid' ihr Wunderwerk erschaffen, Das als ein Felsenhang hoch über'n Schlund Geführt war, Satans Spuren treu verfolgend, Wo er zuerst die Schwingen niederließ Und sicher aus dem Chaos an der Mauer Der runden Erde jüngst gelandet war. Mit Ketten und mit Riegeln von Demant Ward Alles fest gemacht, fast all zufest. Bald waren nun des höchsten Himmels Grenzen Und diese Welt erreicht, zur Linken lag Der Hölle Pfad im langen Strich dazwischen. Dreifacher Weg nach drei verschied'nen Räumen! Jetzt hatten sie den Erdenweg entdeckt, Der sie zuerst zum Paradiese führte, Als Satan einem Strahlenengel gleich Sich zwischen dem Centaur und Skorpion Hinsteuert zum Zenith, indeß die Sonne Schon in den Widder trat. Er kam verkleidet. Die theuern Kinder doch erkannten bald Den Vater, ob er auch verkleidet war. Als Eva er verführt, schlich er sich sacht Zum nahen Wald, und die Gestalt vertauschend, Um den Erfolg zu seh'n, bemerkt er froh, Wie Eva, zwar unwissend, seine List Auf Adam auch verpflanzte, sah die Scham, Die eitle Hüllen suchte; doch als Satan Den Sohn des Ew'gen niedersteigen sah, Um ihn zu richten, floh er ganz erschrocken; Zwar hoffnungslos, der Strafe zu entgehn, Jedoch um nur des Höchsten Zorn zu meiden; In Furcht ob seiner Schuld vor heft'gem Schlag'; Auch sie verschwand, er kehrte Nachts zurück, Und lauschte, wie das unglücksel'ge Paar In traurig herber Rede vielfach klagte, Woraus er auf sein eignes Urtheil schloß, Und da er hörte, daß es plötzlich nicht, In Zukunft erst vollzogen werden solle, Kehrt er erfreut zur Hölle mit der Kunde, Und traf am Rand des Chaos, nah' am Fuß Der neuen Wunderbrücke, seine Kinder, Die ihn gesucht. Bei ihrem Wiedersehn, War große Lust, und größ're noch, als Satan Das wundersame Werk der Brücke sah. Lang stand er staunend, bis die schöne Sünde, An Zauber reich, das Schweigen also brach: »O Vater, dies sind Deine großen Thaten Und Siegstrophä'n, ob Du's auch selbst nicht weißt, Du bist ihr Schöpfer und ihr erster Meister, Denn kaum errieth in meinem Herzen ich, (Das durch geheime Harmonie mit Deinem Zugleich sich regt), daß Dir's auf Erden glückte, Was deine Blicke gleichfalls jetzt mir sagen, Als ich sogleich, obwol getrennt von Dir, Den Drang empfand zugleich mit Deinem Sohn Dir nachzuzieh'n; ein solches Loos vereint Uns jetzt. Die Hölle konnte länger nicht Uns halten, noch auch dieser Abgrund hindern, Um Deinem Pfad zu folgen. Du hast uns're Freiheit vollendet, die durch Höllenthore Verschlossen war; Du gabst uns die Gewalt, So weit die finst're Tiefe zu befest'gen, Und diese Brücke drüberhin zu schlagen. Dein ist die ganze Welt; Dein Muth gewann, Was Deine Hände nicht erbaut. Mit Vortheil Erobert Deine List, was wir verloren, Und rächte ganz vollkommen unsern Sturz.« Erfreut entgegnet der Monarch der Nacht: »O schöne Tochter und Du Sohn und Enkel, Das beste Zeugniß gabt ihr von dem Stamm Des Satans (denn des Namens rühm' ich mich, Als Feind des höchsten Herrschers in dem Himmel) Ein groß Verdienst erwarbt ihr euch um mich, Und um das Höllenreich, da ihr so nah' Am Himmelsthor ein Siegesmal an's and're Verbandet, mein's mit diesem großen Werk, Daß ihr zu einem Königreich die Hölle Und diese Welt gemacht, zu einem Reich Von leichtester Verbindung. Während ich Durch Nacht auf euerm Pfad hinunterstieg Zu meiner Bundesmacht, um den Erfolg Zu künden und mit ihnen mich zu freu'n, Steigt ihr indeß auf diesem Pfad hinab Inmitten dieser zahllos reichen Kugeln, Gerad' in's Paradies und herrschet dort; Regiert auf Erden dann und in der Luft Zumeist den Menschen, der zum einzigen Beherrscher ward ernannt. Versichert euch Als eures Sclaven seiner und vertilgt Zuletzt ihn. Geht als meine Stellvertreter, Als die Erwählten meiner Macht auf Erden, Die unbesiegbar sich durch mich erstreckt. Von eurer einigen Kraft hängt mein Besitz Des neuen Königreiches gänzlich ab, Das ich durch Sünde jetzt dem Tod ertheile. Wenn ihr vereint die Herrschaft dort verwaltet, Dann darf die Hölle keinen Schaden fürchten, Drum gehet eures Wegs und zeigt euch stark.« Er sprach dies und entließ sie. Eilig nahmen Sie ihren Weg durch dichte Sternenheere, Ihr Gift verbreitend; die erschreckten Sterne Erloschen, die Planeten ganz gelähmt Erlitten wirkliche Verdunkelung. Auf anderm Wege ging der Satan hin. Den Damm hinab, der in die Hölle leitet. Das Chaos überwölbt erbrauste wild Und stürmte prallend mit dem Wogenschwall Am Felsendamm, der seines Wüthens höhnte, Durch's Höllenthor, eröffnet, unbewacht Schritt Satan und fand ringsum Alles öde, Denn jene, welche hier die Wache hielten, Sie hatten ihren Posten jetzt verlassen Und waren in die Oberwelt geeilt. Die andern alle hatten sich in's inn're Land Entfernt, zum Wall des Pandämoniums, Der Stadt, des stolzen Sitzes Lucifers, Der jenes hellen Sternes Namen trägt, Dem Satan gleich war. Legionen hielten Die Wache dort, indeß im Rath die Großen Bekümmert saßen, welcher Unfall wol Den abgesandten Herrscher aufgehalten. So hatte Satan scheidend noch befohlen, Und sie gehorchten. Die verdammte Schaar Ließ jetzt der Hölle Raum verödet liegen, Einsam und wüst, zu ihrer Hauptstadt Wache Sorgsam sich einend, und mit jeder Stunde Den großen Abenteurer bang erwartend, Wie er von fremden Welten kehren würde: Als er durch ihre Reihen unbemerkt Dem Scheine nach als ein gemeiner Krieger Vom untern Rang der Engelschaaren schritt. Unsichtbar dann von seines Saales Thor Bestieg er seinen hohen Sitz, der unter Thronhimmeln von dem köstlichsten Gewebe Im königlichen Prunke sich erhob. Hier saß er ein'ge Zeit, und blickt umher, Ganz ungesehn. Zuletzt erschien aus Wolken Sein leuchtend Haupt und seine sternenlichte, Fast lichtere Gestalt, mit jenem Schein Der noch vergönnt ihm war seit seinem Fall, Vielleicht auch nur mit Flitter ausgeschmückt. Verwundert über dieses Leuchten plötzlich Wandt ihren Blick die stygische Geisterschaar, Und sah ihr lang ersehntes Herrscherhaupt; Laut war das Jauchzen, voller Hast erhoben Die mächtigsten Genossen sich vom Divan, Und näherten sich mit Entzücken ihm, Der jetzt ihr Glück verheißend mit der Hand Und mit den Worten Ruhe sich gewann: »Ihr Throne, Fürsten, Herrscherkräft' und Mächte, Und durch Besitz, nicht durch das Recht allein! Euch künd' ich jetzt, nachdem ich heimgekehrt Und glücklich zwar ganz wider mein Verhoffen, Als Sieger euch aus dem verfluchten Pfuhl Des Höllengrausens, aus dem Haus des Jammers, Dem Kerker seiner Tyrannei zu führen! Nehmt jetzt als Herrscher einer Welt Besitz, Die nicht geringer ist, als jener Himmel, Wo wir geboren wurden; es gelang Dies Werk mir nur durch mancherlei Gefahr. Lang wär's, zu künden meine Thaten euch, Mein Leiden und mit welchen Müh'n ich zog Durch jene grenzenlose weite Tiefe Voll Wirrniß, über die ein breiter Weg Von Sünd' und Tod für euch geschaffen ward, Um euern Gang mehr zu beschleunigen. Ich aber bahnte mühsam mir den Pfad, Gezwungen auf dem Abgrund hinzugleiten Und in den Schooß der ungebor'nen Nacht Des wilden Chaos mich hinabzusenken, Das eifersüchtig auf geheime Dinge Sich furchtbar meinem Laufe widersetzte, Mit großem Lärm das Schicksal selbst berufend. Dann traf ich auch die neugeschaff'ne Welt, Die schon im Himmel das Gerücht verkündet, Ein selt'nes und vollkommenes Gebäude; Worin der Mensch im Paradiese weilt, Durch unsern Bann in Seligkeit versetzt. Doch hab' ich ihn durch Ränke schlau verlockt, Und zwar, um euer Staunen zu vermehren, Mit einem Apfel. Er, darüber falsch, (Für euch zum Lachen nur) gab seine lieben Geschöpfe drauf dem Tod, der Sünde preis; Und so auch uns und ohne Müh' und Wagen, Wir schweifen auf der Erd' und wohnen drauf, Beherrschen nun die Menschen, wie erst sie Regieren sollten. Wahr ist's, daß er auch Mich richtete, vielmehr jedoch nicht mich, Die unvernünft'ge Schlange nur, in deren Gestalt ich erst das Menschenpaar getäuscht, Mir legt er Feindschaft auf, die zwischen mir Und dem Geschlecht der Menschen herrschen soll. Ich steche seine Fersen und sein Same Zertritt – jedoch das Wann ist ungewiß – Mein Haupt. Wer würde denn nicht eine Welt Für solche Wunde gern erkaufen wollen? Wer würde nicht viel ärg're Schmerzen tragen? Ihr kennt nun den Bericht von meinem Thun. Was bleibt, ihr Götter, übrig noch, als schnell Hinweg und euern Segen zu genießen?« Als er dies ausgesprochen, schwieg er erst Erwartend, daß ein allgemeiner Jubel Und Beifall stürmisch ihn umrauschen würde, Als er von allen Seiten gräßliches Gezischel von unzähl'gen Zungen hörte, Den scharfen Ton des allgemeinen Hohns. Er staunte, doch nicht lange hatt' er Zeit, Da er ob seiner selbst noch mehr erstaunte. Er fühlte jetzt sein Antlitz spitz und schmal, Wie Arm und Rippen in einander klebten, Und wie in Eins die Schenkel sich verflochten, Bis er als riesige Schlange niederfiel Auf seinem Bauche kriechend und umsonst Sich sträubend, diesem Schicksal zu entgehn, Denn eine größ're Macht beherrscht ihn jetzt, Und straft ihn mit der Form, drin er gesündigt, Er wollte sprechen, doch es ward Gezisch Gespalt'ner Zunge zu gespalt'nen Zungen, Denn alle waren eben so verwandelt, Theilnehmer seiner schmählichen Empörung. Furchtbar erscholl das Zischen in der Halle, Wo Ungeheuer ringsum wimmelten, Mit Köpfen und mit Schwänzen eng verschlungen, Scorpionen, Nattern, Klapperschlangen, Hydern, Boa's und Ottern (so war kaum der Boden Dereinst von Schlangenbrut besät, da er Benetzt ward von dem Blute der Gorgone). Satan ragt als der Größte, schon zum Drachen Erwachsen, größer noch als jener, den In Pythiens Thal aus Schlamm die Sonne zeugte; Die Riesenkraft schien immer ihm zu bleiben. Sie folgten All' ihm auf das freie Feld, Wo auch die and're Schaar gefall'ner Geister Auf Wache stand und stolz erwartete, Wann siegreich wol ihr Herrscher nahen werde. Sie sahen wol, doch einen andern Anblick, Der großen Schlangen fürchterlichen Schwarm, Ein Schauder faßt sie, schrecklich Gleichgefühl, Und sie empfanden sich schon selbst verwandelt, Es sanken ihre Waffen, wie sie selbst Und grausenhaft Gezisch erneute sich, Wie eine Seuche steckt die gräßliche Gestaltung an; die Strafe theilte sich Wie ihr Verbrechen mit. So wurde jetzt Aus Beifallsruf verhöhnendes Gezisch; Aus Triumphiren Schmähung über sie Mit ihren eig'nen Zungen dargebracht. Daneben stand ein Hain, der plötzlich auch Bei der Verwand'lung aufgesprossen war, So hatt' es der allmächt'ge Gott gewollt, Um ihre Strafe mehr noch zu verstärken; Es wuchsen schöne Früchte dran, gleich jenen Im Paradies, womit der Satanas Eva verführte. Dieses Schaugericht Zog alle Blicke hin, und alle glaubten, Daß statt des einen untersagten Baums Jetzt eine Menge wüchsen, um auch Schmerz In ihnen zu erregen. Doch von Durst Gemartert und von wilder Hungergier Vermochten sie nicht den Genuß zu flieh'n, Obwol er sie nur höhnte. Vorwärts wälzten Sie sich in Haufen, klommen auf die Bäume. Wo sie in dichtern Massen hingen, als Die Schlangenlocken auf Megären's Haupt. Begierig pflückten sie die Früchte sich, Die gar so lieblich waren, jenen gleich, Die fern dem Schwefelsee, wo Sodom flammte. Sie all', in Schlangenform verwandelt jetzt, Genossen Asche statt der süßen Frucht, Womit sie wähnten, ihr Gelüst zu stillen, Und spieen sprudelnd Alles wieder aus; Oftmals versuchten sie's, weil Durst und Hunger Sie reizte, doch so oft auch füllte sich Ihr Gaumen nur mit Kohlen und mit Ruß; So oft verfielen sie derselben Täuschung Nicht einmal wie der Mensch, den sie verspottet. So quält und peinigt Zischen sie und Hunger, Bis ihnen Gott auf's Neue die verlor'ne Gestalt verlieh. In jedem Jahr jedoch, So sagt man, müssen sie auf Tage sich Demüthigend der Verwandlung unterzieh'n, Um ihren Stolz und ihren Jubel ob Des Menschen Fall erniedrigend zu beugen. Indessen kam in's Paradies zu bald Das Höllenpaar; die Sünde, die als Macht Zuvor gewirkt dort hatte, nahte jetzt Leibhaftig, um sich nieder dort zu lassen, Dicht folgte hinter ihr auf Schritt und Tritt Der Tod, noch nicht auf seinem fahlen Roß, Und zu ihm wandte sich die Sünde so: »Du zweiter Sprößling Satans, der Du Alles Besiegen wirst, o Tod! was meinst Du wol, Von unserm Reich, ob mühvoll auch errungen; Ist's nicht viel besser, als am Höllenthor Ganz unbekannt zu hocken und zu wachen, Und ungescheut – und Du fast halb verhungert?« Hierauf erwidert schnell der Sünde Kind: »Mir, der in ew'ger Hungerfolter schwebt, Ist Himmel, Paradies und Hölle gleich. Am liebsten bin ich da, wo sicher mir Der meiste Raub wird, welcher hier für mich Ob reichlich auch, doch zu gering erscheint, Um diesen leeren weiten Leib zu füllen.« Darauf entgegnet ihm die sünd'ge Mutter: »Verzehr' erst diese Kräuter, Frücht' und Blumen, Dann jedes Thier, die Vögel und die Fische, Nicht üb'le Bissen, kurz ein jeglich Ding, Was nur die Sense niedermäht der Zeit, Verschlinge sonder Schonung, während ich Im Menschen wohnend, durch's Geschlecht Gedanken Und Blicke, Worte, Thaten stets vergifte, Und sie zu Deiner süßen Kost bereite.« Nach diesen Worten wandelten sie Beide Verschied'nen Weg, um Alles zu zerstören, Unsterblichkeit den Wesen zu entzieh'n, Und sie zum Untergange reif zu machen. Als der Allmächt'ge von dem Strahlenthron Dies sahe, sprach er zu der Engelschaar: »Gewahrt, mit welcher Gier die Höllenhunde Auf Plünd'rung und Zerstörung jener Erde Anrücken, die so herrlich ich erschuf, Und die ich immer gut erhalten hätte, Wenn nicht des Menschen Thorheit jene Furien Einließ, die mich für thöricht jetzo halten. So wähnt der Höllenfürst und seine Schaar, Weil ich geduldet, daß sie dorthin wandeln Und herrschen in dem himmlisch holden Raum, Und weil ich gütig meinen Feinden Glück Zu leihen scheine, die jetzt meiner lachen, Als ob ich in Gewalt der Leidenschaft Dies Alles ihnen preis gegeben hätte, Und ihrer Herrschaft überlassen, während Sie nimmer ahnen, daß die Höllenhunde Ich nur berief, den Schmutz und Koth zu räumen, Den jüngst des Menschen Sünde mit Verderben Auf Alles niedergoß, was rein sich wies, Bis zum Zerbersten wüthend angefüllt Ob des verschlung'nen Wustes, theurer Sohn! Dein allgewalt'ger Arm mit einem Schlag Die Sünde sammt dem Tod, des Grabes Gähnen Durch's Chaos schleudert, und den Höllenschlund Auf ewig schließt und seinen Rachen stillt. Dann wird der Himmel und die Erde sich Erneuert seiner Heiligkeit entfalten, Bis dahin liegt auf Beiden jener Fluch.« Er schwieg. Des Himmels Chöre jauchzten laut Ihr Hallelujah, wie des Meeres Brausen Erscholl es durch die Menge, welche sang: Gerecht sind Deine Wege, Herr, gerecht Dein Wille, wer vermöchte Dich zu tadeln? Dann sang ihr Lied den Sohn, den Menschenretter, Durch welchen Erd' und Himmel neu ersteh'n, Und der vom Himmel niederkommen wird! So war ihr Sang. Der Schöpfer rief indeß Die mächtigen Engel bei dem Namen an, Und jedem einen Auftrag zu ertheilen, Wie gegenwärtig er am besten schien. Zuerst erhielt die Sonne den Befehl, So sich mit ihren Strahlen zu bewegen, Daß sie der Erde Kält' und Hitze lieh, Die kaum ertragbar, daß vom Norden sie Den Winter und vom Süd' den Sommer rufe. Dem bleichen Mond ertheilten sie sein Amt, Den andern fünf Planeten ihren Lauf Und ihre Stellung in dem Schein des Sechsecks, Des Vierecks und auch des gedritten Scheins Des Gegensatzes, der uns Schaden bringt, Um sie, uns unheilbringend, zu vereinen. Sie lehrten drauf die fixen Sterne, wann Bösartigen Einfluß sie zu äußern hätten, Der mit der Sonne steigend oder sinkend Als Sturm der Erde sich verkünden solle. Den Winden setzten sie die Winkel fest, Wenn sie mit Brausen Wasser, Luft und Strand Umwühlen sollten, wann der Donner furchtbar Durch dunkeln Raum der Lüfte rollen solle. Wie Manche sagen, hieß der Höchste dann Den Engeln schief die Erdenpole drehn, Zwei Mal zehn Grad und mehr noch von der Axe Der Sonne. Mühsam schoben sie nun schräg Den in den Mittelpunkt gestellten Ball. Noch And're meinen auch, die Sonne hätte Die Laufbahn lenken müssen von dem Pfad Der Nacht- und Tagesgleiche, der an Breite Dem Stiere gleich kommt mit den sieben Schwestern So wie den Dioskuren, bis zum Krebs, Von da durch Löwe, Jungfrau und die Wage Bis zu dem Steinbock sich hinabzusenken, Um jenen Zonen auch der Jahreszeiten Abwechselung zu gewähren. Früher hatte Mit Blumen ein beständ'ger Frühling nur Bei Tag und Nacht dem Erdenrund gelacht, Nur jenen Kreis an Polen ausgenommen. Doch als die Frucht genossen war, da wandte Die Sonne sich von ihrer frühern Bahn, Wie später einst beim Gastmahl des Thyest. Wie hätte sonst die Welt, ob sündenlos, Der Kälte Graus und wie der Hitze Glut Vermeiden können? Die Verändrung Am Himmel, wenn auch langsam, schuf für Meer Und Länder gleichen Wechsel, Sternendunst Verderbten Nebel, Pest und Seuchen brauend. Jetzt brachen auch im Norden Norumbega's Und vom Gestad der Samojeden her Aus ehrnen Kerkern und bewehrt mit Eis, Mit Schnee und Hagel, Stürmen und Orkanen Boreas und Cäcias hervor, so wie Argestes, Thrasias, die Waldungen Zerkrachend und die Meere wild durchpeitschend. Von Süd' entgegen blasen ihnen Afer Und Notus, schwarz von grausen Donnerwolken Aus Serragliona; quer durch diese hin Entstürzen wild die Wind' aus Ost und West Eurus und Zephir, und zur Seite tönt Siroccos und Libecchio's wild Geheul. Lebloser Dinge Kampf begann somit, Doch Zwietracht als der Sünde Tochter hatte Zuvor den Tod bei unvernünft'gen Wesen Schon eingeführt und weckte blut'gen Haß; Thier führte jetzo Krieg und Kampf mit Thier, Und Vogel stürzt auf Vogel, Fisch auf Fisch, Sie nährten sich von Kräutern nicht des Feldes, Eins schlang das And're nur; sie hatten selbst Nicht Scheu mehr vor den Menschen, sondern floh'n Und starrten grimmig ihn von Weitem an. Dies war das äuß're, wachsende Verderben, Das Adam schon zum Theile selbst geschaut, Obwol er sich in dunkle Schatten barg, Dem Kummer überlassen, Aergeres Im Innern fühlend, und auf einem Meer Von Leidenschaft umher gestoßen, sucht' Er seiner Schmerzen so sich zu entladen: »Welch Elend nach so hoher Seligkeit! Ist dies das Ende dieser neuen Welt Und mein's, der ich die Krone war des Glanzes, Verflucht nach solchem Segen jetzo bin? Verborgen stets vor Gottes Angesicht, In das zu schauen einst mein höchstes Glück! O wohl mir, wenn der Jammer hier sich schlösse; Da ich's verdient, ertrüg' ich meine Schuld, Doch frommt dies nicht, denn Alles, was mir Trank Und Speise bieten, was ich euch erzeuge, Ist fortgepflanzter Fluch. O jene Stimme, Die ich entzückt vernahm: ›Vermehret euch! Seid fruchtbar!‹ klingt mir jetzo nur wie Tod! Was könnt ich zeugen, was vermehren wol Als auf mein Haupt nur Flüche? Künftig wird Mein Stamm das Uebel fühlen, das ich zeugte, Und wird mir fluchen. ›Alles Uebel komme Auf unsern Ahn, denn wir verdanken's ihm!‹ Doch dieser Dank wird nur Verfluchung sein, Der eigne Fluch wird nicht allein mich treffen, Des ganzen Stammes Fluch wird auf mich fallen, Er wird auf mir, als seinem Mittelpunkt, Den die Natur erschuf, gewaltig lasten. O flücht'ge Lust des Paradieses, theuer Mit ew'gem Leid erkauft. Ersucht' ich Dich, O Schöpfer, mich aus Lehm zu einem Menschen Zu schaffen? Bat ich Dich, aus ew'ger Nacht Mich zu erheben, und den holden Garten Mir zu verleih'n? Wenn dann mein Wille nicht Zu meinem Dasein wirkte, war es recht In meinen Staub mich wiederum zu wandeln? Gern geb' ich Alles wieder Dir zurück, Was ich erhielt, ich bin nicht stark genug Dein streng Gebot zu halten, welches mir Das Gute schirmen soll, das ich nicht suchte. Warum hast Du zur Strafe des Verlustes Noch das Gefühl endloser Pein gefügt? Nicht zu ergründen scheint an Dir mir Deine Gerechtigkeit doch recht' ich jetzt zu spät. Als Dein Gebot Du mir verkündetest, Hätt' ich zurück es weisen sollen; aber Du nahmst sie an; willst Du das Gute schlürfen, Und dann spitzfindig die Bedingung tadeln? Ob Gott Dich ohne Zustimmung auch schuf, Wie wenn Dein Sohn einst ungehorsam wär' Und dann bestraft entgegnete: Warum Hast Du mich denn gezeugt? Ich wollt es nicht! Ha! würdest Du den Hohn in dieser Antwort Ihm wol gestatten? – Doch ihn zeugte ja Nicht Deine Wahl, der Trieb nur der Natur. Es schuf mich Gott allein nach seiner Wahl Von seinem Eignen, um ihm zu gehorchen; Mein Lohn war also Gnade nur von ihm, Und mich zu strafen hat er darum Recht. Es sei, ihm unterwarf ich mich, gerecht Erscheint sein Spruch, daß Staub ich bin und werde. Willkommne Stunde, wenn der Tod mir naht, Sei's auch auf ewig! Warum zaudert denn Noch seine Hand, was sein Gebot auf heut Bestimmt? Was leb' ich noch den heut'gen Tag? Warum werd' ich vom Tode noch verhöhnt Und noch zu todesloser Pein verspart? Wie freudig harrt ich meiner Sterblichkeit Und meinem Spruch, fühlloser Staub zu werden Wie freudig legt ich mich im Mutterschooß, Dort würd' ich sicher Ruh und Schlaf genießen, Und seine Donnerstimme träf' nicht mehr Mein Ohr; und Furcht vor schlimmerm Loos für mich Und meine Kinder quälte mich nicht mehr. Doch noch ein Zweifel stellt mir immer nach, Daß ich nicht gänzlich stürbe, daß dereinst Der reine Lebenshauch, der Geist, die Seele, Die Gott mir gab, mit dieser Körperhülle Vernichtet würde; dann müßt' ich im Grab Vielleicht an einem andern grausen Ort Lebend'gen Tod erdulden. Fürchterlicher Gedanke, wenn dies wäre, doch warum? Nur Hauch des Lebens war's, der sündigte; Es stirbt, was Leben hatt' und Sünde zeigte, Der Leib jedoch hat Keines von den Beiden. So wird denn Alles sterben wol an mir, Dies mag den Zweifel stillen, weil ja doch Nichts weiter menschliches Vermögen weiß. Wenn auch der höchste Herr unendlich ist, Wird dies sein Zorn auch sein? Es sei, der Mensch Ist endlich und zur Sterblichkeit verdammt. Wie kann er Zorn ausüben sonder Ende Am Menschen, den der Tod doch enden muß? Kann er den Tod vielleicht untödtlich machen! Dies wär' ein sonderbarer Widerspruch, Der selbst für Gott unmöglich denkbar ist, Als ein Beweis von Schwäche, nicht von Macht. Wollt' er des Zornes wegen, Endliches Unendlich machen, um der Strenge willen, Die niemals doch befriedigt werden kann? Doch wie, wär' nicht ein einz'ger Schlag der Tod, Wie ich gewähnt, der das Gefühl benimmt; Wär' er ein endlos-grenzenloser Schmerz, Den ich zu fühlen schon beginne, theils in mir, Theils außer mir! Die Furcht der Ewigkeit Stürzt donnernd nieder auf mein schuldlos Haupt; Der Tod und ich sind ewig, beid' ein Wesen, Nicht ich allein, nein auch mein ganzer Stamm Ist schon in mir verflucht! O herrlich Erbe! Das ich den Enkeln hinterlassen muß! O könnt' ich's nur vergeuden ganz allein, Um Niemand je ein Erbtheil zu verlassen; Enterbt, wie würdet Enkel ihr mich segnen, Dem einst ihr fluchen müßt! Ach warum soll Für eines einz'gen Menschen Schuld das ganze Geschlecht so schuldlos doch verurtheilt werden! Doch wär' es schuldlos? Was von mir entspringt, Kann nur an Seel' und Geist verdorben sein, Nicht nur wie ich zu handeln, sondern auch Den gleichen Willen so wie ich zu haben. Wie könnten sie vor Gottes Angesicht Schuldlos sich zeigen? Ihn doch sprech' ich frei; All' meine leeren nicht'gen Schlüsse leiten Zuletzt mich zu der eignen Ueberführung, Zuerst, zuletzt fällt immer nur auf mich Die Quelle jeglicher Verdorbenheit, Die Last der Schuld. O träfe mich auch so Der Zorn! Einfält'ger Wunsch! Vermöchtest du Die Last zu tragen, schwerer denn die Erde, Ja wie die ganze Welt, obwol getheilt Mit diesem schuld'gen Weib! Was du begehrst Und fürchtest, das vernichtet alle Hoffnung Und zeigt dich als so namenlos unglücklich, Wie kaum ein Beispiel der Vergangenheit Und Zukunft. Nur dem Satan bist du gleich, Sowol an Strafe wie auch an Verbrechen! Gewissen! welchen grausenhaften Schlund Von Furcht und Schreck eröffnest du vor mir! Kein Weg daraus, nur immer tief'rer Sturz!« So klagte laut Adam sich selbst die Qual In stiller Nacht, die jetzt nicht mehr wie früher Gesund und mild und kühl; vielmehr umnebelt In grausenhafte Dunkelheit gehüllt, Die dem Gewissen alle Dinge nur Mit grellern Farben wies. Er lag gestreckt Auf kaltem Boden und verfluchte seine Erschaffung, dann verflucht' er auch den Tod, Daß er so langsam schleiche, da er ihm Verkündet sei am Tag der Uebertretung. »Warum kommt nicht der Tod zu mir, mit einem Drei Mal willkommnen Schlag mein Sein zu enden? Wird denn die Wahrheit nicht ihr Wort mir halten Und göttliche Gerechtigkeit nicht eilen Gerecht zu sein! Jedoch es naht der Tod Nicht auf den Ruf, und die Gerechtigkeit Verdoppelt ihren Schritt nicht ob der Klagen Und Bitten. O! ihr Wälder, Quellen, Hügel Und Thäler, ein ganz andres Echo ließ Ich jüngst aus euch ertönen, andern Sang!« Da Eva ihn so tief bekümmert sah, Erhob sie sich vom einsam stillen Sitz Und suchte nahend durch gelinde Worte Die wilde Leidenschaft in ihm zu mildern, Doch er wies sie gestrengen Blicks zurück: »Du Schlange! fort aus meinem Angesicht! Der Name ziemt am besten sich für Dich, Mit ihr im Bund, bist Du auch selber so Verhaßt und falsch! es fehlt nur die Gestalt, Die Farbe noch wie sie die Schlange hat, Um alle Wesen rings vor Dir zu warnen, Damit nicht Deine himmlisch holde Form, Der Hölle Falschheit listig übertünchend, Sie noch ungarne! Glücklich wär' ich stets Verblieben ohne Dich, wenn nicht Dein Stolz, Dein Eigensinn verlachte meine Warnung, Wenn Du nicht grolltest, als ich Dir nicht traute, Da Sicherheit just auf dem Spiele stand. Du wünschtest eitel, daß Dich Andre sähen, Und wär's der Satan selbst, im Wahn, auch ihn Zu überlisten, aber warst getäuscht, Als Du die Schlange trafst. Du bist durch sie Bethört, und ich durch Dich, als ich vertrauend Dich von mir ließ, da ich Dich weise glaubte, Standhaft und jedem Angriff kecklich trotzend; Ich wußte nicht, daß Alles Schein nur war, Statt wahrer Tugend; Alles eine Rippe, Krumm von Natur, aus meiner linken Seite Genommen, die als überzählig besser Sogleich hinweg geworfen werden mußte. Warum hat Gott doch, dieser weise Schöpfer, Der selbst den Himmel nur mit Geistern schuf Vom männlichen Geschlecht, zuletzt auf Erden Dies herrliche Gebrechen der Natur Noch eingeführt, und nicht die Welt sofort Mit Männern angefüllt, ganz ohne Frau'n, Und einen andern Zeugungsweg erdacht? – Dies Unheil wäre nimmer ausgebrochen, Und größres Unheil würde nie geschehn, Unzählige Zerstörung wird auf Erden Durch Frauenlist und Liebe sich gebären, Der Mann wird selten wol ein passend Weib Gewinnen; solche nur voll Mißgeschick, Und selten wird ihm die, so er gewünscht; Gewahren wird er, wie verkehrt und eitel Sie sich an einen Andern, schlechtern hängt; Oft wird sie von den Eltern ihm versagt, Oft findet er zu spät ein glücklich Weib, Wann er bereits an eine böse Feindin Gekettet ist, die Haß und Schmach ihm beut. Unendlich Elend wird im Leben dies Bewirken und des Hauses Ruhe stören.« Er schwieg und wandte sich hinweg von ihr; Doch Eva, keineswegs dadurch verscheucht, Sank ihm zu Füßen voller Hingebung, Mit Thränen, die in reichen Strömen flossen, Und mit verwirrtem Locken-Haar und flehte, Sein Knie umfassend, um Verzeihung ihn, Und fuhr in lauten Klagen also fort: »Adam, verstoß mich nicht! Der Himmel sei Mein Zeuge, was für Lieb' ich zu Dir hege, Den ich unwissentlich beleidigte, Betrogen selbst in unheilvoller Stunde. Voll Reu' umfass' ich Deine Kniee jetzt! O nimm mir nicht, woran mein Leben hängt, Nicht Deinen sanften Blick und Deine Hülfe, Den weisen Rath in dieser höchsten Noth, Der jetzt allein mir Stärk' und Stütze leiht. Von Dir verlassen, wohin sollt' ich fliehn? Wo bleiben jetzt? So lange wir noch leben, Vielleicht nur eine kurze Stunde noch, Laß zwischen uns vollkomm'nen Frieden walten, Laß uns vereint sein, wie im Ungemach, Jetzt in der Feindschaft gegen einen Feind, Den uns das Urtheil ganz genau bezeichnet, Als arge Schlange. Zeig' nicht Deinen Groll Ob des gescheh'nen Unheils jetzo mir, Der schon Verlornen, die ich größre Pein Als Du empfinde. Ja wir sündigten, Du gegen Gott allein, ich gegen Gott Und Dich. Zum Orte des Gerichtes kehr' ich, Bestürme heiß mit Klagen dort den Himmel, Damit der Spruch, von Deinem Haupt gewendet, Allein nur mich, nur mich alleinig treffe, Die ich der Grund von Deinen Schmerzen bin! Auf mich nur falle sein gerechter Zorn!« Sie schwieg und weinte. Diese demuthreiche Bewegungslose Lage, bis Vergebung Von ihm für die gestandne Schuld ihr ward, Erregt in Adam Mitleid; weicher schlug Sein Herz für sie, die jüngst sein Leben war; Sie, sein Entzücken, lag demüthig jetzt Zu seinen Füßen kummervoll gestreckt; Ein solch Geschöpf voll Schönheit fleht von ihm, Den sie erzürnt erst hatte, jetzt Verzeihn, Beistand und Rath. Entwaffnet stand er da, Sein Groll entwich, und milder sprach er dann: »So unbedacht, wie früher, wünschest Du Die ganze Strafe Dir, die Du nicht kennst. Ach trage nur zuerst die eigne Last, Denn nicht vermagst Du seinen vollsten Zorn Zu dulden, dessen kleinsten Theil Du fühlst, Wenn Du mein Zürnen kaum ertragen kannst. Wenn Bitten Gottes Rathschluß ändern könnten, Würd' ich vor Dir zu jenem Orte flüchten, Und lauter flehn, daß auf mein einzig Haupt Die Strafe falle; Dir jedoch, dem schwächern Geschlecht, mir anvertraut und nur durch mich In die Gefahr gestürzt, Verzeihung werde. Indeß steh' auf, ein Ende sei dem Streit, Laß uns nicht tadeln mehr, denn Tadel ward Genug uns schon, laß uns in Liebe streben, Wie wir die Last uns wechselweis erleichtern, Denn der auf diesen Tag gedrohte Tod Wird sich vermuthlich nicht so plötzlich zeigen, Nein, als ein Uebel, welches langsam naht, Als ein Versiechen eines langen Tags, Die Qual zu mehren und auf unsern Samen, Den unheilvollen, dann sich fortzupflanzen.« Eva erwidert, neuen, festen Muthes: »Adam, zu traurig hab' ichs nur erfahren, Welch' ein gering Gewicht mein Wort bei Dir Jetzt gelten muß, das sich so falsch erwies. Doch aufgenommen neu in Deine Gunst, Voll Hoffnung Deine Liebe zu gewinnen, Die einz'ge Wonne meines Herzens, will Ich Dir gestehn, was für Gedanken jetzt In der bewegten Brust mir aufgestiegen, Sie wollen unser Elend lindern oder Vielleicht beenden, ob auch herb' und traurig, Jedoch in unserm Jammer zu ertragen. Wenn uns die Sorge für des Stammes Wohl Zumeist beängstigt, da die Kinder nur Gewisser Qual entgegengehn und endlich Vom Tod vernichtet werden, wenn es Jammer Und Elend ist, der Grund von fremdem Elend Von unserm eigenen Geschlecht zu sein, Und wir aus unsern Lenden einen Stamm In diese Welt des Fluches bringen, der Nach mühevollem Leben noch die Beute Solch eines grausen Ungeheuers wird, So liegt's in Deiner Macht, vor der Empfängniß Dies unglückselige Geschlecht zu hindern. Jetzt bist Du kinderlos, so bleib' es auch! So wird der Tod um seinen Raub getäuscht, Er ist gezwungen, den gefräß'gen Rachen Mit uns zu stillen. Scheint es Dir jedoch Zu hart und schwer, bei Worten, Liebesblicken, Der ehlichen Umarmung zu entsagen, Und voller Sehnsucht hoffnungslos zu schmachten In meiner Nähe, die ich minder nicht Voll Sehnen schmachte, was ein Elend wär', Wie kaum ein andres schon gefürchtetes: So können wir uns selbst und unsern Samen Mit einem Mal von uns'rer Furcht befrein, Wenn wir den Tod uns suchen; flieht er uns, Wird unsre Hand uns gleichen Dienst verleihn. Was schaudern wir und stehen so besorgt, Wovon uns nur der Tod befreien kann, Da wir von manchen Todeswegen uns Doch selbst den kürzesten erwählen können, Zerstörung mit Zerstörung zu vernichten?« Sie endete, denn der Verzweiflung Wuth Schloß ihre Rede; so gedachte sie des Todes, Daß ihre Wangen sich mit Blässe färbten. Auf Adam wirkte nicht ein solcher Rath, Denn nach weit bess'rer Hoffnung stand sein Sinn, Und er entgegnete der Eva dies: »Eva, daß Du das Leben und Vergnügen Verachtest, scheint auf Höheres in Dir Zu deuten, als wie die Genüsse sind, Die Du verwirfst; doch weil Du Selbstzerstörung Erwählst, wird dieser Vorzug widerlegt, Denn dies zeigt die Verachtung nicht in Dir, Nein, nur die Angst, der Gram ob des Verlustes Des heißgeliebten Lebens und Vergnügens, Ja oder wenn Du Tod ersehnst als Ende Des Jammers in dem Wahn, daß Du der Strafe Entgingst, dann zweifle nicht, daß Gott viel weiser Den Rächerarm gestählt, um ihn zu fliehn. Vielmehr befürcht' ich, daß ein solcher Tod Uns von dem Elend nicht entbürden wird, Das wir durch sein Gericht erdulden müssen, Nein, daß den Höchsten solcher Trotz nur reizt, Den Tod lebendig in uns zu verpflanzen. Laß einen sichern Ausgang uns erspäh'n, Den ich im Auge schon zu haben glaube, Wenn ich mich seines Urtheilspruchs erinn're, Wonach Dein Same stets der Schlange Haupt Zertreten soll. Armseliger Ersatz! Wenn nicht, wie ich vermuthe, Satan selbst Der große Feind damit bezeichnet ist, Der in der Schlange Form uns überlistet. Sein Haupt zu treten, wäre süße Rache, Die wir durch selbsterwählten Tod verlören; Und wenn wir kinderlos, wie Du gewollt, Die Tage schlössen, so entging der Feind Der ihm bestimmten Strafe, wir dagegen Verdoppelten sie nur auf unser Haupt. Drum rede nicht von solcher grausen That, Noch von absichtlicher Unfruchtbarkeit. Dies macht uns hoffnungslos und zeigt von Groll, Von Stolz, von Ungeduld und Widerstreben, Von Trotz nur gegen Gott und gegen jenes Gerecht uns auferlegte Joch der Strafe. Gedenke wie er huldvoll uns und gnädig Erhört' und ohne Zürnen richtete; Vermeinten wir doch plötzliche Vernichtung, Die uns an selbem Tage treffen würde – Dafür jedoch verkündet er nur Weh'n Dir beim Gebären, die sich bald in Freuden Ob Deines Schooßes Frucht verwandeln werden; Von mir auch wandt er so den Fluch, daß ich Im Schweiße nun mein Brod erwerben soll! Ist dies so arg, der Müßiggang wär' ärger; Die Arbeit wird mich immerdar erhalten, Und daß uns Kälte, Hitze nimmer schade, Hat seine Milde schon vorher gesorgt, Indem uns seine Hände kleideten, Was wir Unwürd'ge nie von ihm gefleht. Wenn wir ihn bitten, wird er um so eher Sein Ohr uns öffnen, sein Erbarmen zeigen, Uns lehren, wie die rauhe Jahreszeit Mit Regen, Eis und Schnee zu meiden ist. Was auf den Bergen schon die Luft uns zeigt, Indem die Winde feucht und schneidend wehn, Und in der Bäume schönen Locken wühlen, Dies heißt uns jetzt ein besser Obdach wählen, Um die erstarrten Glieder mehr durch Wärme Zu schirmen, eh' der Tagesstern die Nacht Uns kalt verläßt; wenn wir vielleicht die Strahlen Mit trocknem Stoff auffingen, oder auch Zwei Körper heftig rieben und gepreßt Die Luft in Feuer plötzlich wandelten, So wie die Wolken jüngst zusammenstießen, Vom Sturm getrieben, Blitze niederschossen, Deß zack'ge Flamme schnell die harz'ge Fichte Entzündete, daß fernhin sanfte Glut Verbreitet ward und statt der Sonne wärmte, Dies Feuer oder was es anders sei, Was unsern Uebeln abhilft, die wir selbst Verschuldeten, wird uns der Höchste lehren, Wenn wir ihn bitten und um Gnade flehn. So brauchen wir nie furchtsam unser Leben Dahin zu bringen, bis als Staub wir enden, Die letzte Ruh' und angeborne Heimath. Was könnten jetzo Besseres wir thun, Als zu dem Orte des Gerichtes gehn, Und dort ehrfürchtig vor ihm niederknieen, Demüthig unsre Fehler all' gestehn, Ihn um Vergebung bitten und mit Thränen Den Boden netzen und mit unsern Seufzern, Die aus zerknirschtem Herzen als die Zeugen Aufricht'ger Reu und innerlichster Buße Aufsteigen, rings der Lüfte Raum erfüllen! Dann wird er sonder Zweifel milder werden, Ablassen von dem Zorn. Der Herr, der jüngst Im zornerfüllten Augenblick der Strenge, Im heitern Antlitz Mild' und Gnade noch, Wohlwollen selbst für uns noch leuchten ließ.« So sprach Adam in tiefgefühlter Buße, Auch Eva fühlte mindre Reue nicht, Sie eilten zu dem Orte des Gerichts, Und knieten voller Ehrfurcht vor ihm hin, Bekannten dann demüthig ihre Schuld. Sie flehten um Vergebung, und mit Thränen Benetzten sie den Boden, und mit Seufzern Erfüllten sie die Luft, die als die Zeugen Aufricht'ger Reu' und innerlichster Buße Aufstiegen aus dem argzerknirschten Herzen. Elfter Gesang Elfter Gesang. Demüthig, reuevoll erflehten sie Vergebung; denn der Gnade milder Strahl Vom Throne des Erbarmens steigend, hatte Die stein'ge Rinde jetzt von ihren Herzen Entfernt und neues Fleisch dafür erschaffen. Die tiefsten Seufzer stießen sie nun aus, Die ihnen des Gebetes Geist verlieh Und zu dem Himmel schnellern Flugs beschwingte, Als lautester Gesang. Auch ihre Stellung War jene nicht gemeiner Bittenden, Und ihre Bitte war nicht minder wichtig Als jenes Paares Flehn, das einst vor Alters Den Stamm der durch die Flut vertilgten Menschen An Themis Altar zu erneuen bat, Es war dies Paar Deucalion und Pyrrha. Zum Himmel flog jetzt ihr Gebet empor, Und wurde nicht von neiderfüllten Winden Verweht und abgewendet. Geistig flog's Durch's Himmelsthor, und an den Goldaltar, Wo es in Weihrauch der Messias hüllte, Dann zu des Vaters Thron, dem es der Sohn Frohlockend überreicht und also bat: »Sieh, Vater, hier die ersten Erdenfrüchte Aus Deiner Gnade, die Du in dem Menschen Verpflanztest, diese Seufzer und Gebete, Die ich als Priester in den Weihrauch hüllte; Viel süß're Düfte bieten diese Früchte, Erzeugt durch Samen, den Du mit Zerknirschung In Menschenherzen legtest, dar, als jene, Die in dem Paradies wol alle Bäume Je bringen konnten, wenn der Mensch sie pflegte, Eh' er die Unschuld durch den Fall verlor. Drum neige jetzt Dein Ohr auch seinem Flehn, Vernimm die Seufzer, sind sie sprachlos auch, Er kann in Worten nicht sein Bitten fassen, Drum gönne mir sein tief Gefühl zu deuten, Vor Dir ihn zu vertheid'gen und zu sühnen. Ein jedes Wort, gut oder böse, laß Nur mich entgelten. Mein Verdienst veredle Noch mehr das Gute, für das Böse zahlt Mein Tod dereinst. Empfange jetzt den Duft Des Friedens mit dem menschlichen Geschlecht: Laß jenem Paar, mit ihm auf's Neu versöhnt, Das Leben oder wenigstens die Tage, Die ihm mit Schmerzen zuertheilet sind, Bis einst der Tod nach jenem Urtheilsspruch, Den ich zu mildern, nicht zu tilgen bitte, Einführen wird in ein beglückter Leben, Wo mit mir alle die Erlösten wohnen In Heil und Lust, und ganz mit mir vereint, So wie ich Eins und Alles bin mit Dir.« Hierauf entgegnete der Vater heiter: »Gewährt sei Deine Bitte, theurer Sohn, Denn sie war ganz, wie mein Beschluß gewollt. Doch, länger noch im Paradies zu weilen Verbietet das Gesetz ihm, das ich gab: Denn der Natur unsterblich hohe Reinheit, Worin die Elemente keine grobe Und unharmonische Mischung dulden können, Stößt den Befleckten strafend jetzo aus, Und sondert ihn als ekle Mischung ab, In gröbre Luft zu gröberm Nahrungsstoff, Der ihn dem Tode näher bringt, den Sünde Ihm schon verwirkt, die jeglich Ding zerstört. Ich schmückt' ihn Anfangs mit zwei schönen Gaben, Mit Seligkeit und mit Unsterblichkeit, Doch da er jene bald verlor, so diente Die andre nur, ihm ew'ge Qual zu schaffen, Bis ich den Tod berief, das letzte Mittel, Der übergiebt ihn, schwer geprüft durch Weh, Geläutert durch den Glauben, neuem Leben, Erweckt in der Erneuung der Gerechten, Wann Erd' und Himmel neu erschaffen werden. Doch laß uns alle Sel'gen jetzt berufen Im ganzen Himmelsraum, vor denen ich Mein Urtheil nicht verbergen will, wie ich Die Menschen richte, wie sie jüngst es sahn Bei den gefallnen Engeln, daß sie fester Noch werden, ob sie fest sich auch erweisen.« Er schwieg, es gab der Sohn das mächt'ge Zeichen Dem Strahlenengel, welcher Wache hielt, Und dieser weckte der Posaune Ton, Die man vielleicht seitdem auf Horeb hörte, Als Gott herniederstieg, und die vielleicht Noch einmal tönt am Tage des Gerichts. Der Himmelsklang erfüllte jeden Raum; Aus ihren sel'gen Amaranthenlauben, Und von den Quellen, von den Lebensfluten, Wo immer sich die Engel freudig einten, Begaben eilig sich des Lichtes Söhne Auf jenen Ruf zu ihren Sitzen hin, Bis von dem höchsten Thron der Allgewalt'ge Den unumschränkten Willen so verkündet: »Ihr Söhne, gleich ist uns der Mensch geworden, Er kennt das Gute jetzt so wie das Böse, Seitdem er die verbot'ne Frucht gekostet; Doch laßt ihn nur sich rühmen der Erkenntniß, Glücksel'ger wär' er, hätt' es ihm genügt, Das Gute nur um seiner selbst zu kennen, Jedoch das Böse nimmermehr zu ahnen. Jetzt grämt er sich, fleht und bereut zerknirscht, Wie ich's in ihm erregte. Länger noch Als diese Regung anhält, kenn' ich ihn, Wie wandelbar sein Herz und eitel ist. Damit nicht seine Hand, die kühner ward, Des Lebens Baum erreiche, wieder pflücke Und, von der Frucht genießend, ewig lebe, Und wenigstens ein ewig Leben träume, Beschloß ich ihn aus Eden zu verbannen, Damit er nun die Erde baue, der Er selbst entnommen ist, die für ihn paßt Dir, Michael, ertheil' ich den Befehl: Erwähle Dir aus jenen Cherubim Die Flammenschaar, damit der böse Feind, Zur Gunst des Menschen oder den Besitz Sich zu erhaschen, nicht neue Störung mache. Drum eile, treib' erbarmungslos das Paar Ob seiner Sünden aus dem Paradies, Vom heil'gen Boden die Unheiligen. Verkünde Beiden und dem ganzen Stamm, Daß sie daraus verbannt sind ewiglich. Doch daß sie nicht bei diesem grausen Spruch, Der streng vollzogen wird, vor Gram vergehn, (Schon seh' ich sie demüthig ihre Schuld Mit Thränen schwer beklagen) birg' vor ihnen Die Schrecken all'. Gehorchen sie geduldig, So laß sie ohne Trost nicht von Dir gehn, Verkünde dann auch Adam, was in Zukunft Geschehen wird, ich will Dich selbst erleuchten; Gedenk' auch meines Bundes dann, erneuert Im Samen eines Weibes. Laß sie dann Bekümmert zwar, jedoch in Frieden gehn. Im Osten Edens, wo der Eingang sich Am leichtesten erklimmen läßt, da stehe Der Cherubim mit seinem Flammenschwert, Um jedes Annahn weit zurückzuscheuchen, Und so den Baum des Lebens zu bewachen, Damit das Paradies nicht gräulichen, Unsaubern Geistern einen Wohnsitz beut, Die meine Bäume plünderten, den Menschen Noch einmal mit gestohlner Frucht zu täuschen.« Er schwieg. Der Engel rüstet eilig sich Zur schnellen Niederfahrt, zugleich mit ihm Die Strahlenschaar wachsamer Cherubim, Von denen jeder vierfach Antlitz hatte, Dem Janus gleichend, dem verdoppelten. Ihr ganzer Körper funkelte von Augen, Zahlreicher wol, als Argus sie besaß, Wachsamer auch, um jemals einzuschlummern, Bezaubert von Arkadiens Flötenton, Von Hermes' Pfeif' und seinem Wunderstab. Indeß die Welt mit heil'gem Licht zu grüßen, Erwacht Leukothea und träufelte Mit frischem Thaue Balsam auf die Erde, Als Adam und der Menschen erste Mutter Ihr brünstiges Gebet beendeten, Und neue Stärke von dem Himmel fühlten, Und neues Hoffen statt Verzweifelung; Mit Furcht gemischte Freud' empfanden sie, Als Adam sich zu Eva freundlich wandte: »Eva, es glaubt sich leicht, daß all' das Gute, Das wir genießen, von dem Himmel kommt, Doch daß von uns zum Himmel etwas steige, Daß es des ew'gen Gottes Sinn bewegt, Und seinen Willen lenkt, ist schwer zu glauben; Und doch vermögen dies Gebet und Seufzer Aus Menschenbrust, um sich zu Gott zu schwingen. Denn seit ich durch Gebet es Ew'gen Zorn Zu mildern suchte, demuthvoll mich neigte, Und auf den Knien mein Herz ihm offenbarte; Glaubt' ich ihn hier voll Milde zu erschaun. Nun war ich überzeugt, daß Gott mich gnädig Erhört; der Friede kehrte neu in's Herz, Und in's Gedächtniß kam mir die Verheißung, Daß einst Dein Samen unsern Feind zertritt. Dies Wort, das mich die Angst nicht achten ließ, Giebt mir Gewißheit, daß des Todes Stachel Besiegt ist und wir ewig leben werden. Drum Heil Dir, Eva, die mit Recht dereinst Des Menschenstammes Mutter wird genannt, Die Mutter aller Wesen und Geschöpfe, Weil nur durch Dich die Menschheit lebt und alle Geschöpfe ringsum für die Menschheit leben.« Eva erwidert traurig, aber mild: »Unwürdig bin ich dieses Namens nur, Die ich gesündigt, Dich sogar umgarnte, Die ich bestimmt Dir zur Gefährtin war. Vorwürfe, Tadel, Argwohn sei mein Theil, Jedoch mein Richter war unendlich gnädig, Daß ich, die allen Wesen Tod gebracht, Zum Quell des Lebens selbst erhoben ward. Auch du bist liebreich, daß Du mich des Namens Gewürdigt, da mir andrer Name ziemt. Jedoch das Feld erfordert Arbeit jetzt, Die uns mit Schweiß und Mühen auferlegt, Ob wir die Nacht auch schlummerlos verbracht. Denn sieh', der Morgen dort beginnt schon lachend Den ros'gen Pfad, um uns're Müdigkeit Ganz unbekümmert. Laß uns darum gehn! Nie trenn' ich künftig mich von Deiner Seite, Wo immer unser Tagewerk auch sei, Das mühsam wir bis Abend schaffen müssen. Jedoch, so lange wir in Eden weilen, Was wär' beschwerlich uns in diesen Au'n? Zufrieden laß uns hier die Zeit verleben!« So sprach den Wunsch das demuthvolle Weib; Doch das Geschick gestand ihr dies nicht zu; Zuerst gab Zeichen die Natur bei Thieren: Die Luft ward plötzlich ungewöhnlich finster, Nach einem kurzen Morgensonnenroth. Vor Eva's Blicken schoß ein Adler nieder, Und trieb vor sich zwei schön beschwingte Vögel; Der Fürst der Wälder jagt als erster Jäger Ein sanftes Paar, das lieblichste des Waldes, Den schnellen Hirsch sammt Hindin, die nach Osten Jetzt flüchteten. Adam gewahrt es kaum, Als er davon gerührt zu Eva sprach: »O Eva, neuer Wechsel droht uns bald, Den uns der Himmel durch die stummen Zeichen In der Natur als Boten seines Plans Verkündet hat, vielleicht zu uns'rer Warnung, Nicht allzu sicher uns der Straf' enthoben Zu dünken, seit der Tod uns Aufschub gab. Wer weiß, wie lang' und welch' ein Leben wir Bis dahin führen? Wer auch wüßte mehr, Als daß wir Staub sind, und es wieder werden. Warum erblickten sonst wir diese Flucht Hier auf der Erd' und droben in der Luft Zu einer Stunde? Warum ward in Osten Vor Tages Mitte solche Finsterniß, Und Morgenlicht in jener Wolk' in Westen, Die strahlendweiß am blauen Aether zieht, Und langsam jetzo sich herniedersenkt Erfüllt mit einer himmlischen Erscheinung.« Er irrte nicht; denn jene Himmelsschaar Stieg nun aus jaspisblauem Himmel nieder In's Paradies und hielt auf einem Hügel; Glanzvoll war die Erscheinung; Zweifel nur Und Angst verdunkelten heut Adams Auge. Der Engelsfürst ließ seine Strahlenschaar In Reihen dort, um Eden zu bewachen. Er aber schritt dahin, wo Adam jetzt Sich barg, der schon den hohen Gast bemerkt, Und so bei seinem Nah'n zu Eva sprach: »Eva, erwarte große Kunde jetzt, Die unser Schicksal wol entscheiden wird, Vielleicht uns auch ein neu Gesetz bestimmt; Denn ich gewahr' aus jener Strahlenwolke, Die dort den Hügel deckt, sich nahend uns, Der Engel Einen, der nach seinem Gang Wol keiner der Geringsten scheint; ein Herrscher, Der droben thront, denn solche Majestät Umglänzt ihn, doch nicht schrecklich und zu fürchten, Obwol er nicht, wie Raphael, gesellig Und mild erscheint, daß man Vertrauen faßt, Nein, feierlich erhaben naht er sich. Ehrfürchtig will ich ihm entgegen eilen, Daß er nicht zürnt – indessen geh' hinweg!« Er schwieg. Der Engel nahte sich ihm bald, Doch nicht in himmlischer Gestalt, vielmehr In Menschenform, mit Menschen umzugehn. Leicht über seinen hellen Waffenschmuck Wand sich ein Kriegsgewand von Purpur, schöner Als der von Melibora oder Serra, Wie's Helden und Monarchen dereinst trugen In Friedenszeiten. Das Gewebe färbte Ein Regenbogen. Aus dem Sternenhelm Zeigt sich ein Antlitz in der Mannheit Blüthe, In höchster Kraft, wo sich die Jugend endet; An seiner Seite hing an funkelndem Sterngurt das Schwert, des Satans grauser Schrecken, In seiner Hand den allgewalt'gen Speer. Tief neigt sich Adam; doch der Engel blieb In königlicher Ruh' und kündete: »Adam, des Himmels hohe Kunde braucht Des Vorworts nicht; genug, daß Dein Gebet Erhört ward, daß dem Tod, der durch's Gericht Bestimmt Dir ward für Deine Frevelthat, Um manchen Tag der Raub vereitelt ist. Die Gnade leiht Dir Zeit zur Buß' und Reue, Zu guten Thaten für die eine böse. Versöhnt befreit Dich Gott dann von des Todes Anspruch. Doch länger in dem Paradies zu weilen Vergönnt er nicht; hinweg soll ich Dich führen, Und aus dem Garten senden, um die Erde, Daraus Du wurdest, künftig zu bebau'n; Ein Boden, der jetzt besser Dir geziemt.« Er schwieg, denn Adam stand bei dieser Kunde Im Herzen tief verwundet von dem Stich Des Kummers, der die Sinne fast betäubte. Eva, die ungesehn Dies alles hörte, Verrieth durch Klagen bald, wo sie verborgen: »O unerwartet grauser Schlag, viel ärger Als Tod! Muß ich dich so, mein Paradies, Verlassen, dich, mein mütterlicher Boden? Euch Au'n und Schatten, voll der Seligkeit, Für Götter selbst ein würd'ger Aufenthalt! Wo ich gehofft, wenn auch in Traurigkeit, Die Frist bis zu des Todes letztem Tag In Frieden zu verleben. O ihr Blumen, Die nie in andern Zonen blühen werden, Die ich des Morgens und des Abends spät Mit zarter Hand vom ersten Knöspchen an So treu verpflegt', und selber sie benannte! Wer wird nun euern Kelch zur Sonne wenden, Wer nach Geschlechtern euch und Namen reih'n? Und euch aus der Ambrosiaquelle tränken? Du endlich, meiner Ehewonnen Laube! Durch mich geschmückt mit Allem, was an Duft Und Anblick lieblich! – und von dir mich trennen? Hinunter ziehn in eine tief're Welt, Die gegen diese finster ist und wild! Wie athmen in der minder klaren Luft, Gewöhnt an Früchte der Unsterblichkeit?« Der Engel unterbrach die Klagen mild: »O klage nicht und gieb geduldig auf, Was Du mit Recht verlorst und hänge nicht Mit zu viel Lieb' an Dem, was nicht Dein eigen, Nicht einsam gehst Du, mit Dir wandelt ja Dein Gatte, dem zu folgen Du verbunden, Wo er verweilt, da ist Dein Heimathland.« Adam, der sich indeß erholt von starrer Entmuthigung, wandt' demuthvoll sich jetzt An Michael mit seiner Rede Wort: »Du Himmlischer, der Du vom höchsten Rang, Denn die Gestalt verkündet Deine Herrschaft; Voll Milde hast Du Deine Botschaft jetzt Eröffnet, die uns sonst durch Strenge sicher Vernichtet hätte. Was an Kummer noch, An Trauer und Verzweiflung uns're Schwäche Ertragen kann, hegt Deine Nachricht auch, Die uns aus dieser Seligkeit verbannt, Dem holden Aufenthalt, dem einz'gen Trost, Der unsern Blicken noch vertraut erschien. Denn jeder Ort scheint öd' und unwirthbar, Er kennt uns nicht, wie wir auch ihn nicht kennen. Wenn je Gebete des Allmächt'gen Willen Verändern könnten, würd' ich unaufhörlich Ihn bitten, bis des Fleh'ns er müde würde. Gebet vermag indeß wol gegen Gottes Rathschluß nicht mehr, wie gegen Sturm ein Hauch, Der stets zurückweht auf den Hauchenden. Drum unterwerf' ich mich dem Willen Gottes. Nur dies bekümmert mich, daß künftig ich, Sobald ich scheide, ganz von seinem Antlitz Verborgen, nimmer wieder ihn erblicke. Hier könnt' ich in Anbetung Ort für Ort Besuchen, wo er seiner Gegenwart Mich würdigte; hier meinen Söhnen künden: Auf jenem Berg' erschien er mir! und dort Stand unterm Baum er sichtbar; mitten unter Den Fichten hört' ich seine Stimme; hier An dieser Quelle sprach er selbst mit mir! So manchen Dankaltar erbaut' ich ihm Aus grünem Rasen und aus Glanzgestein, Denkmale wären's für die künft'ge Zeit. Dort würd' ich duftig Gummi, Frücht' und Blumen Ihm täglich opfern. Doch, wo soll ich denn In jener tiefern Welt sein Strahlenantlitz Und seiner Schritte Spuren je entdecken? Denn ob ich auch vor seinem Zorne floh, Erblick' ich jetzt, zu läng'rer Lebensdauer Und zu verheißnem Stamm zurückgerufen, Entzückt die äußern Säume seines Glanzes, Und ehre schon von weitem seine Spur.« Mit güt'gem Blick entgegnet Michael: »Adam, Du weißt, daß Erd' und Himmel sein, Nicht dieser Fels allein; allgegenwärtig Erfüllt er Länder, Meer und Luft, und jedes Lebend'ge Wesen, das durch seine Kraft Die Lebenswärme hegt. Er bot die Erde Dir zum Besitz und zur Beherrschung dar; Drum glaube nicht, daß seine Gegenwart Auf dieses Paradies allein begrenzt! Es wäre nun Dein liebster Sitz geworden, Von dem sich alle Stämme dann verbreitet, Und dem sie später wieder sich genaht Von allen Erdenenden, Dich als großen Urahn zu preisen und zu ehren. Doch Den Vorrang dieser Art hast Du verloren, Bist jetzt den Söhnen gleich und wohnst mit ihnen Auf flachem Boden; aber zweifle nicht, Daß Gott im Thal und auf der Eb'ne weilt, Wie hier und eben so allgegenwärtig, So manches Zeichen seiner Gegenwart Folgt Dir, indem er gütig Dich umgiebt, Sein Antlitz offenbart und seine Schritte; Damit Du dies als sich're Kunde glaubst, Bevor von hier Du scheiden wirst, so wisse, Daß ich gesandt bin, Dir zu kündigen, Was in der Zukunft Dir und Deinem Stamm Begegnen wird. Das Gute wie das Schlimme Erwarte jetzt zu hören: Wie die Gnade Des Ew'gen mit der Menschen Sündigkeit In Streit geräth; auch lerne dann Geduld, Um Dir die Lust mit Furcht und Frömmigkeit Zu mäßigen, und sei gewöhnt, mit Gleichmuth Jedwede Lage zu ertragen; so Wird Dein Leben ruhig sein und Du Am besten vorbereitet jenen Weg Zum Tode wandeln, wann er Dir gewiß. Erklimm' nun diesen Hügel; laß Dein Weib (Im Schlummer ließ ich ihr die Augen schließen) Hier unten ruhn, indessen Du hier wachst, Hellsehend, so wie einst Du schliefst, als Eva Geschaffen ward.« Adam erwidert dankbar: »So steig' voran, ich folge, sich'rer Führer, Wohin Du führst, und unterwerfe mich Der Hand des Himmels, ob sie auch mich strafe. Dem Mißgeschick stell' ich die Brust entgegen, Durch Dulden fähig schon zum Ueberwinden, Und Ruh' durch Arbeit zu gewinnen, wenn Sie möglich ist.« So stiegen Beide nun Den Berg hinauf, des Paradieses höchsten, Von dessen Gipfel halb der Erdenkreis Im klarsten Licht zu überschauen war. Nicht höher war der Berg und blickte kaum Viel weiter in die Runde, wo dereinst, Jedoch aus andern Gründen, der Versucher Den zweiten Adam führte, dieser Erde Bereiche voller Herrlichkeit zu zeigen. Zu edlern Visionen aber nahm Jetzt Michael die Haut von Adams Augen, Die durch die falsche Frucht, die hellern Blick Verheißen, erst entstanden war; dann stärkte Er noch mit Raut' und Augentrost die Nerven, Denn Adam hatte viel zu schaun, und goß Drei Tropfen von dem Lebensquell darauf. So tief drang dieses Mittels Kraft hinein, Selbst in den innern Sitz des Seelenblicks, Daß Adam mit geschloss'nen Augen plötzlich Zu Boden sank in geistiger Verzückung. Da hob der Engel sanft ihn mit der Hand Empor und rief ins Leben ihn zurück: »Adam, nun öffne Deinen Blick und sieh Die erste Wirkung Deiner sünd'gen That Bei Ein'gen Deines Stamms, die niemals zwar Die Frucht des streng verbot'nen Baums berührten, Noch mit der Schlange sich verbündeten, Noch sündigten; jedoch von Deiner Sünde Verdammniß erbten, schlimm're Thaten zeugend.« Adam erblickte nun mit offnem Auge Ein Feld, zum Theil bebaut, mit vollen Garben Gereiften Korn's; der andre Theil bestand Aus Weiden für die Heerden; in der Mitte Erhob sich, wie ein Grenzstein, ein Altar, Von Rasen aufgebaut. Zu diesem brachte Ein ems'ger Landmann seines Fleißes Opfer, Die ersten Früchte, die gereiften Garben Und grünen Aehren, nicht erst ausgewählt, Wie sie sich just der Hand geboten hatten. Dann kam ein Hirt, sanftmüthiger, denn Jener, Mit seiner Heerden erstgebornen Lämmern, Doch mit den besten, die er ausgesucht. Die Eingeweide legt er opfernd drauf, Mit Fett umhüllt, mit Weihrauch überstreut, Auf das gespaltne Holz und ehrt' den Brauch. Sein Opfer zehrte bald ein gnädig Feuer, Vom Himmel ihm gesandt, mit schneller Flamme Und duftig holdem Dampf; des Andern Opfer Entflammte nicht, denn seines war nicht redlich; Worüber dieser innerlich ergrimmt, Und mit dem Hirten streitend einen Stein Auf dessen Zwerchfell warf, der ihm sogleich Das Leben endete! Ganz todtenbleich Stürzt er zusammen, hauchte seine Seele Mit Strömen Blutes aus. Bei diesem Anblick War Adam tief betrübt in seinem Herzen, Und rief zum Engel hastig diese Worte: »O Lehrer, großes Uebel widerfuhr Dem sanftern Menschen, der so gut geopfert. Wird Frömmigkeit und Andacht so belohnt?« Darauf sprach Michael bewegt zu ihm: »Die Beiden hier sind Brüder, und entstammt Aus Deinen Lenden. Der Gerechte wird Dereinst vom Ungerechten so erschlagen, Aus Neid, daß seines Bruders Opfer droben Dem Himmel mehr gefallen. Doch gerächt Wird bald die blut'ge That; des Andern Glaube, Geprüft, wird seines Lohnes nicht ermangeln, Obgleich Du ihn des Todes sterben siehst, Wie er im Blute sich und Staube krümmt.« Da sprach der Menschen Ahn: »Weh' jener That Und jenem Grund! – Doch sah ich jetzt den Tod? Ist dies die Art, wie ich zum Staube kehre? O grauser Anblick, fürchterlich zu schaun, Graunvoll zu denken, schauderhaft zu fühlen!« Der Engel drauf: »Du hast den Tod gesehn Wie er zuerst den Menschen sich erweist, Doch mancherlei der Wege giebt es noch, Die grausenvoll zur Todeshöhle führen, Zwar alle furchtbar, doch dem Menschengeist Am Eingang grauenhafter, als im Innern. So manche sterben durch Gewaltsamkeit, Durch Feuer, Hungersnoth und Wasserflut, Die größre Zahl durch Schlemmerei in Trank Und Speise, die gar schaudervolle, große Krankheiten auf die Erde bringen wird. Ein ungeheurer Schwarm soll Dir erscheinen, Damit Du wissest, welches Elend Eva Durch Unenthaltsamkeit dem Stamme schuf.« Sogleich erschien vor Adams Blick ein Ort, Der traurig, ekelhaft und dunkel war, Ein Krankenhaus, worin in starker Zahl Behaftete von allen Uebeln lagen: Dort war der große Krampf, das Todeskämpfen, Ohnmachten, Fieberarten und Verzuckung, Katarrh, Epilepsie und Stein und Krebs; Darmgicht und Wahnsinn und Melancholie, Darrsucht, Verzehrung, Mondsucht, Wassersucht, Und weithin ausgedehnte Pest und Seuche, Sammt Wassersucht und der Gelenke Gicht. Entsetzlich klang das Ringen und das Stöhnen; Verzweiflung pflegt die Kranken und bewegt Geschäftig sich von Lager hin zu Lager, Und über sie schwang glorreich seinen Stachel Der Tod, der ihn zu werfen zögerte, Obwol mit heißen Bitten angerufen, Als letzte Hoffnung und als höchstes Gut. Welch Herz von Stein vermöchte solch Gesicht, So grausenhaft, mit trocknem Blick zu tragen? Adam vermocht' es nicht, er weinte heftig, Obwol er nicht vom Weib geboren war. Mitleid bezwang die beste Mannheit ihm, Und überließ ihn seinen Thänen jetzt, Bis fest'res Denken ihm das Uebermaß Beschränkte. Kaum jetzt Worte wieder findend, Erneut er so den Wehruf seiner Klage: »Elender Menschenstamm! Zu welchem Fall Herabgewürdigt und zu welchem Loos Noch aufbewahrt! O besser ungeboren! Warum ward uns das Leben denn verliehn, Um so entrissen uns zu werden? Oder Vielmehr warum ward es uns aufgezwungen? Wenn Jeder wüßte, was hier seiner harrte, So würd' er dieses Leben nie sich wünschen, Und lebend bitten, bald ihn wiederum Vom Leben zu befrei'n, erfreut, in Frieden Entlassen dann zu sein! Kann so das Bild Des Höchsten, einst im Menschen schön und aufrecht Erschaffen, obwol schuldbefleckt seitdem, Zu solchen Qualen denn erniedrigt werden? Warum soll nicht der Mensch, der doch zum Theil Des Ew'gen Aehnlichkeit bewahren könnte, Entbürdet sein von solchen Scheußlichkeiten Ob seines Bildes, das dem Schöpfer gleicht?« Hierauf erwidert Michael: »Das Bild Des Schöpfers hat sie ja verlassen schon, Als sie sich selbst erniedrigten, der Gier, Der unbeschränkten, nur zu fröhnen, und Das Bildniß sich von Jenem, dem sie dienten, Aneigneten, dem thierisch rohen Laster, Das Eva'n auch zumeist zur Sünde zog. Darum ist ihre Strafe so entehrend, Weil sie das Bild des Höchsten nicht entstellte, Vielmehr ihr eignes; ist es selbst sein Bild, So wird es durch ihr eignes Treiben so Verwandelt in die grausenvollste Krankheit, Und zwar mit Recht, da sie das Bildniß Gottes An ihnen selbst nicht achten.« – Darauf Adam: »Gerecht ist dies, und willig füg' ich mich; Doch ist kein and'rer Weg, als dieser grause, Auf dem wir uns dem Tode nahen können, Und uns mit dem verwandten Staub zu mischen?« »Wohl giebt es diesen, sprach der Engel drauf, Wenn Du die Regel: ›nicht zu viel‹ beachtest, Wenn Maß Du hältst im Essen und im Trinken, Und dem Bedürfniß ganz allein genügst, Das Uebermaß verfluchst, bis sich die Jahre In reicher Zahl auf Deinem Haupt gehäuft, So kannst du leben, bis als reife Frucht Du in den Schooß der Mutter Erde fällst Gemach gereift, nicht ungestüm gepflückt: Zum Tode bist Du reif; dies ist das Alter. Doch Deine Tugend, Stärk' und Schönheit flieht, Du überlebst sie, denn sie ändern sich, Verwelken, werden schwächer dann und grau. Die stumpfen Sinne müssen auf Vergnügen Verzichten, wenn sie auch sich reichlich bieten. Anstatt der Jugendlust voll froher Hoffnung Wird in dem Blute düstre Schwermuth liegen Und kalt und trocken Deinen Geist bedrücken, Bis sie des Lebens Balsam aufgezehrt.« Hierauf sprach Adam: »Jetzo flieh' ich nicht Den Tod mehr, will indeß das Leben auch Nicht mehr verlängern; sondern lieber suchen, Wie ich bequem und leicht der Bürde mich Entled'gen kann, die ich erdulden muß, Bis mir der Tag der Auflösung erscheint, Den ich geduldig nun erharren werde.« Der Engel drauf: »Dein Leben liebe nicht Noch hass' es auch; indeß so lang Du lebst, So lebe recht, wie lange dies nun währt Das überlaß dem Himmel, aber jetzt Bereite Dich zu einem andern Anblick.« Adam sah auf und schaute weite Flächen, Worauf verschied'ne bunte Zelte standen, Bei ein'gen großen Herden auf der Weide; Aus andern scholl der Ton von Instrumenten, Die ganz melodisch in einander klangen Von Harf' und Orgel; der die Töne weckte, Ward auch gewahrt von Adam als sein Sohn, Die flücht'gen Griffe flohen tief und hoch, Beseelt verfolgten sich der Fugen Töne. Auf andrer Seite müht' an einer Schmiede Ein Mann sich, schwere Klumpen Erz und Eisen Durch Flammen zu zerschmelzen; goß sodann Die flüß'gen Massen in geschickt gemachte Thonformen; so erschuf er manches Werkzeug, Und endlich Alles, was sich aus Metall Gegossen und gegraben formen läßt. Nach diesem stieg ein andrer Stamm von Menschen Vom nahen Hügel, der ihr Wohnsitz war, In's Thal herab. Sie schienen gut und bieder, Und sannen nur, Gott nach Gebühr zu ehren, Die unverhüllten Werke Gottes recht erkennen Zu lernen, so wie Alles, was dem Menschen Den Frieden und die Freiheit wahren kann. Sie wandelten nicht lang' auf jener Flur, Als aus den Zelten eine Schaar von Frau'n, Hold anzuschau'n und lieblich ausgeschmückt Mit Putz und Edelsteinen, näher trat. Zur Harfe sangen sie manch' Liebeslied, Und tanzten zu den Männern dann heran, Die ernst zwar mit den Augen sie verfolgten, Und zügellos drauf mit den Blicken weilten, Bis sie von Liebesnetzen eng umgarnt, Sich fangen ließen und nach Neigung wählten. Nun sprachen sie von Liebe, bis der Stern Des Abends, als der Liebe Bote, kam: Sodann entflammten sie erhitzt, in Glut Die Hochzeitsfackel, riefen Hymen an, Daß von dem Lärm der Feier und des Spiels Die Zelt' erschallten. Solche sel'ge Lust Des glücklichen Vereins, das Liebeswalten Der unverlornen Jugend, Sang und Kränze Und zauberhaftes Saitenspiel entzückten Das Herz in Adam, selbst geneigt der Lust Sich hinzugeben aus Natur; er jauchzte froh: »Eröffner meiner Augen, sel'ger Engel, Ja dies Gesicht beseligt, prophezeit Mehr Hoffnung auf des Friedens holde Tage, Als jene zwei, die Haß und Tod und ärgre Drangsale drohten. Hier jedoch erscheint In allen Zwecken die Natur befriedigt.« Drauf Michael: »Nicht nach der Luft entscheide Was wol das Beste sei, ob von Natur Es passend auch erscheint. Zu höheren, Erhab'nern Zwecken wurdest Du erschaffen, Zum Ebenbild des höchsten Gottes selbst. Die schönen Zelte, die Du sahest, waren Die Zelte der Gottlosigkeit, worin Der Stamm wohnt Dessen, der den Bruder schlug. In Künsten scheinen sie erfinderisch, Das Leben zu verschönern und zu bilden, Doch ihres Schöpfers denken sie nicht mehr, Obwol sie erst sein Geist erleuchtete, Doch sie erkennen seine Gaben nicht. Erzeugen werden sie gar holden Stamm, Du sahst ja jene schöne Frauenschaar, Göttinnen gleich, so schmeichelnd, glatt und heiter. Doch leer an allem Guten, was die Ehre, Der häuslichwahre Ruhm des Weibes ist. Erzogen nur für üpp'ge Sinnenlust, Gefallen sie sich nur bei Sang und Tanz, In Schmuck und Plaudern, feilem Augenrollen. Für sie wird jener ernste Männerstamm, Deß Frommheit ihn zum Gottesstamme macht, All' seine Tugend, seinen Ruhm vergeben, Um dieser Buhlerinnen Reiz und Lächeln Anheim zu fallen; jetzo schwimmen sie In Lust, bald aber tiefer in den Wogen, Jetzt lachen sie, wofür die Welt einst weint.« Adam, der kargen Freude schon beraubt, Erwidert: »Elend ist's und Schmach, daß Menschen, Die erst so schön begannen, recht zu leben, Seitwärts sich wenden auf den Pfad der Sünde, Und in der Mitte schon des Wegs ermüden! Doch seh' ich hier auch, daß des Menschen Leid Vom Weibe wieder seinen Anfang nimmt.« Der Engel drauf: »Des Menschen Weh beginnt Durch weib'sche Schwäche nur des Männersinns, Der seine Würde mehr behaupten sollte, Durch Weisheit und durch andre hohe Gaben. Doch nun bereite Dich auf andern Anblick.« Adam sah auf und schaut' ein weit Gefild' Mit Flecken und mit reich bebauten Feldern: Die Städte hatten Thürm' und hohe Thore, Und Menschen liefen trotzig dort mit Waffen. Sie waren riesenhaft und kühnen Sinnes, Die Einen übten mit den Waffen sich, Die Andern lenkten schäumendwilde Rosse, Theils einzeln, theils in Schlachtordnung gereiht. Sie standen dort zum Müßiggange nicht, Denn eine Schaar, auf Plünderei bedacht, Trieb eine Rinderheerde vor sich her Von fetten Triften, oder führte Schafe Und Lämmer von der Flur als Beute heim. Die Hirten konnten kaum ihr Leben retten, Sie flohen hülferufend; ein Gefecht War bald geliefert, grausam hieben drauf Die Krieger ein; wo Heerden jüngst geweidet, War jetzt das Feld verödet und voll Blut, Mit Waffen und mit Leichen übersä't. Dann lagert eine zweite Kämpferschaar Vor einer festen Stadt, sie zu erobern, Und stürmt mit Wurfgeschossen und mit Leitern; Doch auf der Mauer wehren Andre sich Mit Pfeilen, Steinen und mit Schwefelbränden: Auf beiden Seiten Mord und Blutvergießen. Au anderm Ort beruft ein Herold laut Den Rath zusammen; gleich versammeln sich Ehrwürd'ge Männer, untermischt mit Kriegern; Sie rathen ernst, doch bald in Widerstreit, Bis endlich sich ein reif'rer Mann erhob; Mit weisem Wort von Recht und Wahrheit sprach, Von Gottesfurcht und himmlischem Gericht; Doch Alt und Jung verspottete den Mann, Und hätt' ihn wol gewaltsam fortgeführt, Wenn eine Wolke nicht vom Himmel kam, Und ungesehn ihn dem Gewühl enthob. So herrschte jetzt Gewalt und Unterdrückung Und das Gesetz des Schwertes in dem Land, Und nirgends bot sich eine Zuflucht dar. Adam, in Thränen, wandte sich zum Engel Ganz traurig und mit herben Klagen so: »Was sind dies? Menschen sind es nicht, nur Diener Des Todes, die so grausam sich vernichten, Und tausendfach die Sünde Dessen mehrten, Der seinen Bruder grimmig tödtete. Doch wer ist der Gerechte, welcher fast Trotz der Gerechtigkeit verloren war, Wenn ihn der Himmel nicht errettet hätte?« Hierauf sprach Michael: »Dies sind die Früchte Von jenen mißlich eingegang'nen Eh'n, Die jetzt Du sahst, wo Gute sich mit Bösen Gepaart, wenn sie ein Schauder auch gewarnt, Und die in ihrem Unbedacht Geburten Durch Ungeheu'r an Geist und Leib erzeugten. So waren diese Riesen, hoch berühmt, Denn damals ward allein die Macht bewundert, Die Tapferkeit, der Muth allein belobt. Der Schlachten Sieg, der Völker Unterjochung, Der Raub nach ungeheuerm Menschenmord, Galt für das höchste Ziel des Erdenruhms, Als ein Triumph, Eroberer zu heißen, Beschützer, Gottheit, göttergleicher Sohn, Doch besser wol Zerstörer nur genannt, Und Geißel nur des menschlichen Geschlechts. So wird auf Erden Ruhm erlangt und Ruf, Doch wahrer Ruhm mit Schweigen tief bedeckt. Ihn aber, Deines Stammes Siebenten, Den einzigen Gerechten, den Du sahst In der verkehrten Welt, die drum ihn haßt Und ihn verfolgt, weil er allein es wagte Gerecht zu sein, und die verhaßte Wahrheit Frei auszusprechen, daß der Herr dereinst Mit seiner Heil'genschaar sie richten würde, Ihn hat der Herr in einer Balsamwolke Mit Flügelrossen von der Erd' entrückt, Um auf den Wonnehöh'n mit Gott zu wandeln, Um Dir zu zeigen, was der Lohn des Frommen, Und was die Strafe des Gottlosen sei, Die jetzt doch Deinen Blicken sich enthüllt.« Adam blickt' auf und sah der Dinge Form, Verwandelt ganz; des Krieges ehr'ner Schlund Erbrüllte jetzt nicht mehr; nur Heiterkeit Und Ueppigkeit und Schwelgerei der Lust Bei Spiel und Tanz war überall zu sehn; Unzucht, Entführung oder Ehebruch Ward ausgeübt, wo sich die Lockung zeigte, Aus Trinkgelagen ward so mancher Krieg. Zuletzt erschien ein würdevoller Greis, Unwillig sah er ihrem Treiben zu Und zeigte seinen Tadel; kam zuweilen Zu ihren Festen, reich an Schwelgerei, Und predigte von Reu' und Sünder-Buße, Da ihre Seelen schwer gefangen lagen. Jedoch umsonst! – Als er dies recht erkannt, So schwieg er und entfernte seine Zelte; Hieb in dem Walde schlanke Bäume nieder, Und baute draus ein ungeheu'res Schiff Groß, lang und breit in richtigem Verhältniß, Verpicht' es rings, versah's mit einer Thür', Und sammelte für Thier und Menschen Nahrung; Worauf ganz wunderbar von allen Thieren, Von allen Vögeln, jeglichen Insecten Ein Paar erschien und in die Arche ging. Zuletzt begab sich auch der Greis hinein, Drei Söhne noch mit ihm und vier der Frauen, Worauf die Thür' der Höchste selbst verschloß. Indeß erhob mit schwarzen Flügeln sich Der Südwind und trieb all' die Wolkenmassen Zusammen und, die Dünste zu vermehren, Stieg feuchter Dampf auch aus den Bergen auf, Bald stand die trübe Luft als dunkle Masse Am Himmelsdom; der Regen stürzte nieder, Bis ganz die Erdenoberfläche schwand. Das Schiff jedoch schwamm hoch emporgehoben, Und fuhr mit seinem Schnabel durch die Wogen, Und schwankte langsam hin und her: indeß Die andern Bauten rief die Flut begrub; Ihr ganzer Prunk lag in dem Wasserschwall. Meer strömt' in Meer als einzig großes Meer Rings ohne Strand. In den Palästen hausten Meerungethüme statt der frühern Pracht Und zeugten Junge. Was vom Menschenstamm So zahlreich noch vor Kurzem übrig war, Schwamm jetzt auf schmalen Brettern eingeschifft. Mit tiefem Gram erfüllt sich Adams Herz, Als er des Stammes trübes Ende sah, Vertilgung! Er auch fühlte Fluten jetzt Von Thränen und von Seelenleid sein Herz Ertränken, seinen armen Söhnen gleich; Bis er vom Engel wieder aufgerichtet Auf seinen Füßen stand, doch tief betrübt, So wie ein Vater seiner Kinder Fall Betrauert, die ein einz'ger Schlag vernichtet, Kaum bracht' er seine Klage vor den Engel: »O traurig Loos, das sich vor mir enthüllt! Weit besser lebt' ich, hätt' ich nie die Zukunft Vorher gesehn! Ich trüg' mein Mißgeschick Allein, das mir an Härte schon genügt; Jetzt aber dringt die Bürde spät'rer Zeiten Auf einmal auf mich ein, die durch mein Wissen, Zu früh geboren, mich vor ihrem Dasein Mit dem Gedanken peinigt, daß sie kommt. Laß nicht den Menschen im Voraus erfahren, Was ihn und seinen einst'gen Stamm bedroht. Das Schlimme bleibt, ob er's vorher auch weiß, Verhindern kann er's nicht; das künft'ge Schlimme Wird doppelt schmerzlich zu ertragen dann, Im Vorgefühl und in der Wirklichkeit. Doch diese Sorge schwand; es lebt kein Mensch Der warnen könnte. Jene wenigen Geretteten wird Angst und Hunger tödten, Auf weiter Wasserwüste trostlos irrend. Ich hoffte, wenn Gewalt und Krieg auf Erden Verschwunden wär', daß Alles glücklich würde, Und Friede mit dem Segen im Verein Das Leben uns'res Menschenstammes krönte. Doch Täuschung war's; ich sehe deutlich nun, Daß Friede minder nicht verderbt, als Krieg. Wie dies geschah, verkünde mir, Du Führer, Und ob der Menschenstamm hier enden wird.« Hierauf sprach Michael: »Die jetzt Du sahst In Ueppigkeit und reichem Prunke glänzen, Sind ganz dieselben, die Du tapfer erst Und muthig sahst, doch leer an wahrer Tugend. Nachdem sie Ströme Blut vergossen hatten, Und Völker unterjocht, und Land verheert, Und dadurch Ruhm und Beute sich erwarben, Veränderten sie ihr Leben bald und schwelgten In Völlerei und in Bequemlichkeit, Bis Ueppigkeit und Stolz im Frieden selbst Feindseligkeit aus ihrer Freundschaft weckte. Auch die Besiegten, Sclaven durch den Krieg, Verlieren mit der Freiheit alle Tugend Und Gottesfurcht, da in dem Schlachtgewühl Scheinbare Frömmigkeit nicht Hülfe fand Beim Höchsten gegen ihrer Feinde Schaar. Drum suchen sie, erkaltet, nun ihr Leben In Wollust des Genusses hinzubringen, Den ihre Herrscher ihnen übrig ließen, Denn allzuviel wird die Natur erzeugen, Um so der Menschen Mäßigkeit zu prüfen. So wird vernichtet Alles und verderbt, Gerechtigkeit und Mäßigung. Die Treue, Der Glaube wird vergessen überall; Ein Mann nur, als der einz'ge Sohn des Lichts In finstrer Zeit, wird standhaft immer bleiben, Trotz aller Lockung, aller übeln Sitten. Furchtlos wird gegen Hohn und Spott er kämpfen, Trotz der Gewalt ihr Sündentreiben rügen, Und zeigen ihnen der Gerechten Pfad. Er wird den Zorn des Höchsten ihnen künden, Der ihren Freveln droht, und wird dafür Verhöhnt von ihnen, doch von Gott erkannt Als einziger Gerechter der Lebend'gen. Auf sein Geheiß erbaut' er wunderbar Die Arche, die Du sah'st, und retten sich Und all' die Seinen von dem Untergang, Der aller Welt beschieden. Wenn er dann Sich in das Schiff gerettet sammt den Thieren, So öffnen sich des Himmels Schleußen all', Und schütten Regen Tag und Nacht zur Erde; Der Tiefe Brunnen brechen auf und schwellen Das Meer an, daß es schrankenlos sich dehnt, Und selbst der Berge Spitzen überschwemmt. Dann wird auch dieser Berg des Paradieses Durch die Gewalt der Wasser fortgerückt, Von der gekrümmten Flut des Grüns beraubt, Und der hinweggespülten Bäume bar; Er schießt den großen Strom hinab, als salz'ges Und ödes Eiland sich dann fest zu klammern, Als Sitz der Möven und des See-Gethier's, Was Dir beweist, daß Gott die Heiligkeit Nicht Orten zuertheilt, wenn Menschen nicht Dahin gelangen, um sie zu bebau'n. Jetzt aber siehe, was darauf erfolgt.« Adam blickt' auf und sah die Arche jetzt Auf Fluten schweben, die gemach sich senkten, Die Wolken floh'n, vom scharfen Nord getrieben, Der trocken wehend jener Wasser Fläche Mit Furchen überzog, wie alterschwach. Heiß schien die Sonne nieder auf der Wasser Gedehnten Spiegel, schlürfte wie vor Durst Die kühlen Wellen, daß der Fluten Stehn Sich bald in Ebbe wandelte, die mählich Mit leisem Schritte sich zur Tiefe schlich, Die Tiefe hatte schon die Schleußen rings, Der Himmel seine Fenster schon geschlossen, Die Arche wogte nicht mehr fort und schien Aus festem Grund, auf eines Berges Gipfel Geheftet. Nun erschienen mählich Spitzen Von Bergen, Klippen gleich, von wo mit Krachen Die Ströme niederstürzten und die Flut Zum Meere trieben, das zurück sich zog. Ein Rabe flog zuerst dann aus der Arche, Nach ihm die Taube, der getreue Bote, Um Boden oder Bäume zu erspähn, Worauf ihr Fuß gemächlich ruhen könne. Als sie zum zweiten Male wiederkehrt, Hielt sie im Schnabel ein Olivenblatt, Des Friedens Zeichen. Trocknes Land erschien, Und aus der Arche stieg der fromme Greis Mit all' den Seinen und den Erdgeschöpfen. Andächtig hob er seine Hand empor Und blickte dankerfüllt zum Himmel auf, Wo über seinem Haupt des Thaues Wolke Sich wölbt' und einen Himmelsbogen formte, Mit drei der klarsten Farben ausgeschmückt, Der Fried' und seinen Bund mit Gott bezeigte. Hierüber ward das erst betrübte Herz Adams entzückt, und freudig sprach er so: »O Du, der künft'ge Dinge mir vermag Als gegenwärtig darzustellen! Jetzt Giebt mir das letzte Bild ein neues Leben, Da ich gewiß nun sehe, daß der Mensch Sammt jeglichem Geschöpfe leben wird, Und stets der Same sich erhalten soll. Weit wen'ger klag' ich jetzt den Untergang Von jener Welt mit ihren sünd'gen Söhnen, Als ich des einen Mannes mich erfreue, Der so vollkommen und gerecht sich wies, Daß Gott ihn einer andern Welt gewürdigt, Und all' den heft'gen Zorn vergessen hatte. Doch sprich, was deuten jene bunten Streifen, Die an dem Himmel wie die Stirne sich Des ausgesöhnten Gottes weithin dehnen? Sind sie vielleicht so wie ein Blumenband, Den flüß'gen Saum der Wolke fest zu binden, Damit sie nicht, in Regen aufgelöst, Der Erde Boden wieder überschütte?« Hierauf sprach Michael: »Du ahnest recht, So willig mindert Gott gerechten Zorn, Ob ihn des Menschen Schöpfung auch gereut, Der so verderbt war und das Herz ihm kränkte, Als er die sündenhafte Welt erblickte, Und alles Fleisch so arg verdorben sah. Doch nach Vertilgung jener Frevelschaar Wird ein Gerechter solche Gnade finden, Daß Gottes Huld das menschliche Geschlecht Nicht ganz vertilget und ein Bündniß schließt, Die Erde nie durch Fluten zu zerstören, Noch auch dem Meere so viel Macht zu gönnen, Daß es aus seinen Ufern tritt, noch auch Dem Regen die Gewalt zu lassen, je Die Welt mit Thier und Menschen zu ertränken. Wann er der Erde Wolken bringt, so wird Auch sein dreifarb'ger Bogen sichtbarlich, Damit Dein Stamm ihn sieht und sich zugleich Des Bundes mit dem Herrn erinnern mag. Der Tag, die Nacht, die Zeit der Saat und Ernte, Die Hitze, wie der starre Reif und Frost Behalten ihren Lauf, bis Feuerkraft Einst alle Dinge läutert und erneut, Den Himmel wie die Erde, kurz die Welt, Worin all' die Gerechten wohnen werden.« Zwölfter Gesang Zwölfter Gesang. So wie ein Wandrer auf der Reise hält Um Mittag, wenn er noch so eilig ist, So hielt der Engel zwischen der zerstörten Und wiederhergestellten Welt jetzt an: Ob Adam etwas einzureden habe, Dann fuhr er fort mit sanftem Uebergang: »So sahst Du einer Welt Beginn und Ende, Aus zweitem Stamm den Menschen sich erneun. Viel hast Du noch zu sehn, jedoch ich weiß, Wie schon Dein sterblich Auge jetzt ermattet, Denn Götterdinge müssen Menschensinn Leicht schwächen und ermüden. Was die Zukunft Einst bringen wird, verkünde Dir mein Wort, Gieb drum auf den Bericht gebührend Acht: ›Der zweite Menschenstamm wird künftighin, So lang' nur Wen'ge noch geboren sind, So lang' der Schrecken des Gerichtes noch Nachwirkt, den Herrgott fürchten und gerecht Sein Leben führen und sich rasch vermehren. Den Boden wird er bau'n und reichlich ernten Getreide, Wein und Oel; aus seiner Heerde Bringt er das Beste stets zum Opfer dar, Lamm, Widder oder Ziege; spendet auch Weinopfer oft und feiert hohe Feste. So leben tadellos sie Freudentage, Sie wohnen friedlich in Familienstämmen, Von väterlicher Herrschaft mild regiert, Bis Einer sich erhebt von stolzem Herzen, Der, unzufrieden mit der schönen Gleichheit, Sich unverdiente Herrschaft seiner Brüder Anmaßt und Eintracht, der Natur Gesetz, Vom Erdenraume ganz verdrängt und bannt. Er jagt mit Krieg (denn Menschen sind sein Wild) Und Kriegslist solche, welche sich nicht seiner Tyrannenherrschaft dienend unterwerfen. Man nennt ihn mächt'gen Jäger vor dem Herrn, Zum Trotz dem Himmel oder auch von ihm Die zweite Herrschaft fordernd; durch Empören Erringt er einen Namen sich, wiewol Er Andre der Empörung schwer verklagt; Mit einem Schwarme Gleichgesinnter, die Mit ihm und unter ihm tyrannisch walten, Zieht er aus Eden westwärts, findet dort Die Fläche, wo ein schwarzer harz'ger Pfuhl Sich siedend öffnet als der Hölle Schlund. Von jenem Harz und von gebrannten Steinen Beginnen drauf sie eine Stadt zu bau'n, Sammt einem Thurm, deß Spitze bis zum Himmel Aufsteigen soll und ihren Ruhm verbreiten, Daß, wenn in fremde Länder sie verstreut, Ihr Angedenken nicht verloren werde, Ganz unbekümmert, ob es gut, ob böse. Doch Gott, der oft die Menschen ungesehn Besucht und ihre Wohnungen durchwallt, Erblickt ihr Thun und naht sich ihrer Stadt, Bevor der Thurm die Himmelsthürm' erreicht, Und legt zum Spott auf ihre Zungen all' Der Zwietracht Geist, um ihre Muttersprache Zu tilgen und dafür ein kreischendes Getön von fremden Worten auszusä'n. Sogleich entstand verwirrt Geschwätz und Schrei'n, Ein Jeder rief den Andern, unverstanden, Bis heiser sie und ganz in Wuth, verhöhnt Wild aus einander flohn. Gelächter ward Im Himmel, als die Engel niedersah'n Auf dieses seltsame Gewühl und Lärmen; So ward der Bau durch Hohn und Spott vereitelt, Das große Werk Verwirrung nur genannt.‹« Drauf sprach mit väterlichem Unmuth Adam: »Verdammter Sohn! Was strebtest Du so sehr Dich über Deine Brüder zu erheben, Und nahmst Gewalt, die Gott Dir nicht verlieh'n. Er gab uns über Vieh und Fisch und Vogel Wol unbedingte Macht; doch über Menschen Zu herrschen gab er nie Gewalt dem Menschen, Da er dies Recht sich selber vorbehielt, Und Menschen frei erschuf von seines Gleichen. Doch dieser Räuber blieb bei dieser Macht Auf Menschen nicht, er fordert selbst den Herrn Durch seine Thurmbelagerung heraus. Armsel'ger Mensch! Welch' eine Nahrung brächte Man dort hinauf, um seine Schaar zu speisen, Wo die verdünnte Luft die gröbern Stoffe Austrocknet, und wo er nach Athem schnappt!« Hierauf erwidert Michael: »Mit Recht Veracht'st Du diesen Sohn, der solche Störung In jenen Friedensstand der Menschen brachte, Vernünft'ge Freiheit zu bezwingen suchte. Doch wisse, daß seit Deinem ersten Fall Die wahre Freiheit schon verloren ist, Die eng mit der Vernunft vereinigt bleibt Und kein von ihr getheiltes Wesen kennt; Ist die Vernunft im Menschen dunkel, oder Gehorcht man ihr nicht, so erfassen schnell Unregelmäßige Begierden ihre Macht, Und ziehn den Menschen, der bis dahin frei, In Sclaverei. Ja weil er selber schon Unwürd'gen Leidenschaften gab Gehör, Drum unterwirft ihn Gott der Herr mit Recht Gewalt'gen Fürsten, die oft unverdient Sein heil'ges Recht der Freiheit unterjochen. Die Tyrannei muß sein, ob der Tyrann Auch nimmer deshalb zu entschuld'gen ist. Bisweilen werden Völker sich so weit Verirren von Vernunft, daß Unrecht nicht, Nein nur Gerechtigkeit und der damit Verhängte Schicksalsfluch sie ihrer äußern Freiheit beraubt da sie die inn're ließen. Als Zeugniß diene jener freche Sohn Des Mannes, der die Arch' errichtete; Er übte Schmähung an dem eignen Vater, Drum ward der Fluch ihm, Sclave stets zu sein. So wird auch diese Welt, wie die zerstörte, Sich von dem Schlimmen nur zu Schlimmern neigen, Bis Gott zuletzt, der Frevelthaten satt, Sich ganz von ihnen wendet und beschließt, Ein Volk aus allen Andern zu erwählen, Deß Bitten er erhört, ein Volk, das nur Von einem einz'gen gläub'gen Manne stammt; Er wohnet noch an dem Gestad' des Euphrat, Und ward im Götzendienste selbst erzogen. O daß die Menschen, kannst Du wol es glauben, So thöricht werden konnten, noch zur Zeit Des Patriarchen, der der Flut entrann, Den wahren Gott zu läugnen, um ein Bild Aus Holz und Stein als Gottheit zu verehren! Doch diesen Mann erwählte Gott und rief Durch einen Traum ihn aus dem Vaterhause Von den Verwandten fort und falschen Göttern, Fort in ein Land, das er ihm zeigen will: Ein mächtig Volk erhebt er dann aus ihm, Und segnet ihn, daß einst durch seinen Samen Ein jedes Volk beseligt werden solle. Der Patriarch gehorcht, auch ohne noch Das Land zu kennen, ist er gläubig doch. Ich seh' ihn dort (doch Du vermagst es nicht), Mit welchem Glauben er die Götzen läßt, Die Freunde sammt der heimathlichen Flur: Wie er Chaldäa, wie er Harans Flut Durchschreitet, hinter ihm ein reicher Trupp Von Heerden und ein dichter Troß von Dienern. Er wandert dort nicht arm; den Reichthum aber Vertraut er Gott, der ihn berufen hatte. Jetzt naht er Canaan; ich seh' die Zelte Um Sichem und auf Moreh's naher Fläche. Hier wird ihm durch Verheißung dieses Land Für Kind und Kindeskinder zum Geschenk, Nordwärts von Hamath bis zur Wüst' in Süden, (Zwar haben jetzo sie noch nicht die Namen, Jedoch ich nenne Dir sie schon) von Hermon Oestlich bis hin zum großen Meer in Westen. Hier hebt der Hermon sich, dort liegt das Meer. Wie ich die Worte zeige, merke sie; Am Ufer liegt der Carmel, ein Gebirg, Von da entspringt der Jordan als die Grenze Des Ostens, welcher Doppelquellen hat. Jedoch des Mannes Söhne werden einst In Senir wohnen, jener Bergesreihe. Bedenke wohl, daß jedes Volk der Erde Durch seinen Samen einst beseligt wird; Aus diesem Samen stammt auch der Erlöser, Der kühn der Schlange Haupt zertreten wird, Wovon Du Näheres später hören sollst. Der Patriarch, den Abraham mit Namen Die Zukunft nennt, wird einen Sohn verlassen Und einen Enkel, die an Glauben ihm, An Weisheit und an Ruhme würdig sind. Der Enkel, der zwölf Söhne dann erzeugt, Begiebt aus Canaan sich in ein Land, Das später man Egypten nennt, getheilt Vom Flusse Nil, Du siehst doch jenen Strom, Der siebenfach gemündet sich ins Meer Ergießt. In dieses Land hat ihn zur Zeit Der Nahrungsnoth sein jüng'rer Sohn geladen, Ein Sohn, deß würd'ge Thaten ihn zum Ersten Im ganzen Reich des Pharao erhoben. Hier stirbt er, und sein Stamm erweitert sich Zum Volke bald, das, nun empor gewachsen, Verdacht erweckt in einem spätern König, Der dessen Uebervölk'rung hindern will, Da sie als Gäste sich so stark vermehren. Deßhalb macht er die Gäste bald zu Sclaven, Läßt tödten ihre Kinder männlichen Geschlechts, bis jenes Volk ein Brüderpaar, (Moses und Aaron heißen diese Beiden) Von Gott gesandt, der Sclaverei entrückt, Und rühmlich zum gelobten Lande führt. Zuerst indeß wird jenes Königs Trotz, Der ihren Gott verhöhnt und seine Botschaft, Durch Zeichen und durch Wunderkraft bezwungen; Die Flüsse wandeln sich in blut'ge Wogen, Und Frösche, Läuse, Fliegen füllen seinen Palast sammt seinem Land mit Ekel an; Sein Vieh erliegt den fürchterlichsten Seuchen, Sein eigner Leib erschwillt von Schwär' und Beulen, So wie die Glieder seines ganzen Volks. Der Donner, mit Gehagel eng vermischt, Und Hagel, dem sich Feuer mischt, durchtobt Egyptens Luft, und überrollt das Land; Was er an Korn, an Gras und Früchten schont, Zehrt von Heuschrecken eine finst're Wolke, Die auf dem Boden nicht ein Hälmchen lassen. Das Dunkel überschattet sein Gebiet, Fühlbare Dunkelheit bedeckt drei Tage; Und endlich tödtet um die Mitternacht Ein Schlag Egyptens Erstgeborene. So willigt, durch zehn Wunden erst gebändigt, Zuletzt das Ungethüm des Niles ein, Und läßt die Gäste ziehn; bisweilen beugt Sich sein verstocktes Herz, doch immer mehr Verhärtet es sich dann, wie Eis nach Thauen, Bis er in seiner Wuth die kaum Entlass'nen Verfolgt, und ihn das Meer sammt seiner Schaar Verschlingt, indeß das auserwählte Volk So wie auf festem Lande zwischen zwei Krystall'nen Mauern durch das Meer entkommt: Durch Moses Stab blieb dieses so getheilt, Bis die Befreiten an das Ufer stiegen. Solch eine Macht verleiht der Herr den Heil'gen, Wiewol er's jetzt durch seinen Engel thut, Der vor dem Volk als Feuersäule Nachts, Jedoch des Tags als dunkle Wolke wandelt, Um ihre Reise sicher zu geleiten, Und sie vor der Verfolgung treu zu schirmen, Denn jener König folgt die ganze Nacht, Jedoch ein Dunkel, das sich zwischen ihn Und zwischen die Verfolgten drängt, errettet Die Schaar; dann schauet aus der Feuersäule Und Wolke Gott der Herr und macht verwirrt Die Schaaren und zertrümmert ihre Wagen. Dann streckt noch einmal Moses seinen Stab, Und sieh', das Meer gehorchet seinem Wink; Die Wogen stürzen auf das Kriegesheer, Und senken sie und ihren Kampf hinab. Das auserwählte Volk zieht von dem Strand Nach Canaan durch eine wilde Wüste, Auf einem eben nicht zu nahen Pfad, Um nicht die Cananiter aufzuschrecken, Da sie, die unerfahren noch im Kriege, Dann als Besiegte wieder nach Egypten Umkehren müßten und in Knechtschaft leben. Auch ward Gewinn dies Weilen in der Wüste, Hier bilden sie den Staat und ihren Rath Aus den zwölf Stämmen, um dann nach Gesetzen Zu herrschen. Gott der Herr wird ihnen selbst Vom Berge Sinai, deß grauer Gipfel Erzittern wird, bei seinem Niedersteigen Mit Blitz und Donner und Drommetenschall, Gesetze reichen, welche theils das Recht Des Volks bestimmen, theils auch die Gebräuche Im Gottesdienst. Er wird durch Bild und Schatten Sein Volk belehren ob des Samens, der Der Schlange Haupt dereinst zertreten wird, Und wie er einst den Menschenstamm erlöst. Doch furchtbar klingt dem sterblich schwachen Ohr Die Stimme Gottes; darum bittet auch Das Volk den Moses, daß er ihnen Gottes Befehl verkünde, was er drauf gewährt, Und jetzt erfährt es, daß zum Herr-Gott nie Der Zugang ohne Mittler ihm gestattet, Und Moses übernimmt das Amt für jetzt, Um eines Größern Leben einzuführen, Von dessen Tagen er schon prophezeit, Und welchen alle künftigen Propheten Als herrlichen Messias preisen werden. Nun, da Gesetz' und Rechte festgestellt, Hat Gott ein Wohlgefallen an den Menschen, Die ihm gehorchen, daß er unter ihnen Sein Zelt erwählt und bei den Sterblichen Selbst seine Heiligkeit verweilt. Es wird Ein Heiligthum für ihn aus Cedernholz Mit Gold verziert erbaut; darin die Lade Mit jenem Zeugniß, seines Bundes Schrift. Darüber steht der Gnade Sitz von Gold, Durch Schwingen zweier Cherubim verhüllt. Vor diesem brennen sieben Lampen stets, So wie ein Sternenkreis mit Himmelslichtern; Auf jenem Zelt' wird eine Wolke Tags, Und Nachts ein Feuerglanz beständig ruhn. So kommen endlich sie, geführt durch Engel, In das dem Abraham und seinem Stamm Verheißne Land. Noch Manches könnt' ich künden, Wie viel sie Schlachten fochten, wie viel Fürsten Und Königreiche sie sich überwanden, Wie einst die Sonne still stand in der Mitte Des Himmels und die Nacht verzögerte, Weil eines Mannes Wort ihr so gebot: O Sonne, steh' in Gibeon! und du, O Mond, im Thal von Ascalon so lang', Bis Israel gesiegt. Dies war der Name Des Dritten in dem Stamm von Abraham, Des Sohns von Isaak, und nach ihm heißt Israel der Stamm, der Canaan erobert.« Hier unterbrach ihn Adam: »Himmelsbote! Erleuchter meiner Nacht, Du offenbartest Holdsel'ge Dinge mir, vor Allem das Von Abraham und seines Stammes Samen. Nun fühl' ich erst, wie sich mein Blick erhellt, Mein Herz beruhigt, das vor Kurzem noch Sich mit Gedanken quälte, was aus mir Und jenem ganzen Menschenstamme werde. Doch nun seh' ich des Mannes Tag, durch den Ein jeglich Volk beseligt werden wird. Zwar eine Gnade, die ich nie verdient, Der durch verbotne Mittel ich verbotne Erkenntniß suchte. Nur begreif' ich nicht, Warum dem Volk, in dessen Mitte Gott Auf Erden wohnen will, so mancherlei Gesetz gegeben ist, denn dies beweist, Daß mancherlei der Sünden unter ihnen; Wie aber kann der Herr bei solchen weilen?« Hierauf erwidert Michael: »Es weilt Die Sünde sicher auch bei jenem Volk, Weil sie ja Dir entstammen. Die Gesetze Sind darum ihm verliehn, um die Verderbtheit Im Menschen ihnen deutlich darzuthun, Weil sie die Sünde stets zum Kampfe treibt Mit dem Gesetz, damit das Volk erkenne, Wenn es gewahrt, wie das Gesetz die Sünde Entdecken, aber nicht vertilgen kann, Vielleicht sie nur durch Opfer schwach versühnen, Damit das Volk erkennt, ein edler Blut Sei nöthig für die Sühne dieser Menschheit, Gerechtes Blut für ungerechtes Blut; Damit sie dann in der Gerechtigkeit Rechtfertigung vor Gott und Frieden finden. Nicht Moses, ob auch sehr geliebt von Gott, Doch Diener nur des Rechtes, wird sein Volk Nach Canaan geleiten, sondern Josua, Der bei den andern Völkern Jesus heißt, Der Amt und Namen Dessen trägt, der einst Der Schlange Haupt zertritt und sicher dann In's Paradies der Ruh' den Menschen bringt, Der lang' in öder Welt umhergeirrt. So wird er in dem ird'schen Canaan Indessen glücklich wohnen, wenn nicht Sünde Des Volkes seinen Frieden stört und Gott Anspornt, ihm Feinde zu erwecken, doch Er rettet stets die Büßenden, zuerst Von Richtern und sodann von Königen. Der Zweite Dieser, der durch Gottesfurcht Und mächt'ge Thaten großen Ruhm erreicht, Wird die Verheißung, nie zu widerrufen, Empfangen, daß sein königlicher Thron Stets sich erhalten soll. Auch die Propheten Verheißen dies, daß aus dem Königsstamm Des David (also ist des Königs Name) Ein Sohn sich einst erhebe, der auch Dir Als Weibes Samen und dem Abraham Sodann verkündet ward als jener Mittler, Auf welchen alle Völker hoffen sollen, Der letzte König, denn sein Reich ist ewig. Doch vor ihm geht noch eine lange Reihe Von Herrschern und der nächste Sohn des David. Berühmt ob seiner Weisheit, seiner Schätze, Läßt Gottes Bundeslade, die zuvor Nur unter Zelten wanderte, mit Prunk In eines Tempels prächt'ge Hallen schließen. Ihm folgen solche Könige, die als gut, Als böse sich erweisen, doch mehr böse, Die Götzendienst und andre Frevel trieben, Und so des Höchsten Zorn erregen werden, Daß er das Land, den Tempel und die Lade Sammt allen Heiligthümern dem Gespött Der stolzen Stadt ertheilet, deren Mauern Du in Verwirrung sahst, und die deshalb Man Babel nannte. Hier ließ sie der Herr An siebzig Jahr in der Gefangenschaft, Dann führt er sie zurück, gedenk der Gnade Und jenes Bunds, den er dem David schwur, So fest wie nur des Himmels Tage sind. Zurückgekehrt von Babylon, erbaut Das Volk mit ihres Königes Genehmung, Deß Herz der Höchste so geleitet hatte, Das Gotteshaus auf's Neue wiederum, Lebt eine Zeit genügsam und gering, Bis es an Zahl und Schätzen sich vermehrt, Und in Parteien sich erhebt; zuerst Befeindet sich die Schaar der Priester selbst, Die Männer, die des Herrn Altare dienen, Und drum den größten Frieden halten sollen; Ihr Zwist entweiht das Tempelhaus sogar; Zuletzt bemächt'gen sie des Scepters sich, Und achten nirgends Davids Königsstamm, Verlieren dann die Macht an einen Fremden, Und der gesalbte König und Messias Wird seines Rechts beraubt und unscheinbar Geboren; – nur ein Stern, der nie zuvor Am Himmel sichtbar, kündet die Geburt Und führt die Weisen aus dem Morgenland, Die nach dem Orte forschen, um dem Kind Gold, Weihrauch, Myrrh'n als Opfer darzubringen. Ein Engel zeigt den Ort, wo er geboren, Einfachen Hirten auf dem Felde Nachts. Sie eilen freudig hin und hören dort Von Engelchören den geweihten Sang. Von einer Jungfrau wird er dort geboren, Sein Vater aber ist die höchste Kraft. Den Erbthron wird er später dann besteigen, Sein Reich begrenzen mit der Erde Schranken, Und mit dem Himmel seinen ew'gen Ruhm.« Er schwieg, denn er erblickte so entzückt Jetzt Adam, daß ihm Thränen fast entsanken, Wenn er sich nicht in Worten Luft gemacht, Die endlich freudig seinem Mund entströmten: »Prophet der frohen Kunde, der Du mir Die höchste Hoffnung jetzt vollendet hast, Nun erst erkenn' ich, was vergebens meine Gedanken oft erforscht, warum der Mittler Der Samen eines Weibes ward benannt. Heil, Jungfrau, Dir, groß durch des Himmels Liebe! Durch Dich vereint sich herrlich Gott und Mensch! Jetzt harrt die Schlange wol in Todespein Des Haupts Zertretung! Sage, wann und wo Beginnt der Kampf und welcher Stich verletzt Des Siegers Fersen?« Darauf Michael: »O träume nicht von einem Leibeskampf, Von Wunden nicht, sichtbar an Haupt und Ferse; Nicht deshalb eint der große Sohn die Menschen Der Gottheit, um den Feind mit größrer Macht Und Ueberlegenheit in Staub zu treten. Auch läßt der Satan sich nicht so besiegen, Deß Fall vom Himmel, ärgere Zertretung, Ihn nicht verhinderte, die Todeswunde Dir beizubringen; diese heilt dereinst Messias, ohne Satan zu vernichten. Er tödtet nur sein Werk in Dir und Deinem Geschlecht; auch wird dies anders nicht vollbracht, Als durch Gehorsam, den Du ihm verweigert, Gehorsam gegen die Gesetze Gottes, Der sie bei Todesstrafe Dir geboten. Dies nur kann der Gerechtigkeit genügen. Er aber wird das göttliche Gesetz Durch Lieb' und durch Gehorsam streng erfüllen, Obwol die Lieb' es schon allein erfüllt. Auch Deine Strafe wird er leiden müssen, Da er im Fleische kommt zu herbem Leben, Zum Fluch des Tod's bestimmt; er aber wird Das Leben künden Allen, so da glauben An die Erlösung, damit sein Gehorsam Durch Glauben ihnen zugerechnet wird. Nur sein Verdienst kann Seligkeit verschaffen, Doch nicht ihr eig'nes Werk, wär' dies auch recht. Deßhalb wird lebend er gehaßt, gelästert, Gewaltsam selbst ergriffen und gerichtet! Zum schmählichen, verfluchten Tod bestimmt, An's Kreuz geheftet von dem eignen Volk; Er wird getödtet, weil er Leben bringt. Doch Deine Feinde heftet er an's Kreuz, Das Recht, das gegen Dich gesprochen hat; Der Menschheit Sünden sind mit ihm gekreuzigt, Die nimmer Denen, welche glauben, schaden. So stirbt der Herr, bald aber lebt er auf Zu neuem Leben, denn der Tod hat keine Gewalt auf lange Dauer über ihn. Eh' noch das dritte Morgenroth erwacht, Seh'n ihn die Sterne von den Todten steigen, Frisch wie das junge Dämmerlicht des Tags. Er zahlt die Lösung, die vom Tod den Menschen Loskauft, mit seinem Tode für die Menschen. Die göttlich hohe That errettet Dich Von dem verhängten Tod ob Deiner Sünde, Beraubt des Lebens, ewiglich verloren! Die große That zertritt des Satans Haupt, Schwächt seine Kraft, vernichtet Tod und Sünde, Als seine stärksten Waffen; diese That Drückt tief're Stacheln in des Satans Haupt, Als wie der Tod sie in des Siegers Ferse Und der Erlösten jemals drücken kann. Denn Tod ist nur ein lieblich sanfter Schlummer, Der zur Unsterblichkeit hinüberführt. Auch nach dem Auferstehn wird der Erlöser Nicht länger auf der Erde weilen, nur, Um seinen Jüngern manchmal zu erscheinen, Die treulich stets im Leben ihm gefolgt. Und ihnen wird das Amt von ihm zu Theil, Zu lehren allen Völkern, was er sprach: Die Gläubigen zu taufen in dem Strom, Als Zeichen, daß sie von der Sünde Schuld Gereinigt sind und vorbereitet selbst, Den Tod zu sterben, den Messias starb. Sie lehren alle Völker, denn fortan Wird nicht allein dem Stamm des Abraham Erlösung dargeboten, sondern Allen, Die Söhne sind vom Glauben Abrahams, In welchem Theil der Erde sie auch wohnen. So wird der ganze Same selig einst. Dann steigt der Herr glorreich zum Himmel auf, Ob sein' und Deiner Feinde triumphirend. Dort faßt er den Monarchen in der Luft, Die Schlang', und schleppt gefesselt ihn durch's Reich, Um dort ihn schmachbedeckt zurückzulassen. Dann geht er ein in seine Glorie, Und sitzt zur Rechten Gottes auf dem Thron, Erhaben über alle Himmelsgeister; Von droben naht er, wann dereinst die Welt Zum Untergang gereift, mit Macht und Glanz, Zu richten die Lebendigen und Todten, Die Ungetreuen zu bestrafen, doch Den Gläubigen gerechten Lohn zu spenden, Empor zu heben in die Seligkeit, Sei's in dem Himmel oder auf der Erde, Denn diese wird zum Paradiese werden, Beglückter noch als dieser Ort in Eden, Und reicher noch an glücklicheren Tagen.« So sprach der Engel Michael und schwieg, Da an dem großen Ziel er angelangt, Und unser Ahn, bewundernd und entzückt Vor Freude sprach erwidernd zu dem Engel: »O ew'ge Güte, Güte sonder Maß, Die all' dies Gute selbst aus Bösem schafft, Und selbst das Böse noch in Gutes wendet, Weit wunderbarer, als die Schöpfung selbst, Die Licht zuerst aus Finsterniß erschuf. Voll Zweifel bin ich, ob ich noch die Sünde Bereuen soll, die ich begangen habe, Ob ich nicht lieber jetzt mich freuen soll, Daß so viel Gutes draus erstanden ist. Da Gott mehr Ruhm, und Gnade mehr der Mensch Erringt und Gnade reichlicher als Zorn Sich zeigen soll. Doch sprich, wenn der Messias Gen Himmel steigt, was aus den Wen'gen wird, Die an ihn glauben, wenn sie so allein In der ungläub'gen Heerde bleiben müssen; Wer führt sein Volk und wer beschützt es dann? Und wird man seine Jünger ärger nicht Mißhandeln, als man schon mit ihm verfuhr?« »So wird es,« sprach der Engel. »Doch der Himmel Wird auch den Sein'gen einen Tröster senden, Verheißung seines Vaters, der im Geiste Stets unter ihnen weilt; er schreibt des Glaubens Gesetz in ihre Herzen, um mit Wahrheit Und geist'gen Waffen so sie auszurüsten, Daß sie des Satans Kämpfen widerstehn, Und seinen Feuerpfeilen trotzen können. Denn jener Geist, der über die Apostel, Die er zu lehren allen Völkern sandte, Zuerst sich ausgegossen, dann jedoch Auf alle die Getauften, wird sie mächtig Mit wunderbaren hohen Gaben rüsten, Daß sie in jeder Menschensprache reden, Und Wunder üben, wie ihr Meister that. So schließen sich die Völker zahlreich an, Die jene Himmelsbotschaft freudig grüßen; Zuletzt, wann ihre Pflichten sie vollbracht, Und ihre Laufbahn gut beendet haben, Und ihre Lehren schriftlich hinterlassen, Verscheiden sie. An ihre Stelle treten Nun Wölfe, wie schon jene prophezeit, Raubgier'ge Wölfe, die voll Heiligkeit Geheimnisse des Himmels nur zum eignen Vortheile nach Gewinn und Ehrsucht drehn, Und Wahrheit durch Betrügerei entstellen. Sie schmücken sich mit Namen, Amt und Würden, Und einen diesen weltliche Gewalt; Sie wagen Gottes Geist sich anzumaßen, Der allen Gläubigen verheißen ist, Und unter dieser Larve den Gewissen Ein geistliches Gesetz durch weltliche Gewalten aufzuzwingen; ja sie legen Den Geist der Gnad' und Freiheit nur in Fesseln, Zertrümmern die lebend'gen Tempel, die Durch eignen Glauben, nicht durch fremden, stehn, Denn nimmer kann der Mensch in seinem Glauben Und im Gewissen sich untrüglich zeigen: Und dennoch werden Viele sich's erfrechen; So daß Verfolgung schwer auf Alle fällt, Die treu im Geist und in der Wahrheit bleiben. Die Andern, der bei weitem größre Theil, Wird in Gebräuchen und durch Formelwesen Der Gottesfurcht genügt zu haben meinen. Die Wahrheit wird vor der Verleumdung Pfeilen Getroffen fliehn und Glaubenswerke weichen. So wird sich denn die Welt dem Bösen gütig, Dem Guten meist gehässig zeigen, bis Der Tag der Ruhe dem Gerechten naht, Und Rache dem Verräther beim Erscheinen Des Heilands aus dem Samen eines Weibes, Der dunkel Dir schon prophezeiet ward, Und den Du näher nun als Retter kennst, Der in den Wolken einst vom Himmel steigt, Und in des Vaters Glanz sich offenbart, Den Satan sammt der arg verderbten Welt Zu tilgen und dann aus dem Feuerschwall Geläutert neuen Himmel so wie Erde Zu schaffen, wo die schön're Zeit beginnt, Die sich auf Tugend, Lieb' und Frieden stützt, Und Wonn' und Heil als ew'ge Früchte beut.« Er schwieg. Adam erwidert drauf zuletzt: »Wie bald, geweihter Seher, hat Dein Auge Den Lauf der Welt und die Vergänglichkeit Gemessen, bis die Zeit gefesselt steht. Jenseits liegt Abgrund nur und Ewigkeit, Von der kein Auge je das Ende sieht. Nun scheid' ich unterrichteter von hier, Mit wahrer Ruhe des Gemüths, bereichert An Kenntniß, die mein Sinn erfassen konnte. Noch tiefer schauen, war ein eitler Wunsch. In Zukunft weiß ich, daß am Besten ist Gott zu gehorchen und in Furcht zu lieben, Zu wandeln, wie vor seinem Angesicht, Auf seine Vorsehung allein zu achten, Da er sich aller Werke mild erbarmt, Mit Gutem alles Böse stets besiegt, Durch Kleines selbst das Herrlichste vollführt, Durch schwache Dinge weltlich starke stürzt, Und durch der Unschuld Milde list'ges Wesen. Daß um die Wahrheit dulden Muth beweist, Der zu dem höchsten Siegesglanze führt, Und daß für Gläub'ge Tod die Lebenspforte: Das lehrt mich jetzt das Beispiel des Messias, Den ich erkenn' als ewigen Erlöser.« Der Engel sprach darauf zum letzten Mal: »Wenn das Du lerntest, hast Du auch den Gipfel Der Weisheit schon erreicht; nicht Höh'res hoffe! Und wenn Du aller Sterne Namen kenntest, Und alle Kräft' und Wunder in der Tiefe, So manch' Geheimniß der Natur, die Werke Des Höchsten in der Erd', im Meer und Himmel; Wenn alle Schätze zum Genuß Dich zögen, Und alle Herrschaft Dein wär' als ein Reich! – Nur füge zu dem Wissen auch die That; Jetzt füge Glauben, Tugend und Geduld Und Mäßigkeit hinzu und jene Liebe, Die einst als christliche gepriesen wird, Und Seele wird von allen Tugenden. Dann läßt Du ungern nicht dies Paradies, Du trägst in Dir ja ein viel seligers. Laß uns von dieses Forschens hohem Gipfel Herab nun steigen, denn die Stunde naht Und fordert unsre Trennung jetzt von hier. Sieh' dort die Hüter, die ich ausgestellt, Am Hügel, harren der Entfernung schon, An deren Spitze hoch ein Flammenschwert Als Zeichen wogt, daß Du von hinnen mußt; Zu weilen ist uns länger nicht vergönnt. Geh' drum und wecke jetzt Dein holdes Weib, Auch sie hab' ich mit süßem Traum beruhigt, Der Gutes kündet und die Lebensgeister Ihr so stimmt, daß sie sich in Alles fügt. Du magst ihr zu gelegner Zeit einmal Das künden, was Du alles heut erfuhrst, Zumal, was sie in ihrem Glauben stärkt, Von der Erlösung, die durch ihren Samen (Des Weibes Samen) auf den Menschenstamm Einst kommen wird, damit ihr fortan lebt, Und viele Tage sind euch noch beschieden, Einträchtig, und vereinigt durch den Glauben, Bekümmert zwar ob des begangnen Uebels, Doch mehr entzückt ob eures sel'gen Endes.« Er schwieg und Beide stiegen drauf vom Berg. Adam ging in den Hain, wo Eva schlief. Er fand sie schon erwacht, und sie empfing Mit Worten ihn, die nicht von Trauer zeugten: »Ich weiß, woher Du kommst, wohin Du gehst, Denn Gott ist bei uns auch im Traum und Schlummer, Er sandte jetzt mir einen günst'gen Traum, Der Glück mir prophezeite, da ich just Mit tiefem Gram dem Schlaf mich überließ. Nun führe mich, ich folge sonder Zaudern; Mit Dir zu gehn, ist süßes Hierverweilen, Doch ohne Dich hier bleiben, ärgste Pein. Du bist mein Alles unterm weiten Himmel, Der Du ob meiner Schuld verbannt von hier. Den einen Trost empfind' ich sicher doch, Daß, ob auch jetzt das Glück verloren ist, Ich doch gewürdigt bin, durch eignen Samen Einst das Verlorne wieder zu gewinnen.« So sprach der Menschen Mutter. Adam hörte Sie wohlgefällig, ohn' ihr zu erwidern; Denn näher trat der Engel, gegenüber Stieg auch die Cherubschaar vom Berge nieder, In Strahlenreihen glänzend wunderbar, Wie Meteore schwebten sie dahin, Wie oft der Abendnebel aus dem Fluß Sich über Sümpfe schwingt und an die Ferse Des Hirten, welcher heimwärts wandert, hängt; Vor ihnen loderte das Flammenschwert Des Herrn und Gottes wie ein Glutkomet, Und sengte, Libyens heißen Lüften gleich, Der milden Zone wunderreiche Flur. Da nahm der Engel eilig ihre Hand, Und führte rasch die Zaudernden zum Thor In Osten, und die Klippe dann hinab Auf eb'ne Flur, – dann schwand er ihrem Blick. Sie wandten sich und sahn des Paradieses Oestlichen Theil, noch jüngst ihr sel'ger Sitz, Von Flammengluten furchtbar überwallt, Die Pforte selbst von riesigen Gestalten, Mit Feuerwaffen in der Hand, umschaart. Sie fühlten langsam Thränen niederperlen, Jedoch sie trockneten die Wangen bald; Vor ihnen lag die große weite Welt, Wo sie den Ruheplatz sich wählen konnten, Die Vorsehung des Herrn als Führerin. Sie wanderten mit langsam zagem Schritt Und Hand in Hand aus Eden ihres Wegs.