Der goldene Schlüssel Dir, – dem goldenen Schlüssel zum sonnigen Lande der Freiheit, dir sing ich. Irgendwo, irgendwo in der Welt, – in Orangenwäldern vielleicht, wo der Glutwind die Zweige bricht und sie reifer, saftstrotzender Früchte voll dem Wanderer in den Schoß wirft, – oder an Norwegs Felsenkap, das die kühle Stirn hoch in schimmernde Wolken hebt und niederschauend sich spiegelt in den träumerisch blauen Augen des Fjords – irgendwo in der Welt weilt die Fee, die dich mir versprochen ihr Wort mir zu lösen. und nun der Zeit nicht gedenkt, in heiliger Stunde Jahre verrauschen, auf meinen Scheitel fällt Schnee. In den Tiefen der Seele aber wirkt und schafft befruchtete Frühlingskraft und keimt und gebiert an das Licht der Gewißheit leuchtende Blume: ein Tag wird kommen und eine Stunde blühen aus dem Dämmerdunkel des Alltagsdaseins, so wonnig und wärmend von Gebeten begrüßt, wie die Siegerin Sonne der eisigen Oede den Schauern der arktischen Nacht enttaucht. Und leise, leise, lockend wie Harfenlaut klingt es und klirrt es vor der Tür meiner Hütte und pocht und pocht. Ich erkenne den Laut und erhebe mein Haupt und lächle und lausche . . . . . Da knarren und knirschen die rostigen Riegel: die Tür springt auf. Ueber die Schwelle strömt eine flimmernde Flut von Sonnensilber – und mitten drin in dem Sonnenlichtmeer die Fee, die dich mir versprochen, den goldenen Schlüssel zum Lande der Freiheit, und die nun gekommen ist, ihr Wort zu lösen. Liebevoll lächelnd schreitet die Lichtmar durch das Dunkel der Hütte. Um sie her wallen und weben gleißend und glimmernd die goldenen Fäden und legen ein Lichtband über die lastende Staubschicht am Boden, über die drückenden Ketten am Arm mir, über den klappernden Webstuhl, an den ich geschmiedet war Jahre, o Jahre lang, wie Prometheus dereinst an die Felsen des Kaukasus. In leuchtenden Händen trägt sie den Schlüssel, – und wie sie leise den Arm mir berührt, springt die Kette mit klirrendem Klang, – springt – fällt – und ich hebe die Hände jubelnd und jauchzend und fasse die strahlenden Finger der Fee und schreite mit ihr aus dem Dunste der Dienstbarkeit, aus der Hütte farbloser Finsternis in die Helle, in die sonnigen Lande der Freiheit hinaus. Durch Rosenbüsche und Lilienfelder wandle ich träumend und duftbefangen; Wundblätter vom Wege legen sich lindernd mir auf die blutig geriebenen Arme; Scharlachdolden neigen sich nieder aus exotischem Blättergewirr, küssen die Stirn mir mit feurigen Lippen – Palmenfächer und Riesenfarren wölben sich über meinem Haupte, gegen die sengenden Gluten der Sonne Schatten spendend ein duftiges Dach. Aber weiter – aus Palmenhainen und Lilienfeldern zieht mich die Sehnsucht zu sonnigen Höhen. Wo Dornenhecken den Fuß mir hemmen, berühr ich sie lächelnd mit goldenem Schlüssel und schreite mitten durch Rosenhage; mitten durch marmorne Märchenschlösser öffnet der Schlüssel mir leuchtende Wege, – über Steine und Felsgeröll geh ich so sanft wie auf sammetnem Teppich, weiter und weiter, höher und höher, bis mir zu Füßen in bläulichem Duft die blühende Ferne verschwimmt, versinkt, – bis mir zu Häupten der Sphären Gesang, die goldene Harfe des Weltalls klingt . . . .. Und wieder nieder aus den heiteren Höhen himmlischer Herrlichkeit in die Täler des Schmerzes schreite ich schweigend. Aus seligen Gefilden in sumpfige Niederung – Geschöpf zu Geschöpfen – treibt mich das Herz. Wo ein Vöglein gefangen hinter Gitterstäben sehnsüchtige Lieder girrt, – wo, zitternd vor Fieberdurst, kettengeschlossen ein hungernder Hund die Nächte durchheult, – wo ein Dulder gefesselt ans Marterpfühl, aus des Krankenzimmers giftigem Broden nach dem heilenden Hauch der Höhen seufzt, – wo Menschenblüten verwelken im Dunste der Dienstbarkeit und unter des Alltags gleichmäßig dröhnendem Hammerschlag eine Kraft zermürbt, – – wo immer ein Mensch eine Kette schleppt, sei es Sehnsucht und Sorge, sei es Schmerz oder Schmach – – Da geh ich und wandle und schließe und schließe mit goldenem Schlüssel Ketten und Schlösser auf und führe freudig die Qualbefreiten in die sonnendurchglühten Gefilde der Freiheit und an der Schönheit kühlenden Quell. Doch wo gebrochen eine Seele trauert an dunklen, verschütteten Grüften, die kein Schlüssel mehr sprengt, und hinaus sich sehnt, – über Höhen hinaus, die ein Fuß noch beschreitet, – da lege ich leise und heimlich, daß der Klang sie nicht schrecke, den goldenen Schlüssel beiseite und neige mich nieder zu der armen trauernden Seele, ein Lied ihr zu singen, das ich erlauschte, als ich einsam stand auf den himmlischen Höhen, als mir zu Füßen die Welt in leuchtendem Duft zerfloß und über mir ein lichter Engel die Harfe spielte, die mit Sonnenstrahlen besaitet war, und das Lied dazu sang unsterblicher Liebe , die göttlicher als die Freiheit ist.