Erster Teil: Verse Gebrauchsanweisung für Literarhistoriker Glaubt ihr mich wert, für künftige Studenten im Namensalmanach »Wer war's?« vermerkt zu stehn – ich lächle schon – doch mag's geschehn: die Manen zehren gern von Ruhmesrenten. Laßt die Magister literarischer Seminare der Verse Rhythmen metrisch spalten, Symbol-Metaphern unters Prisma halten und Rühmens machen von der Dichterware, die Zeugnis gibt poetischen Charakters, wie sie teils griechisch-schlicht, teils in getragner Gotik serviert wird – wenn auch leider die Erotik oft recht obszön scheint, daß so leicht nichts Nackters sich findet in der deutschen Lit'ratur; dies ist betrüblich – andrerseits lockt doch auch dieser Muse Formenreiz und führt bisweilen gar auf ernster Liebe Spur. Da sieht man, wie aus Herzverdruß sich des Poeten echte Seufzer ringen, beziehungsweise, wie Humore schwingen (zwar häufig bittre) aus der Liebe Ungenuß. – – So mag, was mein intimes Sein bewegte, bei Hörern und bei Hörerinnen, mein Lieb- und Leiden Sympathie gewinnen, wie auch, daß mir der grelle Mondschein Furcht erregte ... Nun aber räuspern sich die Professoren: De mortuis nihil nisi bene! Doch – tief bedauerlich – es geben jene ein Quantum wieder meines Ruhms verloren: Der Dichter, von des Tages Eitelkeit verblendet, hat manchmal sein beachtliches Talent – kopfschüttelnd rügt es der Privatdozent – auch an der Gosse Mobinstinkt verschwendet und hat in solchen trüben Sphären mit übeln Kampfgesängen Triebe aufgerührt, die, hätte sie die Hetze nicht verführt, dem Bürger nie zur Pein geworden wären ... Statt poesievoll alle Menschen zu versöhnen, schürt er – dies hüllt sein Licht in Schatten – den Haß des Hungerpöbels auf die Satten, die Kunst entweihend mit politischen Tönen. So traf – der Wahrheit sei die Ehre! – ihn, den wir gern als Zierde des Parnasses nennten – und ein umflorter Blick streift die Studenten –, die Strafe der Justiz mit wohlverdienter Schwere. In den Annalen der politischen historia wird drum, als Schädling unsres Staats, der Name aufbewahrt – der eines Herostrats; ein Warnungsmal: sic transit mundi gloria! Hingegen wir, wir unpolitischen Ästheten, wir kennen und verdammen freilich seine Schmach – doch unser Musenalmanach vermerke immerhin den lyrischen Poeten ... Soll das der Nachruhm sein, der mir beschieden? – Es sei: Mein Name gilb in Listen form- und gemütbegeisterter Seminaristen, mit einem Schandkreuz angemerkt. – Ich bin's zufrieden. Sonst sei er ausgelöscht im Weltgedächtnis. Auch sei, was ich von Mond und Mädchen je gedichtet, für Dissertationen im Archiv geschichtet: das Tote ist dem Leben kein Vermächtnis! ... Doch, blieb aus meinem Freiheitsruf ein Reim, ein einziger, lebendig bei Rebellen – gelang ein Wort mir, Dumpfheit zu erhellen, so kehr mein Name gern zum Lethe heim. Denn: färbt ein weißes Blütenblatt sich rot vom Blute meiner Leidenschaft – ein einziges auf dem Feld, wo junge Kraft den Sieg erkämpfen soll –, so ist mein Werk nicht tot! Es lebt im Hauche, den es stärkend trug zum Kampf der Jugend. – – Name nicht, noch Wort – der Geist, der wirkende lebt fort! Darf meiner Freiheit wirken, ist's mir Ruhm genug.