24. Zehn Lieder von der Liebe Rhins und Luitberta's Königs Geltar's Tochter Luitbertas Verliebung mit Rhin, Geltars Waffenknecht. Erstes Lied Schön war der Jüngling von stolzem Sinn, Sein Roß spornte er an des Königs Seite, Dessen Waffen trug er, Beym Lanzenspiel und im blutigen Streite, Vom Söller herab, erblickte einst Luitberta so Den Holden, mit purpurrothen Wangen, Umblizt vom Stahle, kam aus dem Schlachtfelde er froh, Da ward der Jungfrau Busen in Liebesbanden gefangen. Das Rehelein, das gestern noch sich in Unschuld gelezt An der Blumenquelle Rand, stöhnt getroffen jetzt Vom scharfen Pfeil, der des Jägers Bogen entgangen, Des Fräuleins zarte Brust Nähret seitdem peinlicher Liebe Verlangen. Gedankenvoll gehet sie in ihrem Lustgärtlein umher, Die Augen öfters schwanger von süßen Zähren, Nichts ergötzet ihren Sinn, sie seufzet schwer, Die Blumen wollen ihr Nicht Trost und Labung mehr gewähren. Was hilft's, daß ich Erbin bin des Thrones am Rhein, Klagt, von ihren Zofen entfernt, sie in einsamer Kammer; Soll er, der vor Allen mir gefällt, mich nicht freyn – Dieß zermalmet ihr Innres, wie ein schwerer Hammer. So verzehret sie sich am Tage in Sehnsucht bang und heiß, Dem Monde erzählt bey Nacht sie ihr herbes Leiden; Mag die Tochter des Herrschers nicht werden dem Tapfern zum Preis, Das Schicksal einer Magd Muß ich, Aermste! dann wahrlich beneiden. Die Turteltaube sucht im grünen Holze frey, Nach Gefallen sich aus den lieben Gatten, Die Hindinn lockt den Liebling ihrer Wahl herbey Und scherzt mit ihm auf thauigen Matten, Nur Königstöchter sollen, o herbes Loos! die Hand Hingeben nach Anderer Verlangen zum Pfand, Sollen zu bitterster Buße, zu Quaalen, Mit dem Herzen ihren Stand, Ach, tausendfältig schwer und bitter bezahlen. So jammert sie bis der Morgen verschlossen ihr Weh; Die Schaam hält am Tage ihre Zunge gebunden; Das Leben schmelzt weg ihr, wie im Frühling der Schnee, Nichts stillte bey ihr Des Herzens verborgene Wunden. Schon seit langem gefiel des Fräuleins Zustand nicht Der Amme: sie rief jezt voll herzlichem Kummer: Was mangelt Dir, Liebchen? in Deinem lieben Angesicht Welken die Röslein, der Augen heiteres Licht Dämmert, als wolle es Verlöschen in tödtlichen Schlummer. Sag' an, was heimlich Dich quälet, mir doch laut. Nur wenige Zeit noch, dann bist Du eine süße Braut, Nach einem Jährchen, glaub's Täubchen! und zehn Wochen Holet ein Dich, erschreck' nur nicht, zartes Lamm! Holet ein Dich der schmucke Bräutigam, Dem Dich der König, Dein Herr Vater, hat versprochen. Wie eine Flamme schlugs des Fräuleins Gesicht an ganz roth, Die Blicke hält gerichtet sie nieder zur Erde: Welche Neuigkeit – hilf Gott uns aus jeglicher Noth! – Wem befiehlt mein Vater, daß zu eigen ich werde? Zeige an mir den Namen des Bräutigams schnell! – Ey gern, sprach die Amme: ein stattlicher Junggesell, Ich will Dir – doch verschwiegen fein – Alles erzählen: Deiner Mutter Bruder herrscht, wie bekannt Dir, über'm Meer, Auf Schottlandes halber Insel, drey Prinzen hat er, Dem jüngsten, Artur genannt, Will Dein Herr Vater, der König, Dich vermählen. Wie ein Lindenzweig, schütteln die Lüfte ihn stark, Sich beweget, zittern der Jungfrau alle Glieder; Ihr grauset bey Arturs Namen tief bis ins Mark, Auf einen Sessel lässet ermattet sie sich nieder: Was sagst Du, Amme! Prinz Artur sollte mich, Nach Jahr und Monat schon als Braut heimführen? Eh' dieß geschieht mögen in gleichem Augenblicke sich Der Winter und der Sommer berühren; Eher werden die Fische aus des Meeres salzigem Grund Durch die Wolken zu den Sternen aufsteigen, Bevor Prinz Artur mit Willen mich und gesund, Aus der Jungfrauen Kammer führet als sein eigen. Einen andern Bräutigam hat bereits erwählet mein Sinn, Ihm mit Treue sich auf immer zugeschworen, Zurücknehmen lässt sich nicht, was gegeben man hin, Drum muß ich folgen dem Herrn, den ich mir erkohren. Verkaufen will nächstens ich mein Geschmeide, mein Gut, Den Erlöß unter die Armen austheilen, Mit dem Pilgerstabe gerüstet und dem Muschelhuth, Ferne von hier, einem Frauenkloster zueilen; Dort will in Andacht, bey meiner stillen Gruft, Nach Nonnenweise ich Mit alltäglichem Fasten, Beten und Singen, Bis der Tod zu dem Bräutigam in den Himmel mich ruft, Mein keusches Leben in der Einsamkeit hinbringen. Der Amme fast Odem und Stimme entging Ueber dem, was aus des Fräuleins Mund sie vernommen; Was heißt das, schluchzet sie, gottloses, herzliebes Ding! Soll deinetwegen man gar noch von Sinnen kommen? Was plapperst Du? Hätt' die Rede Dein Herr Vater gehört! Eine Nonne werden: Du? uns Alle hier auf einmal verlassen? Den Frieden hätt's ihm wahrlich auf immer gestört, Vor Kummer müsst' er dann bey grauen Haaren erblassen. Von sieben Erben bliebst Du, die Jüngste, ihm übrig allein, Von vier Brüdern und drey Schwestern – sag', ist es fein, Spitzbübchen! mit Deinem guten Mütterchen so übel zu spaßen? Alle Hoffnung auf Dir allein jezt nur noch ruht, Daß schenken Du bald mögest aus Deinem lieben Blut Ein Enkelchen zum Troste uns, einen Herzensgenossen; Wer sollte sich drum einfallen lassen solch eine Schmach, Daß Du quälen einen solltest mit derley Grillen; sag'? Das Herz abmattend Dir mit solchen Ränken und Possen. – Das Fräulein neigte ihre Stirne und seufzete: ach! Doch hielt der Schmerz ihr die blassen Lippen geschlossen. Der Anne List, um Luitberta's Leidenschaft auszuspähen. Zweytes Lied Nachdachte die Amme, da sie sich alleine befand: Seit wann sind dem Fräulein diese Gedanken aufgestiegen? Nonnenfleisch war nie gewachsen ihr, meine Treue setz' ich zum Pfand, Hierunter muß Heimliches begraben liegen. Ausspähen will ich's sogleich; mir stehet zur Hand Ein Mittelchen wohl, um Alles sicher zu erfahren, Mit eignen Augen zu schauen, mit meinen Ohren fein Auslauschen durch List, was hartnäckig, mir recht zur Pein Ihr furchtsames Zünglein Mitzutheilen mir sucht zu ersparen. Des Nachts schlich sie in des Fräuleins Schlafkammer ein, Hinter den Vorhang sezt sie sich leise und verborgen. Luitberta vermeinte im Dunkeln, sie befinde sich allein, Lassend den Zügel ihrem Herzen ohne Sorgen. O Rhin, seufzte sie laut, auf der ganzen Welt Bist Du der Einzige, der meinen Augen gefällt, Mit jedem Pulsschlag umfängt, ohne zu wanken, Meine Seele dich tausendmal in Gedanken. Dürft' klagen dir ich nur einmal meinen Schmerz! Dich nahe nur einmal umfassen! Ausleeren an deinem Busen mein Herz, Gern wollte ich nach solcher Labung erblassen! Dürft' bekennen ich dir, ach! einmal nur frey Meine Leiden, sie alle dir gestehen, Ich weiß, vor Mitleid bräche dein Busen entzwey, In Trauer müsstest du gleichfalls vergehen. O Holdester! da die Deinige ich nicht werden kann, Soll berühren meine Hand kein anderer Mann; Will meine Liebe zu dir In Unschuld fürhin dem Himmel rein ich vererben – Als Jungfrau in einem Kloster gerne sterben. Die gute Amme spitzte gewaltig ihr Ohr, Da verborgen sie diese Worte vernommen; Stellte ich, sagte bey sich selbst sie, doch gleich mir es vor, Daß Alles am Ende müsste dahin noch kommen. Verliebt die kleine Hexe? ohne meinen Beystand, noch Rath; Hätte wenigstens sie mich berichtet vor der That, Zum Vortheil wäre jezt Manches schon gewendet, Ihre bittern Leiden wohl alle bereits geendet. Sachte schlich aus der Kammer sie sich weg, doch da kaum Gebrochen der Tag an, kehret sie wieder zurück: Wach' auf, Luitbertchen! erzähl' mir Deinen Traum. Begegnet bist Du diese Nacht wohl gutem Glücke! Dein himmlischer Bräutigam, ich weiß es, verweilte bey Dir, Denk' nur, in der Frühe begegnete er mir; Genau habe ich ihn darum angesehen; Seine Gestalt will ich vollkommen beschreiben Dir, Wenn Du die Wahrheit willst ein mir gestehen. Er hat, merk' auf! ein sehr feines Wadenpaar, Als wäre geschnitten es aus mit der Scheere; Blaue Augen, lichtbraunes, geringeltes Haar. – Das Bürschchen gefiel mir selbst, bey meiner Ehre! – Er gleichet, ähnlicher könnt' ein Mahler ihn nicht Mit dem Pinsel und Farben an die Wand hinstellen, An Höhe und Wuchs und auch von Angesicht Deines Vaters Waffenknecht, Rhin, dem tapfern Gesellen. Nun willst Du, Scharlachgesichtchen, erstatten völlig Bericht, Oder Dich weiter verstellen? – böses Mägdlein! Vor Schaam schloß das Fräulein die Augen, auf die Hand Der Amme legt jetzt schluchzend sie die nasse Wange, Hilf Gott mir! bekannt ist laut jezt meine Schand', Wie wird mir vor des Vaters Zorn, ach! so bange. – Was Schande? ruft die Amme, die erste bist Du nicht, Der so was begegnet; nach muß man freylich hier sinnen, Damit wir der Sache fein hinter'm Licht, Einen guten Ausgang gleich hurtig angewinnen. Das Beste, meine ich, sey, Rhin werd' sogleich Dein Gemahl, Bevor Du, in solcher bittern Angst und Herzensquaal, Allen Muth lässest gänzlich dahin rinnen. Wenn morgen Dein Herr Vater geritten in den Wald, Mit seinen Schützen, zum Jagen und Hetzen, Mag Rhin in Deinem Lustgärtlein Dich besuchen dann bald, Da mögt Ihr in Freuden beysammen Euch letzen. – O Mutter, rief aus hier die Zarte, ach nein! Vor Schaam müsst' ich wahrlich ja vergehen, Sollt' als eine Jungfrau hier ich die erste seyn, Dem Jüngling so frey meine Flamme zu gestehen; Und schlüg' er mir gar seine Neigung ab, Vor Kummer müsst' ich gänzlich dann verzagen; Odemlos sänke ich, glaube mir, dahin in das Grab. Nein, gute Amme, nimmermehr vermag ich dieß zu wagen. – Was träumst Du, Närrchen! fiel die Amme hier ein, Der Jüngling seine Neigung Dir abschlagen? Rhin ist kein so roher Bär, noch aus Kieselstein, Ihn will ich vorher erst um Alles gehörig befragen. Laß fahren doch alle eitle Zweifel dahin, Die schönste Prinzessin, die je die Sonne beschien, Soll bangen, daß ein Waffenknecht sie möge verschmähen! – Und merkst Du, Schätzchen, nicht, wie Alles soll geschehen? Getrauet wirst Du sogleich an des Geliebten Hand, Vater Hubert soll knüpfen das heilige Eheband, Nach seiner Felsenklaus will ich heute noch senden. Hat der im Sacrament nur gesegnet euch ein, Dann seyd ihr zusammen ein Fleisch und ein Bein, Alle Furcht mag dann bey Dir auf immer sich enden. Amen! sagte das Fräulein, der hochheiligen Jungfrau rein Im Himmel, empfehl' ich uns, damit sie möge schenken Ihren Beystand gnädigst, Alles zu glücklichsten Ausgange für uns zu lenken. Rhins und Luitbertas Vermählung. Drittes Lied Die Amme wollte lassen kein Tröpflein Zeit Hinfließen, ohne das Werk sogleich zu beginnen; Sie eilet zu Rhin: tapferer Gesell, seyd ihr bereit? Geebnet sind für Euch des Glückes höchste Zinnen; Eine Prinzessin, so licht wie Sonnenschein, Luitberta, des Königes einziges Töchterlein, Will, verstehet mich wohl, Euch in Treue und Züchten minnen. Der Jüngling schauet der Amme unter die Augen scharf, Wie soll ich, frägt ernsthaft er, diese Rede verstehen? Der Vasall nach des Herren Tochter nicht verlangen darf – Kommst Du her, in Pflichten falsch mich zu bespähen? Kommst Du her mit Listen, so bringt wahrlich Dir es Noth. – Die Amm' erzittert, ich will, schwur sie, mit dem Tod, Täusche ich Dich, büßen ab mein Vergehen. Freundlicher blickt der Jüngling ihr jezt in's Angesicht; Darf ich trauen, frägt lächelnd er, Deinem Worte? Mein Wort ist sicher, zweifle daran nicht, Es stehet fest, gleich eiserner Pforte; Was ich spreche, hat alles in des Fräulein Busen Grund. – Wohlan, so soll auch unverholen Dir mein Mund Antwort ertheilen hier, an sicherm Orte: Ich bin keines mächtigen Fürsten Sohn, Kleinodien trage ich nicht, noch goldne Spangen, Doch fodre ich für Treue, Treue zum Lohn, Ungeblendet von der Hoheit schimmerndem Prangen. Mich beenget kein Ansehn; in der Liebe Reich, Sagt das Sprichwort, sey Jedes dem Andern gleich; Vor keinem Unterschied lässt mein Busen sich bangen. Hoch schlägt in der Brust mein Herz und voll Muth, Als sey es erfüllet mit fürstlichem Blut – Ey, ruft die Amme, wer wollt' auch besser es verlangen? Bist Du gleich keines mächtigen Königes Sohn, Und schmücken Dich nicht Kleinodien, noch goldene Spangen, Dein junges frisches Blut gilt dem Fräulein mehr als ein Thron, Höher als Rubinen schäzt sie Deine Purpurwangen, Goldne Ketten sind ihr Dein blondes, geringeltes Haar, Saphiren gleich strahlet für sie Deiner Augen lichtes Paar, Kein Kaiser mag mit edlern Kleinoden vor ihr prangen. Wenn morgen der König wird ausgeritten seyn, In den grünen Forst, mit allen seinen Jagdgesellen, Magst Du bey der Prinzessin Lustgärtlein, Dein Warte ich bey dem Pförtlein, Dich heimlich einstellen; Dir soll der Herzliebsten süßes Grüßen alsdann, Alles, was ich in Eile hier nicht berichten darf noch kann, Mit froher Purpurlippe, klärer aufhellen. – Hörest Du, gute Amme, gesprochen sey dieß als Mann, Auf's Spiel setze ich mein junges, frisches Leben, Wenn das Fräulein ich minne, ohne daß der Vater es weiß, Doch achte ich wahrlich! nicht zu kostbar den Preis, Denkt wahrhaft die Holdseligste dahin es zu geben. Mit lüsternem Blicke sah oft schon auf ich zu ihr: Wie seelig der Günstling, dacht' ich dann immer bey mir, Den einstens umfangen solcher Rose lieblichste Ranken, Woran sich entfaltet des Himmels reichste Frühlingszier! Und mächtig pochte mein Busen dann bey solchem Gedanken. Drum mache dem Fräulein meinen guten Willen kund, Sage ihr, daß ich ihr Diener bin mit Herz und Mund, Mein Sinn nie weichen soll aus der Ehrfurcht heiligen Schranken. Ist wahrhaft ihr Antrag, keine Frau soll, beym Sternenheer Schwöre ich, genossen haben des Mannes Liebe mehr, Als voll ich will ihr an meinen Busen ertheilen; Bewahren sie stets In meinen Armen als das allerreichste Gut! Und bis zum Tod dafür kämpfen mit Heldenmuth. – Des andern Morgens hatte schon in der Frühe sich Das Fräulein von ihrem Lager erhoben, Das Herz pochte gewaltig ihr: o wäre, seufzte sie, für mich Geendigt der Tag schon glücklich! mit der Hülfe von oben Mögen die Heiligen bey diesem Schritte wachen und gnädig seyn! Damit büßen wir nicht müssen ihn durch später Reue Pein. Bey solcher Zerknirschung Hatte doch die Zarte keinesweges vergessen, Schmücken zu lassen ihren stolzen Leib zierlich und rein; Herzenspüppchen! rief die Amme, da sie trat ins Zimmer ein, Steht Alles Dir doch so nett, wie mit dem Zirkel abgemessen. Nur fehlet der Hochzeitstraus, den mag der Holde Dein Mit eigener Hand nachher Dir an den Busen vorstecken; In der Kapelle wartet er mit Vater Hubert, vom Land Ist gekommen Der gleichfalls schon; laß voran uns hübsch gewandt! – Luitberta überfiel bey solchen Worten süßes Erschrecken; Zitternd schreitet sie die Stiege hinab, an der Amme Hand: Mit holder Anmuth tritt der Jüngling ihr nun entgegen; Willkommen! meine Hoffnung, rief er, meiner Seele edelstes Pfand, Soll blühen mir in Euch der Erde, des Himmels reichster Seegen? Kein Augenblick entfliehe künftig mir, an dem ich nicht, froh Diese Stunde segnend, Als meines Glückes höchsten Gipfel will betrachten. Das Fräulein entgegnet schamhaft, daß nichts im Leben sie so Erquicke, als seine getreue Magd bis in den Tod sich zu achten. Der fromme Vater hatte in stiller Andacht sein Gebet Verrichtet einstweilen, jezt trat sich räuspernd er auf die Schwelle Des Altars, Beyden winkend: seyd ihr, ich frage an Gottes Stelle, Bereit, das heilige Ehesacrament, wie eingesezt es steht, Nach des Herren Wort, in Zucht und Eintracht zu beschließen? So lasst durch ein deutliches Ja vernehmen mich es laut. – Da ihren Willen nun klar verkündiget Bräutigam und Braut, Ließ beichten er sie, und darauf des Herren Leib genießen: Es diene euch, rief Mit heischerer Stimme er, zu fernerem Ersprießen Des Heil's Euer Seele. – Führend jezt aus dem alten und neuen Testament Beyspiele an, mit Eifer, wie man müsse sich verhalten, Um würdig zu pflegen das hochheilige Ehesacrament. Da Beyde nun versprochen, in ihren Pflichten nie zu erkalten, Sondern fleißig jedes Gebot, das seinen Lippen entging, Tagtäglich zu beherzigen, und gleich einem goldenen Ring Zu bewahren getreu, hieß treten er sie beysammen Näher und niederknieen vor den heiligen Altar, Einsegnend als Mann und Frau sie, unauflöslich zum Paar: Seyd fruchtbar und mehrt euch! daß aus euerm Saamen stammen Viele Söhne und Töchter, wie der Herr zu segnen pflegt, In diesem Stande der Gerechten. Amen! rief, bis zu Thränen bewegt Die Amme, wer dürfte ein so heiliges Werk jemals verdammen? Jezt, brachen, wie beym Feuer, das unter dürre Reiser man legt, Zwischen dem jungen Pärchen hervor der Liebe verborgene Flammen; Ein süßes Umfangen und wonnevolles Herzen wollte nun Beginnen zwischen Beyden, obgleich in Ehren und Züchten; Pfuy! rief die Amme, in der Kapelle so was! – wollt ihr ruhn! Dergleichen Dinge lassen sich ja anderswo bequemer verrichten. Die Entdeckung von Rhins und Luitberta's Liebesverständniß und des Königs Verzweiflung darüber. Viertes Lied Die ersten Wochen flogen ihr leicht dahin, Als schwebt ihr Herz in Wölkchen über der Sonne, »Ach, reicher Gott! rief oft sie in frohem Sinn, Dank ewig dir für Paradieses Wonne! O gute Anne, welch ein sel'ges Band – Wer spräch's ganz aus? – Der heil'ge Ehestand, Dieß Glück hat, glaube mir, all mein Hoffen, Mein Denken und Wünschen übertroffen. Mit jedem Tage wird theurer mir, fürwahr! Des holden Gemahls herzinniges Thun und Streben, Ihn zu schützen acht' ich keine Gefahr, Zu erhalten ihn, opf're ich willig mein Leben. Die Pflicht verwandelt mein Bangen in Muth, Seine Gemahlin zu seyn ist mein höchstes Gut; Möchte ich als Herrn der Erde ihn vor mir schauen! Ja einen Sternenthron möcht' ich ihm bauen! – Zwey Dinge nur drücken das Herz mir schwer, Die mir alle Lust gar schmerzlich verbittern, Das eine, daß den Viellieben ich nicht nach Herzensbegehr Darf grüßen; dann macht auch der Gedanke mich zittern, Was erfolgte, käm' meinem Vater zu Gehör Die Vermählung! – Ach erst vor wenigen Nächten Hat geträumt mir, als eilten Boten über das Meer, Die Nachricht von Arthur's Ankunft dem Könige brächten, Und während mein Vater zu mir ins Zimmer kam, Die frohe Zeitung mir, als Braut, wissen zu lassen, Ward entbunden von einem Sohn ich – vor Angst und Schaam Vermeinte ich in solcher Noth zu erblassen.« O ihr Heil'gen! rief die Alte, nur keinen Gram! Das Hänschen komme nur; du wirst sehen, Du bildest dir Alles nur schlimmer ein. Vater Hubert – verstehst du? – soll Mittler seyn, Der dem König die Heirath eröffnen wird gehen. Sey ruhig, du Liebchen, ich bringe, in der Nacht, zu dir, Zu dir den Geliebten, da könnt ihr sie stillen Der getrennten Herzen Sehnsucht-Begier. – Leicht folgt auf zu reiche Freude Verdruß. – So geschah auch hier: es dauerte der frohe Genuß Dem liebenden Pärchen nur wenige Wochen; Zu hastig hob der Jüngling seinen Blick zum Thron – Bin ich nicht, sprach er bey sich, des Königs Schwiegersohn? – Wer darf am Hofe gleich mir auf Ansehn pochen? – Die Großen sah trotzig er über die Achsel an, Aus dem Wege ging er keinem in seinem Wahn. Hui! riefen die Höflinge grollend, was soll das bedeuten? Welch Uebermuth bey diesem gemeinen Knecht? Worauf baut dieser Knabe so kühn sein Recht? – Frühe sollte dieß den Liebenden Unheil bereiten; Tausend Augen bald auf den Jüngling gerichtet stehn, Die wachsam ihn tief bis in die Nacht begleiten; Man bemerkt bald sein heimliches Kommen und Gehen, Mit Vermuthung fing man schon an weiter zu schreiten, Als im Löwenmond im selben Jahr, Durch Uebermuth Rhin sich thörigt ließ verleiten, Und machte, was bis daher immer verborgen war, Vor Aller Augen jezt kund. Luitberta sollte sich leihen Beym Erntefest, als der Jungfrauen Chorführerin, Wie gebräuchlich war immer – da unterjagt es ihr Rhin, Ihr befehlend, zu treten in der Tänzerin Reihen, Damit unvermerkt er dann in der Jünglings-Schaar Ihr begegne, und sie wechseln möchten zusammen Liebeszeichen, ganz öffentlich, doch ohne Gefahr, Den Zoll der brennenden Liebesflammen. Dem Fräulein mangelt Erfahrung und Kraft, Zu widerstehn des lüsternen Jünglings Verlangen. Berauscht, mehr von Stolz, als von Wein – was erschafft Nicht Thorheit für Unheil! – drückt auf des Fräuleins Wangen Die Lippen Rhin beym Tanz, sehr unbedacht, Und wähnt, er hab' es ungesehen vollbracht. – Viele Stimmen, gleich dem Rauschen um Mitternacht, Wenn Lüfte im Baumeswipfel sich streiten, Vernahm man sogleich; viele Blicke gaben scharf acht, Ausspähend Rhin's Schritte von allen Seiten, Verkünd'gend im Voraus der Liebenden Fall, Und höhnend die willkomm'ne Mähre verbreiten. Vor den König trat am Morgen der Kronmareschall: Majestät, sagte er neigend, mit ernstlichem Tone, Ward nicht zum Eidam und Erben Eurer Krone Erwählt der schottische Arthur? wie waget nun ein Vasall Mit dessen Verlobten bey offnem Ball Zu buhlen, Euch und dem Prinzen zum Hohne? Die Ungebühr ersah', o Herr! nicht mein Auge allein, Mehr wie hundert Zeugen, ich schwör' es, waren zugegen, Als Rhin, Euer Waffenknecht, vielleicht erhizt vom Wein, Beym Festtanz Eure Tochter verwegen Umfangen hat, öffentlich, geherzt so vertraut, Als wären sie lange schon Bräut'gam und Braut. – Bald wär' dem König bey dieser Mähre das Zepter entsunken, Zornglühend entbrannte sein fürstlich Gesicht; »Wer ist's, rief er knirschend (dem Aug' entsprühen Funken), Der so frech von Luitberta's Ehre spricht? Du Basiliske! das duld' ich nicht!« – Auf sprang er vom Stuhle in Zornesmuth trunken: »O besser den Odem gleich mit dem Leben verhaucht, Bevor er zur Schmach des Herrn ihn braucht. Ha! bist du nicht selbst der verruchte Verräther?« – Herr, Ihr verkennt mich. Schaut mich nur an! Ich bin pflichtgetreu Euch, kein Missethäter, Ist's strafwerth, was ich Euch kund gethan? Ich hielt es für Pflicht. So muß ich denn weichen – Wohl! Redlichkeit fahr' nun eine andere Bahn! Schlechte Gefährtin des Throns, den nur Wahn, Nur Verstellung und Trug umschleichen. Doch zerstäubt Ihr mich auch im gewalt'gen Zorn, Kein Haar breit wird die Wahrheit drum weichen .... Er wollte noch sprechen, allein ihm winkte der König zu schweigen. Als gelegt sich Geltars stürmischer Sinn, Wusste er vor Schaam – wobey er auf Rhin Voll Galle schnaubte, sich doch nicht zu bezähmen; »Verdammt sey der Frevler, der Ungebühr sich erlaubt, Rief er, hinrollen soll sein Haupt, Sogleich zu meinen Füßen bestaubt, Wo man ihn faht, soll sein Blut von Henkershänden verströmen.« Fünftes Lied Viel Aufsehn das Urtheil am Hof und im Umkreis erregt, Vogelschnell der Ruf von Munde zu Munde es trägt, Bald kam dem Fräulein die bange Kunde zu Ohren: »Geächtet sey ihr Gemahl!« Es versagt ihr lange das Wort, Auf der Zunge, vor Schrecken. »Zum Jammer bin ich geboren! Schluchzt endlich sie laut. Mein Gemahl, den ich mir erkohren, Verurtheilt! – Mein einziger Trost, mein Hort! Betrübte Luitberta! bejammernswürdige Ehe! Auf immer zog das Glück von mir fern, Stets schwebte mir vor ein Unglücksstern – Mein ganzes Leben geht unter in Wehe!« Verzweifelnd eilt sie im Zimmer umher, Die Phantasey lässt nur Banges ihr schauen; Wie zum Hochgericht, gefesselt in Banden schwer, Den Herzallerliebsten sie schleppen! – Zum Grauen Anpacken ihn peinlich mit scharfen eisernen Klauen. Sie rauft hinsinkend die blonden Locken sich, wild, Erbleicht, ohne Sprache; gleich einem marmornen Bild Liegt sie, nur rinnen aus ihrem Auge noch Zähren. – Die Amme will trösten: ich bitte dich, Tochter, halt ein! Gieb alle Hoffnung nicht auf! Der Geliebte dein Ist bey Vater Hubert, ich kann's beschwören. Sie ruft sie – kein Zeichen des Lebens! kein Odemzug! Schwer furchet, gleich einem eisernen Pflug Gewissensangst auf der Amme Herzen. O Jesu Marie! Ihr heil'gen Dulder der Schmerzen! Steht mir bey! schon trag' ich der Leiden genug! Ruft weinend sie aus. Ihr Heil'gen steiget hernieder, Steht in der bängsten Jammerstunde mir bey! – Kalt bleibt des Fräuleins Stirn, erstarrt ihre Glieder – Auf springt die Alte verzweifelnd, mit wildem Geschrey: Unseel'ge Brüste, die einst den Engel genährt! Unseel'ge Liebe! nun ist es gethan! Der Kummer um den Gemahl hat ihr zartes Leben verzehrt. Mit Klaggeschrey eilt sie im schaurigen Wahn Bis zu des Königs Gemächern voran. – – Was störet, rief Geltar, am Throne schon wieder den Frieden? Ihr Edelknaben, auf! schauet nach! Da stürzte die Amme herein. Herr König, ach! Luitberta, die Holde, ist eben im Tode verschieden! – Starr, wie eine Säule auf einsamem Grab, Steht Geltar, der König; gleich schwerem Gewicht Sinkt das Wort ihm auf die Seele herab; Die Zunge vermag vor Schrecken nicht Anzudeuten bey ihm des Entsetzens Schauer. Verschieden? mein Kind? sie verließ Das Licht des Lebens? wer hat sie getödtet? o sprecht? – Daß Ihr geächtet Rhin so ungerecht, Ihren Trauten, das bracht' ihr tödtliche Trauer. – Verruchte! rief Geltar, ins Angesicht Darfst Du mir noch pochen? ha! wag' es nicht! Erzittre! ich werde Rach'gericht halten. Ihre Ehre, der Jungfrau köstlichstes Pfand, War dir vertraut, Du botest im Unverstand, Verräth'rin, zu ihrer Schande die Hand; Wie hätte so keck sonst die Zücht'ge mögen schalten? – Von Schande kein Wort! rief die Amme, nein, nein! Herr König, traut nicht verläumd'rischen Schein, Denn bey Sankt Bonifaz heil'gem Gebein, Rhin's Gemahlin Luitberta war züchtig und rein, Sie segnete der Pater Hubertus ein. Ihr Gedächtniß soll Niemand frech beschelten. Was des Jünglings Vater einst treulich vollbracht, Euch dreymal thät retten in fährlicher Schlacht, Wollt' dankbar die Tochter am Sohne vergelten. Vor Zorn vermochte jezt länger nicht Der König in Mäßigungs-Schranken zu weilen. Sie? vermählet mit Rhin? o verdammtes Gezücht, Wer erheischte von euch, entgegen der Pflicht, Meiner Tochter Hand dem niedrigen Wicht Ohne meinen Willen zum Lohn zu ertheilen? Ihr besudelt mein Blut, ihr verwundet dabey Mein Herz mit des Meineids giftigen Pfeilen. Ihr mordet Luitberten! ihr alle Drey Sollt hangen an einem Baum, ihr Verräther! Man führe mir eilig den Pfaffen herbey! – Den Gauner herbergen die frommen Väter? Zur Hölle die Heuchler! Trug, Meuterey Erhält man für Wohlthat zurück zum Lohne! – Das Gebot ward vollzogen. Mit heiterm Gesicht Tritt Hubert vor den König, bis nahe zum Throne; Auf Gott vertrau' ich und fürchte nicht Der Menschen Gewalt. Was will das Gericht? – Wer hieß dir, rief Geltar, mit Donnertone, Vermählen mein Kind gegen Ordnung und Recht, Mit Rhin, dem gemeinen Waffenknecht? Kennst du mein Ansehn? – Wohl unterthänig Verehr' ich's, erwiederte ruhig er, Doch Gottes Gebot liegt am Herzen mir mehr. Gott ist Herr und Gebieter vom Bettler und König. Zum Eh'-Sakrament nicht Titel und Rang, Mann und Weib nur bedarf es. So hat es schon lang Der Schöpfer in Eden eingesetzet, Und will, daß es freventlich Niemand verletzt. Ja fühlen zwey Würdige heißen Drang Durch heil'ge Satzung sich zu vereinen, Darf ich, als Priester, es nicht verneinen. – Vernehmt ihr, ruft Geltar, den Schlangengesang? Hinter Gott verbergen in unsern Tagen Sich Tücke und Frevel; will Einer nur klagen, So schüzt ihn die Kutte; doch sollst du mir nicht Entkommen, du Heuchler, du Bösewicht. – Soll ich mein Haupt zum Todesblock tragen? Ich übte meines Berufes Pflicht, Gab Antwort der Priester, ohne Zagen. Dem König erregte Mißbehagen Des frommen Hubertus unerschrocknes Gesicht; – Da brachte ein Zöfchen den frohen Bericht: Gekehrt sey wieder das Fräulein ins Leben, Von einer todtähnlichen Ohnmacht frey, Und flehe, ihr möge der Vater vergeben! Laut stimmte der fromme Priester bey. Ob dieser erquickenden Seelenarzney Fühlt Geltar vom Herzen mählich sinken Des Kummers unermeßlich Gewicht. Er schüttelt das Haupt, doch im Auge blinken Der Freude Tropfen, ob jenem Bericht: Verzeihn ihr? und gar noch den Priester ihr senden, Der ab sie gezogen von kindlicher Pflicht, Um, was am Verrathe noch fehlt, zu vollenden? – Neuer Verrath; Rhins Eifersucht. Sechstes Lied Verneinend hielt Geltar lang' an sich, man bat, man schrie Von allen Seiten ihm zu, Verzeihung möcht er gewähren Der reuigen Tochter, die Amme fiel auf's Knie, Benetzend seine Füße mit einem Strome von Zähren. Der Kronmarschall und Kanzler, wie suchten sie, Durch leisen Vorspruch, des Königes Zorn zu kehren In Vater-Milde, bis endlich dann ihnen gelang, Den scharfen Stachel zu stumpfen, der ihm den Busen durchdrang. Soll, ruft er, euern lästigen Bitten, Weichherzig ich mich ergeben, ha! wider Willen, so soll Die Leichtgesinnte, die wider alle Sitten, Da sie mit frechem Muthe die Ordnung überschritten, Sie Buße thun, auch scharf, daß gehorsam und reuevoll Zu bessern sich zuerst aus ganzem Vermögen sie trachte; Verspricht sie dieses, so mag sie weiter vernehmen darauf, Daß sie als Rhins Gemahlin ich völlig verloren sie achte, Als Wittwe Rhin's allein nehm' ich sie wieder auf An meinen Busen hier. Du Priester, sollst ihr bringen Dieß Urtheil also gleich; da du den schändlichen Kauf Besiegelt zu meiner Schmach; wirst du mit Trugesschlingen, Hier weiter spielen – merk' auf! so steht zum Bürgen mir Dein Kopf für dießmal; fort – Herr König, entgegnet hier Der Mönch, ich werde das, was ihr befohlen, verrichten, Nach Gottes hohem Gebot und meinen heiligen Pflichten. Da zu Luitberta nun bedachtsam in's Zimmer er trat, Winkt er den Zofen, daß sie sich alle hinwegbegeben, Um Beichte zu hören das Fräulein. Bleich und matt Lag auf dem Bette sie gekrümmt, als wolle sie eben Den Geist aushauchen. Da sie nun glaubten, allein Zu reden, sprach der Vater: Du theure Tochter empfehle Der heiligsten Jungfrau und Mutter, des Herzens bittere Pein, Damit sie ferner dich und deines Gemahles Seele Errett' aus aller Gefahr. Sey ruhig wegen Rhin, Er ist in meiner Klaus', sein Leben ist geborgen, Und noch in dieser Nacht flieht übern Rhein er hin; So daß gerettet sicherlich, Er jenseits der Grenzen, schon am frühen Morgen Sich findet. Ohne Hoffnung von Linderung oder Huld, Ist gesprochen sein Todesurtheil. – Da diese Nachricht vernommen Das Fräulein, hob sie gefaltet, so wie man mahlt die Geduld, Die Hände zusammen auf, gerichtet zum Himmel, die frommen Benetzten Blicke, und rief beklommen: Ihr Heilige, euch bitt' ich für jede Schuld, Die ich beging um Verzeihung, daß ihr mögt gnädig verbleiben Doch ferner meinem Gemahl in diesem gefährlichsten Stand. – Drauf küßte demüthig sie dem ehrwürdigen Priester die Hand, Ihn bittend, daß er vergönne, zwey Zeilen nur zu schreiben, Zum Abschied dem theuern Gemahl, dabey ihm zu senden als Pfand Von ihrer Treue, ein Kreuz, das beständig er möge tragen Auf seiner bloßen Brust. Mit Freuden willigte ein Der Gottesmann; sie schrieb, doch fügte sie zu den Klagen Des herben Abschiedes, die hier gedienet nur blos zum Schein, Geheime Züge; den Sinn verstanden allein Die Liebenden, – doch leider! sich selbst nur zu hintergehen, Und statt des Trostes, den sie gehoffet, nur Todespein Zu ärnten daraus, wie wir mit Trauer ersehen. Als alles dieses mit Eile, doch in der Stille geschehen, Knüpft Schrift und Kreuz sie zusammen in einen Schleyer; gar fein Den frommen Pater bittend, ihn ihrem holden Gatten Bey seiner Ankunft zu geben. Der Pater getreu Es auszurichten versprach. Da sie verständigt nun hatten Sich über Alles, nahm Abschied der Pater, auf's Neu' Ertheilend den Segen ihr reich, und eilet ohne Besorgen Des mindesten Unheils voran, laut betend sein Brevier Auf dem Wege, zur Klause zurück. Indeß hatt' unter der Thür' Der Nebenkammer gelauschet ein Zöflein, treulos verborgen, Die alles mit offenem Ohr erlauschet, was unter sich Die Beyde verhandelt zur Flucht des Geliebten, nicht gar zu leise – Des Paters Gehör war schwach, – drauf unbemerket entwich, Leichtsinnig erzählend die Mähre in manchem Kreise, So daß bekannt sie ward, bevor noch der Abend verstrich, Am ganzen Hofe schon. Man lispelt nach Schranzen Weise, Einander so laut sie sich zu, daß zu des Königes Ohr, So sehr auch der Kronmarschall dem vorzubeugen suchte, Die Zeitung gelangte zulezt; dieß weckte jezt mehr als zuvor Den wildesten Zorn in ihm auf; so daß er die Sinnen verlor, Und Rache knirschend sein Daseyn laut verfluchte. Indeß war Vater Hubertus gelangt zu seiner Klaus'; Und trat zum Jüngling, der saß mit krankem Herzen, Bemächtigt hatte seitdem sich seiner mit Höllengrauss' Die giftige Eifersucht; zu unaussprechlichen Schmerzen, Vernahm er zum erstenmal: Schon wählte den Artur aus Der König zu Luitbertas Gemahl, die bittere Nachricht deckte Ihm einen Abgrund auf, der seine Liebe schreckte, Im Geiste schauet er sich verrathen, geopfert, – hin! Der Hoheit Macht kann leicht verblenden des Weibes Sinn, Seufzt harmvoll er in sich; von Zweifel fühlt er beklommen Den bangen Busen. Ihm ertheilet beym Willkommen Der Pater Luitbertas Gruß: von ihrer Hand nehmt dieß, Was sie, als sichres Pfand von ihrer Treue, gewiß Und wahrhaft übersendet, es mag zu weitern Frommen Und Seelen-Heil euch gedeihn. Auf, frischen Muth! Und überlasset euch nicht ganz dem schwarzen Blut; Noch lebt der alte Gott! – Mit diesen Worten reichet Er ihm den Schleyer zu, und eilt von dannen schnell Zur Vesper Andacht fort. Den Jüngling überschleichet, Da er den Knoten öffnet und neben dem Schleyer nun hell Das Kreuz ins Auge ihm blitzet, ein dumpfes Mißbehagen Mit böser Ahnung vereint; einst schwur er heilig dabey, Dem Fräulein, daß er woll' ihr keine Bitte versagen Wenn solcher Forderung sein Namen Bürge sey. Und müßte tausendmal darum sein Leben er wagen. Jezt liest er, starret an, voll Zweifel, die Zeichen, lang; – Mit dem Pater hatte bereits die Abred' er genommen, Um Mitternacht zu entfliehen, jezt heißt die Gemahlin ihn kommen Zu gleicher Stunde, des Herzens schweren Drang, Durch einen Abschiedskuß zu lindern; »du wirst finden Um diese Zeit schließt sie, an jenem Brunnen mich, Wo jüngst wir sahen uns, im Schatten dunkler Linden.« – Er steht und weiß nicht zu entschließen sich; – »Mich bindet, sagt er, ein Schwur; müßt' ich auch gleich erblassen, Nicht brechen darf ich ihn.« – Er weiß sich nicht zu fassen, Furcht, Liebe, Eifersucht, bekämpfen ihn jezt schwer: Man zwingt zu gehen mich, seufzt er, ich fürchte sehr Daß wir bey diesem Abschied die Händ' uns reichen Zu tieferen Jammer, ich fühle des Schicksals mächtiges Ziehn, Ach, vom Verderben zum Abgrund hin! Wir werden nicht dem Loos: vergeblich zu entfliehn, Das auf uns wartet streng, in dieser Stunde entweichen. Da nun um Mitternacht der Pater bey'm Jüngling erschien, Zur Flucht zu mahnen, bleibt stehen Rhin vor der Zelle: »Erst wall' ich andern Pfad; nicht weit von hier Erwartet mich die Gemahlin, an sicherer Stelle; Abschied muß mündlich ich nehmen, o theurer Vater, von ihr.« – Wie, rief der Gottesmann aus, bey der ewigen Gnadenquelle! Aus Gewissen, o Sohn, nie rath' ich's dir, So augenblicklich dich in solche Gefahr zu begeben, Muthwillig dich auszusetzen des neuen Verrathes Noth! – Wohin du dich wendest lauert auf dich der schmählichste Tod – Und müßt ich, fällt Rhin hier ein, dran setzen mein junges Leben, Ich muß sie sehen; hier gilt nicht Aufschub noch Wahl, Gelobet hab' ich's ihr, mich treibt mein Schwur, nicht die Qual, Nicht die Angst, die mir den Busen zerwühlen – O wüßtet ihr all' mein Weh; nicht zeigen kann ich's euch an, Den Brand, der in mir tobt, kein Felsquell mag ihn kühlen – O Sohn! sprach jener gerührt, wohl kann ich dein Leiden fühlen. So eile dann in Gottes Namen voran. Doch weile nicht zu lang'; es möge dir erhellen Des Herren Licht den Weg. Der Engel Schaaren gesellen Sich huldreichst dir nun bey. Verfehle die rechte Bahn Beym Rückweg nicht! – Rhin ging – des Herzens Wunde Lieh Flügel ihm – zum süßen Bunde. Vergeblich wartete sein bis zu der Morgenstunde Der Pater am Ufer bey'm Kahn, zurück sollt' er kommen nicht mehr! Sein Schicksal hielt ihn bereits in schmählichen Fesseln schwer, Wie euch das folgende Lied ertheilet die traurige Kunde. Rhins und Luitbertas heimliche Zusammenkunft. Siebentes Lied Leise eilte Luitberta aus ihrer Kammer hervor, Um die Stunde da sie versprochen, unter den Linden, Bey dem Brunnen mit ihrem Gemahle sich einzufinden; Doch vermochte sie nicht der Amme wachsames Ohr Zu hintergehen. Ihr Auge hatte bis dahin dem Schlummer Nicht zu besiegeln erlaubt der herbe drückende Kummer. Da schleichen sie jezt hört, springet in Eil' sie voran, Fassend das Fräulein gar ängstlich am Arme: Was beginnst du, o Trauteste, sag', welcher Wahn Treibet dich fort, eine neue Unheils-Bahn Zu beschreiten. Um diese Stunde jezt, zu größerem Harme? Halte ruhig dich hier bis der Morgen anbricht, Dann mögen die Freunde uns weiteren Rath ertheilen. O lass' mich! seufzet die Holde, halte mich nicht! Zu dem unglücklichen Gemahl muß ich nun eilen. Ihn sehen muß ich, ach! den Geliebtesten! noch einmal sehn, Bevor er auf immer vielleicht geschieden – ich bitte, Lass' mich! hier hilft kein Ausschub, hilft kein Fleh'n, Voll Jammer muß ich verfolgen meine Schritte; Ihn grüßen muß ich, sollt' ich auch Fluth und Flammen durchgeh'n, Und müsste beschreiten ich des Todtenthales Mitte. Halt' fest mich nicht länger! – Mit Gewalt reißt sie sich los, Und eilet davon; Erschrocken sinkt die Amme auf die Marmorstiege zurücke; Schluchzend sizt sie, die Arme traurig gestüz auf den Schooß Laut beseufzend, Des Schicksal grausame an ihr verübte Tücke: Bis gestern hielt thöricht ich beneidenswerth mein Loos, Gesichert von dem Glücke vor künftigem Harme und Wehen; O blinder Wahn! gestürzt fühl' ich heute mich schon In den Abgrund des Elends mit Schrecken und Hohn, Ach, Himmel! wie wird es mir nun noch ergehen? – Indem sie noch jammert so für sich allein, Erblicket sie von Lichter- und Fackel-Schein Erleuchtet des Schlosses hohe Gänge; Der König erscheint Gepanzert und hinter ihm beweget sich einher Bewaffnet gleichfalls mit Schilde und Speer Des Reiches erste Mächte, in furchtbar'm Gedränge. Durch den Bericht der Zofe hatte Geltar bereits alles entdeckt, Wie Rhin, zu dessen Flucht man alle Mittel anwende, In Pater Huberts Klause liege sicher versteckt; Befehl ließ darum zum Aufbruche behende Ertheilen der König, unverwarnet jezt In der Stunde der Nacht die Klause feindlich zu berennen, Die Verräther zu fangen, und wenn genugsam man sich gelezt An des Jünglings Tod, Das Kloster anzuzünden, daß Pater und Sakristan drinnen verbrennen. Betroffen stehet er, da er jezt die Amme hier erschau't In solchem Zustand, ihn fasset heimliches Beben; – Wo, frägt er, ist meine Tochter? – Herr, schluchzet diese laut, Keine Auskunft weiß ich auf eure Frage zu geben, Wie, noch wo das Fräulein sich zu dieser Stund' Befinde, wie es stehet um ihr zartes Leben. Ganz außer sich, sinnlos, an Leib und Seele wund, Spricht sie von nichts anderm, als aus der Welt zu fliehen In ein Kloster, ich eilte so eben ihr nach Mit Bitten; – doch vergeblich alles Zureden, ach Vergeblich meine Gewalt, sie zurück zu ziehen; Hier stieß sie mich von sich, eilte im Dunkeln davon. Welche Pfade sie genommen, weiß ich nicht euch zu sagen. Bey diesen Worten fühlte der König eine Legion Von Nattern den Busen auf das grimmigste ihm zernagen, Verruchte, schrie er, nimm dieses zu deinem Lohn, Für alles was bisher zum Unheile du beygetragen. Des blitzenden Dolches Spitze senket zornig er In ihre Seite, blutig fiel nieder sie, es fehlte nur wenig, Daß vollends er sie gemordet im Grimme, als gehüpft, wie von ungefähr, Gissele, die Verräth'rin, herbey kam: Herr König! Rief sie, wollt überraschen ihr, eure Tochter, gewiß Mit ihrem Buhlen zugleich, so säumet nicht voran zu eilen Am Brunnen unter den Linden, mit Wahrheit bezeuge ich dieß, Da findet Beyde ihr in süßem Kosen verweilen. Voll Unmuth Geltar das Zeichen zum Aufbruche gleich gab: Voran! ruft er, laßt schnell uns die Frevler ergreifen, Die meine Langmuth höhnen, ich breche den Stab Ueber Beyde zugleich. – Indeß man hier sich so feindlich anschickt, stand in Aengsten bedrängt Das unglückliche Paar, suchend belastet von schweren Sorgen, zu theilen sich einander ihren Kummer mit, Seelendurchbohrend war für Beyde der herbe Schritt, Der ihnen bevorstand; Luitberta weinte, doch verzehren Längere Leiden des Jünglings Brust, die jezt immer mehr Die Seele ihm beklemmen; der Eifersucht Stacheln dringen Stets tiefer und tiefer ein, sein Geist schweift wild umher, Verfolgt von quälenden Bildern, die peinlich ihn umringen, Die seinen niedern Stand im Vergleich ihm stellen dar, Mit Arturs glänzender Macht und Hoheit; bange schauet, Indem mit Graußen hiebey sich aufwärts sträubet sein Haar, Auf Luitberta er hin, Ihn ängstigt, daß unterliege in der Versuchungsgefahr, Ihr weiblich Herz zulezt geblendet von Stolz – ihm grauet, Den Tod wünscht er sich mit ihr, im dumpfen Seelenharm', Begraben zu liegen, nur haltend sie im Arm' – Verzweiflung presst sein Herz: o, ruft er aus, der bauet Im Fluch auf trüg'rischen Sand, der in der Liebe warm Sein Herz dem Schimmer leichter Hoffnung anvertrauet. O möcht' verlöschen völlig aus meinem Gedächtniß dahin, Möcht' aus dem Zeitenlaufe auf immerdar verschwinden Die Stunde, der Augenblick, wo du gedacht an Rhin Zum erstenmal, Die Stunde, der Augenblick, wo mit getäuschtem Sinn, Beginn am Mächtigern ich, die unverzeihliche Sünde, Zu rechnen mich ihm gleich, Wobey mein trotz'ger Muth verirret sich leider so weit, Zu wägen nicht achtsam genug die hohe Gültigkeit Geheiligter Vorrechte; seitdem ist, gleich dem Funken Der Hölle, verzehrend Mark und Bein, der Fluch auf mich gesunken. Luitbertas Tod. Achtes Lied »O quäl' nicht deine Brust mit selbst erschaffner Pein, Rief zärtlich die Holde, sind Sünden hier abzubüßen, So lasten sie nur auf mir, auf mir allein! Statt diesen bittern Kelch in etwas zu versüßen Durch Trost, streuet mehr noch dein Vorwurf Wermuth hinein. Bin ich bereit doch jede Stunde zu bekennen, Daß ich es war, die dich verleitet so weit, Um sichrer deine mir ersehnte Zärtlichkeit Zu eignen an, sollt' auch des Vaters Zorn entbrennen Noch stärker gegen mich; dein bleib' ich jederzeit, So lang mein Herz fortschlägt, bleib' ich dir unverloren.« – Was schwörst du eitel? ha! bist du nicht auserkoren, Als Braut dem Artur? rief voll Abscheu und voll Graus, Der Jüngling hier, Verzweiflung sprachen seine Mienen aus, Zur Schmach allein ist Rhin, ist nicht für dich geboren. Laß ab! der König hat bey seiner Krone geschworen, Mich zu vertilgen, und hat er dich zur Wittwe gemacht, Zu senden nach Artur, damit voll Pracht, Der Eidam einzieh im Triumph, dich würd'ger zu empfangen, Wie ich – Laß ab von Gilfrichs dienendem Sohn! Kurz dauert dein Jammer um ihn, der Glanz von einem Thron Stillt bald ein leichtes Weh', in des Weibes verbuhltem Verlangen. – »O Angst! rief Luitberta hier erfüllt von bitterem Schmerz, O Dornen, die, ach tief! die Seele mir verwunden, Wie soll ich zeigen dir, wie beweisen mein reines Herz? Die Treue, mit der ich dir mich achte ewig verbunden? Befiehlst du mit dir zu fliehen? sieh mich dazu bereit, Obgleich, gestehn muß ich, mich jammert, zu verlassen Den greisen Vater, der, wie streng er jezt mir dräut, Zu jeder andern Zeit Mit Liebe mich umfasst; er wird', ich weiß es, erblassen, Vernimmt er meine Flucht. Doch ach! ich opfre auch dieß Dir, der du Herr und Meister Von meinem Wollen bist; mag, meiner Liebe gewiß, Besänftigen dieß Opfer nur dich; der regen Lebensgeister Gefährlichen Aufruhr dir stillen.« – – O wehe uns Beyden! ach! Daß ungehindert du nicht ließest mich entfliehen! – Brach Rhin hier aus voll Harm, den Worten stürzte nach Ein Thränenstrom; bereit das harte Loos zu ziehen, Zur Buße war ich bereit, jezt stehen wach Die Furien neu in mir – wozu soll ich mich entschließen? Soll ich ziehn ins Elend auch dich? Ins Elend? nein! Bleib hier, des Vaters Trost. Verbannt, kann ich allein Das Leid ertragen. Mag das Schicksal auf mein Haupt all seine Pfeile schießen, Mein Falk, mein Roß, mein Hund Sind die Gefährten, die sich tröstlich an mich schließen, Ins Elend folgend treu. – O wie zerschlagen, wund Mein Busen, voll das Herz – und kann sich nicht ergießen – Ja! höhern Trost gewähret auch von dem niedern Knecht Die Tochter dem Gemahl, ist standhaft nur ihr Wesen, Entfernt von Eitelkeit, ihr sittsam Thun gerecht, Als die entsproßne aus erhabenstem Geschlecht, Trifft Wankelmuth ihr Herz. Zur Schmach war sie erlesen, Zu ihres Gatten Verderben! – indem dieß Wort er rauh Aus seinen Lippen stieß, wobey des Fräuleins Zähren, Ergossen reicher sich, ließ seitwärts von der Au, Der Laut von Geltars Horn, aus nahem Busch sich hören: »Verrathen, ach! sind wir, ich kenne, ruft Luitberta, genau Des Vaters Zeichen! wir sind, ich fürchte, schon umzogen Von seinen Kriegern, flieh! O Bester, rette dich! Bevor man hier uns trifft.« – Umstellt? knirscht Rhin, Wer? ich? Von Geltars Hunden gehezt? ins Netz von ihm bewogen? Gebraucht als Mittel bist du wol zum Verrath hier, Nach meinem Blute lechzend? – Er komme! Dieser Bogen Soll grüßen freundlich ihn! Verfolgt man so mit Gier Mein banges Leben, ha! mich hetzend gleich einem Thier, Dann wehr ich mich – als Thier. – Entweich von meiner Seite! Verderben weilt bey mir. – Gefaßt zum blutigen Streite, Springt vor am Busche er; hell schreitet die Wolkenbahn Herauf der Mond, Rhin sieht die Feinde vorwärts dringen, Mit Geltarn eilt jezt schon der Kronmarschall heran, Genau erkennt er Beyde, er sucht sie zu umringen, Mit seiner Mannschaft; jezt zieht Rhin des Bogens Senne an: Tyrann! dieß weihet die ein Dank der nie erkaltet – Des Vaters Gefahr ersah Luitberta, eilet hinzu Ihn deckend mit ihrer Brust, und ach! – im gleichen Nu Trifft von der Seite sie der scharfe Pfeil und spaltet Ihr liebevolles Herz; sie sinkt in Geltars Arm. Rhin sieht, was hier geschehen, vernimmt des Königs Harm, Den Schmerz durchkreuzt bey ihm der Rache süßer Schauer: Nun ernte deine Saat, rief jubelnd er jezt laut, Führ' deinem Artur heim; geh' schmücke ihm die Braut; Verdammt von nun an sey zu steter Schmach und Trauer. Rhins Klage. Neuntes Lied Nun da ich dich verloren, Luitberta, Luitberta! Erkenne ich erst die Treu', die Huld, Die mir dein süßer Mund so oft beschworen. Mit jedem meiner Seufzer wächst auch meine Schuld! Ich sehne mich nach dir voll Ungedult. Keine Ausflucht steht mir weiter offen, Geltar, Geltar! Nur von deiner Lanze Spitze mag ich Frieden hoffen. Vor meines Bogens Gewalt musste sinken Der Kronmarschall; Das Blut seiner Knechte all' Ließ seine eigne Lanz' ich trinken. Mit solcher stieß ich noch darnieder Den Kanzelar, sammt seiner Söhne drey; Von ihrer Mutter Klaggeschrey Hallt – hört ihrs wohl? – der Berge Gipfel wieder. Doch bin ich müde, harmvoll, nicht des Kummers frey. Keine Ausflucht steht mir weiter offen, Geltar, Geltar! Nur von Deines Schwertes Schärfe kann ich Ruhe hoffen. Vergeblich such' ich dich im Lindenschatten, Luitberta, Luitberta! Auf der Aue, auf den Blumenmatten; – Nie will begegnen mir, So weit nach der Ferne hin meine Blicke eilen, Dein holdes Bild, wie in reinster Zier Im Jungfrau'n Kreise du pflegtest oft zu verweilen; Ach wie sehnet sich mein müder Busen nach dir. Keine Aussicht stehet mir weiter offen, Geltar, Geltar! Nur von deiner Lanze Spitze mag ich Frieden hoffen. Wer seyd ihr, die ihr dort über die Auen Herschreitet geschmückt im Lilienkleid? »Wir sind die trauernden Jungfrauen, Wir klagen um die holdeste Gespielin unser Leid, Zum Tempel wir tragen, Luitberta, Luitberta! Die der unseelige Gatte erschlagen.« – Warum eilet ihr so in der Stille, Ohne Trauergesang noch Glockenschall mit ihr fort? – »Wir eilen mit der theuersten Hülle, Damit wir sie geleiten sicher zum Ruheport. In Raserey ist gefallen Geltar über der Tochter Verlust, Den Leichnam hielt er in seinen Hallen Fünf Tage an seiner gemarterten Brust. Zweymal schon waren wir beflissen, Zur Erde ihn zu bestatten in tiefer Nacht, Zweymal hat er ihn uns wieder entrissen Und zurück ihn aufs Trauerbette gebracht; Jezt schlummert er. – Eilen wir müssen, Zu vollenden das fromme Werk, bevor er erwacht.« – Stellet nieder die Bahre, o ihr Jungfrauen! Decket auf den Leichnam, rücket her ihn an die Luft, Daß ich noch einmal dessen Schönheit mag schauen, Bevor auf immer ihn verschließet die Gruft. – O Schmerz! da liegst du – darf dem Anblick ich trauen? Geschlossen ach nun der Augen holdes Paar, Abgeblühet, so kläglich! – der Wangen frische Rosen! Schmucklos der Glanz vom sonnigen Haar! Verstummt der Lippen holdseliges Kosen, Verloren mein Lieb'! – der Schöpfung Zierde dahin! Die Sonne wird ihresgleichen nicht mehr bescheinen, Unglücklicher – ach unglücklichster Rhin, Dir bleibt nichts übrig, als ihren Verlust zu beweinen. – »Siehest du die Wunde noch offen? Von dieser Seite schaue! hier, Wo der Unglückspfeil ihr Herz getroffen.« – Ich sehe sie, ihr Jungfrauen, sie tödtet mein Hoffen, Verzweiflungsvoll zieht sie die Seele aus mir. Luitberta, Luitberta! Rhin hatte mit dem Pfeil nicht gezielet nach dir! Fahre wohl denn, weil geschieden es doch seyn muß, Nimm auf diese Lippen den lezten Kuß; Auf diese Augenlieder, diese zarte Wangen. Ruhe sanft, o du der Frauen Schmuck und Zier! Ruhe sanft, du einst meines Lebens Prangen! Daß ich ruhen dürfte zur Seite dir, Wäre ach! mein innigstes Verlangen. Jedoch ein Trost noch blitzet Durch meines Schmerzes Nacht: Kein Andrer nach Rhin besitzet Deiner Schönheit siegende Pracht. Doch keine Ausflucht steht für mich mehr offen, Geltar, Geltar! Nur von deines Schwertes Schärfe soll ich Ruhe hoffen. Meinen Gang wird bald kein Auge mehr bespähen, Schreit' ich gleich jezt noch ohne Scheu Unter Feinden einher – wie Stoppeln und leichte Spreu Werden meine Spuren nächtliche Stürme verwehen. Meine Wunde trage ich mit Jammer, Mein Urtheil verschlossen tief in des Herzens Kammer: Da ist gegen mich der Ausspruch gethan. Was lieb mir weiter war noch im Leben, Falke, Roß und Hund, trauern nun auf fremder Bahn: Daß ohne sie enden soll ihres Herren Streben. Keine Ausflucht stehet mir weiter offen, Geltar, Geltar! Nur von deiner Lanze Spitze mag ich Frieden hoffen. Ich stoße ins Silberhorn, das du verloren im Streit, König Geltar! Zieh heran mit deinen Wehren, zum Kampfe bin ich bereit; Deiner Tochter Blut hab' ich vergossen, – Vernimmst du's? deiner einzigen Tochter Blut – Sie liebte den Mörder noch, der sie erschossen; Räche sie, wenn übrig geblieben dir tapfrer Muth. Ziehe heran, umringt von tausend Vasallen, Allein stehe ich, trotzend deiner Macht, Wo der Strom über den Fels braust, im Dunkel der Nacht, Fern von Tages Glanz mag Rhin deiner Rache fallen. Keine Ausflucht stehet mir weiter offen, Geltar, Geltar! Nur von deines Schwertes Schärfe kann ich Frieden hoffen. Zehntes Lied Erwacht war König Geltar auf seiner Lagerstatt kaum, So wendet er hastig den Blick nach allen Seiten, Ihn hatte gefoltert so eben ein unheilschwangrer Traum, Sein zornerhizter Sinn zeigt ihm darin von Weiten Ein scheußlich Drachenbild, deß Antlitz und deß Haar Rhin, dem Verwegenen, vollkommen ähnlich war. Er kniete vor Luitberta, hätt' in die Harfe gesungen, So lieblich, als sey gelandet er aus der Meerfrauenschaar. In Geltars Busen hätt' er den tobenden Zorn schon bezwungen, Doch auf einmal, bevor man noch gewahrt Gefahr, Fast räubrisch sie der Drach, hält mit dem Schweif sie umschlungen Vor seinen Augen zu entführen sie, Indeß die Hände ringend, Luitberta um Beystand schrie. Wie schnell nun er hingeeilt, mit dem Ungeheuer gerungen, Dicht vor der Höhle, wohin es mit dem Raube sich wand, Daß blutig der Schweiß ihm entfloß. – Doch ob sie zu erretten Gelungen ihm sey im Traum, im Zweifel noch stand. Ihm schien als halte fest ihn eine Riesenhand, Gefesselt war seine Kraft mit unsichtbaren Ketten – Da wird sein Auge wach, erblickt den Leichenthron – – Er springt lautschreiend auf! – So eben war getreten Auf das Geräusch nun näher der Oberkämmerer schon, Den fasset er ergrimmt im Taumel seiner Sinnen; Er hält ihn vor den Räuber. – »Verruchter Unheilssohn! Halt ich dich endlich fest? Der Hölle bittersten Lohn Magst du, rief knirschend er, für deine Unthat gewinnen.« Der Kämmrer war verloren, eilt' auf sein Angstgeschrey Nicht Böses ahnend, schnell die Dienerschaft herbey; Doch mit dem Leben kaum, gelangs ihm zu entkommen. Die Großen und Weisen des Hofs vereinten sich nun im Kreis Um ihren kranken Herrn, beflissen zur Ruh ihn zu bringen; Doch ward bey diesem Geschäft den wackern Männern heiß; Er achtete vor nichts ihren Zuspruch, ihren Fleiß Ihn zu beruhigen; es wollte keinem gelingen. »Verräther, die ihr mich umgebt, mit meinen Feinden vereinet, Verweigernd mir die Tochter, mir schändlich sich verneinend, Rief Geltar mit stärkerm Grimme, ich will euch bald bezwingen – Saht ihr nicht selbst des Meuchlers falsche Schlingen? Und hörtet von seiner Zunge den Unheil bringenden Schall? Den Pfeil meiner Rache sollt ihr fühlen, all' ihr Elende! Ein gleicher bittrer Tod soll euch ergreifen all', Wenn meines Herzens Kleinod ihr nicht herbeyschaft behende. Und müsste ich zu ihr hin durchbrechen von Speeren einen Wall, Und müsst ich zu ihr reiten bis hin an der Welt Ende, Ich wag es, bey meiner Krone! Zeigt an die Höhle mir gleich, Wo sie der Räuber verwahrt. Mein ganzes Königreich Setz ich daran. – Doch – seyd ihr feig, Seyd ihr von Stein, daß alles hier um mich schweiget? – Mein Leben, ich schwör' es hoch, setz ich sogleich daran, Hier schlägt ein Vaterherz – – und laut schluchzt der gebeugte Mann – Die Tochter gebt mir zurück, bevor ihr Rosenmund erbleichet, Des Athems warmer Hauch der Lilienbrust entweichet. Von Mitleid tief gerührt, winkt stumm der edle Kreis, Das rechte Trosteswort weiß keiner schnell zu finden; Auf mancher Stirn steht der schwersten Sorge Schweiß – Nur Harold Wallmuth wagts, ein frommer alter Greis, Durch sanfter Rede Sinn des Königs Zorn zu binden. Fromm mahnt er ihn, wie jede Schickung man zum Preis Des Höchsten und zum Wohl der Menschen wenden müsse; Denn zu durchschaun der Vorsicht Weisheitschlüsse Sey Menschenaug' zu schwach; – auch ich war, fuhr er fort Mit Seufzen, Vater einst; zwey edle, tapfre Söhne Erfreuten meinen Blick – Verzeiht, wenn eine Thräne Aus meinem Auge bricht bey diesem Schmerzenswort – Verrath hat sie gefällt – nah bey dem Erlenbache, Wie Euch und Welt bekannt. Die Thäter bargen sich Ins Rheinthals dunkeln Wald. Den Aufenthalt wusst' ich; Leicht wärs gewesen mir, zu sätt'gen meine Rache An ihrem Blut. Doch nein! Ich überließ es Gott, Dem höchsten Richter, ganz. Und ob mich gleich der Spott Der Welt oft traf darum, hat dennoch nie erreget Der Entschluß Reue mir. Ich hielt ihn fest. – Beweget Fühlt bey des Greises Stimme der König tief die Brust, Beklommen schreitet er, wohl selber unbewusst Wohin? schnell durch des Schlosses weite Hallen, Voll Sorge folget ihm das Häuflein von Vasallen, Zum nahen Hügel hin. Hier steht von allem Troste baar Der gramgebeugte Greis. Er schaut umher, da stellen Eilf Jünglinge sich dar, Gesammt all' wackre Streit- und muntre Jagd-Gesellen Des bannbelegten Rhins; sie führen wohl mit sich Des Königs Silberhorn, den Speer des Dieterich, Des Kronmarschalls, des Kanzlers blankgeschliffnen Degen, Sammt goldbeschlagnem Schild, die jüngst erbeutet Rhin, Als man umrungen ihn. Die Waffen alle legen, Gebeugt in stummen Leid, zu Geltars Füßen sie hin: Den ihr geächtet, Herr, verfolgt auf jedem Tritte, Schickt dieß voll Demuth Euch, mit seiner lezten Bitte, Daß ihr ihm verzeihet im Tode! Erblichen ist Der Lebensmüde jezt. – »Sprecht ihr mit Hinterlist?« Ruft Geltar laut, und bebt zurück zween Schritte Bey dieser Trauerpost. Gesteht die Wahrheit ein! Der Drache Rhin, den ich zerschlug mit schwerem Stein, Der ist nicht mehr? Zeigt an das wilde Haupt, die Krallen, Die scharfen Zähne! Zeigt an wie meuchelnd er gefallen. Gern mag mans wissen doch.« – Herr, euer Zorn allein, Und eures Kindes Tod gebahr'n ihm diesen Kummer; Er aß und trank nicht mehr, bis er in Seelenpein Und finsterm Gram verschied, am Fels im Birkenhain. Sein lezter Seufzer war, zu fleh'n euch, daß im Schlummer Des Todes ihr gewährt ein Wenig Erde ihm nur, Zu decken seinen Leib – mit ihm zugleich die Spur Von seinem Daseyn. Hört die Bitte! denn wir haben Ihm heilig zugesagt, zu tragen euch sie vor. Nicht unbarmherzig verschließt, Herr König, euer Ohr; Vergönnt, daß in der Still, den Leichnam wir begraben, Damit zerhacken ihn nicht die Schnäbel scheuer Raben. »Begraben? Mich? ruft Geltar zornig aus, Mich, der mit einem Schlage gelähmt ihm beyde Flügel, Daß vor der Sonne, vor des Mondes trübem Spiegel, An seiner Höhl er liegt, gestrecket hin mit Graus. Frisch auf!« – Ins Silberhorn stößt er, daß fern vom Hügel Es dreymal wiederhallt. Doch da er stets voraus Mit Wahnsinnsjubeln dringt, gewahrt er, wie von Weitem In langem weißen Zuge die Jungfraun herwärts schreiten, Vom Leichenfest zurück, dem Hügel näher zu. Entfernt lag weit der Ort, wo sie gebracht zur Ruh Luitbertens holden Leib. Der Anblick schreckt ihn nieder, Ein Todesschauer bebt durch alle seine Glieder, Sein heller Sinn erwacht, doch auch in gleichem Nu, Der wilde Gram um den Verlust der Tochter wieder. »Ich weiß, woher ihr kommt, ruft seufzend Geltar jezt Dem Trauerzuge zu. Ich werde nicht mehr schauen Die Lieblichste. Ihr habt – muß ich dem Anblick trauen, Der Erde schon – gesteht's! – die Theure beygesezt.« – Ja, armer Vater, ja! von Mitleidsthau benezt Ruht eurer Tochter Leib; hoch in des Himmels Auen Ergeht nun wonnevoll in lichter Englein Schaar Sich ihre reine Seel', vor Gottes Augen klar. Nun störet nicht, o Herr, durch euern Gram hienieden, Den süßesten Genuß von ihrem Himmelsfrieden. »Sie ruhe sanft, schluchzt hier, und starret vor sich hin, Der greise Vater; Ach! für mich ist Alles nun entschieden Auf immer!« – Zähren thaun auf sein bereiftes Kinn; Bang blickt er um sich her, es schweben Die Bilder der Vergangenheit um seinen trüben Sinn: Wie glücklich einst, in frischem Jngendleben Sein Busen schlug, als Vater, als Gemahl, Vom Kreis der Kinder samt der Mutter froh umgeben – Und jezt so ganz verwaist! – »Hätte ich doch können heben, Seufzt er bey sich, so leicht Rhin in der Fürsten Zahl, Mit einem Wort ihn retten, mir erhalten Die Tochter, und durch sie noch einen tapfern Sohn Gewinnen mögen. O daß ich in Thun und Schalten So rasch noch immer bin! Jezt ernte ich zum Lohn Der Feinde Spott.« – Voll Zorn schlägt er an seine Stirne und wendet Zu Rhins Gefährten sich: »Hat einer von euch mir Die Nachricht nicht gebracht, als habe Rhin geendet Den Lebenskampf?« – Ja, Herr, er starb nicht weit von hier, Verzehrt von bitterm Gram, erwiedern diese, wir Berichteten euch dieß. Nehmt, Herr! den Bann, den herben, Im Tode von ihm ab, erlöst ihn aus der Acht! Er hatte lebensmüd' in der vergangnen Nacht Gefordert mit dem Horn, um sichrer zu erwerben Verzeihung, dreymal euch, zur scharfen Rache-Schlacht; Freywillig wollte er von euren Händen sterben. Auf des Baches moosigem Fels sein schöner Leib jezt ruht, Die gold'nen Locken küsst die vorübereilende Fluth. Vergönnt, daß wir den Leichnam still begraben, Damit zerhacken ihn nicht die Schnäbel scheuer Raben. Gelehnet kummerschwach an des Kronmarschalls Speer, Steht seufzend Geltar da; ein tiefes Schmerzen-Meer Durchwoget seine Brust, allmählig steigt sein Zagen, Kaum noch vermag die Zung' die Worte vorzutragen: »Gebeuts das Schicksal selbst? Soll ich nicht grausam seyn? Des Schwures schweres Gewicht, soll ich zurück es nehmen? Todt ist er ja. – Soll ich mein Herz bezähmen? Das Drachenhaupt – es grinst, es ruft wild schüttelnd: Nein! O wehe, weh! wer lindert des Herzens schärfre Pein? Wohin soll ich mich retten auf morscher Lebensbrücke? Dahin ist sie, und Er – Mein Licht in Finsterniß verwandelt – O thörigt, grausam hab' ich an mir selbst gehandelt.« »So geht! bestattet den euch Theuern, zur Erde nur; Genommen sey für heute und alle künftige Zeiten Von seinem Haupt der Bann; gelöst der Rache Schwur Und aller Schuld er los. – Wer wird mich künftig leiten, Mich Hoffnungslosen an die Gruft? – Ach, halte ein, Luitberta, theures Kind! laß nicht den Vater allein! – Nein! schwebe nur voran! bald werd' im Tod ich dich begleiten.« Von Mitleid tief bewegt, gehn Rhins Gefährten von dannen, Zurück zur Stelle, wo des Freundes Leichnam lag. Und als der Morgenstern verkündet den nächsten Tag, Verhüllten sie liebreich ihn in Leinwand, und begannen Sogleich die Trauerfeyer; dem leisen Harfenschlag Vermählend leisen Gesang. In frommen Zuge tragen Durchs grüne Thal sie ihn, bis nahe zum Ufer am Rhein, Dort an des Waldes Saum beym Thurm vom alten Hagen, Wo Rhins Voreltern ruh'n, da senken unter Klagen Und schweren Seufzern sie ins tiefe Grab ihn ein, Und wälzen auf seinen Hügel einen schweren Felsenstein. – Hier enden sich von Rhins und Luitbertas Liebe die Sagen.