Rhins und Luitbertas heimliche Zusammenkunft. Siebentes Lied Leise eilte Luitberta aus ihrer Kammer hervor, Um die Stunde da sie versprochen, unter den Linden, Bey dem Brunnen mit ihrem Gemahle sich einzufinden; Doch vermochte sie nicht der Amme wachsames Ohr Zu hintergehen. Ihr Auge hatte bis dahin dem Schlummer Nicht zu besiegeln erlaubt der herbe drückende Kummer. Da schleichen sie jezt hört, springet in Eil' sie voran, Fassend das Fräulein gar ängstlich am Arme: Was beginnst du, o Trauteste, sag', welcher Wahn Treibet dich fort, eine neue Unheils-Bahn Zu beschreiten. Um diese Stunde jezt, zu größerem Harme? Halte ruhig dich hier bis der Morgen anbricht, Dann mögen die Freunde uns weiteren Rath ertheilen. O lass' mich! seufzet die Holde, halte mich nicht! Zu dem unglücklichen Gemahl muß ich nun eilen. Ihn sehen muß ich, ach! den Geliebtesten! noch einmal sehn, Bevor er auf immer vielleicht geschieden – ich bitte, Lass' mich! hier hilft kein Ausschub, hilft kein Fleh'n, Voll Jammer muß ich verfolgen meine Schritte; Ihn grüßen muß ich, sollt' ich auch Fluth und Flammen durchgeh'n, Und müsste beschreiten ich des Todtenthales Mitte. Halt' fest mich nicht länger! – Mit Gewalt reißt sie sich los, Und eilet davon; Erschrocken sinkt die Amme auf die Marmorstiege zurücke; Schluchzend sizt sie, die Arme traurig gestüz auf den Schooß Laut beseufzend, Des Schicksal grausame an ihr verübte Tücke: Bis gestern hielt thöricht ich beneidenswerth mein Loos, Gesichert von dem Glücke vor künftigem Harme und Wehen; O blinder Wahn! gestürzt fühl' ich heute mich schon In den Abgrund des Elends mit Schrecken und Hohn, Ach, Himmel! wie wird es mir nun noch ergehen? – Indem sie noch jammert so für sich allein, Erblicket sie von Lichter- und Fackel-Schein Erleuchtet des Schlosses hohe Gänge; Der König erscheint Gepanzert und hinter ihm beweget sich einher Bewaffnet gleichfalls mit Schilde und Speer Des Reiches erste Mächte, in furchtbar'm Gedränge. Durch den Bericht der Zofe hatte Geltar bereits alles entdeckt, Wie Rhin, zu dessen Flucht man alle Mittel anwende, In Pater Huberts Klause liege sicher versteckt; Befehl ließ darum zum Aufbruche behende Ertheilen der König, unverwarnet jezt In der Stunde der Nacht die Klause feindlich zu berennen, Die Verräther zu fangen, und wenn genugsam man sich gelezt An des Jünglings Tod, Das Kloster anzuzünden, daß Pater und Sakristan drinnen verbrennen. Betroffen stehet er, da er jezt die Amme hier erschau't In solchem Zustand, ihn fasset heimliches Beben; – Wo, frägt er, ist meine Tochter? – Herr, schluchzet diese laut, Keine Auskunft weiß ich auf eure Frage zu geben, Wie, noch wo das Fräulein sich zu dieser Stund' Befinde, wie es stehet um ihr zartes Leben. Ganz außer sich, sinnlos, an Leib und Seele wund, Spricht sie von nichts anderm, als aus der Welt zu fliehen In ein Kloster, ich eilte so eben ihr nach Mit Bitten; – doch vergeblich alles Zureden, ach Vergeblich meine Gewalt, sie zurück zu ziehen; Hier stieß sie mich von sich, eilte im Dunkeln davon. Welche Pfade sie genommen, weiß ich nicht euch zu sagen. Bey diesen Worten fühlte der König eine Legion Von Nattern den Busen auf das grimmigste ihm zernagen, Verruchte, schrie er, nimm dieses zu deinem Lohn, Für alles was bisher zum Unheile du beygetragen. Des blitzenden Dolches Spitze senket zornig er In ihre Seite, blutig fiel nieder sie, es fehlte nur wenig, Daß vollends er sie gemordet im Grimme, als gehüpft, wie von ungefähr, Gissele, die Verräth'rin, herbey kam: Herr König! Rief sie, wollt überraschen ihr, eure Tochter, gewiß Mit ihrem Buhlen zugleich, so säumet nicht voran zu eilen Am Brunnen unter den Linden, mit Wahrheit bezeuge ich dieß, Da findet Beyde ihr in süßem Kosen verweilen. Voll Unmuth Geltar das Zeichen zum Aufbruche gleich gab: Voran! ruft er, laßt schnell uns die Frevler ergreifen, Die meine Langmuth höhnen, ich breche den Stab Ueber Beyde zugleich. – Indeß man hier sich so feindlich anschickt, stand in Aengsten bedrängt Das unglückliche Paar, suchend belastet von schweren Sorgen, zu theilen sich einander ihren Kummer mit, Seelendurchbohrend war für Beyde der herbe Schritt, Der ihnen bevorstand; Luitberta weinte, doch verzehren Längere Leiden des Jünglings Brust, die jezt immer mehr Die Seele ihm beklemmen; der Eifersucht Stacheln dringen Stets tiefer und tiefer ein, sein Geist schweift wild umher, Verfolgt von quälenden Bildern, die peinlich ihn umringen, Die seinen niedern Stand im Vergleich ihm stellen dar, Mit Arturs glänzender Macht und Hoheit; bange schauet, Indem mit Graußen hiebey sich aufwärts sträubet sein Haar, Auf Luitberta er hin, Ihn ängstigt, daß unterliege in der Versuchungsgefahr, Ihr weiblich Herz zulezt geblendet von Stolz – ihm grauet, Den Tod wünscht er sich mit ihr, im dumpfen Seelenharm', Begraben zu liegen, nur haltend sie im Arm' – Verzweiflung presst sein Herz: o, ruft er aus, der bauet Im Fluch auf trüg'rischen Sand, der in der Liebe warm Sein Herz dem Schimmer leichter Hoffnung anvertrauet. O möcht' verlöschen völlig aus meinem Gedächtniß dahin, Möcht' aus dem Zeitenlaufe auf immerdar verschwinden Die Stunde, der Augenblick, wo du gedacht an Rhin Zum erstenmal, Die Stunde, der Augenblick, wo mit getäuschtem Sinn, Beginn am Mächtigern ich, die unverzeihliche Sünde, Zu rechnen mich ihm gleich, Wobey mein trotz'ger Muth verirret sich leider so weit, Zu wägen nicht achtsam genug die hohe Gültigkeit Geheiligter Vorrechte; seitdem ist, gleich dem Funken Der Hölle, verzehrend Mark und Bein, der Fluch auf mich gesunken.