Beati qui in Domino moriuntur Da riß der Geist mich fort auf Sturmesflügeln und trug mich über Mauer, Tor und Strom zur alten heiligen Stadt auf sieben Hügeln. Die tolle Nacht zum Aschermittwoch sank auf Rom herab, das, Rosen in den Locken, berauschten Sinns den Kelch der Freude trank. Mich aber zog es aus dem Lärm der Gassen, der grellen Farbenpracht des Karnevals zu einer Villa, lichtlos und verlassen. Wie kam's, daß sie, die nur der Lust geweiht, die freudenreiche Villa Cavalotti, am Fasching sank in Nacht und Dunkelheit? Wohl mag sie trauern, da ihr Stern erblich; mit leisem Seufzen nur um ihre Mauern gespensterhaft der irre Nachtwind strich: Denn er, der römischen Jugend ein Verderben, des Bundes Meister und der Kunst Mäcen, Ernesto Cavalotti, kam zum Sterben. In Seide ruht er und auf Purpurpfühlen, – und keine Hand erhebt sich, ihm die Stirn, die fieberglühende, mitleidsvoll zu kühlen?! Weilt von den Frauen, die sein Kuß beglückt, nicht eine hier, daß sie in Todeswehen dem vielgeliebten Mann die Kissen rückt? – Hielt keiner seiner Freunde bei ihm stand? – Sind schon die Funken, die sein Geist versprühte, bevor sein Blick erloschen, ausgebrannt?! – – Die Lust des Faschings rief sie alle – alle –; ein Diener nur mit welkem Angesicht lehnt einsam wachend in der Säulenhalle, indes der kranke Herr sich unruhvoll auf seinem Lager dehnt und von der Gasse das Fastnachtstreiben laut und lauter scholl. Da plötzlich lächeln Cavalottis Züge: es ist, als habe ein Trompetenstoß den fliehenden Geist belebt zur letzten Lüge. Er strebt empor und winkt dem alten Mann: »Die andern sind zerstoben und verflogen – Du bliebst mir treu; nun hör mein Letztes an. Mein Lebenlang hab ich gewirkt im Dienste der freien Wahrheit, hab verhöhnt, verflucht der Priesterweisheit taube Hirngespinste. Das Kreuz, davor der feige Pöbel kriecht, mit Füßen trat ich's und zerriß der Dornen Gewinde, das um seinen Stamm sich flicht. Die Wahngebilde, ich bezwang sie alle – nun kommt der schwerste Kampf, der stärkste Feind und kommt zur rechten Stunde: – Carne vale! Zum letzten Siege steh ich kampfbereit; hörst du die Hörner durch die Gassen gellen? den Mantel her, das rote Narrenkleid! Im Festschmuck will ich Ehre ihm bekunden, dem »Boten Gottes«, den ich stets gehaßt, des Narrengotts, den Pfaffentrug erfunden, den Dummheit nur und Heuchelei verehrt! der Mummenschanz des Lebens geht zu Ende – so laß mich sterben, meines Lebens wert!« – Und zitternd eilt der Diener, dem Gebote des Herrn zu folgen; mit dem Domino , dem flammendroten, schmückt er ihn zum Tode. Und da er sorglich ordnet das Gewand, da streift sein Blick die spottverzerrten Züge, – und angstvoll flehend hebt er seine Hand: »O Herr, gedenket eurer armen Seele!« – Doch der, die Arme wie zum Kreuz verschränkt, ruft hohnvoll, schrill, mit schon gelähmter Kehle, den starren Blick gerichtet himmelwärts: – »Beati qui in ›Domino‹ moriuntur!!« – Das war des Cavalottis Fastnachtsscherz. Das Auge bricht, die Hand sinkt kraftlos nieder, doch um den Mund das grause Lachen bleibt ; ein Grau'n durchbebt des alten Dieners Glieder. Scheu schleicht er, wie von Geistermacht bezwungen, zur Türe sich und scheu sich zum Portal, – da ist der lustige Faschingslärm verklungen. Da ist versiegt der bunte Menschenstrom. Vom Dome klingt ein dumpfes Sterbeläuten: der Aschermittwoch dämmert über Rom. Und in die Kirche zieht's ihn, Gott die Ehre zu geben; – dort im Schein des ewigen Lichts beugt er die Knie und betet: »Miserere –«.