Adolph Müllner Die Schuld Trauerspiel in vier Akten Personen Personen. Hugo, Graf von Oerindur. Elvire, seine Gemahlin. Jerta, Gräfin von Oerindur, unvermählt. Don Valeros, Grand von Kastilien, Ritter vom goldenen Vließ. Otto, Elvirens Sohn erster Ehe, Valeros Enkel. Kolbert, Kammerdiener des Grafen Hugo. Holm, Reitknecht des Grafen Hugo. Einige Diener seines Hauses. Anmerkungen Anmerkungen für die Bühnenvorsteher. Die Ouverture muß mit einem Pianissimo endigen, welches Elvire einige Secunden lang auf der Harfe fortzusetzen scheint. Der Holm kann, vernünftiger Weise, von keinem Theaterdomestiken gespielt werden. Der vierte Akt muß rasch auf den dritten folgen, und Elvire muß daher keine umständliche Umkleidung vornehmen, die ohnehin ihre Gemüthslage verbietet. 1. Akt 1. Szene Erste Scene. allein, die Harfe im Arm, das Spiel mit immer leiseren, sanft verschwebenden Tönen endigend. Wie der letzte Laut verklinget, Der sich unter leiser Hand Aus der Harfe Saiten schwinget; Wie's auf klarem Teichkristalle Sich von eines Tropfen Falle Weiter stets und schwächer ringet, Bis es fern am Blumenstrand Still verschwand: So auch möcht' ich einst verschweben Und verklingen in das beßre Leben! Wird mich, fern vom Vaterland, In der Stürme rauher Wiege, Wo ich angefesselt liege Von der Liebe starkem Band – Wird mich einst des Schicksals Hand Sanft empor zur Heimath heben? Das Haupt auf die Harfe geneigt, bleibt sie eine Weile ruhen. Eine Saite springt, Elvire fährt erschrocken auf, die Harfe fällt dröhnend zu Boden. Ah! – Mein Gott! Sie sucht sich zu fassen. Bin ich bei Sinnen? Eine Saite sprang – ihr Schrei Traf das überraschte Ohr – Weiter nichts. – Bei Gott, hier ist nichts neu, Nichts erschreckend, als mein kindisches Beginnen. Dennoch strebt mein Haar empor, Und ein Schauer läuft die Glieder Rieselnd auf und nieder. Macht die Einsamkeit mich bangen? Schrecket mich die Dämmerung, Die bei meiner Töne Klage Unbemerkt mich hat umfangen? Oder – war der Saite Sprung Eine Antwort auf die Frage, Die ich eben – – Grausen füllt Meine Brust! – – Der Schall, die Welle – Wohl sind sie des Lebens Bild; Doch die Woge, die im Sturme Schäumend sich am Felsen bricht, Eine Well' ist's, wie die andre, Die im weißen Mondeslicht Auf des Teiches Spiegel schwindet: Und der Riß gespannter Saiten, Wie der Klang, der sanft verhallet, Ist ein Schall, Der den Fall Eines Menschen kann bedeuten. – Von Ahnung erschreckt. Gott! Wenn Hugo – Sie zieht lang' und heftig die Klingel. Ein Diener tritt ein. Ist die Jagd Noch zurück nicht in das Schloß? Nein. So sendet gleich zu Roß Einen Boten, der mir's sagt, Wann er sie gewahrt vom Weiten. Der Diener geht ab. 2. Szene Zweite Scene. Elvire. Jerta zu einer andern Thür herein. Diener folgen ihr. Was begegnet euch, Elvire? Nichts. zu den Dienern. Licht in das Zimmer, schnell! Die Diener gehen im Hintergrunde ab, kurz darauf werden Kerzen auf Armleuchtern gebracht. Eure Glocke tönte lang' und hell – Ihr seid ängstlich, wie ich spüre, Und die Harfe liegt am Boden? – Lächelnd. Neckt es aus dem Reich der Todten Schon im Zwielicht eure Sinne? Wenn ich Thörichtes beginne, Mögt ihr schwesterlich vergeben. Mich ergriff ein schweres Bangen Um des Gatten theures Leben. Ist er heut zum ersten Mal Von euch in den Forst gegangen? Jagt in Spanien kein Gemahl? Oh, dort wehen sanf'tre Lüfte, Und ein Garten ist die Flur. Durch Olivenhaines Düfte Schlängelt sich des Wildes Spur, Und des Landes mild're Sitte Herrscht bis in der Wälder Mitte: Jagd ist Lust dort, nicht Gefahr. Hier in eurem rauhen Norden Ist's ein Krieg, ein Wechselmorden. Hoch auf Felsen, wo der Aar Um beeiste Spitzen kreiset, Kämpfet in der Nacht der Föhren, Trauend seinen Stahlgewehren, Wild, der Jäger mit dem Bären, Der ihn, wenn er fehlt, zerreißet. Wölfe, nordische Hyänen, Heulen in den Gründen, Klüfte gähnen Plötzlich unter dem verirrten Tritt; Schneegebirge rollen Donnernd über Schollen, Reißen den Schützen zum Abgrund mit! Saget, Jerta, muß ich hier Nicht für Hugo's Leben zagen? Männer leben, um zu wagen, Um zu lieben, leben wir; Und hier lieben wir die Stärke, Kund gethan durch blut'ge Werke In der Schlacht und auf der Waid. – Scherzend. Männlich gesinnter, nordischer Maid Kann die Angst den Sinn nicht trüben; Denn – ihr ist ein Trost geblieben Aus der grauen Runenzeit. Unsichtbare Schwestern schirmen Freundlich aus verfallnen Thürmen Des geliebten Jägers Haupt. – 's kommt d'rauf an nur, daß man's glaubt! – Oh! ihr wißt nicht – fortfahrend. Auszuweichen Den Gefahren, mahnen ihn Wohlbekannte Zauberzeichen, Und an unheilsvollen Tagen, Wo's unheimlich ist zu jagen, Läßt die Maid ihn nimmer ziehn: Denn sie hat aus Geister munde Von des Tages Unbill Kunde. – Elvire schaudert zusammen. Ihr erschreckt? – Was ist euch? – Ich – Spottet, aber höret mich! Sinnig saß ich da im Düstern, Ausgeklungen waren meiner Harfe Lieder, Grabgedanken Zogen schwarz in mir vorüber; Da – mit grellem Schwirren sprang Unberührt die strafe Saite! 's war ein Ton, wie wenn, vom Schusse Schmerzlich in der Luft getroffen, Laut der stolze Adler kreischet – Und – des Nachhalls dumpfes Dröhnen Glich dem Stöhnen Eines Sterbenden – mit gutmüthiger Laune. Ihr kennet Nicht der nord'schen Geister Weise. Jenseits eurer Pyrenäen Mögen Zither klänge wehen Aus den unsichtbaren Höhen, Und den schauerlichen Tiefen, Wo die Zukunft wird gewoben. Anders spricht die Geisterwelt Diesseits des beeisten Belt. In des Schornsteins engen Lauf Bläst der Wind mit vollen Backen. Alle Thüren springen auf, Alle Lichter löschen aus, Schreiend fliegt der Storch vom Haus Und die Tragebalken knacken. – Eulen, groß wie Adler, hacken An die Fenster, schwarze Katzen Sprühen Funken im Kamin, Und ein Heer von Teufelsfratzen Tanzt in Flammen blau und grün. Hörtet ihr, hart vor den Ohren, Nicht den Uhu: »Hugo!« schrein; Mögt ihr ohne Sorge seyn, Hugo ist euch unverloren. Jerta! – Doch du meinst es gut, Willst durch Scherze mich zerstreun, Und besänftigen mein Blut. Oh! wär's Ahnung nur allein! Was ist's noch? Vergangne Schmerzen, Aufgeregt im tiefsten Herzen. Auf der Jagd fiel mein Gemahl Karlos, meines Otto Vater. Fiel? Er stürzte mit dem Roß, Und, im Fallen sich entladend, Gab sein eigenes Geschoß Ihm den Tod. O, dann verzeihe Meiner Laune Uebermuth. Warum blieb mir das verborgen? Deinen Bruder stimmt's nicht gut, Wenn man von dem Unfall redet. Karlos war sein Freund, war ihm Seines Lebens Rettung schuldig. Gläubiger und Schuldner liebten Mehr als Brüder sich. Du kanntest Hugo schon bei Karlos Leben? betroffen. Nein – ja – Wie? – Du lässest mir Zwischen Ja und Nein die Wahl? Hugo's Freund war dein Gemahl, Also kanntet ihr euch? Wir – Nachdem sie sich gezwungen, Jerta anzusehen. Schwester! Oh, dein reiner Sinn Wird den Stab Elviren brechen; Aber aus muß ich es sprechen, Was der Quell ist meiner Qual. Hugo – – Ja, ich kannt' ihn – ich Liebt' ihn schon bei Karlos Leben. – Sie wendet sich ab. Jerta tritt mit dem Ausdruck der Mißbilligung von ihr weg. Nach einer Pause fährt Elvire fort. Sieh, d'rum macht ein Blatt mich beben, Das im Abendwinde rauscht. Gott hat Hugo mir gegeben, Doch die Rache, dünkt mich, lauscht Mit dem Schwerte, scharf geschliffen, Ob dem Haupt der Sünderin, Deren Herz in wildem Sinn Dem Verhängniß vorgegriffen. Ewig zittern muß Elvire, Daß sie plötzlich den Gewinn, Den sie nicht verdient, verliere. kommt zurück, mit dem Ausdruck des Mitleids sie anblickend. Daß du deinen Frieden trübtest, Nimm als Straf' in Demuth hin. Es ist Hugo, den du liebtest; Hugo's Schwester ist es nicht, Die den Stab Elviren bricht. Sie umarmen sich bewegt, und gehn aus einander nach den Fenstern. Das Rauschen des Windes schon früher hörbar, wird stärker und vernehmlicher durch die einige Sekunden herrschende Stille. beklommen. Horch, der Wind erwacht am Strand, Und die Nordsee donnert ferne. Ausgelöscht sind alle Sterne, Und vom finstern Himmelsbogen Kommt der Schnee im Sturm geflogen. Wirbelnd, wie der Wüste Sand, Stäubt er wieder auf vom Boden, Und, wie Erde birgt die Todten, Deckt er das erstarrte Land, Aufgethürmt zu Grabeshügeln. – Sie geht vom Fenster. Mich umrauscht's mit Geierflügeln! – Jerta! Jerta, lehre mich Meine Angst um Hugo zügeln! Ruhig! Es verlieret sich Eine Schaar von Jagdgenossen, Auf des Nordlands hohen Rossen, In bekannten Wäldern nicht. Wenn der Sterne Schein am Himmel Wolken löschen, fällt das Licht, Weich, in stockigem Gewimmel, Nieder auf die dunklen Wege Durch das felsige Gehege. Schneelicht heißt es hier. – Ihr wißt Nichts davon im heißen Süden. Man hört sehr schwach und fern Jagdgetös Hundegebell, und später das Rufen der Jagdhörner. am Fenster. Jerta! Hörst du nichts? – Mir ist Vor dem Ohr, als bellten Rüden. tritt zu ihr. Ja. – Sehr fern noch. Nein, ich höre Hörner schallen. – Horch! so rufen Sich zerstreute Jäger an, Daß man heim zusammen kehre. Freudig, das Fenster verlassend. Hugo kommt! die am Fenster blieb. Er ritt voran, Mein' ich; denn von Rosses Hufen Wird's im vordern Schloßhof laut. O, Gottlob! – Wie eine Braut Harr' ich seinem Gruß entgegen, War er gleich nur Stunden aus. in das Seitenzimmer rufend. Lieber Otto, komm heraus! von innen. Gleich. noch in der Thür. Geschwind! – Zusammenlegen Kannst du später deine Bilder. Komm, dein Vater und sein wilder, Schwarzer Däne kommen. 3. Szene Dritte Scene. Die Vorigen. Otto. Wer? Lauf hinab! Mein Vater? – Hör', Wirst du das denn nie behalten? Vater ist gestorben. Er War nicht bürtig aus dem kalten Land. – Herr Hugo Oerindur Ist der Mutter Gatte nur. Ab. 4. Szene Vierte Scene. Elvire. Jerta. welche im Begriff war, mit Otto zu gehen, kommt in den Vorgrund zurück. Du gehst nicht hinab zur Pforte? Kann ich? – Oh, des Knaben Worte Lahmen meiner Freude Flügel. Arme Schwester! Ich verstehe: Dieses Kind, voll Mild' und Huld, Zeigt, ein immer klarer Spiegel, Dir das Bildniß deiner Schuld. sehr bewegt. Peinlich ist mir seine Nähe, Und doch kann ich ihn nicht missen. Ich begehre, daß er gehe, Und bedeck' ihn doch mit Küssen! – Was ist kinderlose Ehe? Hugo liebt ihn väterlich, Möchte gern im holden Knaben Einen Sohn gewonnen haben; Doch der Knabe liebt nur mich. Der Natur geheime Triebe Wenden ihn von fremder Liebe, Und ein unsichtbares Band Zieht ihn nach dem Vaterland. Zwischen uns so steht er, wie Eine Mauer zwischen Flammen; Ueber Otto schlagen sie Hochauflodernd, wild zusammen; Tief seufzend. Aber – Eine wird es nie. 5. Szene Fünfte Scene. Die Vorigen. Otto. Bald darauf Kolbert. fröhlich. Jerta! Mutter! Nicht Herr Hugo Ist im Schloßhof eingeritten; Fremde sind es! Und sie tragen Zierlich unsres Landes Kleider, Reden spanisch. – Ach, die schönen, Langentbehrten Worte tönen Wunderlieblich in mein Ohr! Laß geschwind die Männer vor! Gnäd'ge Frau, ein fremder Herr, Den des spanischen Gesandten Diener hat zum Schloß geleitet, Fragt nach dessen Herrn, dem Grafen Oerindur. Sein Name? nachsinnend. Don – Sie verzeihn, die fremden Töne Fassen sich so schwer – ich will – Bleibt! Wer es auch möge seyn, Sagt, daß wir des Grafen harren, Und in des Gebäudes beste Zimmer führt die Fremden ein. Andre sorgen für's Gefolge Kolbert ab. Mutter, laß den span'schen Herrn Mich begrüßen, nach der Sitte Seines Landes. Geh, doch frage Nicht ihn unbescheiden aus, Wer er sei. froh und mit Stolz. Ein Spanier ist's! Weiter brauch' ich nichts zu wissen. Ab. 6. Szene Sechste Scene. Elvire. Jerta. beunruhigt. Jerta, was bedeutet das? nachdem ihr Auge einige Sekunden auf Elviren geruht. Ein Besuch aus einem Lande, Wo mein Bruder lang' gelebt, Und sein Weib sich hergeholet, Wird ihn weniger befremden, Als er euch zu ängst'gen scheint. Ich gesteh's, mir ist die Brust Wie mit einem Stein beladen. Ob, und was zu fürchten ist, Kann allein Elvire wissen; Ich weiß Eins nur. Eins? und was? Daß aus Spanien wenig Gutes Noch für Hugo ist gekommen, Ob ihr schon das Land so rühmet. Wie soll ich die Rede deuten? Aufgewachsen hoch im Norden, Grad und stolz wie unsre Tannen, (Obwohl anderwärts geboren) Schien er früh schon auserkohren Zu der Zierde nord'scher Mannen. Offen, wie des Himmels Blau, Lag in seinem Blick die Seele Fremdem Auge da zur Schau, Freundlich, fest und ohne Fehle. Männer priesen laut den Krieger, Stark, zu halten einen Thron; Jungfrau'n, ihm die Myrthenkron' Flechtend im verschwiegnen Busen, Seufzten heimlich nach dem Sieger. begeistert. Ja, so war er anzuschauen, Fremd, ein neuer Gott der Musen, In des Ebro goldnen Auen. So – so gab er Lust für Ruh! – O, wie feurig führest du Die Vertheidigung meiner Triebe – Feurig, wie ich d'rum dich liebe! Sie umarmt Jerta. ernst. Ihr thut übel d'ran, denn wißt: Wir sind Nebenbuhlerinnen. verwundert. Schwester! Hugo, sorg' ich, ist Nur der Abgott eurer Sinnen. Innig. Ich – ich lieb' ihn, Seel' um Seele, Wie man droben liebt im Licht! Daß zu eurem Glück nichts fehle, Habt ihr an euch ihn gerissen; Ich will ihn, ihn glücklich wissen, Und ich fürcht', er ist es nicht. Wie? nicht glücklich? – Er ist mein! Liebt er mich, so muß er's seyn. mit einem wehmüthigen Lächeln und verneinender Kopfbewegung. Singend zieht der weiße Schwan, In der Brust den tiefen Frieden, Wenn der Winter kommt, nach Süden, Durch der Lüfte freie Bahn; Und mit glänzendem Gefieder, Singend, wie er ist geschieden, Kehrt er aus der Fremde wieder. Nicht so Hugo. – Fortgezogen Ist er auf dem Segelkahn, Durch das Reich der blauen Wogen, Heiter, wie der weiße Schwan, Kräftig, wie der junge Aar; Aber was er scheidend war, Ist nicht wieder heimgekehrt Zu dem väterlichen Herd. Wie in eurem Busen, rasen Stürme wilder Leidenschaft In dem seinigen, und blasen Aus die Fackel seiner Kraft. Seine fest verschloß'ne Brust, Bei dem Drang nach wilder Lust; Seine scheuen, düstern Blicke, Die, wenn sie in eure sehn, Glut in Gluten untergehn – Ach – sie zeugen nicht von Glücke! Glück ist ohne Frieden nicht. Eine Wahrheit, die ich fühle Tief im stets bewegten Blut. Kannst du es, wohlan, so kühle, Reine Seele, unsre Glut! Oder – schweig, und laß gewähren, Laß sich Flamm' in Flamme verzehren! Sie will ab, Kolbert tritt ihr entgegen. Was – was ist's? 7. Szene Siebente Scene. Kolbert. Die Vorigen. Der Bot' ist wieder Da, den man hinausgesendet Auf den Weg zum großen Forste. froh. Kommt der Graf? Er – wird vermißt. wankend vor Schreck. Gott! dringend. Vermißt? Seit einer Stunde Rufen schon von allen Bergen Ihn die Jäger mit den Hörnern. Er und Holm, der Reitknecht, fehlen. Ha, so zündet Fackeln an, Und hinaus, was in dem Schlosse Nur entbehret werden kann! Aus den Ställen alle Rosse, Eins mir selbst! Kolbert ab. Ihr wolltet –? Ich Handle lieber, wo ihr zittert. – Feile Diener machen sich Leicht die Arbeit, wenn man ihnen Niemand vorsetzt, der sie zwingt, Ihrem Herrn mit Ernst zu dienen. Ich will mit! Ihr seid zu zart Für ein Wetter solcher Art; Mag ich selbst doch unverwahrt Nicht hinaus. Sie geht in das Nebenzimmer. nach kurzer Pause. Ich muß vergehen In der Angst, eh' ich erfahre, Ob das Schreckliche geschehen, Was der Riß der Saite – Man hört nahes, fröhliches Hörnergetön. Ha, Jerta! – Hört ihr die Fanfare Vor dem Thor? – durch Sturm und Wetter Tönt das freudige Geschmetter Es herauf: Der Graf ist nah! im Pelz heraustretend. Desto besser. 8. Szene Achte Scene. Holm. Die Vorigen. Gnäd'ge Frauen, Ich soll höflich euch vermelden, Daß ich heim bin, und der Herr. Wo? Er geht nach seinen Zimmern. Nicht zu mir? Er kann sich so, Wie er ist, nicht sehen lassen, Voller Blut! bestürzt. Um Gotteswillen! Hugo blutet? Nein, 's ist Schweiß Eines Ebers, wie sie's nennen. Elvire geht beruhigt in den Vorgrund, Holm folgt ihr einige Schritte. Ja, das hätt' ich euch gewünscht, Daß ihr's hättet sehen können. Was? zu Jerta gewandt. Den Herrn und diesen Keiler. Unser Haro fand die Spur; »'s ist noch zeitig,« sagt' er, nämlich Der Herr Graf – es war fünf Uhr – Und so ging's in Gottes Namen, Ohne Büchs' und ohne Horn, Die der Herr schon abgegeben, Waldwärts über Stock und Dorn. Ungefähr nach einer Stunde Kriegten wir den Burschen auf. »Hussa!« rief der Herr. Die Hunde Fielen wie die Löwen drauf: Aber – rechts und links hin flogen Sie gerissen in den Schnee. Der Herr Graf wollt' mit dem Spieße Drauf; der Rapp stieg in die Höh – Ließ sich uns're Hunde eine Warnung seyn, und mocht' nicht 'ran. Also 'runter! – Auf der Stelle Nahm ihn auch der Eber an. Elvire hört von hier an wieder mit ängstlicher Theilnahme zu. Der Herr Graf stand noch nicht feste, Und – daß Gott! schief ging der Fang. Blitz noch eins! da wurd' mir bang! Aber eh' das Thier sich wieder Wandte, fiel der gnäd'ge Herr, Selber wüthend, wie der Keiler, Mit den Fäusten drüber her; Riß ihn, wie er war, zu Boden – Ich, nicht faul, sprang auf den Wanst – Und nun bohrt' er mit dem Fänger Und dem Messer, was du kannst, Ihn so lang' in Brust und Kehle, Bis er seinen letzten Schweiß Vollends ausgeröchelt hatte. Er war kalt, wir waren heiß. die sich schaudernd abgewandt. Welch ein gräßliches Vergnügen! Nun, wir ließen ihn denn liegen; Aber nun ist alles 'naus, Und noch heute muß der Dicke Auf dem Schlitten hier in's Haus. – Sag' dem Grafen, daß er schicke, Wenn er umgekleidet ist. Wohl. Ab. 9. Szene Neunte Scene. Jerta. Elvire, die, von der Erzählung angegriffen, sich an einem Stuhl hält. Wie wird euch? – Eure Blicke Sind verstört, was? – Die Beschreibung! Wahr, lebendig bis zum Schauen! Gräulich! Sicher Uebertreibung; Wer den Strauch mit umgehauen, Macht daraus gern einen Baum. aus Phantasieen aufseufzend. Oh! Er ist ein reißend Thier! befremdet. Wer? Der Hugo. Träumet ihr? Ja, ein fürchterlicher Traum Meiner ersten sel'gen Nacht Wiederholt sich meiner Seele. Hugo wähnt' ich zu umfassen, Und – ein Tiger sah mich an. Ich vermocht' ihn nicht zu lassen, Und – indem ich es erzähle, Faßt es mich wie Fieberwahn – Küßt' ihm Klau' und blut'gen Zahn; Er – Sie hält, von Vorstellungen überwältiget, inne. Erhitzten Blutes Bilder! Oh! zu wahr, zu ähnlich nur! Sagt es selbst, wird Oerindur Täglich kühner nicht und wilder? Schaudernd, will er mich umfassen, Stürz' ich mich an seine Brust. 's ist ein Tiger, den du hassen, Oder für ihn glühen mußt! Wenn er sanft sich an mich lehnet, Wenn er seufzet und sich sehnet, Wenn sein Auge Küsse heischet; Blitzt's oft furchtbar d'rinn empor Es durchzuckt mich, wie ein Strahl, Und der Gatte meiner Wahl Kommt mir wie ein Raubthier vor, Das mich liebt und mich zerfleischet. Nach einer Pause feierlich. Jungfrau! Mag euch Gott behüten Vor dem innerlichen Wüthen, Das mich von und zu ihm reißt! Ab. Ist es diese Qual, die » lieben « In den heißen Zonen heißt? Tief bewegt. Oh! wär' Hugo heim geblieben! Ende des ersten Akts. 2. Akt 1. Szene Erste Scene. Hugo in reicher Hauskleidung auf einem Sopha ruhend. Auf den Tischen tief herab gebrannte Kerzen. Nach einigen Sekunden tritt Jerta ein. Wilder, schweißbefleckter Jäger, Bist du endlich sichtbar wieder? ohne aufzustehen. Sichtbar, rein von jedem Makel. Und ermattet, wie es scheint. Ja – Gottlob! – – Der Leib allein Stört das Gleichgewicht der Seele, Lehrt sie scheuen und begehren. Zu ermatten – darum jag' ich; Bin ich müd', so hab' ich Ruhe. auf das Herz deutend. Hier? Die hattest du sonst immer. Sonst! – ja – sonst – Er verliert sich in Gedanken, und sagt nach geraumer Pause, als ob er Jerta's Gegenwart vergessen hätte. Wer das erfände! Was erfände! Nichts! – – Die Kunst, Wie man gestern macht zu heut, Sonst zu jetzt, und jetzt – zu nichts. Nichts! – – Nach merklicher Pause. Wo ist Elvire? Kommt Sie nicht auch? Sie ist – sie war, Will ich sagen – einfallend. Willst du? Sieh, War und ist – da hast du's wieder! Sonst und jetzt, und heut' und gestern. Sonst war's anders. Froh entgegen Flog sie mir, trat ich in's Haus; Jetzt –? Groß Unrecht thust du ihr. Sie hat fürchterliche Angst Ausgestanden deinetwillen, Als du ausbliebst in die Nacht. Warum säumt sie? Ich bin heim, Bangt ihr noch? Nein; doch erschüttert, Tief erschüttert hat die Mähr, Die uns Holm sogleich erzählte, Ihre weich geschaffne Seele. Welche Mähr? Wie dich der Eber Angegriffen, und du ihn Hast bezwungen und getödtet, Simson gleich, der mit den Händen Einen Löwen hat zerrissen. ist aufgestanden. 's ist ein Narr, der Holm – ein Schwätzer! Es war nichts. Mein Ungeschick Zwang nich, etwas unsanft ihm Hinzuhelfen. 's thut mir leid, Hatt' auch gänzlich nicht Gefahr; Aber – für Elviren war Die Geschichte nicht. So scheint's! Einer Leiche gleich, die mit Offnen Augen ist gestorben, Sah sie drein, als Holm geendet; Hielt sich auf den Füßen kaum, Nannte dich – ein reißend Thier! – Einen fürchterlichen Traum, In der Brautnacht ihr gesendet, Fing sie an, mir zu erzählen – Du gehst fort? Ich will zu ihr! Wenn ihr Herz sich von mir wendet, Muß ich's wieder mir vermählen; Nur den Fernen kann sie hassen. Laß ihr Zeit noch, sich zu fassen, Lieber, und vertraue mir, Deiner Jerta, die dich liebet, Was den Frieden Hugo's trübet? Wechselseit'ge Glut begegnet Sich in eurem trunknen Blick; Ihr besitzet euch, das Band Ist von Priesterhand gesegnet – halb vor sich. Nicht von Gott! Der Herzen Bund Wird ja kinderlos nicht bleiben! Was, ich bitte dich, was kann So euch hin und wieder treiben, Wie zwei Schiffe eines Herrn, Die der Sturm im offnen Meere Trennt, und an einander schleudert? Weiß ich's selbst? – – Mich dünket: Nie Sollten Nord und Süd sich küssen. Pole sind es Eines Stabes, Ihre Axe trennet sie. Hat die dunkle Macht des Triebes, Stark, den Stab zum Ring gebogen, Und den Pol zum Pol gezogen; Müssen sie sich mächtig fassen. Aber immer will der Ring, Wie gespannten Bogens Stahl, Wieder auf zum Stabe schnellen, Und was eins ist, will sich lassen. Räthselhaftes aufzuhellen, Zu erklären solchen Streit, Will ein Gleichniß nicht genügen. Mehr vermag ich nicht zn geben. Selbst ein Räthsel – schwer zu lösen – Bin ich mir; denn Pol und Pol Einen sich in meinem Wesen. Hier erzogen, dort geboren, Bin ich hier und dort nicht heim. Fremde Wurzel diesem Boden, Fremder Wipfel jener Luft; Tief am Stamm vom Nord erkältet, Hoch im Laub vom Süd entflammt, Ein' ich in mir Glut und Flut – Erd' und Himmel – Gepreßt. Gott und Teufel. Wunderlich verworr'ne Träume! Sahst du gleich das Licht der Welt Unter Spaniens heißer Sonne, Waren unsre Aeltern doch Beid' aus Nordlands Heldenstämmen. übereilt. Deine, ja; doch meine nicht. Wie? stutzt, als er bemerkt, daß er gesagt, was er nicht wollte, dann ruhig. Es ist kein Grund vorhanden, Daß ich länger dir verschweige, Was dein Vater mir enthüllte, Als er, in der Schlacht verwundet, Hinter'm sieggekrönten Heere, Nach drei hoffnungslosen Tagen, Sanft verschied in meinen Armen. Ah! Was werd' ich hören müssen? Daß ich nicht dein Bruder bin. sinkt mit verhülltem Gesicht in einen Sessel. Oh! ich Aermste! – Plötzlich springt sie wieder auf. Gott! – warum –? Was ergreift dich? mit Mühe gefaßt. Nichts. – Erzähle! Edwin, Graf von Oerindur, Dein erlauchter Vater, war Seines Stammes letzter Sprosse. All' sein Gut war lehenbar, Ward verdient mit Lanz' und Rosse, Und die zögernde Natur Schien den Erben zu versagen, Fähig, Land zu Lehn zu tragen. Endlich beut sich Hoffnung dar; Doch der zarten Gräfin Schwäche Läßt besorgen, daß die Frucht Das erkrankte Bäumchen breche. Aerzte, früh um Hülf' ersucht, Weisen sie mit Mund und Feder In die Pyrenäenbäder, In die Luft der wärmern Zone. Eine Dame, fern verwandt Einem ketzerischen Throne, (So wird uns'rer dort genannt) Konnte sich in jenen Tagen In ein anders glaubend Land Nicht mit ihrem Namen wagen. Ein katholisch-deutsches Haus Half ihr gern mit seinem aus. Darum ward der deutsche Name: Hugo, auch dem Sohn gegeben, Dessen sie genas im Süden. Das mit Müh geborg'ne Leben Wie des Knaben, so der Dame, Ließ die Heimkehr lang' nicht zu. Edwin, für des Reiches Ruh Kämpfend, gab ihm spät den Frieden Mit dem stolzen Feind in Osten, Und so ging's in's dritte Jahr, Eh' es ihm beschieden war, Seiner Freude Kelch zu kosten. Hanna, deine Mutter, glühte, Ihm das Kind, das freundlich blühte, In den Vaterarm zu legen; Anders stand's in Gottes Buch, Und sie mußte seinen Segen Legen in ein Leichentuch. Arme, arme Mutter! Eine Reich're nahm sich ihrer an. Daß nur sie, nicht Edwin weine, Ward ein seltnes Werk gethan. Eine Freundin, dort erworben, Von kastilischem Geschlecht, (Ihren Namen nie zu nennen, Hatte Hanna ihr geschworen.) Gab ihr Kind, von gleichem Alter, Der Verzweifelnden zu eigen. Ist das möglich? Eine Mutter? finster. Meine Mutter hat's gethan. Ich bin der verschenkte Knabe Aus kastilischem Geschlechte, Das ich nicht zu nennen weiß. Das ich nimmer kennen möchte, Weil es solche Mutter hatte. Lang' getäuscht ward Hanna's Gatte, Und ich galt ihm für den Sohn, Bis ihm Jerta ward geboren. Da verrieth sich Hanna. Er Wollte, daß der Name mir Bliebe, den sie mir gegeben; Doch zu stolz, zu hintergehen, Zeigt' er, als sie heimgegangen, Es dem Lehnherrn an. Die Antwort War ein königlich Diplom, Eigenhändig und geheim Ausgefertigt, dieses Inhalts: »Das Geschlecht der Oerindur, Uns'res Thrones feste Säule, Soll bestehn, ob die Natur Auch damit zu Ende eile. Wem der Letzte diesen Brief Uebergab, als er entschlief, Sonder Ansehn Mann's noch Weibes, Ist beliehn auf ew'ge Zeiten Mit des Stammes Land und Leuten, Sammt den Erben seines Leibes.« Mit der Schrift, die, nah am Grab, Mir Graf Edwin übergab, Tauscht' er mir die Ruhe ab. Weg von hier, wo niemand mir verwandt, Zog das Band Der allmächtigen Natur Mich zum Land Goldner Flur, Das in dunklen, früh empfangnen Bildern, Winkend durch den Nebeltag, Vor mir lag, Wie die Vorwelt auf der Ahnen Schildern. Um den Aeltern nachzuspüren, Zog ich hin, und fand Elviren, Die es spät erst mir gelang, Nach dem Norden heimzuführen, Und die nun derselbe Drang Wieder abwärts treibt, nach Süden. in rührendem Schmerz. Oh, leb' wohl, mein goldner Frieden! Jerta! Was bewegt dich so? Namenloser! Kannst du fragen Denk' an unsre Kinderzeit, Und wie wir herangewachsen, Nachbarblüten Eines Stieles! Alle Ranken meines Herzens Schlangen sich an deines an. Heilig hatt' ein schöner Wahn Meine Zärtlichkeit gesprochen – Zu sanftem Weinen übergehend. Nun sein Siegel ist gebrochen, Bricht mein Herz dem Siegel nach! Jerta! Mädchen! – Fasse dich, Und vergiß, was Hugo sprach! Lieb' ihn ferner! Brüderlich Wird er ewig an dir hangen. nach langsamer, verneinender Kopfbewegung. Nein, das Traumbild ist zergangen, Und entfesselt die Natur. Nie mehr darf ich dich umfangen, Denn du bist kein Oerindur. Zwischen Lieben und Verlangen Ist die Scheidewand gefallen! – Fliehn aus meiner Väter Hallen, Wo dein Schweigen mich getäuschet, Muß ich, wenn dein Weib es heischet. Ab. 2. Szene Zweite Scene. allein, nachdem er ihr lang' nachgesehen. Ja! sie ist ein Engel! – So Stand sie vormals mir zur Seite, In der Triebe wildem Streite. Da ich von ihr bin geschieden, War's geschehn um meinen Frieden; Hugo wird nicht wieder froh! Er versinkt in Gedanken. 3. Szene Dritte Scene. Hugo. Otto. Nun, Herr Hugo, bist du heim? scherzend. Ja, Don Otto! Wie du siehest. Spottest du des deutschen Namen, Den der span'sche Knabe führt? Du hast recht. Auch mir gefällt Er nicht sonderlich. Ich möchte Karlos, wie mein Vater heißen! Seine Mutter, sagt Elvire, Wollte, daß ich Otto hieße. Otto? – Nun, 's ist nicht zu ändern; Hugo lautet übler noch. Aber Eines könntest du Mir zum Troste wohl erlauben. Wenn dir's gut ist, gern. Was ist's? Laß mich wieder Kleider tragen, Wie man sie am Ebro trägt. Nein, mein Kind, das ist gefährlich, Hier ist's kalt; auch würde man Nur des fremden Putzes lachen. Nicht doch! Sieh den Fremden nur – Welchen Fremden? Der gekommen Kurz vor dir, durch Frost und Wetter. Hat man dir's noch nicht erzählt? Nein. Nun, siehst du, niemand lachet Ueber diesen alten Mann; Und doch trägt er seines Landes Leichte Tracht auch hier. – Er ähnelt Meinem Vater d'rinn. Er ist Spanier? Ei, ja wohl! dringend. Wie heißt er? Ihn zu fragen, hat die Mutter Streng verboten; ungefragt Aber hat er mir gesagt, Daß er ist aus uns'rem Land, Und der Mutter anverwandt. Alles kennt er in Tortosa, Und beschrieben hat er mir Meine Tante, Donna Rosa, Wie sie leibt und lebt, und – Lächelnd. schmält. Sicher wird er dir gefallen. vor sich. Schwerlich – Hm! Warum just heut? Dieser Tag ist nicht der beste, Einen Spanier zu empfangen. Er ist gut und trägt Verlangen Dich zu sehen. Soll er kommen? Nein, noch nicht! Bis ich vernommen Von Elviren – 4. Szene Vierte Scene. Elvire. Die Vorigen. tritt im heftigsten Affekt ein, sie kann kaum sprechen. Hugo! – Sie tritt nahe an ihn, und sagt mit gellendem Tone. Jerta! Was soll dieser Blick bedeuten, Und der schneidend laute Ton? Ha, Verräther! – Bleichst du nicht, Wenn ich Jerta's Namen nenne? Du bist sinnlos! Daß ich's wäre! Oh, Elvire! – So betrogen – So zerrissen dieses Herz! Sag', Herr Graf, was hat die Mutter? Du vermagst es nicht zu fassen. Schlangen von der Furie Scheitel Winden sich um ihre Brust; Laß uns, bis sie ist genesen. Otto geht ab. aufstehend aus dem Sessel, in den sie sich geworfen hatte. Darum mußtest du zurück Nach dem frosterstarrten Norden, Weil du eine Blume wußtetst, Dir erblühend unter'm Schnee? Darum ward ich weggelockt Von dem heimatlichen Herde, Von der gottgeweihten Erde, Wo die Jungfrau man verehrt, Daß du hier die Jungfrau lieben, Und die Gattin opfern könntest? Darum nannte diese Schwester Heute sich mit frecher Stirne Meine Nebenbuhlerin – Halt! – Geuß aus dein Gift, daß es Seine Schale nicht zerfresse! Doch auf mich nur, nicht auf diese Reine Seraphseele. Rein? Oh, vertheid'ge sie, ich flehe! Sie und dich vertheidige! Oder – kannst du's nicht, gestehe! Nur Gewißheit gieb mir, daß ich Lebe, oder untergehe! Soll ich Heiliges vertreten Gegen schmählichen Verdacht? Wie die Engel Menschen lieben, Ist ihr Herz mir zugewandt; Und wie du zur Jungfrau betest, Schaut mein Aug' empor zu ihr. Nein, ihr sollt nicht! Ich allein, Ich will dich besitzen! – Mein, Keines Engels sollst du seyn! Gottes selbst nicht! Rasende! Lästre! Lästre seine Donner Nieder nur auf unser Haupt! Wie du sagst, so, fürcht' ich, ist es: Als ich dich begann zu lieben, Hab' der Höll' ich mich verschrieben. Oh, mein Kopf brennt fieberisch! – Nach einer Pause. Als sie heute dich beschrieb, Wie du, stolz gleich Nordens Tannen, Eine Zierde seiner Mannen, Aufgewachsen neben ihr; Wie sie mir den Krieger malte, Mächtig, einen Thron zu bauen, Und den Sieger, zarten Frauen Heiß ersehnt in stiller Brust – Warum strahlte Da von Lust Ihr Gesicht? Warum hehlte Sie der Freundin Mondenlang, Daß das Band des Blutes fehlte? Ungerechte! Weil ich es Heute, jetzt erst ihr erzählte. zweifelnd. Wie? Sie wußte nicht –? Und du – Nicht zu stören ihre Ruh, Barg ich es der Aelternlosen, Daß sie keinen Bruder hatte. Als ich's ausgesprochen, weinte Sie um das zerriss'ne Band, Das uns selig sonst vereinte. Zwischen uns die Scheidewand, Die gesunk'ne, neu zu bauen, Ging sie, dir sich zu vertrauen. Wenn du wahr sprächst! – Sieh, ich ließ Sie nicht enden! wüthend stieß Ich sie weg von meiner Brust. Wenn sie's wirklich nicht gewußt –! Hätte sie's bis jetzt verschwiegen, Warum sagte sie es jetzt? mit Rückkehr. Hugo! Folge deinem Blut, Das, gekocht am Strahl in Süden, Nur im Morde findet Frieden, Wenn es Eifersucht bewegt. Misch' ihr Gift! Ich weiß, du hast Stets davon nach eurer Sitte. Mich durchstoß' in der Umarmung Mit dem Stahle, den du trägst, Und, wahrhaft mich zu besitzen, Saug' das Blut mir aus der Brust, Daß es, wie die Milch der Mutter, Dich durchdring' im tiefsten Leben! zagend. Hugo! – Kannst du mir vergeben? Ich beklage dich und mich. Kann es Jerta? Sicherlich! Sie, sich keiner Schuld bewußt, Darf die Stirne frei erheben, Und verachten den Verdacht. Wir – nun ja, wir haben Macht, Uns'rer Treue nicht zu trauen, Wenn wir – Halb vor sich. wenn wir rückwärts schauen. erschüttert. Hugo! – Woran mahnst du mich! Karlos Gattin liebte dich; Darum quält die Eifersucht Furienartig nun die deine. dumpf. Heut'! – ja, ja! – Heut' ist verflucht. ängstlich. Heut'? – Was meinst du? Was ich meine? Ist's der Tag nicht, wo er sich Hat erschossen –? sich verhüllend. Oh! Allmächt'ger! Die Kerzen sind nach und nach verloschen und das Zimmer wird düster. Weißt du noch? In der Kapelle – Wie wir da uns heimlich sprachen Auf den Särgen deiner Väter? Und – wie am Begräbnißtage, Innen Lust und außen Klage, Wir – Halt ein, du tödtest mich! nach geraumer Pause, dumpf, am Ende mit Geisterfurcht. Wenn er käme – käm' in dieser Bösen Stunde, wo die Liebe – Ausgebrannt, wie diese Kerzen, Aufgezehrt vom Sinnentriebe – Nicht mehr leuchtet in den Herzen! Wenn er stieg' aus deiner Ahnen Gruft, uns daran jetzt zu mahnen, Jetzt – – schaudernd. Entsetzlich! Kurze Stille. Es wird geklopft, Hugo und Elvire fahren tief erschreckt zusammen. Ha! 5. Szene Fünfte Scene. Die Vorigen. Valeros tritt ein, Otto an der Hand, welcher ein Licht hält. der furchtsam sich nach der Thür gewendet, und einige Schritte dahin gethan, prallt entsetzt zurück. Sein Geist! bleibt bestürzt stehen. Wie? – Zu Otto. Du irrst im Zimmer, Kleiner, Ist das –? ihn in's Auge fassend. Don Valeros! Wer? Karlos Vater! Ihr erkennt mich? Ja, ihr seid's! Verzeiht – Ihr findet – Mir verzeihet, und dem Knaben, Der nicht mehr zu halten war, Als ich einmal mich entdeckt. Wenn ich, ungemeldet kommend, Wie ein Geist euch hab' erschreckt, Biet' ich euch die Hand, zum Bürgen, Daß ich lebe. Elvire küßt seine Hand mit Innigkeit. Er umarmt sie gerührt. Tochter! Zu Hugo. Ihr Seht mich heut' zum ersten Male. Daß mir's zukommt, eure Dame »Tochter« zu begrüßen, mag Sie, und dieser Brief bewähren, Des Gesandten Hand und Siegel. der den Brief nahm, ohne das Auge von Valeros Gesicht wegzuwenden. O, fürwahr, ihr braucht der Zeugen Nicht – die Aehnlichkeit mit Karlos – weich. Sie ist alles – alles, was Mir geblieben ist vom Sohne! Nach einer Pause. Ihr, Herr Graf, ihr seid der Erbe Seiner beiden schönsten Güter: Seiner Wittwe Gatte, seines Sohnes Vater! Beider Liebe Ist eu'r Eigenthum geworden. Ich – hab' niemand. – – Mögt ihr's tadeln, Daß der Arme mit dem Reichen Solches Erbe kommt zu theilen? giebt ihm die Hand. Seid willkommen, Ritter! Euch Konnten wir uns nicht vermuthen. Wenn mir recht ist, war't ihr ja In Westindien Gouverneur? Vor neun Jahren zog ich hin, Mir das goldne Vließ zu holen, Das den Spanier ewig lockt. Ich errang's; doch minder glücklich Als der Argonauten Führer, Der ein Weib fand über Meer, Hab' ich meines dort begraben. Glücklich, einen Sohn zu haben, Der, geehrt im Mutterland, Trost und Ruh mir konnte geben, Ward die Bitte fortgesandt, Mich des Amts zu überheben. Die Gewährung kam; dabei Lag die Nachricht, Karlos sei – Sehr weich. Eingegangen in das Leben. Nach einer Pause der Erholung. Günstig linde Lüfte dehnten Weit des Schiffes Flügel aus, Und das leicht bewegte Haus Trug die Pilger, die sich sehnten Nach der Heimath, fröhlich fort. »Land!« erscholl's; an straffen Tauen Klimmten sie empor vom Bord, Spaniens Küste zu beschauen, Die im sonnenhellen Tag Auf der See wie Nebel lag. – Wehmuth nicht; ein seltsam Grauen Faßte mich, als ich den blauen Nebel sich gestalten sah. Bilder, dunkel und doch nah, Hingen drohend um mich her. Bang und schwer Trat ich auf der Heimath Boden. Weinen wollt' ich um den Todten; Aber keine Thräne rollte, Und, wie vor mir selbst entsetzt, Stand ich vor Tortosa's Thoren. Nicht, als hätt' ich ihn verloren – Nein, mir war, als ob ich jetzt, Jetzt erst ihn verlieren sollte. Hugo wankt und hält sich an einem Stuhl. Fehlt euch etwas, Graf? Ihr seid Blaß! sich erholend. Ein Schwindel. – Uebelkeit Von der Anstrengung der Jagd. bestürzt. Lieber Hugo! Wie gesagt, Nichts. – Nichts, was euch dürfte stören; Sprecht nur fort, und laßt mich hören! 's ist vorüber. Nein, fürwahr! Wenn ihr krank seid, möcht' ich euch, Was zurück ist, nicht erzählen Soll uns dunkles Ahnen quälen? Redet! zu ihr tretend. Saht ihr Karlos Leich' Auf der Bahre? Nein; ich war Außer Stand – Im Sarge? Nein. Ich – ich habe sie gesehn! Schwarz behangen war der Saal, Aber hell vom Kerzenschein, Und im Bette, lang und schmal, Lag der Vater, bleich, doch schön, Wie ein weißes Marmorbild – Sichtbar nur bis an die Brust, Die der Sammetmantel deckte Mit dem Calatrava-Sterne. – Mit Thränen in den Augen. Viele, aus der Näh' und Ferne, Kamen, weinten sehr und küßten Ihm des Mantels goldnen Saum: Denn den Sammet aufzuheben, Und die Hände zu berühren, War verboten, weil man ihn Köstlich balsamiret hatte. Oh! hätt' ich ihn nie gesehen In dem lang' verschloss'nen Sarg, Der das Grausende verbarg! Ist es – ist es nicht geschehen –? Einerlei! Für mich ist's da, Was mein inn'res Auge sah, Als der Deckel ward gehoben, Und der Mantel weggezogen! geängstiget. Was? – ich bitt' euch, Vater, was? seine Kraft zusammennehmend zu der Schilderung. Eine Hand auf seiner Wunde, Und den rechten Arm gespannt, Niederwärts, die Faust geballt, Und der Augen hohe Bogen Wie im Zorn herabgezogen, Schien der stumme Mund zu sagen: »Räche mich! ich bin – erschlagen! « Jesus Christus! – Wenn das wäre! bleich, mit wankenden Knieen, am Stuhl sich haltend, und mit starren Blicken. Ja, das wär' entsetzlich! zu Valeros. Höre, Schweig davon! Herr Hugo ist Krank jetzt – mit Anstrengung, rasch. Schweig du selbst! – du bist Kindisch! – Weiter, weiter nur! Eure Ahnung – keine Spur –? Wie er da im Sarge lag, Fand man ihn im Walde. – So, (Das bezeugten seine Diener, Die mich in die Gruft geleitet.) So die Hand, den Arm, die Miene – Nirgends weiter eine Wunde, Als der Kugel Weg durch's Herz! Und die Hand wie angewachsen Auf der Wunde, und die Faust Nicht zu öffnen, und der Arm Nicht zu beugen an der Leiche! Vor mir, in mir ging es auf, Wie ein Nordlicht, das den Wald Blutigroth und matt beleuchtet. Nicht ein Argwohn war's; ein Schauen Und ein Drängen nach der Gegend, Die des Nordlichts Graus gebiert. So durch Frankreich zog's mit mir, Und durch Deutschland, über'n Belt, Bis zu euren Eisgebirgen. Rachsucht nicht – nicht die Begier Seinen Mörder zu erwürgen, Ist es, was mich durch die Welt Drängt und zieht. – Ich such' ihn nicht; Nein, es graut mir, ihn zu finden, Und doch lechzt mein Geist nach Licht, Wie das Aug' des halb nur Blinden. Zweifelnd, ob ich vor ihm fliehe, Oder ihm entgegen ziehe, Steht sein nie geseh'nes Bild Wechselnd vor mir, mild und wild, Und – Zu Hugo tretend. erklärt mir, Oerindur, Diesen Zwiespalt der Natur! – Bald möcht' ich in Blut sein Leben Schwinden sehn, bald – Sanft, fast weich. ihm vergeben. kaum noch der Sprache mächtig. Mir wird schlimmer – ich – Er wankt nach der Thür. zu Otto. Mein Kind, Nimm ein Licht, ihn zu geleiten. Es geschieht. Elvire, starr vor sich hin sehend, scheint nichts zu bemerken. Hugo geht bis nahe an die Thür; als Otto mit dem Licht neben ihm ist, stürzt er ohnmächtig zu Boden. schreiend. Ah! Mein Gott! erwachend aus der Erstarrung. Was ist –? Der Graf! zu ihm stürzend. Jesus! nach der Thür rufend. Hülfe! Hülfe! Hülfe! Ende des zweiten Akts. 3. Akt 1. Szene Erste Scene. Valeros von Otto mitten in den Saal geführt. Sieh dich um! – Gefällt dir's hier? Sehr. Das ist der span'sche Saal; Links und rechts die span'schen Zimmer. Gräfin Jerta nennt sie immer So, und theuer sind sie ihr. Ihre Mutter ist einmal Lang' in unserm Land gewesen; Diese hat mit vieler Müh' Die Tapeten ausgelesen, Und die Bilder, die du siehst, Malen lassen. – Zeigend. Das da ist Talavera. nachdem er es angesehen. In der That! vor einem andern Gemälde. Das hier ist der Mont perdu. Schau', ein Berg von solcher Höh', Daß nie oben schmilzt der Schnee, Niemand ihn erstiegen hat. Kenn' ihn. Ist dir auch bekannt, Daß er ist der Diamant In der Pyrenäenkette, Die Europa's Halsband ist? lächelnd. Wer hat so ihn dir genannt? Wer? – Ich weiß nicht, wie du bist Als ob ich gelernt nicht hätte, Daß Europa ist ein Weib; Andre Länder sind der Leib, Und wir Spanier das Gesicht. Darum sehn wir stolz hernieder Auf die andern, schlechtern Glieder. Sieh, der Kastilianer spricht Aus dem Knaben schon. Dem Knaben? Leider gelten hier dafür Alle, die mein Alter haben, Und fürwahr, sie sind's auch hier. Mit Selbstgefühl. Unter unserm Sonnenlicht Reifen früher alle Gaben. Zu einem dritten Gemälde tretend. Diesen Ort hier kennst du nicht; Es ist eine kleine Stadt, Die Gesundheitswasser hat, Liegt in Frankreich. Dort auch war Jerta's Mutter. Sonderbar! 's ist Barège! Kennst du sie? Sie gefällt mir nicht so, wie Talavera. beklommen. O, mir auch nicht! Vor sich. Muß ich hier mit neuem Schmerz In die finstre Thalschlucht schauen, Wo der Aberglaube zum Unnatürlichsten Beginnen Eine edle Seele trieb? Jene Prophezeihung und Dieser schreckliche Verdacht –! Eins, Gott sei gelobt! muß lügen. Du verfällst in Traurigkeit In dem schön verzierten Saale? Das wird Hugo leid thun, mein' ich. aus der Zerstreuung auffahrend. Wem? Dem Grafen. – Dir zu Ehren Ließ er diesen Flügel öffnen! In den Zimmern sollst du wohnen, Und in diesem Saale will er Diesen Abend mit dir seyn, Und mit Jerta und Elviren. Ist er völlig wieder wohl? Ziemlich. – Aber sagt' ich dir's Nicht: du solltest schweigen – ihm Nicht von meinem Vater sprechen? Das verträgt er einmal nicht. Das ist seltsam. O, ich weiß Wohl warum? angelegentlich. Du weißt es? Rede! Vater starb zu einer Zeit, Wo der Graf sein Leben Hätte d'rum gegeben, Daß er nicht gestorben wäre. Woher weißt du das? Sie waren Gute Freunde, seit fünf Jahren, Wo der Graf in uns'rem Land Ankam, fremd und unbekannt. Wirklich? Ja, der Vater hatte Ihn so lieb beinah, wie mich. Und der Graf? Der Graf ihn wieder. Meinst du? Lieber noch als sich; Denn er wagte ja sein Leben Offenbar für Karlos d'ran. That er das? Das will ich meinen! Wo und wie? Nun hör' nur an: 's war ein Stiergefecht, ein kleines, Wo das Thier blos wird gehetzt. Eh' das Spiel noch angefangen, Stieg der Vater vom Balkon Mit verschied'nen fremden Damen, Welche dieß und jenes wollten In der Nähe sehn, hinab In den Zwinger. – Plötzlich sprang, Schlecht verriegelt, auf die Thür Von dem Stall. »Der Stier, der Stier!« Schrie's dort und hier; Die Damen all Entflohn geschwind, Und warfen, furchtsam wie sie sind, Am Zwinger vorn Die Thür in's Schloß. »Die Hunde los!« Ward nun geschrien, Doch nicht gethan. Das Unthier schoß, Gesenkt das Horn, Auf Karlos an; Warf nieder ihn, Und schrecklich dringt: »Er ist verloren!« In unsre Ohren. Auf einmal springt Schnell wie der Blitz Vom hohen Sitz Hinab der Graf – einfallend. Ah! das war brav! Und zieht den Degen Und fällt verwegen Zur Seite den wüthenden Ochsen an. Der wandte sich, Und er kam d'ran; Allein der Stich, Den er gleich Anfangs ihm gegeben, War eingedrungen bis auf's Leben; Und wie ihn eben Der Stier durchbohren will, Da stürzt er mit Gebrüll Zu seinen Füßen nieder, Zucket und streckt die gewaltigen Glieder, Und von »Bravo!« schallt die Gegend wieder. Sahst du selbst –? Ich war dabei. vor sich. Ja, das löscht den Argwohn aus, Und ich athme wieder frei In dem ahnungsvollen Haus. Zu Otto. Habe Dank für die Beschreibung Solcher spanisch-edlen That. Was der Graf für Karlos wagte, Hätte dieser auch gethan. Sieh, und dennoch konnten solche Freunde sich entzweien – Was? Glimmt der böse Funke wieder? Wie geschah's? Das weiß ich nicht. Als der Vater stürzte, war es Drei, vier Tage, daß sie sich Zürnend nicht gesehen hatten. Das nun eben quält den Grafen, Daß sein Freund hat sterben müssen, Eh sie wieder einig waren. halb vor sich. Das, ja, oder – das Gewissen. Darum stürzt' er, außer sich, Selber einer Leiche ähnlich, Auf des Vaters Leiche hin. »Karlos, bist du unversöhnlich?« Jammert' er, und küßte ihn, Und umarmte weinend mich, Bis erschöpft er niedersank. Weinend, sagst du? Vor sich. Hm, gewöhnlich Weinen Meuchelmörder nicht. Darum macht's ihn trüb' und krank, Wenn man von dem Unfall spricht, Der, so sehr er's schien zu lieben, Ihn aus Spanien hat vertrieben. vor sich. Seltsam! Wie mit ungewissem Kriegs glück theilen Lieb' und Haß Meines Busens engen Raum Um den Menschen. Horch! er kommt. Nun will ich euch Jerta senden, Die sich sehnet, dich zu sehn. Ab. 2. Szene Zweite Scene. Valeros. Hugo. ernst. Nochmals seid willkommen, Ritter, In der nordisch-finstern Burg. Ihre freundlichsten Gemächer Sind euch freundlich aufgethan. Freundlichkeit, Herr Graf, ist besser Im Gesicht, als an der Wand. Wand ist Todtes, und das Todte Ohne Wandel; das Gesicht Trägt des Augenblickes Farbe, Bis es todt ist, wie die Wand. Möchte eures bald die seine Aendern! – Ihr empfingt mich nicht Wie den Vater eures Freundes. rasch. Weil ihr so nicht seid gekommen. – Ruhiger. Warum rißt ihr Wunden auf, Die so tief und schmerzlich sind, Die Hand auf die Brust. Hier, wie in Elvirens Brust? In der That, bei beiden war Ich sie tiefer nicht vermuthen, Als im Vater herzen. Ihr Habt zum mindesten gesehen, Daß empfindlicher sie sind; Denn was ihr erzählen konntet, Hatten wir nicht Kraft zu hören. Valeros sieht ihn prüfend an, er fährt fort. Ihr seid Vater, und ihr weint, Weil ihr einen Sohn verloren? Ich verlor mich selbst in ihm! Zauberisch hat dieser Mensch Mich verdoppelt und getheilt, Mich beseligt und zerrissen, Wie im Leben, so im Tode! zweifelnd. Wie? Ein frommer Rittersmann Reitet in den Herenwald, Und vergißt das Kreuz zu schlagen. Plötzlich fällt ein Heid' ihn an, Von der nemlichen Gestalt, Mit demselben Helm und Kragen. Und der Christ ficht mit dem Heiden, Und der Helm entstürzet beiden, Und mit Grauen Sieht, bei Zauberblitzes Licht, Jeder Kämpfer sein Gesicht Aus der fremden Rüstung schauen. Dennoch, als der Blitz verschwunden, Treibt der Nacht Blinde Macht Jeden wieder, In die Glieder Seines Feindes tiefe Wunden, Die er selbst fühlt, einzuhauen. So auch, seit mein irrer Fuß Ist in Karlos Haus geschritten, Bin ich mit mir selbst zerfallen In zwei feindlich-fremde Wesen, Die sich immerdar befehden. Dunkel sind mir eure Reden; Doch ihr malt im Räthselspiele Ziemlich, was ich selber fühle. Wechselnd bald, und bald zugleich Eint es und entzieht mich euch. So mit euch auch geht es mir. Welchem Triebe darf ich folgen? nach einigem Stillschweigen, schwer. Haßt mich! Daß ich's nicht vermag, Deutet, daß ihr's nicht verdienet. ohne aufzusehen. Nun, so liebt mich! Dann, so scheint's, Muß ich eure Gattin hassen. aufgeschreckt. Wie? – Was meint ihr? Offen, Graf: Eins von euch, so muß ich glauben, Hat an Karlos sich vergangen. Müßt ihr; nun so glaubt's von mir: Denn an mir könnt ihr ihn rächen Mit dem Degen in der Hand. Euch vertreten alle Stimmen, Die in Spanien ich vernommen Alle nennen euch: die Freunde. tief bewegt. Ja, wir waren's! – Nehmt das Wort Nicht, wie es die Mode giebt. Von geheimnißvoller Macht Zu einander hingezogen, Einte unser Leben sich, Wie zwei Ströme sich begegnen. Einzeln schlängeln sich die Brüder, Kaum den Kahn zu tragen mächtig, Schüchtern durch der Berge Lücken; Doch vereinigt rauschen sie, Reicher jeder durch den andern, Hochgeehrt durch's offne Land, Und mit schwerer Schiffe Last Spielen leicht die stolzen Wogen. Gleicht das Gleichniß dem Verglichen; War't ihr zu beneiden. – Wie Einten sich, und wo, die Ströme? Ohne Aeltern, ohne Brüder, Keiner Seele blutsverwandt, Nahm mich Talavera, wo So viel edle Spanier leben, Gastlich auf in seinen Mauern. Karlos, damals dort noch heimisch, Bis der König ihm befahl, In Tortosa zu befehlen, Lernt mich kennen; seine Wohnung Wird mein väterliches Haus, Und mir ist, als hätten diese Zimmer mich als Kind umgeben, Diese ernsten Ahnenbilder Von der Wand mich angesehn, Und Gesichter, diesen ähnlich, Und dem euren und dem seinen, Meine Wiege schon umstanden. Eine Heimath, die ich suchte, War gefunden, Karl war mein, Mein Kind war sein Sohn – Elvire War mir werth, wie eine Schwester – Schmerzlich. Oh mein Karlos! – ergriffen. Edler Mann! Nein, wer so geliebt, der konnte So nicht fallen! aufgeschreckt. Wie nicht? Laßt Mich nicht sagen, was ich mich Je gedacht zu haben schäme. Was ihr meinem Sohn gewesen, Seid's dem Vater nun: Ein Freund! ihn starr ansehend. Euch? – Doch ja, ihr könnt es wagen, Denn ihr habt kein schönes Weib. entsetzt zurücktretend. Hugo! rasch und gepreßt. Richtet nicht! Ihr seid Mensch, besteht aus Geist und Leib, Und gehört dem Himmel heut, Und der Hölle morgen an. Freier und gefaßter. Rechtet mit der Sonnenbahn, Die dem Scheitel naht in Süden, Um der Unschuld goldnen Frieden, Den der Sinne Wahn zerrissen, Und zwei unbewachte Blicke. Nach einer Pause. Kennt ihr nun den Rittersmann, Der in Zauberwaldes Nacht Ewig mit sich selber kämpfet? Habt ihr Mitleid mit dem Armen, Der den Freund liebt, und zugleich Für des Freundes Gattin glühet? Habt ihr Sinn für meine Qualen, Wenn ich Karlos Wittwe küsse, Und mir wilde Phantasien Seinen unversöhnten Schatten Auf die leeren Wände malen? Graf! Bin ich in vollem Lichte? Weiß ich alles? mit Ueberwindung. Alles, was Mein zu freier Schaltung ist Von der traurigen Geschichte. nach einer Pause. Rein sind sel'ge Geister nur. Ich beklag' euch, Oerindur, Richt' euch Gott, wie ich euch richte. halb vor sich. Amen! Eure Damen kommen. Freundlich, Ritter, mit Elviren! Sie ist schuldlos. 3. Szene Dritte Scene. Elvire. Jerta. Die Vorigen. nach stummer Begrüßung mit Jerta, zu Hugo. Eure Schwester? mit einem schwach markirten Seufzer. Ja und – nein! lebhaft. Ja! Nein, Herr Ritter! Doch! euch eint ein heilig Band, Das mein Wahnsinn nicht soll trennen, Und du mußt ihn Bruder nennen, Bist du gleich ihm nicht verwandt. Eine Schwester, lieb' ich euch, Seine Gattin, ob ihr gleich Schwer und kränkend mich verkannt. Schöne Frauen, weiht mich ein In den edelmüth'gen Zwist! Wenn das Gräfin Jerta ist, Ist der Graf ihr Bruder. Nein Er trägt meines Stammes Namen Durch des Königs Gnade. So Ist es, Ritter, mir zur Pein. Menschen schenkten, nicht der Himmel, Jerta's Aeltern mich als Kind. gespannt. Schenkten euch? – ihr kanntet eure Aeltern? Nein. zu Jerta, rasch und angelegentlich. War eure Mutter Eine Deutsche? Nein. Ihr nehmt Großen Antheil an der Sache. Eine ähnliche Geschichte – Eine plötzliche Vermuthung, Unterstützt durch diese Landschaft – Es ist nichts. Es könnte doch – Theilt uns die Geschichte mit. 's ist unmöglich, daß. Ich bitte! Diese Landschaft, sagt ihr? Just Hier, in diesem kleinen Orte, In Barège's Thale, schwindet Meines Ursprungs dunkle Spur Der ich mühsam nachgegangen. Wenn ihr's für unmöglich haltet, Daß mich aufklär' eure Kunde; Ueberzeugt davon auch mich. trübe. Ungern mag ich einer Mutter Unnatürliche Verirrung Offenbaren. Ihren Namen Könnt ihr ja verschweigen Nun, Um zufrieden euch zu stellen: Eines Edelmannes Gattin, Laura, wunderlich erzogen, Jedem Aberglauben treu, Den als Kind sie eingesogen, Liebte bis zur Schwärmerei Ihren erstgebornen Sohn. War sie eine Spanierin? Von kastilischem Geblüte. Wirklich? Seht, das träfe schon. Ihren Sohn am Arm, und eine Zweite Niederkunft erwartend, Stößt sie einst, bei Talavera Sich ergehend, auf ein Weib Von zigeunerhaftem Wesen, Wie sie häufig dort vom Stehlen Oder Betteln, und daneben Vom Prophetenhandwerk leben. Laura weigert ihr die Gabe, Die sie unbescheiden heischt, Und die Hocherzürnte kreischt: »Tagelang wirst du dich quälen, Eh' du quitt wirst deiner Last! Ist, was du gebierst, ein Knabe, Würgt er den, den du schon hast; Ist's ein Weibsbild, stirbt's durch ihn Und du fährst in Sünden hin!« Eine grauenvolle Warnung! Dafür, leider, nahm es Laura, Was alltägliches Beginnen Ist bei jenen Bettlerinnen. Eines Knaben ward sie ledig Unter tagelanger Pein, Und der Spruch, zur Hälft' erfüllt, Ist ihr nun der Zukunft Stimme. Als der Kleine – ( Otto hieß er, Weil den Namen seine Pathe, Eine deutsche Gräfin, wählte.) Als er kaum im Stande war, Auf den Füßen sich zu halten, Zitterte die Mutter schon, Ohn' es jemand kund zu geben, Für des Erstlings theures Leben. Von nun an rascher und wärmer. Ich war auswärts mit dem Heere; Laura geht mit jener Gräfin In die Bäder von Barège, Und im stark besuchten Orte Nehmen beide Eine Wohnung. Dieser Deutschen Kind, ein Knabe Ungefähr von Otto's Alter, Stirbt, als eben seine Mutter Im Begriff ist, abzureisen In ihr fernes Vaterland. Laura, vorzubeugen dem Schauderhaften Unglück, das Die Zigeunerin geweissagt, Wenigstens es zu entfernen, Tritt – so weit kann Aberglaube Schwache Seelen irre führen – Tritt ihr Kind der Fremden ab, Die für immer von ihr scheidet, Und – (im fremden Ort war's leicht, Die Vertauschung zu verbergen) Mir – mir lügt sie Otto's Tod Bis zum Rand des eignen Grabes! Euch, Herr Ritter? sich besinnend. Ah! – Ihr sehet, Wie Valeros hat gelernt, Von der Wahrheit abzubrechen. Mit einem Seufzer schmerzlicher Erinnerung. Laura war mein Weib! der mit höchster Spannung zugehört hat, fährt in sich zusammen. Ha! Er wendet sich ab. Wie? Donna Laura, Karlos Mutter, Diese engelgleiche Seele, Konnte das? Ja! Darum also Drang sie drauf, daß unser Knabe Otto heiße? – Einen Enkel Dieses Namens wollte sie Für den Sohn, der so geheißen! Möglich; schwärmerischen Seelen Ist ein Nam' oft viel. Wer weiß? Daß ihr nun ein Otto ward, Gab vielleicht ihr neue Stärke, Bis zum Tod mir zu verhehlen, Daß sie eines andern sich Unnatürlich einst entäußert, Und – um nie von ihm zu hören, Nie die Schenkung zu bereuen – Seiner neuen Mutter Briefe Ungelesen stets verbrannt, Bis sie keinen mehr erhielt. So kam ich um einen Sohn, Und mein Karl um einen Bruder. sehr unruhig. Haltet ein! Erzählt nicht weiter! Graf, was ist euch? zu ihm eilend. Hugo! was –? Forsche nicht! du stehst am Rand Einer fürchterlichen Tiefe. Fürchtet ihr, mein Sohn zu seyn? die Unruhe bekämpfend. Nein, fürwahr! 's ist ja nicht möglich! – Jene Dame, die den Knaben Mitgenommen, kanntet ihr? Allerdings. Und habt sie nun Aufgesucht in Deutschland? Ja. – Sie war todt, seit Jahren; doch – Sonderbar genug – man wußte Nichts im Haus von einem Knaben, Nichts von ihrem Aufenthalt In den spanischen Provinzen Und den Pyrenäenbädern. Auch ein Bildniß, das man mir Als das ihrige gewiesen, Hatte wenig Aehnlichkeit – vor sich hin starrend. Wenn es wäre! Kann es denn? lebhaft. Ja, es kann! in Spanien führte, Wie Graf Hugo wissen will, Meine Mutter eines deutschen Hauses Namen. Hätte sie Einer Freundin wohl den wahren Jahre lang verhehlt? Sie war Protestantin, und verwandt Einem protestant'schen Throne. Ah, dann freilich war's gefährlich, Als sie dort war, ihn zu nennen. Nun? und ihre Briefe las Laura nicht, wie ihr versichert? Nein. freudig rasch. 's ist möglich! Zu Hugo. Wißt ihr, Graf, Wie sich Hanna dort genannt? kämpfend. Nein! Nicht? Hanna? Eurer Mutter Vornam'? Ja. Ob sie auch diesen Dort geändert, weiß ich nicht. bewegt. Gott! Wär's möglich? Anna nannte Meines Weibes Freundin sich! Anna, Gräfin – in höchster Angst einfallend. Nein, nein, nein! Nennt den Namen nicht, nur jetzt – Jetzt nicht! – Alle sehen ihn erstaunt an. Oh, es wär' entsetzlich! Nichts kann hier der Nam' erklären, Da Graf Hugo den nicht kennt, Welchen Hanna angenommen. – Euer Auge, Herr, entscheide! Sie winkt Valeros vor eine Seitenthür, öffnet sie und deutet hinein. Schaut in dieses Kabinet: Das ist meiner Mutter Bild. Gott im Himmel! Im Hineineilen rufend. Gräfin Salm! Jerta folgt ihm. Oh! so decket mich, ihr Hügel! Berge, stürzet über mich! Hugo! Was, um Gotteswillen –? mit Jerta schnell wieder heraus, entzückt. Ja, sie ist es! – Oerindur! Du bist Otto! bist mein Sohn! Er will ihn umarmen, Hugo wehrt es mit vorgestrecktem Arm, das Gesicht abgewandt. Faßt euch, Graf! die Sach' ist klar. dumpf. Klar! o ja! – die Höll' ist offen, Und ihr falber Wiederschein Leuchtet in die Nacht hinein, Daß die Wege sichtbar werden, Die der Teufel geht auf Erden. Oerindur! Ich steh' betroffen Vor euch! Mensch! Was weißt du noch? Oh! es tödtet dich! – Und doch – Solches Wissen zu bewahren, Hat die Menschenbrust nicht Raum! Sprecht! Ihr müßt es offenbaren. Durch Zigeunermund und Traum, Droht die Hölle mit Gefahren, Wo sie weiß, daß man ihr glaubt.; Und das Licht verlöscht im Haupt, Eure Sinne sind verwirrt, Unvernünftiges geschiehet, Und das Ungeheure wird Wirklich, eben weil ihr's fliehet. – Feierlich. Mutter! Einen Theil der Schuld Mußt du vor dem Richter tragen! ahnend. Jesus! Fleh' zu seiner Huld! ebenfalls mit Ahnung. Otto! Kain! müßt ihr sagen; Karlos fiel von meiner Hand! Valeros wankt und fällt in einen Sessel. Jerta tritt entsetzt zurück. wendet sich ab; die Hände gefaltet und verwendet vor der Stirn, schreit sie, an ihren Traum denkend. Tiger! Sie stürzt ohnmächtig nieder. eilt zu ihr. Gott! sie stirbt! langsam zu Valeros tretend, mitleidig. Ihr sucht Einen Sohn, den ihr verloren, Eh' er euch noch hat gekannt? Weh dem Auge, das ihn fand, Und – nicht weinen kann! richtet sich mit Anstrengung auf. Verflucht Sei der Tag, der dich geboren, Und die Kräfte, die dich zeugten, Und die Brüste, die dich säugten, Ungeheuer! das der Nord Auferzogen hat zum Mord, Und gereift des Südens Glut – Er sinkt erschöpft wieder in den Sessel. noch mit Elviren beschäftigt. Oh! daß ich den Gräul enthüllte! Das, und das allein, ist gut! Seht, was ich – und ich nur, wußte, Und mit Angst bewahren mußte, Daß die traurige Geschichte Fremdes Glück nicht mit vernichte, War ein schleichend Feuer, füllte Meine immer bange Brust, Wie ein fest verschloßnes Haus, Mit Gefahr und Unruh' aus. Flut und Glut war wechselnd Meister, Und des Lebens scheue Geister Rangen zwischen Qual und Lust; Und die Brust, wo Flammen wühlen, Will in Lust und Qual sich kühlen, Und der Herr, gleich seinen Rüden, Sucht im Schweiß des Wildes Frieden. – Nach einem freien Athemzuge. Nun ist's gut! die Flamme brach Mit dem Worte, das ich sprach, An das Tageslicht heraus. – Nun ist's Friede! Ausgebrannt, Aber ruhig, steht das Haus. hat in Jerta's Armen sich aufgerichtet. Jerta! – Warum laßt ihr mich Los nicht von des Lebens Band? Vor sich hin starrend. Karlos blutbefleckter Schatten Zeigt die Wunde mit der Hand, Und die Faust droht meinem Gatten. An Jerta's Halse sich verbergend. Oh! – Klar – alles! fürchterlich! Dunkler Vorgefühle Drohn War das Sehnen, und das Grauen, Den von Angesicht zu schauen, Der es that – – Er ist mein Sohn! Meinen Feind wähnt' ich zu tödten, Mehr hab' ich nicht zu vertreten. Karlos, glühend, ein Verbrechen, Das ich nicht beging, zu rächen, Dachte gegen mich auf Mord. Auf Elviren deutend. Diese sandt' ein warnend Wort Heimlich mir – O Gott! – Es war Meine Angst nur vor Gefahr! Erste Wuth nur – Nein, fürwahr! Ihn zu sühnen, zog ich aus – Spottend lud er mich, mit Schmaus Seiner Hochzeit Jahresfeier Nächstens bei ihm zu begehen! – Kennt ihr Eifersucht? – Ihr Feuer Trieb mich in den Wald hinaus! Und am Baum sah ich ihn stehen Neben dem beschäumten Roß, Und dem Wild, daß er erlegte, Und das zuckend noch sich regte. Und das tödtliche Geschoß War in meiner Hand, sein Leben In der Kugel Macht gegeben! Einen Finger durft' ich rühren, Um – Elviren heimzuführen. – Mit metalloser Stimme. Seht! – da blitzt' es auf vom Schloß, Und das Blei flog aus dem Rohr – Und – ein Schrei schlug an mein Ohr – Er hält erschöpft inne. mit Schauder und Mitleid ringend. Oh! der Hölle Macht ist groß, Und an Einer Fiber Bebung Hangt die Wonne wie der Graus! Flehend. Gattin! – Vater! – Sprecht Vergebung Ueber den Gefallnen aus! erweicht, aber ohne Hugo anzusehen. In der wahren Kirche Schooß Wird der Sünder sündenlos – Rein'ge dich an heil'ger Stelle! aufgerichtet von diesem Gedanken. Ja, mein Sohn, zieh hin nach Rom, Wirf dich auf des Altars Schwelle, Und empfang' in Petri Dom Ablaß von geweihter Hand. ernst warnend, halblaut zu Hugo. Hugo, du bist Protestant! mit Schmerz von ihm weg. Gott! fortfahrend. Halt fest an deinem Glauben! Schnöder Abfall könnte dir Deines Gottes Ablaß rauben Ich bin Christ, und Mensch! und hier Fühl' ich's tief: Es wäscht ein Wort Mich nicht rein vom Brudermord. Mit trübem Ernst. Aber – einen andern Dom Weiß ich, einen stolzern Bau, Als Sanct Petri Haus zu Rom; Der steht allen Sündern offen, Die auf Gottes Gnade hoffen, Was auch immer sei ihr Glaube. Hoch im Bogen, saphirblau, Wölbt die Kuppel prächtig sich, Und in ihrer weiten Haube Seht ihr, wenn ihr kommt im Dunkeln, Bilder in Brillanten funkeln. Fünf von ihnen schaun auf mich, Wie mein eignes Leben nieder: Denn ein Stier ist's und zwei Brüder, Und ein Weib, der Schönheit Kron', Und ein Schütz und Scorpion. In der Frühe Strahl erbleichen Die bedeutungsvollen Zeichen, Und ein Opferaltar baut Auf sich in der weiten Halle, Und die fromme Menge schaut Bei der Grabeslieder Schalle Nach dem Opfer wartend hin Auf den Altar – – Er hält einen Augenblick inne. Kennt ihr ihn? Thoren nennen ihn – Schaffot. Alle erschrecken sichtbar; er endet nun rasch und fest. Dort ist, oder nirgends, Heil, Dort versühnt das Henkerbeil Mich mit mir – vielleicht mit Gott! Er geht rasch ab. eilt ihm nach. Hugo! folgt ihr. Otto! folgt langsamer. Oerindur! schon unter der Thür. Willst du meinen Namen schänden? Ab. geht von der Thür langsam wieder vorwärts, mit Thränen im Auge. Unglücksel'ger! – Wunder nur Können deinen Unstern wenden! Mit Entschluß. Aber – so darfst du nicht enden. Ab; indem sie geht, fällt der Vorhang. Ende des dritten Akts. 4. Akt 1. Szene Erste Scene. Jerta schreibt. Kolbert steht wartend im Saal. Kerzen brennen. Es herrscht tiefe Stille, und man hört die Wanduhr Eilf schlagen. ohne sich zu unterbrechen. Ist der Graf zur Ruh? Noch nicht; Doch verließ der gnäd'ge Herr Auch sein Zimmer noch nicht wieder. Ihr war't bei ihm? Ja. Er hat Nicht mit euch gesprochen? Mit sich selbst scheint er zu reden, Oder – wenn ich's sagen darf- Mit dem Bild, das vor ihm steht, Und das ich noch nie gesehen. scheinbar gleichgültig. Kümmert euch nicht um den Inhalt Seiner Selbstgespräche; er Ist nicht wohl. So muß ich glauben. Seine Ohnmacht von vorhin Hat ihn heftig angegriffen; Dazu kommt – Sie sieht Kolbert an. Ihr waret stets Uns'res Hauses treuer Diener, Euch mag ich's wohl sagen: Er Hält sich für die Ursach eines Unfalls, der den Freund getödtet, Dessen Bild ihr habt gesehen. lebhafter, als vorhin. So etwas war ich vermuthen, Denn – unterbricht ihn eben so. So müßt ihr alles deuten, Was ihr etwa hört und seht. – Diener, die zu seines Zustand's Räthsel nicht den Schlüssel haben, Taugen, bis er ruhig ist, Nicht um ihn. – Versteht ihr mich? Niemand naht ihm, außer mir. den Brief faltend. Recht! Und nun besorgt, daß gleich Angespannt ein Schlitten werde. Wohl. Den Sekretär bedeutet, Daß auf meinem Zimmer er Seinen Auftrag wird empfangen. Ich erwart' ihn, ausgerüstet, Auf der Stelle abzurufen Nach der Hauptstadt. Sagt ihm das! Kolbert geht ab. 2. Szene Zweite Scene. allein, sie hat die Adresse geendigt, und betrachtet den Brief. Ihn den Mächten zu entringen, Die aus Unheil Unheil schmieden, Laß der Schwachen es gelingen! Laß, Allmächtiger, hienieden Jerta Hugo's Engel seyn! 3. Szene Dritte Scene. Jerta. Elvire im Schleier, mit Rosenkranz und Crucifix. Wie? So spät in dieser Tracht? War't ihr bei der kalten Nacht In der fernen Schloßkapelle? Auf des Kreuzes Fußgestelle Lag ich lang' – Umsonst! Hier ist Nicht mein Glaube, nicht mein Christ, Kein geweihtes Haupt, der Sünden Die Gequälte zu entbinden! Gott ist überall. in schwärmerischer Bewegung. Du bist Rein vor ihm, wie frischer Schnee; Deine Heimath ist die Höh', Und der Strahl von ihrem Lichte Ruht auf deinem Angesichte! Sie wirft sich vor ihr mit dem Ausdruck einer Betenden nieder. Jungfrau, laß zu deinen Füßen Die geheime Schuld mich büßen, Höre mein Bekenntniß an! Gräfin! Gott, ihr fallt in Wahn! Stehet auf! Sie richtet sie auf. Des Gatten That Ist die eure nicht. Sie ist's! Oh, sie ist's, weil ich sie wußte! mit Bestürzung. Wie? Weil ich sie wissen mußte Nach der schrecklichen Vollendung. Sinnenwahn band meinen Sinn; In freiwilliger Verblendung Gab ich mich dem Mörder hin, Und die Ahnung, die nicht Raum Fand im sündlichen Gemüthe, Fiel mich an im blut'gen Traum. Ihr seid sinnreich, euch zu quälen. So nicht richtet Gottes Huld, Wie ihr selber euch verdammt. Ich hab' ihn zum Mord entstammt, Mein ist mehr, als sein die Schuld. Mit sich kämpfend. Karl – war kränklich – Hugo hoffte – – Ich – – – Jerta blickt sie mit dem Stolz der Unschuld an, und will sie verlassen. Du gehst? – O Jerta, bleib! Laß das unglückselige Weib Der Verzweiflung nicht zum Raube. Laßt mich, Gräfin, eh' ich euch Der Verzweiflung würdig glaube. Nein! So wahr das Himmelreich Sich der Reue nicht verschließet, Mitleid wirst du mir nicht weigern. Karlos Vater – ich verklage Ungern ihn – auch er hat Schuld. Ich bin fürstlichen Geblütes, Aber früh ward ich verwaist; Er, hoffärtigen Gemüthes, Kastilianer, wie du weißt, Warb für Karl; im Flügelkleide Ward ich seines Sohnes Braut. Drei Jahr' drauf ward ich getraut. Kinder waren wir noch beide, Kinder an Gemüth und Geist. Ich ward Mutter – ohne Liebe – Hugo kommt – der Schleier reißt, Der mir barg, was ich entbehrte. Das Verbot der Pflicht vermehrte Die Gewalt der süßen Triebe – Oh, was hab' ich nicht gerungen, Und in brünstigem Gebet Oft der Jungfrau Knie umschlungen! Sie verwarf mich; denn zu spät Floh ich zu ihr – Sie faßt Jerta, die mit wachsender Theilnahme sich ihr genähert, bei der Hand. Jerta, du Hast ihn auch geliebt, du weißt, Daß er mörderisch die Ruh' Aus des Weibes Busen reißt. mit Würde, die in Mitleid schmilzt. Das nicht weiß ich; doch ich fühle, Unglücksel'ge, deinen Schmerz. Wirst du's tragen, ihn zu missen? erschüttert. Gott! Du bist erschreckt? mit Selbstbeherrschung. Das Herz Weichet blutend dem Gewissen. Seine That sprengt meine Ketten, Nie will ich ihn wiedersehn! Wohl! So hoff' ich ihn zu retten. ängstlich. Retten? – Gott, was ist geschehn? Ist Gefahr? Du fragst? Wie könnt' er Leben unversöhnt mit sich? Oh, wie sühnt man solche That? Thaten heben, wie sie stürzen. Großes muß er unternehmen, Sich am eignen, stolzen Werke Aufzurichten von dem Falle. gespannt. Was? Ein mächt'ger Feind besitzt, Von der Ostsee Flut beschützt, Seines Lehnherrn ferne Staaten; Eine Flotte liegt im Hafen, Und der König sucht ein Schwert, Stark, ein Räubervolk zu strafen, Das sein Eigenthum verheert. Dorthin, auf das Feld der Thaten, Muß Graf Hugo – Ah! Wie kann –? Hat er nicht als tapfern Mann Unter Edwin, meinem Vater, Sich der Krone schon bewährt? An den Herzog, meinen Ohm, Geht dieß Schreiben heut noch ab, Daß er in des Grafen Namen Um das Heer den König bitte. Billigt Hugo denn –? Er wird. Ist's der Tod nicht, den er suchet? Nun, den kann er dort ja finden! Gott im Himmel! – Nein, er darf Nicht von meiner Seite. Wie? Nie wollt ihr ihn wiedersehn, Sagt ihr, und er soll nicht scheiden? Will ich? Sagt' ich das? Ich war Sinnlos, wenn ich das gesagt. Daß ich sollte – sollte, was ich Nicht vermag zu wollen, das Ist die Schraube, die mich foltert. Geh, Entsetzliche! du willst, Weil er dir nicht kann gehören, Ihm den Untergang bereiten. Untergang? Der Stern am Pol, Der zur Fahrt dem Schiffer leuchtet, Geht nur unter mit der Welt: Nur mit mir stirbt mein Geliebter. Ewig nah' dem innern Sinne, Wie das überirdische Ideal in Künstlers Busen, Theilt er nicht das Loos des Stoffes, Der begehret werden kann, Und besessen, und zerstört. Nur der Flecken im Gemälde, Stets sich vor das Auge drängend, Stört die Lust der Phantasie. Darum lasset Hugo ziehn, Daß sein Schwert den Feind verderbe; Dann, dann lebt er, ob er sterbe! mit steigender Heftigkeit. Magst du, Stolze, schon dem Himmel Hier auf Erden angehören, Ewig Wesen sondern können Von den irdischen Gestalten, Und das Leben von dem Ruhm; Ich vermag nicht, so zu trennen, Was ich liebe, nicht zu spalten. Ganz, wie meine Arm' ihn halten, Ist der Graf mein Eigenthum; Jerta wird nicht d'rüber schalten! Er entscheide! Seine Tritte Hör' ich in der Gallerie. ängstlich. Ist er's? der Thür näher. Ja. So muß ich fliehn. Fliehn? Nicht lassen wollt ihr ihn, Und nicht sehn! heftig. Ich will ihn hier, Auf ihre Kleidung deutend. Will nicht so ihn wiedersehen, Nicht vor Zeugen – will vor dir, Kalte Richterin, nicht stehen! Sie eilt nach einer Thür im Hintergrunde, Hugo tritt durch eine andere ein, sie erschrickt an seinem Anblick. Ha! Sie eilt in ein Seitenzimmer. Ich lass' allein euch, bleibt. Nein, ich kann nicht. Ab. 4. Szene Vierte Scene. Jerta. Hugo blaß und entstellt. Laß sie gehen! Alles Leben flieht den Mord. Als Jerta ihr folgen will, herrisch. Laß sie, sag' ich – Diese ist Mir gewiß genug – der Hölle Abgekauft mit Bruderblut – Solchen Handel hält der Teufel. Hugo! Gott, wie war't ihr's mächtig, Solches an euch selbst zu thun? Thun? Der Mensch thut nichts. Es waltet Ueber ihm verborgner Rath, Und er muß, wie dieser schaltet. Thun? Das nennst du eine That? Oh, ich bitt' dich, laß das ruhn! Alles, alles hängt zuletzt Am Real, den meine Mutter Einer Bettlerin verweigert! Gott vergeb' ihr, was an euch Sie unmütterlich begangen. Nicht, daß sie's beging, bringt Tod; Daß die dein' es nicht verschwiegen – Das hat aus dem stillen Norden Mich zum Land der Glut getrieben, Wo sie rasen, wenn sie lieben, Und im Wahnsinn Brüder morden. Vor sich hin. Wenn die That noch ist Gedanke, Ist sie nicht. Ist sie geschehn, Tief im Dunkel, unbelauscht; Ist sie auch nicht, wenn die Brust Und der Mund sie kann bewahren. Lebhafter zu Jerta. Sieh, das ist der Hölle Schlinge! Weil der Mensch Gedanken sünden. Zu verschweigen hat die Macht, Lockt's ihn, daß er sie vollbringe, Wähnend, in des Busens Nacht Könn' er das Gescheh'ne binden, Wie er band, was er gedacht. Und so trägst du das Verbrechen, Das du aufgeladen hast; Aber schwerer jeden Schritt, Immer schwerer wird die Last, Bis des Trägers Kniee brechen, Und er stürzt, und reißet mit In den Abgrund Weib und Vater! Tief aus dem Schmerz herauf. Oh! halb vor sich, erschüttert. Das lähmt den Muth des Arztes. Arzt? Die Krankheit weiß von keinem Arzt! – Auswendig kann der Mensch Alles lernen, was er will, Mosis Bücher, die Propheten, Und die ganze heil'ge Schrift; Aber was er weiß, vergessen, Wär' es Eine Sylbe nur, Das ist nicht in seiner Macht, Und kein Arzt kann das Gedächtniß Reinigen von seinem Aussatz. In der Hand des Kranken liegt, Wenn er Kraft noch hat, ein Mittel. Les't! nimmt den Brief. Was ist –? Er lies't, von Jerta beobachtet; seine schmerzerschlafften Züge werden lebendig, die Augen bekommen Feuer, der Arm spannt sich an, endlich steht er auf. Ha, Taube! Wer Lehrt dich, was dem Geier frommet? Ja, das ist's, das macht gesund! Habe Dank, du milder Arzt, Der mit Feuer heilt und Schwert! Mit flammendem Blick. Blut will Blut! erschüttert von ihm weg. O Gott! Ein Mensch – Wär's ein Bruder, feig erschossen Aus dem fernhin treffenden Rohre – das ist nichts! zu viel Für die Ruh'; zu wenig für Das Bedürfniß einer Hölle, Die davon ist angeglommen. Mit steigendem Affekt. Mit der Menschheit will ich rechten, Blutig, daß ich Mensch geboren, Und gefallen bin, wie Menschen! Nicht auf Einzelne, auf Völker Schleud're mein Geschoß den Tod, Reiße ihre Massen nieder, Und auf Felder, blutig roth, Sä' es die zerstückten Glieder! Vor den Mauern fester Städte Pflanze sich das Brandgeräthe, Werfe, ob der Fromme bete, Feuer in sein friedlich Haus! Prasselnd schlägt die Flamme aus, Straßen stehn in Glut und Graus, Und die Bomben, im Zerspringen, Tödten, die da Hülfe bringen. Ueber Leichen, aufgethürmt, Wird der letzte Wall erstürmt, Und die Thore gehn in Trümmer; Und die losgelaß'ne Schaar, Aufgereizt zu blinder Wuth Durch der Kameraden Blut, Stürzet jubelnd in's Gewimmer; Läßt am Altar Weiber bluten, Schleudert bei dem blonden Haar Zarte Kinder in die Gluten – Langsamer. Und am Abend, wenn der Sieger Hat gebändigt seine Tiger; Wenn der Tod den Jammer hat Still gemacht, Und die Nacht Einhüllt die verheerte Stadt, Werden Lampen angezündet, Und »Herr Gott, dich loben wir!« Weint aus halb verbranntem Tempel! von Schauder durchdrungen. Oh, entsetzlich! Nein, so hab' ich's Nicht gemeint. Aus Feindes Ketten Sollt ihr menschlich Brüder retten, Ob des Todes Pfeil euch träfe; Und der Lorbeer um die Schläfe Soll das Kainszeichen decken, Das auf eurer Stirne glüht! Nun – nun ja doch! Mein Gemüth Ist nicht bös; die Phantasie Labt nur spielend sich am Schrecken. Ich begreife, was du meinst: Sterben soll ich, außerm Lande, Fern begraben meine Schande – weinend an ihm. Oh! mein Bruder! weich. Sieh, du weinst. Glaubst du, daß ich sterben scheue? Tod ist leichter, als die Reue! Selig sind die Todten! Bleibe! Lebe, Hugo, deinem Weibe, Und dem Knaben ohne Vater, Und dem Vater ohne Sohn! Aber, Mann, ersinne nur Eine Arbeit, ein Bestreben, Das Elviren Muth kann geben, Liebend dir im Arm zu liegen, Und dem Ritter Kraft, zu siegen Ueber seinen Schmerz, und dich Stolz einst seinen Sohn zu nennen. Nun, das alles findet sich, Wenn wir kurze Zeit uns trennen Spanier sind sie, stolzen Herzens; In Elvirens Adern rollt Fürstenblut; nach Ordenssternen Steht des Kastilianers Sinn. Hab' ich jener einen Gatten, Diesem einen Sohn erschlagen; Bin ich Mann, Ersatz zu leisten Beiden, wenn auf meinem Haupt Eine Fürstenkrone pranget. bestürzt. Oerindur! entschlossen. Sie soll! bei Gott! Schick' das ab. – Erobern will ich Die verlorenen Provinzen; Doch dem König nicht, dem Sieger. Will den schnöd' verschenkten Sohn Mächtig auf den Thron Heben, und Elviren In das reiche Haar Diamanten, klar Wie die Sterne, säen, Daß das Aug' erblinde, Das sie angesehen; Will die Stirn' ihr zieren Mit der Fürstenbinde, Ihren schlanken Leib Mit dem Purpur schmücken – Dann das schöne Weib An den Busen drücken, Und vor Lust vergehen! Eile! Schnell muß es geschehen. Ja, fürwahr, die Hölle bindet Fest, was einmal sie gefaßt. Wie die Nadel, wenn sie hat Den Magnet berührt, nach Norden Ewig ihre Spitze drehet, Kehrt, wer Einmal bös gethan, Ewig seinen Sinn zum Bösen. Nun, was ist denn was ich meine, Böses eben? stark. Hochverrath! Völkermord! Weh über euch! Euch beherrscht des Vaterfluches Finstre Macht! nach kurzer Stille. Ja, du hast Recht. Oh, ich bin ein böser Mensch! Faß' dich, Hugo! die Entdeckung Hat, ein Blitzstrahl, dich betäubt. Was du in der Ohnmacht träumtest – Wachend wirst du's nicht erfüllen. Meinst du? ja, in deinem Haupt Ist entsprungen der Gedanke, Darum muß er gut seyn, denk' ich. Gut gemeint zum wenigsten Ist er, ob die Jungfrau irrte, Spähend in des Mannes Brust. Nein! du irrest nicht. Hinaus Muß ich, wo die Würfel fallen, Daß mein Schicksal freier schalte Ueber mir und meiner Schuld. Sende das zum Herzog; doch Laß zugleich ihn mündlich wissen, Daß ich selbst dem Boten folge Auf dem Fuße. – Wer bestellt es? In mein Zimmer hab' ich den Sekretär beschieden. Wohl! Ich will selbst ihn sprechen. – Sei Gleich der Feldherrnstab vergeben; Ich will mit in die Gefahren, Wär' es als gemeiner Reiter! Er geht mit Jerta nach der Thür; in diesem Augenblicke schlägt die zwischen Eilf und Zwölf zeigende Wanduhr zwei Viertel, Hugo blickt nach ihr auf, und tritt auf einmal abgespannt zurück. Ha! Was ist dir? Siehst du nicht? Noch ist es nicht Mitternacht. Er geht in den Vorgrund. Eh' nicht der verfluchte Tag Ist vorüber, will ich nichts – Gar nichts wollen, und nichts thun. Heut regiert mein böser Stern! Wohin irrst du, Mann? ängstlich. Nein, nein! Hab' ich's euch denn nicht gesagt? In dem Thierkreis abgebildet Ist mein Leben: Stier und Brüder, Weib und Schütz und Skorpion. Sieh', ich hab' es ausgerechnet, Ganz für mich, daß niemand wußte, Wo die Sonn' und mein Planet Stand, als ich Don Karl erblickte, Ihn vom andalusischen Kampfstier rettete – zuerst Seines Weibes Reiz mich rührte – Und – – hier ist kein Ungefähr! Ich bin bös nicht von Natur, Wahrlich nicht! allein das Schicksal Führt auf böse Wege mich, Wo Gefahr ist. – Thoren sind es, Welche suchen in den Sternen, Was geschehn wird. Dahin reicht Menschenwitz nicht. Doch Vergangnes Mag man drinnen wiederfinden, Und sich wahren, stehn sie wieder, Wie zur bösen Stund' sie standen. vor sich. Furchtbar mächtiges Gewissen! Den Verstand auch folterst du? Wär' es nichts, warum denn just Wären ihrer fünf? die Zahl Aus Gerad' und Ungerade, Gut und Böse, die des Menschen Seele deutet? – Heut wie damals Steht die Sonne gegen sie. Laß mir das! mit trübem, mitleidigen Lächeln. Es sei; du wirst Morgen noch, wie heute, fühlen, Daß du handeln mußt, nicht schwärmen. Ich bereite deine Reise. Ab. 5. Szene Fünfte Scene. Wenn sie recht hat – nichts beschlossen Ueber'n Sternen wird – der Mensch Frei hienieden hat zu wählen, Alles droben zu vertreten – Das wär' schlimm, sehr schlimm! dann ständ' es Uebel um ein gutes Ende. Und dies Leben ist so kurz, Und so lang – so lang das andre! – Kennte man's; wer weiß? es wär' Wohl so gräßlich nicht – vielleicht Wenig anders, als auf Erden: Zorn – und Strafe, und – Vergebung – – Nur die Nacht, Die es deckt, Die nur schreckt! Grausend macht Sie zur Höll' die Zeit Mit der Ewigkeit, Daß man fühlt ein Dringen, Aus dem Grauen Vor der Nacht In die Nacht hinein zu springen; Weil's oft nichts ist, anzuschauen, Was mit Zittern wird gedacht. Wenn es nichts ist – Oh! das Wort Graust den Menschen an – und » Ewig « Sträubt des Sünders Haar empor. Nichts – und – – wer – wer faßt das? Er bleibt starren Blickes und ohne Bewegung, bis Valeros eintritt. 6. Szene Sechste Scene. Hugo. Valeros, den Degen an der Seite, einen zweiten hält er sorgfältig unter dem Mantel verborgen. noch im Hintergrunde, tief und gedehnt. Otto! fährt gewaltig zusammen und springt auf, seine Kniee zittern, als er sich nach der Thür wendet. Ihr seid's? vorkommend. Warum zitterst du? Eure Stimme –! 's war beinah, Als ob – Karl – den Namen rufte. halb vor sich. Hm! Wer weiß? mit Unruhe. Wollt ihr denn heut Nicht zur Ruh? – Bewaffnet seid ihr – Warum seid ihr denn bewaffnet? Nach den Waffen greift der Spanier Ueberall, wo seinem Namen Schande drohet. Seid doch ruhig! Ich hab' alles eingesehn. Was? Daß ich um euretwillen, Und um Jerta und Elviren, Muß Verzicht thun auf den Trost, Den gemeine Sünder haben: Büßend vor dem Volk zu fallen Unter Priesters Segensspruch. Nur der Fluch – so eben sprach es Jerta aus – des Vaterfluches Finstre Macht beherrschet mich, Treibt mich rastlos an zum Bösen. Könntet ihr den Fluch nur lösen! ohne Hitze, aber fest. Rache löst ihn. Dazu such' ich Ausgerüstet dich im Schlosse. zurücktretend. Wie? ihr wollt mich – wirft aus der Entfernung einiger Schritte den Degen, den er unter'm Mantel barg, ohne Heftigkeit zu Hugo's Füßen. Wie es fällt. Ficht mit mir! Daß Gott mich wahre! Mit dem Vater? Des Erschlagnen. Mit dem Greis? Nicht Ritterspeere Gilt es ja zu schwingen; diese Waffen fordern Kunst, nicht Stärke. dringend. Denkt ihr nicht –? Ich hab's beschlossen. Weiber wissen das Geheimniß, Und geheim nicht kann es bleiben, Und nicht ungerächt Don Karl Brudermord in meinem Stamme! Diese Schmach, beim Himmel, wäscht Blut nur ab. – Heut ist der Tag. Wo er fiel, und heut noch fällt Karlos Mörder, oder ich! schaudernd. Oder! – Wißt ihr, was ihr sprecht? Fühlt ihr es in meine Seele? Wohl mag vor dem Kampf dir grauen, Doch ihn schuldig bist du mir. Lieb' und Haß, Natur und Pflicht Reißen an dem Vaterherzen; Nur im Kampfe find' ich Frieden. Darum nimm, und ficht mit mir! Nimmermehr! der Augenblick Ist der Thaten Herr. Es könnte, Wenn die Spitze naht der Brust, Mich die Lust zum Leben fassen, Ich euch tödten – Desto besser! Und wenn ihr den Sohn erlegt, Ist ja euer Hals verfallen An den Blutbann dieses Landes, Welcher streng – stolz. Wer sagt dir das? Einen Herrn nur hat auf Erden Don Valeros und sein Haus. Dieser herrscht im Süden zweier Welten; hier im fremden Nord Sind wir niemand unterthan. Fällst du; hat dich Gott gerichtet Durch das Oberhaupt des Stammes. Zaudre nicht. Eh' stoßt mich nieder! Meuchlings? – Ist mein Handwerk nicht. getroffen. Handwerk? Mit Gemisch von Bitten und Warnen. Vater! Mach', man könnt' uns Stören. – Willst du? gepreßt. Nein! warm. Du trägst Zweier Heldenstämme Namen, Und bist feig? sich vergessend. Wer sagt das? VALEROS Feig, Wie Banditen! außer sich, hebt den Degen auf. Tod und Hölle! stellt sich und reißt seinen Degen aus der Scheide. Endlich! – Zieh, gereizter Tiger, Und fall' aus auf meine Brust! nach einer kurzen Pause der Erholung. Nein; – Verflucht sei meine Hand, Wenn sie diesen Stahl entblößet. Er bricht dicht über der Scheide das Gefäß ab, und wirft beide Stücke hinter sich in den Saal. Rost zerfreß' ihn in der Scheide. im Kampf mit ausbrechender Wuth. Ha! – Wohlan denn, willst du nicht Wagen, Bube; so verliere! Er faßt rasch den Degen mit verwendeter Hand wie einen Dolch. Beide können wir nicht leben! Er eilt auf Hugo zu, ihn zu durchstoßen. Hugo steht ruhig. Elvire, die schon eingetreten ist, fliegt herbei. 7. Szene Siebente Scene. Die Vorigen. Elvire, ohne Schleier. unterläuft Valeros, welcher Hugo zur Linken stand, drückt ihn zurück, und zieht, vor Hugo tretend, einen Dolch aus dem Gürtel. Rasender! – den Waffenlosen Willst du tödten? – hier komm an! Meine Hand ist stahlbewehrt; Seit ich diesen liebe, trag' ich Diesen da für jeden Feind, Den's gelüstet, uns zu trennen! welcher während Elvirens Rede den Blick fest auf ihren aufgehobenen Dolch heftete. O, gebt Frieden! Ihr versteht Beide nichts von solchen Dingen. Meint ihr, daß ihr's könnt vollbringen Mit den spitzgeschliffnen Klingen? Daß die Hand euch nicht wird beben, Soll sie in ein fremdes Leben Diese kurzen Eisen drücken? Durch den Arm zurück in euch Dringt der Schmerz, und todtenbleich Laßt ihr halbgethan das Werk. Wenn euch solche That soll glücken, Müßt ihr Schützen seyn: entfernt In dem Raum von eurem Ziele, Furchtbar nah ihm durch die Macht. Zürnend kommt ihr – unentschlossen Schlagt ihr an – nun neckt es euch, Zu vollbringen, was ihr könnt, Und auch nicht könnt, wie es fällt. Wär's gewiß, ihr thätet's nicht – Aber »Ob du triffst?« – zischt eurem Wankenden Gemüth der Teufel Zu, und zucket in der Hand – Und das ferne Opfer liegt. Oh! sie ist gar schlau, die Hölle! ist von ihm gegangen, und hat den Dolch wieder im Gürtel verwahrt. Was begann ich? hat den Degen eingesteckt, vor sich. Wohin riß Mich die Macht des Augenblickes? gehoben, aber nicht stolz. Seht ihr wohl, so ist der Mensch! D'rum, wenn einer ist gefallen, Mag der andre weinen; aber Nicht zu richten sich erkühnen. Beim allmächt'gen Gott, die Lehre Trifft ein tief erschüttert Herz! Ihm näher tretend, feierlich. Sohn! vernichtet sei der Fluch, Den ich über dich gesprochen! Und ist's wahr, daß, wie der Eid, Vaterfluch unwiderruflich Vor den dunklen Mächten ist; Fall' er auf mein eigen Haupt, Daß die Rach' ihr Opfer habe. in großer Bewegung. Nein, auf mich – auf mich den Streich! Knieend. Diese sterbliche Gestalt Mit dem unglücksel'gen Reiz, Der den Frevel hat gewecket, Werf' ich zu des Rächers Füßen. Send', o Gott! des Himmels Flamme, Um das Opfer zu verzehren, Mein Unsterbliches nur berge! Sie bleibt noch einige Augenblicke in dieser Stellung. ernst und ruhig, mehr noch gehoben, als vorhin. Laßt nur gut seyn das. – Mich dünket, Daß gelöst schon ist der Fluch; Denn ich schöpfe freier Odem, Und mein inn'res Ange schaut Klar – den rechten Weg zum Frieden. vom Sinn seiner Rede getroffen. Ah! Indem sie sich abwendet, fällt ihr die Harfe in die Augen. Sie stützt sich darauf mit gesenktem Haupt und scheint an dem Folgenden weiter keinen Antheil zu nehmen. Der rechte Weg zum Heil Führet durch den Schooß der Kirche. Sohn, aus ihrer Hand empfängt Auch das Vaterherz dich wieder! Willst du mir nach Spanien folgen? in wachem Traum. Ja! froh. Du willst? Mein Geist ist dort; Hin mögt ihr den Leib geleiten. Ha! der Entschluß kam von oben, Zögre nicht, ihn zu vollziehen! O gewiß nicht. Auch Elviren Giebst du so den Frieden. mit unruhigem Bestreben, Valeros zu entfernen. Das Mein' ich – aber – Jerta wird Schmerzlich diese Trennung fühlen. Wollt ihr wohl sie vorbereiten? Jetzt? Sie ist noch wach – für mich. Ueberein sind wir gekommen, Daß sie einen Boten sende An den Herzog, ihren Ohm, Der bei'm König gilt. Sie will, Daß man mir das Heer vertraue Wider den verwegnen Feind, Der die Länder jenseits plündert. Das ist nun nicht nöthig mehr. Nein, bei Gott nicht! Fremdem Herrn Soll Valeros Sohn nicht dienen. Dennoch, daß du dich erhoben Zu dem Heldenunternehmen, Löscht des Hasses letzten Funken. Komm an meine Brust! sinkt tief gerührt in seine Arme. Mein Vater! – Oh, mein Gott! In euren Armen? Otto! Theurer – einziger! Alles – alles sei vergeben! nachdem er langsam, das Auge liebevoll noch auf ihn geheftet, von seiner Brust sich erhoben. Geht zu Jerta! – sagt ihr das! Geht, und dann legt euch zur Ruh', Und – erwacht gefaßten Muthes. O, die Freude, denk' ich, wird Reichlich mir den Schlaf ersetzen. Ab. 8. Szene Achte Scene. Elvire. Hugo. legt nach geraumer Stille die Harfe weg, tritt vor Hugo und sucht seinen Blick. Hugo! weich. Folg' des Vaters Beispiel Hingeopferte! – Vergieb! an seinem Halse. Oh, mein Hugo! in vollem Ausdruck der Liebe. Theures Weib! nach einer Pause, in tiefem Leiden. Muß es seyn, Geliebter? betroffen, sich verrathen zu haben. Was? Was prophetisch mir die Harfe Mit der Saite, die gesprungen, In der Dämm'rung zugeklungen – Was du jetzt beschlossen hast. in Erinnerungen verloren, den Blick auf das Instrument. Heilig ist die Harfe mir, Weiß ich gleich nicht sie zu spielen. Wenn sie Abends dir, im Kühlen, In dem schönen Arme ruhte, Und mein Haupt in deinem Schooße Glühte, wie der Kelch der Rose, Von dem wildbewegten Blute – Und nun Himmelstöne klangen Aus den Saiten und der Brust; Da verschwand das Glutverlangen, Und zur Thräne ward die Lust. In mir herrschte Fried' und Ruh' Unter'm Schalle deiner Lieder; Karlos war mein Bruder wieder, Die geliebte Schwester du! Auf die Harfe deutend. Hugo's Engel wohnte d'rinn, Eh' sich Hugo schwer versündigt; Der auch hat es angekündigt Deinem aufgeschloßnen Sinn, Daß die Qual nun ist am Ende. Hugo! Kannst du es, so wende Von der Gattin diesen Schlag! Fühle, daß ich's nicht vermag. Leben gleicht der Töne Beben Und der Mensch dem Saitenspiel: Wenn es hart zu Boden fiel, Kehrt der rechte Klang nicht wieder, Und sein Mißlaut stört die Lieder, Die aus reinen Saiten schweben. Solche That, wie ich gethan, Stecket mit dem Wahnsinn an, Der sie zeugte. – Um ein Haar, Und mein blut'ger Frevel war Zweimal wiederholt zur Stelle. Wo ein Mörder weilet, mag Keiner widerstehn der Hölle. sich abwendend. Wehe! Furchtbar sprichst du aus, Was wie Nebel um mich lag. Karlos Zorn erfüllt mein Haus, Darum auch mit diesem Tag Muß ich scheiden, ihn zu sühnen. Gott! so bald? mit Begeistrung. Es regt die kühnen Fittige der Geist in mir, Seinen Banden zu entschweben. Aus dem unheilschwangern Hier, Wo ihm Leben ward zum Beben, Will er dort hinauf, zum Licht, Wo die Macht der Furie bricht, Und der Reue wird vergeben! Elvire wendet sich, mit einem Blick auf die Uhr, entschlossen und rasch zum Abgehn. Warum willst du von mir gehen? innerlich bewegt. Sehen – küssen meinen Knaben. Thue das, und – – lebe wohl! Nein, noch nicht. Bleib hier! Ich komme Wieder, eh' die Glocke schlägt. Was beginnst du? Nichts. Sie geht bis an die Thür, wo sie dem Knaben begegnet. 9. Szene Neunte Scene. Hugo. Elvire. Otto. Da ist er! Schlafend meint' ich dich. Ich war's. Böse Träume weckten mich, Aber Anfangs böse nur; Herrlich waren sie zuletzt. Dich, Herr Hugo, sah ich, wie Ich dich nimmer hab' gesehen, Seit mein Vater ist gestorben: Heiter, wie in meinem Land Man den Morgen sieht erwachen. Und der Traum scheint wahr zu werden; Denn viel anders siehst du ans, Als ich dich verlassen habe. Findest du das, lieber Knabe? Ja. Doch an der Mutter ist Noch der Traum nicht ausgegangen. Mit Darstellung des im Traum genossenen Entzückens. Herrlich, wie in der Verklärung Ueber unserm Hochaltar Heilands Mutter aufwärts schwebt, Hab' ich dich im Traum gesehn. Nun, du bist nicht minder schön; Doch so leuchtend bist du nicht, Nicht so selig dein Gesicht. Was bewog dich, aufzustehen, Und dich wieder anzukleiden? Was? Nun, daß ich munter war. Und ich habe wohl gethan; Später hätt' ich sonst erfahren, Was mir so viel Freude macht. Was? Der Ritter ging vorbei, Und ich rief ihm, und er kam, Und erzählte mir: du seist Nicht Graf Oerindur; mein Ohm, Meines lieben Vaters Bruder! Und du habest es versprochen, Mit der Mutter, ihm und mir, In mein Vaterland zu ziehen, Und das bald – bald! – Ist das wahr? Ja! – Dein Vaterland ist da, Wo ich hin will. Alle, denk' ich, Nimmt's uns auf einst. innig vergnügt. O, wie herrlich! Liebe Mutter, eile ja, Alles eilig zu besorgen, Was ihm nöthig ist zur Reise! Das ist wenig. – Sie hat's nah', Und die milde wird mir's geben. Elvire wendet sich schmerzlich ab. Deinen Kammerdiener, Kolbert, Sprech' ich, ist er wach, noch heut. Leichtre Kleidung muß ich haben, Eilig diese von mir thun, Die so schwer und lästig ist. Ganz, wie du, denk' ich's zu halten. Mach' es auch so, liebe Mutter, Ob du schon dich hier so schwer, Wie Herr Hugo, nicht beladen. Meinst du? Ja. Mein Kind, du kannst, Da du einmal auf bist, noch Etwas hin zu Jerta tragen. Geh' mit Kolbert in mein Zimmer. Nimm! Das Pult im Schlafgemach Oeffnet dieser Schlüssel. Links Findest du ein Pergament, Daran hängt in silberner Kapsel ein gewaltig Siegel. Nicht zu irren, schlag' es auf, Und sieh nach dem Anfang. Wenn Es das recht' ist, muß er heißen: »Das Geschlecht der Oerindur, Unsres Thrones feste Säule, Soll bestehn, ob die Natur Auch damit zu Ende eile.« Das gieb Jerta, nebst dem Schlüssel! Er küßt ihn. Küsse sie – für mich – und sag' ihr, Sie soll nicht vergessen, daß ich Kolbert herzlich lieb gehabt – Und auch Holm – und – alle andre – Er kämpft mit den Thränen. Dann leg' dich zur Ruhe wieder. Das soll bald geschehen seyn. Geht nach der Thür. Otto! Sie eilt zu ihm, und küßt ihn inbrünstig und mit Thränen. O, mein Kind! Du weinst? Küsse Jerta auch von mir, Und – den Ritter – ehr' als Vater! Ist er mein Großvater doch, Den ich wahrlich herzlich liebe. – Gute Nacht! Gut' Nacht! Otto ab. 10. Szene Zehnte Scene. Hugo. Elvire. Tiefe Stille. Während derselben sitzt Hugo rechts vom Schauspieler in einem Sessel, und scheint mit Seelenruhe zu beten. Elvire geht, nach dem Abschied von Otto, auf die andere Seite, wo ihre Harfe lehnt, fällt auf die Knie, und betet ohne Lippenbewegung, mit heißer Andacht. Die Wanduhr schlägt zwölf. Ein leichter Schauder erschüttert Elviren. Sie steht langsam vom Gebet auf, und Ruhe herrscht auf ihrem Gesicht. Hugo verläßt, wenn die Uhr ganz ausgeschlagen hat, ebenfalls langsam den Sessel, und nähert sich Elviren. Die Stunde Hat gerufen. – – Milde! gieb, Was du hast, und was ich brauche! Oh, ich habe dich verstanden! Sie zieht den Dolch. Du willst den! An deinem Herzen War sein Platz. Du sollst ihn haben. Ihn feurig umarmend. Hugo! – Bis auf Wiedersehn! Dort, wo Schwester, Freund und Gattin Man mit Einer Liebe liebt. Gieb den Stahl, und – flieh! Gemach! Indem sie von ihm geht, und mit der Linken die am Stuhl lehnende Harfe anfaßt, entschlossen und mit Erhebung. Mir, wie dir, fehlt ja der Frieden, Und mich drückt, wie dich, die Schuld; Darum, muß es seyn geschieden, Geh' ich dir zu Gottes Huld Kühn voran die dunkle Straße! Sie stößt sich den Dolch in die Brust, die Knie wanken, die Harfe fällt, am Stuhle hingleitend zu Boden, und sie sinkt, den Dolch in der rechten Hand behaltend, darauf nieder. heftig erschüttert. Gott! Elvire! – – Ha, nun fasse Ganz ich selbst erst, was ich sprach! Mord zeugt Mord, und ich verderbe Durch die unglückselige That Alles, was mir liebend naht. Es hat Eile, daß ich sterbe – Gieb geschwind! Er nimmt ihr den Dolch, den sie krampfhaft zu halten scheint, mit einiger Mühe, küßt ihre Hand und sagt, indem er rasch nach seinem Sessel zu geht. Ich flieh' dir nach, Aus des Lebens finstrer Höhle! mit Anstrengung. Gott sei gnädig – deiner Seele! Hugo faltet während dieser Worte die Hände gen Himmel, dann stößt er beide Hände am Griff, den Dolch sich in die Brust; die Knie knicken halb ein, die rechte Hand faßt den Stuhl, der Dolch bleibt in der linken; in dieser Stellung hält er sich einige Sekunden. 11. Szene Eilfte Scene. Die Vorigen. Jerta, Valeros und Otto treten rasch ein. fliegt herbei, und fällt ihm in den linken Arm. Graf! was wollt ihr thun? indem er den blutigen Dolch zu ihren Füßen fallen läßt. Gethan Ist's; doch schlecht – ihn traf ich besser. Er sinkt am Sessel nieder, so daß der Oberleib halb aufgerichtet bleibt. ist beim Fallen des Dolchs zurückgetreten, mit tiefem Schmerz. Oh! Mein Sohn! – du trafst mein Leben! schnell gefaßt, dringend zu dem Verwundeten. Ist noch Rettung? Nein! – Erlösung Nur durch Schmerzen – von dem Leiden. einige Schritte entfernt. Armer Herr! mit erschütternder Klage, die Stirn an Hugo's Haupte. Mein Freund! – mein Bruder! – erblickt Elviren. Jesu Maria! – die Mutter! O seht – Seht doch! die Mutter liegt blutend darnieder! Er kniet neben ihr. Gott! heftig. Wer begann das? – Ein blutiger Stahl Liegt nur am Boden. Der Dolch ist Elviren. zu Hugo. Mensch! Wenn du das auch gethan –! mit Anstrengung. Ich – ich selbst! beschwörend. Ist's so? halb aufgerichtet, mit sich verklärendem Blicke. So wahr ich – wie Töne der Harfe – Die mir zum Lager dient – himmelwärts schwebe! Sie sinkt sterbend auf die Harfe zurück, die Hand gleitet dabei matt über die Saiten, und man hört einen leisen verhallenden Ton. Mutter! – So sah ich im Traum dein Gesicht! Er beugt sich über sie. zu seinem Sohne. Otto! Vergieb den Gedanken! Auf Erden Wohnt der Verdacht – und die Nacht. Dort – ist Licht. Oh! daß ich kam, um dir tödtlich zu werden! schwächer. Schaffet – nach Spanien – die Leichen – zu ihm – Denn – er vergab uns! – Mit Vision. Dem Cherubim Nimmt er – das rächende Schwert – er winket – Mit erhobener Stimme. Frei – ist der Geist! – – die Hülle – sinket – Er fällt sterbend zusammen. mitten auf der Bühne, nach kurzer Stille mit Begeisterung. Sinke der Leib! ich liebte den Geist, Den kein Tod dem Herzen entreißt, Der mir von nun an im Abendstern blinket! Ist der Geist nur frei von Qual, Wenn der Leib fällt; dann, o Stahl, Komm, und gieb die Freiheit mir! Er hebt rasch den Dolch auf, Jerta entreißt ihm denselben. mit tiefem Ernst. Ritter! – Seid ein Mann! – Kniet hier Euer Enkel nicht? Könnt ihr Leben, wenn ihr ihn geliebt? Ich bin Christin. – Schuld nur giebt, Oder Schwäche, sich den Tod. Lebt für diesen, ihm ist's noth. Valeros beugt sich über Hugo's Leiche. sich von der Mutter aufrichtend. Gott! Warum – warum ist denn So Entsetzliches geschehen? groß und ruhig. Fragst du nach der Ursach, wenn Sterne auf und untergehen? Was geschieht, ist hier nur klar; Das Warum wird offenbar, Wenn die Todten auferstehen! Der Vorhang fällt. Ende des Stücks.