Adelgunde Die Liebe ist was Süßes zwar, doch schlägt sie manche Wunde; dies nahm am eignen Leibe wahr die Jungfrau Adelgunde. Bedenklich ist's insonderheit, steht liebevolle Zärtlichkeit mit Unbedacht im Bunde. Sie, die aus gutem Hause war, war gleichwohl etwas luftig. Ein Mann nahm diesen Umstand wahr, und der betrug sich schuftig. Er warb, wie's so zu gehen pflegt, um Adelgunden unentwegt. Ihr Körper roch so duftig. Er hieß mit Namen Theodor und war von Stand ein Schlosser. Die Brust wölbt sich ihm breit hervor, von Kräften überfloß er. Gestützt auf seine Lendenkraft, hat Adelgunden er errafft. Die Lieb ins Herz ihr goß er. Zwar sträubte sie sich lange Zeit mit Händen und mit Füßen. Doch endlich fand sie sich bereit, die Tugend einzubüßen. Seitdem im Bann der Liebesmacht, ließ sich die Jungfrau Nacht für Nacht den holden Schlaf versüßen. Doch gar zu tief hat Adelgund enthüllt, was an ihr weiblich, und eines Tages tat sich kund, sie liebten sich zu leiblich. Ein Unwohlsein macht ihr bekannt den Fall, in dem sie sich befand – ihr Schmerz war unbeschreiblich. Der Theodor jedoch bedacht des Abenteuers Kosten und drückte sich in stiller Nacht von ihres Bettes Pfosten; und mocht es auch verwerflich sein, er ging nach Haus und schlief allein und ließ die Liebe rosten. Bei solchen Schenkeln hat sogleich sich anderwärts beweibt er. Das Mägdlein aber wurde bleich und jeden Tag beleibter. Sie lief vom Fenster bis zur Tür und jammerte nur für und für: Mein Theodor – wo bleibt er?! Auf ihren Lippen dieses Wort, so harrt sie Stund um Stunde. Inzwischen wuchs ihr fort und fort der Körper in die Runde. Und eines Tages war's soweit, ein kluges Weib kam hilfsbereit zur armen Adelgunde. Die aber schrie vor Schmerz und Zorn, daß alles ringsum krachte, und grämte sich um Theodorn, was sie bewußtlos machte. Und daher sah sie nicht genau, was unterdes die kluge Frau ans Licht der Erde brachte. Ein Knäblein war es allerliebst, das sich dem Leib entwunden. Das strampelte im Bett und piepst und weckte Adelgunden. Jedoch von Schmerzen übermannt, hat sie die Lage kaum erkannt und drum nicht schön gefunden. Gleich wieder das Bewußtsein schwund. Da spritzt die Hebemuhme sie auf die Stirn und auf den Mund mit kölnischem Parfume. So ward sie wiederum bewußt. Jedoch es stach ihr in der Brust wie eine dornige Blume. Das Kindlein aber in dem Bett schrie froh an ihrer Seite. Da lachte sie und fand es nett und herzte es und eite. Und wie sie es so küßt und kost, gab ihr die Mutterliebe Trost. Dann fuhr ihr Sinn ins Weite. Der Sinn, er fuhr zum Theodor, zum Rabenmann und -vater, und leise kam das Wort hervor: »Oh, Theodor, was tat er! An mich schleicht nun der Tod heran, was aber fängt mein Söhnchen an? Wo ist ihm der Berater? Wer gibt ihm Hemdchen, Milch und Geld? Ist er nicht brav und niedlich? O Gott, wie ist doch in der Welt das Schicksal unterschiedlich! – Auch er soll heißen Theodor!« – Dann blickt sie noch mal um und fror und stöhnt und starb ganz friedlich. Auf Armenkosten schickte man sie auf die letzte Reise. Das Knäblein aber wuchs heran als elternlose Waise. Ein Köhlerpaar mußt ihn erziehn für Armengeld. Das prügelt ihn bei wenig Trank und Speise. Mit sieben Jahren mußt er schon im Walde Brennholz stehlen und mußte sich für Prügellohn im Köhlerdienste quälen. Und als er groß geworden war, erschlug er einen Juden gar am Tage Allerseelen. Sehr bald fand ihn die Polizei und bracht ihn vor den Richter. Der fand, daß Theo schuldig sei, und nannt ihn Mordgelichter. Am Galgen hing zur Morgenstund der Sohn der guten Adelgund. – – Ich aber ward ihr Dichter.