Sonnenwendspuk Da blitzt aus mitternächtgem Dunkel ein ferner fahler Schein herauf; mit Augen, licht wie Sterngefunkel steht meine Kindheit vor mir auf; sie grüßt so süß, und lächelnd lauschen möcht ich den Worten, die sie spricht, – ich hör ihr Raunen, Flüstern, Rauschen, doch ihren Sinn erfaß ich nicht. Da hallt in nächtlich-tiefem Schweigen ein leiser Laut wie Harfenton, da gaukelt um mein Bett ein Reigen von Freuden, die mir längst entflohn – Mir ist, als sollt noch einmal wenden die dunkle Bahn sich sonnenwärts: mit leisen, kühlen Geisterhänden pocht meine Jugend an mein Herz. O Kinderlust, verklungne Weise von Heimatflur und Vaterhaus, du nahst wie Gottes Engel leise und teilst des Lichtes Botschaft aus – O Liebe, die mit Rosenketten mein liedersprühend Haupt umwand, kommst du noch einmal, mich zu retten, zu retten von des Abgrunds Rand?! – Von der Adventszeit geht die Sage, sie locke manch verlornes Kind zur Heimkehr – ach, durch leere Hage streicht seufzend der Dezemberwind, das ist die Nacht der Sonnenwende, – doch glänzt für mich kein Weihnachtslicht – O Herr im Himmel, mach ein Ende, denn meine Kraft zerbricht – zerbricht! – O Herr im Himmel, mach ein Ende! – doch schon erblaßt der matte Schein; dumpf schlägt die Uhr: – der Sonnenwende Gespensterstunde bricht herein. Und wieder tönt ein Raunen, Locken wie Nixensang, wie Geisterchor. – Mit fliegenden Pulsen, tief erschrocken richt ich vom Lager mich empor. Ein Gaukeln ist's, ein irres Schweifen – die alten Götter sind erwacht, die fieberheiße Stirne streichen mir Schemen der Mittwinternacht, – aus längst verschollner Vorzeit Feiern klingt Zauberkunde dumpf herauf: das Haupt umhüllt von Nebelschleiern steht meine Zukunft vor mir auf. Sie hebt beschwörend ihre Hände, wie Drudenweisheit klingt ihr Spruch: »Du stehst an deines Lebens Wende – nun gilt es Segen oder Fluch! Zwei Wege hat auch dir beschieden geheimnisvolle Schicksalsmacht – der eine führt zu Licht und Frieden, der andre in die ew'ge Nacht. Der eine führt durch steinige Gründe, der andre durch ein blumig Tal – ein Pfad des Lichts – ein Pfad der Sünde! Die Götter lassen dir die Wahl! Es quillt empor aus einem Borne des Guten Strom – des Bösen Macht« – so klingt der Spruch der Schicksalsnorne in schweigender Mittwinternacht. Ihr Blick erlischt in Sterngefunkel, ihr Wolkenkleid zerfließt in Luft; nun hellt kein Schimmer mehr das Dunkel, und keine süße Stimme ruft. Ein Warner war es – kein Erretter, der dem Gefallnen naht voll Huld, – klug sind sie doch, die ew'gen Götter, und wahren sich vor jeder Schuld! – Klug sind sie schon seit Odins Zeiten: sie gaben uns ein fühlend Herz, sie stellten uns in Kampf und Streiten, sie warfen uns in Not und Schmerz. Sie weisen uns den Kelch der Rose und mahnen höhnend zur Geduld . . . und bricht der Schild im Kampfgetose, so tragen eben wir die Schuld! Zwei Wege wurden uns beschieden durch strengverhüllte Schicksalsmacht: der eine führt zu Licht und Frieden, der andre in die ew'ge Nacht. Der eine: Tragen und Entsagen, der andre: Lust und Lebensmut. – Und wird der Himmel mir zerschlagen, so geh ich durch der Hölle Glut.