Poeta Laureatus Lied des Leiermanns Ein Orgelmann leiert am Straßenrand, er rasselt mit seinen Prothesen: Ich gab meine Beine dem Vaterland; ich bin ein Kriegsheld gewesen. Zu Hause ließ ich die Kinder, das Weib, die hungern sich den Skorbut an den Leib; – ich brüllte gereimte Gesänge und kämpfte im Schlachtengedränge. Doch das macht nichts, das tut nichts, das kommt nicht drauf an – mich haben die Dichter begeistert, sie haben das Hirn mit verkleistert, daß ich jetzt mit den Kunstbeinen rasseln kann. – Ein Hoch der Poesie! Es lebe das Genie! Immer rein, immer rein in die Akademie! Hurra, ich kann singen auch ohne Bein und orgeln zu Dichters Reimen. Drum sollen sie auch Akademiker sein und den Geist des Vaterlands leimen. Was ich hatte, das stahl mir die Inflation, und der Hauswirt schluckt meine Krüppelpension, ich dreh meinen Leierkasten und üb mich in Frieren und Fasten. Doch das macht nichts, das tut nichts, das kommt nicht drauf an. Wenn die Dichter nur werkeln am Staate, dann freut sich ein tapfrer Soldate noch als bettelnder Leierkastenmann. Ein Hoch der Poesie! Es lebe das Genie! Immer rein, immer rein in die Akademie! Das Leben der Dichter ist immer ein Fest, besonders der Prominenten. Sie singen vom Mond, von der Frau, vom Inzest, da schmecken den Reichen die Renten. Und macht ein Poet als Prolet sich gemein, dann sperrt man ihn rechtens ins Zuchthaus ein. Er braucht ja den Staat nur zu loben – dann wird er vom Staate erhoben. Doch das macht nichts, das tut nichts, das kommt nicht drauf an. Wir preisen die Republike mit Versen teils, teils mit Musike. Der Dichter reimt's erst, ich orgle es dann: Ein Hoch der Poesie! Es lebe das Genie! Immer rein, immer rein in die Akademie!