Morgendämmerung Ich steh an einer Linde Und lausche durch den Hain; Und rufe dir, Belinde, Voll stiller Liebespein. Mit purpurroten Wangen Voll schmelzendem Verlangen Hüpft Zephyr durch den Hain Und suchet seine Flora Am Busen der Aurora, Geweckt von gleicher Pein. Noch schlummernd unter Rosen, Die ihre Brust umglühn Und spielend sie liebkosen, Sieht ihn die Göttin fliehn. Sie hascht ihn bei den Locken, Die seinen Nacken fliehn, Flicht Hyacinthenglocken In seine goldnen Locken Und herzt und küsset ihn. Nun tanzen sie an Quellen Verliebt im goldnen Hain, Versilberen die Wellen, Umsticken rund die Quellen Mit Maienblümelein. Wo find' ich dich, Belinde, Belinde, du mein Licht? Ich suche, ach ich finde Dich unter Rosen nicht. Ich suche dich in Sträuchen, Die Vögelchen durchschleichen, Die, wie ich, brünstig glühn. Ich tappe unter Eichen, Wo Lilj' und Veilchen blühn. Der Tau fällt von den Zweigen Auf meine Locken hin. Schon ist ein Heer von Westen Im Myrthenbusch erwacht Und spielet unter Aesten. Schon eilet von den Festen Nach durchgelachter Nacht Der frohe Schwarm von Scherzen Mit abgebrannten Kerzen In bunter Flügel Tracht. Schon steigt vom goldnen Wagen, Den Silberwolken tragen, Aurora in das Tal, In dicht verflochtnen Buchen Den Liebling aufzusuchen, Gejagt von Amors Qual. Die goldnen Locken fliegen, Von Rosen durchgeschmückt – Sie sieht den Schönen liegen Mit seligem Vergnügen, Der ihre Brust beglückt. Sie geht und pflückt Narcissen Und kränzt ihn unter Küssen. Von ihres Busens Schlägen Erwacht der schöne Knab – Ein bunter Blumenregen Fällt über ihn herab.