Die Geschichte von Pythicus und der Prinzessin Save. Zu zerstreut bin ich, große Termuthis, zu unfähig, meine Gedanken zu sammeln um euch die Zeit aufs genaueste zu bestimmen in welche die Geschichte fällt die man von mir fordert. Man entzieht mir das Buch, die Quelle meiner Weisheit; man nöthigt mich, auf ein vom Gram und Elend geschwächtes Gedächtniß zu trauen, und man verzeihe demselben die schwankende Ungewißheit, mit welcher ich spreche. Laßt auch die Königin Akenchris, mit deren Namen meine Erzählung beginnt, zu den verwirrungsvollen Zeiten der aethiopischen Könige, oder in der weit spätern Epoche der römischen Herrschaft gelebt haben, laßt diese große Prinzessin, durch ein mit einem der Sabakonen geknüpftes Bündniß, oder durch eine römische Heyrath, die sie zu einer zweyten Cleopatra machte, unglücklich geworden seyn, was thur das zur Sache? was thut es zu meinem Urtheil, das ich in dieser Erzählung, mir selbst zu fällen, genöthigt werde. Unglücklich war die schöne Akenchris, unglücklich durch voreilig hingegebene schlecht belohnte Liebe. Sie setzte die Krone von Aegypten nach dem Tode eines lang nicht genug beweinten Gemahls einem Unwürdigen auf, der kein Abkömmling der Pharaonen, der ein Fremdling war, und mit dem fremden Namen, mit welchem er die Reihe der alten aegyptischen Herrscher verunzierte, fremde Sitten, fremde Lebensweise und fremden Götterdienst in die Länder des Nils brachte. Weinend legte die fromme Akenchris das erzwungene Gelübde in die Hände des Gemahls ab, den sie nun erst in seiner wahren Gestalt sah, ihre Kinder, in dem neuen von ihm eingeführten Aberglauben zu erziehen. Nicht vom Osiris, dem großen Beleber aller Lebendigen, nicht von der mütterlichen alles hervorbringenden Isis, sollten die ungeborenen Unglücklichen in heiligen Gesinnungen unterrichtet werden, nicht an Hephästös Altar, Treue der Tugend, und brennenden Haß dem Laster schwören, nicht durch den Stolz, von den alten Götterkönigen herzustammen, zu edlen Thaten angeflammt werden. Die reinen Gottheiten des Himmels verdrängte ein Heer lasterhafter Götzen, die einst Menschen waren wie wir, und die durch typhonische Laster die Menschheit unter sich selbst erniedrigten, diese waren es denen die Nachwelt huldigen sollte. Akenchris würde nicht geschworen haben, hätte sie würklich fürchten können, ihrem neuen Gemahle Kinder zu geben; aber sie fühlte bereits den Tod im Herzen, und zu schwach, heldenmüthige Widersetzlichkeit zu zeigen, wo freylich Widerstreben Tugend gewesen wäre, ließ sie sich hinschleppen, wohin es die Staatsklugheit ihrer Räthe für gut fand, und tröstete sich insgeheim, daß die Schritte die man sie thun ließ, (bliebe sie kinderlos,) bey weitem nicht die übeln Folgen haben konnten, die ihr Tyrann zur Absicht hatte. Obgleich Akenchris durch die unglückliche Wahl eines ruchlosen Gemahls sich selbst, und ihrem Glück untreu geworden war, so hatte sie doch noch einige treue Räthe, und was noch mehr, einige treue Seelen unter ihrem eigenen Geschlecht, die, wenn jene durch schlaue Verstellung, und künstlich verschlungene Wege die Rechte ihrer Königin zu sichern suchten, Muth genug hatten ohne Winkelzüge den geraden Weg zu ihrem Besten zu gehen, und selbst Gefahr des Todes nicht zu scheuen, um ihre frommen Wünsche zu erfüllen. Mehr todt als lebendig langte die Königin vor dem Altar einer der neu geschaffenen Gottheiten, auf ihren einsamen Zimmern an, wohin ihr der Blick eines Gemahls, der ihr Liebe heuchelte indem er ihr den vergifteten Dolch in den Busen stieß, nicht folgen durfte. Die große Termuthis denke sich eine Prinzessin, welche das vier und zwanzigste Jahr noch nicht ganz zurückgelegt hatte, eine Schönheit, die noch vor wenig Monaten in voller Blüthe stand, und die jetzt durch den kalten Hauch getäuschter Hoffnungen, dem Verwelken nahe war. Akenchris war noch immer schön, o! was sage ich, sie war hinreißender als jemahls. Diese bleiche Marmorgestalt, diese weit gespaltenen himmlisch lächelnden Augen, dieser feine fast zum Schatten abgehärmte Bau, dieses matte geistermäßige Schweben, machten ein Ganzes, das man überirrdisch nennen konnte. So kam die Königin unter ihren Frauen an, die sie nicht zum Tempel hatten begleiten dürfen und wollen, sie knieten um sie her, und umfaßten ihre Knie, indeß sie mit eigener Hand den Opferschmuck von Locken und Busen riß, um mit ihm das Andenken der Scene von welcher sie kam, wo möglich auf ewig von sich zu werfen. Die Thränen der schönen Akenchris waren stumm, und stumm waren auch die Thränen ihrer Freundinnen, sie schonten den heiligen Schmerz ihrer Gebieterin, sie wollten ihn nicht durch Worte entweihen. Kinder, rief die Königin nachdem sie sich ein wenig gefaßt hatte: was geschehen ist, wird durch keine Klage geändert, laßt uns retten was noch zu retten ist. Omphis, du weißt, welch einen Schatz du für mich in Verwahrung hast, bringe ihn herbey, daß ich mich noch einmahl an seinem Anschauen letze, und dann auf ewig, ewig von ihm scheide. Omphis entfernte sich, und kam bald darauf mit einem Kinde zurück, das an Schönheit alles übertraf, was die große Termuthis, selbst in den ersten Jahren ihrer eigenen reizenden Töchter, an holder Kinder-Schönheit kennen lernte. Die kleine Prinzessin Save war die schöne Akenchris, die ich eben beschrieben habe, nach verjüngtem Maasstab, war ganz das, was diese reizende Königin in ihrem sechsten oder siebenten Jahre gewesen seyn mochte, und dieses holde Kind war es, das man jetzt zu den Füßen seiner unglücklichen Mutter brachte, und es lehrte, den letzten Segen von ihr zu erbitten. Akenchris schloß ihre Tochter weinend in ihre Arme, und lange dauerte es, ehe die Thränen ihr verstatteten das traurige Stillschweigen zu brechen. Meinen Segen, meinen letzten Segen forderst du von mir? rief sie! O Save! nimm ihn hin, so gut ihn dir mein brechendes Herz zu geben vermag. Sey gesegnet mit kurzem Leben, wenn ein Funke der Treulosigkeit gegen Gottheit und Tugend in deinem Herzen glimmt. Sey gesegnet mit Unglück, wenn heitere Tage dich zur Verbrecherin machen könnten. Sey gesegnet mit dem Tode, wenn die gute Sache einer Märtyrerin in dir bedarf. Die fromme Königin wußte offenbar nicht, was sie sprach; welche Mutter würde bey vollem Bewußtseyn, ihr Kind auf diese Art entlassen haben; dies waren wenigstens die Gedanken der minder heroisch fühlenden Frauen, die sie umgaben; auch bewies der Erfolg, daß ihre Meynung von der Königin nicht ganz falsch war. Noch ehe sie ihre Rede ganz geendet hatte, sank sie sinnlos zurück. Omphis, welche glaubte Geräusch von außen zu hören das die Geheimnisse des innern Pallasts zu stören drohte, riß die kleine Prinzessin aus den Armen ihrer sterbenden Mutter, und machte Anstalt, sie an den Ort bringen zu lassen, welchen Akenchris, von dem Augenblicke an, da sie ihrem Gemahl zu mistrauen begann, zum Zufluchtsort für die Tugend und Götterfurcht ihres Kindes gewählt hatte. Der ausländische König wußte nicht, daß seine Gemahlin Mutter eines Kindes aus ihrer ersten Ehe sey; sorgfältig hatte man ihm das Daseyn der kleinen Save verholen, und seine Unwissenheit sicherte die Flucht der jungen Prinzessin, und der ihr zugeordneten kleinen Hofstatt. Lange war Theben die Residenz der aegyptischen Könige gewesen, sie war es nicht mehr seit ein Ausländer das Scepter führte, auch hatte Akenchris die Heiligkeit der hundertthorigen Stadt zu sehr gescheut, um sie zur Zeugin eines Bündnisses zu machen, dessen Unrechtmäßigkeit, selbst in dem ersten Taumel der Leidenschaft, von ihrem Gewissen nicht ganz unbemerkt geblieben war. Zu ihr, zu den Mauern des heiligen Theben sollte Save gebracht werden. Dort hatten Aegyptens alte Götter noch Feuer und Heerd, dort brannte noch im Verborgenen Hephästos reine Flamme. Einige hochbejahrte Priester, Akenchris erste Jugendlehrer, sollten ihre Tochter auf den nehmlichen Weg leiten, den sie einst gegangen war bis Leidenschaft sie in die Labyrinthe geführt hatte, in welchen sie jetzt den Tod fand, und weise Strenge sollte die Möglichkeit der Verirrungen verhüten, denen Akenchris ihr Elend dankte. Die Grundzüge der Erziehung welche man der jungen Prinzessin bestimmte, waren heiße Götterliebe und völlige Unbekanntschaft, nicht nur mit dem Laster, sondern mit dem gemeinen Leben der Sterblichen überhaupt. Save sollte nie sehen, nie erfahren, wie die Menschheit gewöhnlich handelt, und durch den Umgang mit jenen geisterähnlichen fast entkörperten Dienern der Gottheit, zum Engel gebildet werden. Möglichkeit, diesen Entzweck zu erreichen, war vorhanden. Der Tempel, in welchen Save gebracht wurde, hatte dreyzehn Stadien im Umfange, und ward durch zwanzig Fuß dicke und vierzig Ellen hohe Mauern unzugänglich gemacht. Raum genug zwischen ihr und der übrigen Welt, und Sicherheit genug für jeden Wahn, den man ihr von dem, was sich diesseits zutrug, beybringen wollte. Die kleine Anzahl, das hohe Alter und die geprüfte Tugend der heiligen Personen welche dieser Tempel einschloß, leistete für die überspannten Wünsche der Königin Gewähr, und Save ward in sieben Jahren, die sie in der geweihten Einöde zubrachte, würklich ganz das, wozu sie die fromme Akenchris bilden wollte. Sie war in ihrem vierzehnten Jahre ein Engel an Unschuld, wie sie ein Engel an Schönheit war. Unwissend war sie in dem, was man den Lauf der Welt nennt, aber nicht einfältig. Ihr Verstand war von ihren Lehrern mit den erhabensten Wissenschaften genährt worden, sie verstand alles was man ohne Weltkenntniß verstehen kann, aus dem Grunde, sie enträthselte die geheimsten Naturkräfte, kannte die Sterne mit Namen, und war überhaupt im Himmel mehr zu Hause, als auf der Erde. Ihr Leben war so angenehm, als nützlich. Der Umfang ihres Tempels ließ es ihr nicht an Freyheit, Zeitvertreib und Bewegung fehlen. Wälder, Gärten und Gefilde, die er einschloß, waren künstlich genug in einander gemischt, und durch labyrinthische Gänge verschränkt, um noch einmahl so weitläuftig zu scheinen als sie würklich waren, und ihr Ende fand man nicht so leicht. Hatte Save sich etwa irgend einmahl oder zwey auf der Jagd weit genug vergangen, um an die himmelhohen Mauern zu gerathen, so dachte sie wahrscheinlich nichts mehr dabey, als daß dieses himmelhohe Mauern wären, für ihr Jenseits hatte sie weder Vorstellung noch Neugier. Ob nie eine Zeit reiferer Ueberlegung, und ausgebreiteterer Wünsche, für die Prinzessin gekommen seyn würde, läßt sich bey einer so außerordentlichen Person nicht muthmaßen. Das Schicksal wollte, war je ein solcher Zeitpunkt denkbar, demselben zuvorkommen, und die schöne Eingesperrte früher in die Welt schleudern, als ein Wunsch nach ihr in ihrer Seele erwachen konnte. Die Art, wie dieses geschah, und der Umstand, daß Save die Einsamkeit früher verlassen mußte als sie derselben überdrüßig war, wird von vielen Geschichtschreibern der damahligen Zeit für die Ursache gehalten, warum diese Prinzessin Zeitlebens das blieb, wozu sie gebildet worden war. Die Psychologen mögen entscheiden, in wie fern sie recht haben. Schon lange hatte außer den Mauern des Tempels, wie in diesen heißen Gegenden oft geschieht, die Pest gewüthet, ehe man in der reinern Luft des heiligen Bezirks etwas von Ansteckung verspürte; endlich aber wälzte sich doch aus der todathmenden Stadt, ein blaulichter Duft die geweihte Anhöhe hinauf, und ein feindseliger Daemon trug ihn auf seinen Schwingen über die Mauern in die Gefilde der Ruhe. Man begann im Tempelbezirk sich übel zu befinden, die Kränklichkeit nahm überhand, und ward zur Seuche. Omphis und noch eine der Frauen, welche Akenchris ihrer Tochter zugegeben hatte, wurden die ersten Opfer des Würgengels, ihr folgten die andern, und bald kam es dahin, daß Save mit zwey oder dreyen ihrer jüngsten Gespielinnen, die wie sie hier erzogen wurden, die einzigen Uebergebliebenen waren. Diese unglücklichen Kinder entfernten sich weinend von dem Sterbelager ihrer Versorgerinnen, sich in die Arme der Priester, ihrer Lehrer, zu werfen, die sie in all diesen schrecklichen Tagen weder gesehen noch vermißt hatten; allein sie fanden von diesen ehrwürdigen Männern nur noch einen lebend, der aber bereits dem Tode so nahe, bereits so matt war, daß er nur mühsam Kräfte sammeln konnte, um in gebrochenen Worten, den jungen Mädchen, die bey ihm Hülfe suchten, die Weisung zu geben, die ihnen zu ihrer Rettung nöthig war. Fliehet, fliehet von hier! stammelte der Sterbende. Rührt mich nicht an, liebkoset mich nicht, mein Odem ist Gift. Hier, der Schlüssel zu eurem Gefängniß! Möchtet, möchtet ihr doch die Freyheit, die ihr nun erlangt – Doch zu Ermahnungen ists jetzt zu spät. Gedenket an das, was ich euch so oft wiederholte. Lebt wohl! seyd glücklich! Kein Weinen, kein Händeringen half wider diesen Befehl etwas. Der Sterbende wandte seine letzten Kräfte an, die Prinzessin, die vor seinem Bette auf den Knieen lag, von sich zu stoßen, selbst den Labetrunk, den sie ihm bot, versagte er seinen lechzenden Lippen, um seine Wohlthäterin nicht durch eine zufällige Berührung ihrer Hand zu tödten. Er winkte mit schrecklicher Miene Eil zur Entfernung, und die erschrockenen Mädchen entflohen. Save hatte an Muth und Entschlossenheit immer etwas vor ihren Gespielinnen voraus; sie flohe nicht sowohl, als daß sie gehorchte. Der Schlüssel zu den Tempelthoren war in ihrer Hand; die Riegel flohen, die Flügel thaten sich auf, und flogen durch ihre eigene Schwere, oder von einem verborgenen Kunstwerk regiert, wieder zu. Die Pilgerinnen sahen sich auf einmahl in einer Welt, die sie nicht kannten, und auf ewig abgeschnitten von dem bekanntern und geliebteren Tempel, nach dem sie sich zurücke sehnten, ungeachtet der Fittig des Todes über ihm schwebte. Der Prinzessin war die Folge ihres ersten Schrittes in die Welt, das Zufliegen der eisernen Thore, die Trennung von ihrer lieben Heimath, erschrecklich. Zögernd stand sie und maß die Höhe der unübersteiglichen Mauern, die nun hinter ihr waren, die Feste der unaufschliesbaren Riegel, mit den Augen; so sieht der, den irgend ein entscheidender Schritt auf den Pfad des Lasters riß, nach den Regionen der Tugend zurück die er verließ, nur allzuoft der unglücklichen Save auch darinnen gleich, daß Rückkehr unmöglich ist. Die Gegend jenseit des Tempels war oede; so hatte die Pest aufgeräumt. Save und ihre beyden Jungfrauen wanderten eines Tages Länge, ohne daß sie einen Menschen sahen; bis endlich am Abend eine Fischerhütte sie aufnahm, wo sie Nahrung, und Obdach, und das Versprechen erhielten, morgen einige Meilen weiter ins Land zu dem Stadthalter gebracht zu werden, den der ausländische König in diese Gegenden gesetzt hatte. Save war unwissend in allem, was weltliche Dinge betraf, unwissend hatte man sie sogar in Ansehung ihrer Herkunft und der Beschaffenheit des Landes gelassen in welchem sie geboren war, noch einmahl, sie war unwissend, doch aber nicht einfältig; daß es hier andere Menschen, als in ihrem Tempel gab, das sahe sie wohl, aber sie wußte sich darein zu finden, sie begriff leicht was ihr zu thun das Beste sey; keine unzeitige Blödigkeit machte sie lächerlich, oder gab sie den Verräthern der Unschuld preis. Man empfing sie beym Stadthalter mit Ehrfurcht. Ehrfurcht gebot ihr ganzes Wesen. Sie hatte im Tempel etwas weniges vom Gebrauch des Geldes, und dem Werthe der Edelsteine gelernt, und da sie von beyden genug bey sich hatte, um unabhängig zu leben, so wehrte man ihr nicht, sich einzurichten wie sie selbst wollte, auch hatte man keinen Verdacht auf sie, daß sie aus einem Orte käme, in welchem die Seuche noch wütete, sie hatte sich zufälliger Weise behutsam hierüber erklärt, und ihr und ihrer Gespielinnen Ansehen war so frisch und blühend, als daß man sie hätte verdächtig finden können, auch war ihr Körper würklich dem Gifte unzugänglich gewesen, sie blieben verschont, und begannen in dem fremden Menschenkreise in welchem sie sich befanden, ein Leben, das durch den Reiz der Neuheit, und durch die Freyheit, die sie genossen, viel Annehmlichkeiten für sie hatte. Save war so schön, daß sie begann Aufmerksamkeit zu erregen; auch ihre Seele war schön, und ihr Umgang hatte einen Zauber, der alles um sie her versammelte. Sie hatte keinen Begriff davon, daß der große Kreis, der sich immer um sie drängte, ihr gefährlich und der Sitte ihres Landes zuwider war. Ihre Grundsätze und die Strenge ihrer Tugend erwarben ihr Ehrfurcht, das Laster wagte es nie in ihrer Gegenwart ohne Larve zu erscheinen, wie hätte sie merken sollen, daß es oft an ihrer Seite lauschte, daß man schon tausend verunglückte Plane gemacht hatte, sie in seine Gemeinschaft zu ziehen, und jetzt an einem neuen arbeitete, der gelingen mußte, weil er auf ihre Schwäche gebaut war. Man hatte der Prinzessin zeitig abgemerkt, sie sey, bey aller innern Vortreflichkeit, nicht ohne Stolz. Dies war ein Zugang den man in ihr unverwahrtes Herz zu finden meinte; ihre übertriebene Andacht, ihre schwärmerische Anhänglichkeit an überirrdische Dinge, öffneten den zweyten, und der Durst nach aller Art von Wissenschaft, der sie beseelte, hatte sie bereits zu Schritten verleitet, welche für ihr Glück und ihre Ruhe entscheidend wurden. Wars möglich, daß die edelste der Seelen, durch Triebe, die ihre himmlische Abkunft verriethen, dem Verbrechen, wenigstens der Versuchung entgegen geführt wurde? Die Herrschaft der Ausländer hatte in der Verfassung Aegyptens vieles geändert. Die Königin Akenchris war todt, der fremde König hatte ihre Krone, und schaltete mit der königlichen Macht, wie es ihm recht dünkte. Die neuen Götter, welche Save's fromme Mutter verabscheute, und deren Dienst sie ihre Tochter entreißen wollte, als sie sie in die Einsamkeit von Theben schickte, gewannen die Oberhand; man sagte dem Volke, seine alten Gottheiten hätten nur die Namen verändert, und bewog es auf diese Art, vor Altären zu knieen, die es sonst verabscheuet hatte. Eine neue Art von Weltweisen gab jetzt überall den Ton an, ihre Lehren und ihre Uebungen glichen dem, was man in spätern Zeiten von den Gymnosophisten hörte, und so lächerlich dieselben in vieler Rücksicht waren, so wußten sie denselben doch eine so glänzende Außenseite zu geben, daß selbst Save verstrickt ward. Sie zu verstricken, hätte man sich, ob sie gleich schön war, kaum so viel Mühe gegeben, hätte man ihre Herkunft nicht besser gekannt als sie selbst, und in ihr, der rechtmäßigen Herrscherin Aegyptens, ein Mittel zu finden geglaubt, Plane durchzusetzen, die viel leicht nie ganz ans Licht kamen. Save's Umgang mit dem Hause des Stadthalters, hatte sie in den Zirkel der neuen Philosophen gebracht, und ihr lehrbegieriger Geist fand hier Reiz genug, nach weitern Fortschritten zu streben. Schon hatte man ihr Zutritt zu den seltsamen Uebungen verstattet, mit welchen sich die Schüler der so genannten himmlischen Weisheit zu immer höhern Stufen des reinen Anschauens der Gottheit hinauf drängen wollten. Sie sah, wie man sich in der Glut der ägyptischen Sonne röstete, wie man die Fluthen des Nils durchkreuzte, und die Krokodile zum Kampf aufforderte, wie man, auf Gefahr zu erblinden, Tagelang der Sonne, mit unverwandten Augen entgegen sah, um durch solche Mittel die Abtödung der Sinnlichkeit, und das Aufsteigen zum Glück reinerer Geister zu bewürken. Die fromme Save vergoß Thränen über die Opfer, die man, wie sie meynte, der Tugend brachte; doch ihre heißesten Zähren flossen, als sie eines Tages in einer himmlischen Jünglingsgestalt, die sie wegen ihrer Unbeweglichkeit, immer für eine schöne Bildsäule gehalten harte, einen würklichen Menschen entdeckte, welcher, wie man ihr sagte, hier schon beynahe ein Jahr, in der nemlichen Stellung, seiner Entkörperung entgegen harrte. – Nur sein einer Fuß berührte die Erde, der andere schwebte in der Luft, die Arme waren ausgebreitet, die Augen weit geöffnet und der Sonne zugekehrt. Nur Flügel fehlten hier, um dieses überirrdische Wesen der Gottheit entgegen zu tragen, zu welcher sein sehnender Blick empor schaute, nur Flügel, um den Genius ganz zu vollenden. Save's Augen hingen so unverwandt an dem Halbgott, als die seinigen an der Sonne; selbst die Entdeckung, hier sey etwas mehr als Marmor, konnten sie nicht zurückeziehen. Sie seufzte, und ließ sich es von neuem erzählen, daß dieser junge Mensch, er sey der Bruder des Stadthalters, und Pythicus sey der Name mit welchem ihn die Weisen nennten, hier nun schon, seit zehn Monaten, in der nehmlichen Stellung, ohne Schlaf, ohne Speise, und ohne Trank, der höchsten Veredlung seines Wesens entgegen harrte. Thränen stürzten aus den Augen der andächtigen Prinzessin. Sie wandte sich hinweg. Arme Save! rief sie. So viel thut man hier für die Tugend? O wehe dir! du stehst noch ganz am Eingange des Weges zur Vollkommenheit! Save ging nach Hause, und dachte, und träumte nichts, als von jenem himmlischen Jünglinge und seiner Entkörperung. Als sie wieder den Hayn der Philosophen besuchte, sahe sie ihn nicht mehr, und ihre Fragen nach ihm wurden beantwortet wie es sich denken läßt. Er war hinüber geschwebt zu seinem Ursprung, hinauf zur Sonne, die nun in jedem Strahle der frommen Prinzessin sein Bild zu malen schien. – Save erkundigte sich was sie, zwar ein schwaches Weib, aber mit ähnlichen Trieben zur Vollkommenheit geboren wie der älteste Weltweise, zu thun habe, um das glänzende Ziel des großen Pythicus zu erreichen, und man antwortete ihr mit einem ehrfurchtsvollen Stillschweigen, das dem Verstummen vor der Stimme der Götter gleich war. Sie wiederholte ihre Fragen, und man versicherte sie, daß der Wege viel wären, auf welchen die Götter die Menschen zu sich zögen, und daß der ihrige einer der kürzesten und leichtesten sey. Die Prinzessin verstand nicht was man hiermit meynte, und eben so unverständlich war ihr die tiefe anbetende Verehrung, mit welcher man ihr seit einiger Zeit unter den Weisen begegnete. Man sprach wenig und schüchtern mit ihr, man redete sie nicht anders an als mit gebogenen Knieen, man kam jedem ihrer Wünsche zuvor, und als sie einst von neuem das Verlangen äußerte, in den innersten Geheimnissen der Weisheitsschule eingeweiht zu werden, so versicherte man ihr, sie habe nach keinem Grade der Vollkommenheit zu streben, der nicht schon von ihr erreicht sey, und sie könne zur Bestätigung dieser Wahrheit jede Probe machen, die sie sich selbst ausdenken wollte. Unter allen Geheimnissen des wundervollen Waldes den die Weisen bewohnten, war ihr keines schöner und herzerhebender vorgekommen, als die Gabe, welche einige der ältesten dieser heiligen Männer hatten, die Bäume reden zu machen. Oft hatte sie an der Seite eines dieser Lieblinge der Gottheit wandelnd, auf jede Frage, die erstaunenswürdigsten Antworten, aus dem Gipfel einer tausendjährigen Eiche, oder einer bejahrten Ulme ertönen hören, und Schauer und Entzücken hatten sie denn oft bey solchen Auftritten bis zur Ohnmacht überwältigt. Save wünschte, da man ihr, auf vorerwähnte Art schmeichelte, (und sie konnte viel Schmeicheley vertragen,) nichts mehr, als die Gabe zu haben, mit den Bäumen zu sprechen, und man antwortete ihr mit der gewöhnlichen Ehrfurcht: Sie könne einen Versuch machen, man zweifle nicht, daß er glücken würde; sie sey hier, durch himmlische Offenbarung, bereits als eine Geliebte der Götter bekannt, und es sey ausgemacht, daß sie ihr keinen Beweis ihrer Huld versagen würden. Zu der geheimnißvollen Unterredung mit den tausendjährigen Kindern des Hayns gehörte Einsamkeit. Save spazierte seit der Verheißung die man ihr gethan hatte, oft allein in dem Walde der Weisheit, und ihre Jungfrauen sahen sie allemahl nachdenkend aus demselben zurückkommen; niemand fragte sie was ihr die Bäume gesagt hätten, aber daß sie Umgang mit den überirrdischen Wesen hatte welche jene stummen Redner beleben sollten, das war ausgemacht, selbst ihr Blick sagte es, daß es mit ihr außerordentliche Bewandnisse habe. Sie war still, und in sich selbst verschlossen, war nicht mehr die umgängliche Freundin, die herablassende Gebieterin, als die sie ehedem von ihren Leuten angebetet wurde. Eines Tages brach die Prinzessin das lange Stillschweigen gegen ihre Jungfrauen: Kinder, sagte sie, es ist unmöglich, euch länger mein Glück zu verschweigen. Mich bestimmen die Götter zum glänzendsten Schicksal. Bald, bald werde ich mich der Erde entschwingen. Eine Gottheit ists, die mich liebt. Dies sagen mir alle Bäume des Waldes, mein Herz spricht ja darzu, und nur die Klugheit giebt mir den Rath, noch eine Probe zu machen, ob ich nicht mit zu vieler Kühnheit hoffe. – Dich liebt der große Memnon, dich bestimmt er zu seiner himmlischen Braut! sehet, dies ist die Stimme, die mir seit einiger Zeit jeder Baum, jeder Strauch im Walde der Weisen zuflüstert. Laßt uns gen Memnonium ziehen, und das Wunder abwarten, das, wie man mich versichert, dort meiner harret, von ihm hängt meine Entschließung ab. Die Jungfrauen der schönen Save waren so begeistert wie sie, und fanden also in ihrer Rede nicht das mindeste abgeschmackte. Man zog nach Memnonium, und dachte den Morgen in dem großen Thale einzutreffen, welchem das Herz der Prinzessin ahndend entgegen schlug, aber ein sonderbares Geschick verlängerte den Weg und die letzten Strahlen der Sonne vergüldeten bereits die Memnonssäulen, als Save den Ort ihrer Bestimmung erreichte. In der östlichen Gegend von Theben liegt ein tiefes Thal, welches nebst dem Theile der Stadt der zunächst an dasselbe grenzt, den Namen Memnonium führt. Die Colossalischen Bildsäulen des vergötterten Helden, von dem diese Gegend den Namen führt, verherrlichen sie; eine derselben übertrifft die andre an Alterthum, ein Erdbeben zerschmetterte die ältere, und sie ist nur noch in ihren Trümmern sichtbar. Man trägt sich mit der Sage, der Unwille des großen Memnons, von einem zu kühnen Künstler nicht nach Wunsche gebildet zu seyn, habe dem Himmel den Donner entrissen, um den Frevel an dem Werke, und dem Meister zu rächen; letzterer kam mit dem ersten um, und lange dauerte es, ehe ein Sterblicher es auf ähnliche Gefahr von neuem wagte den Halbgott zu bilden, der so eifersüchtig auf seine Ehre und die Idee war, die man sich auf Erden von ihm machte. Diese letztere Bildsäule gerieth, wie es schien, nach dem Wunsche des himmlischen Urbilds, sie steht noch, und war die nemliche, die mit von der untergehenden Sonne abgewandtem Gesicht einen ungeheuern Schatten ins Thal warf, das jetzt Save mit ihren beyden Jungfrauen betrat. Eine schöne Jünglingsgestalt, aus schwarzem Marmor geformt; der Held ruht auf seinem Grabe, in der Stellung, als wollte er sich eben erheben, um seine Mutter, deren Aufgang er entgegen sieht, zu begrüßen. Sein himmlisches Auge ist gen Osten gekehrt, sein Mund lächelt, und seine Lippen öffnen sich zu dem frohen Laut, mit welchem er jeden Morgen Auroren bewillkommt; dieser Laut übertrifft am Wohlklang alles das, was je ein Sterblicher gehört hat, es ist nicht Glockenton, nicht Flötenhauch, nicht Harfenlaut, es ist ein Mittelding, eine Zusammenmischung von allem, was die Kunst den reinen Urtönen des Himmels abstahl. Wenige hörten den unaussprechlichen Ton, denn schwer ist es, die Zeit nicht zu verfehlen, da er bemerkt wird. Er entsteht, und verhallt mit dem ersten Aufblicken der Morgenröthe, auch ist nicht jedes Ohr gebildet, diesen Nachhall unsterblicher Stimmen zu vernehmen. Der Prinzessin tönte er, so wie sie das Thal betrat, mit voller Harmonie entgegen, und welch ein Schauer sie bey diesem Wunder befiel, läßt sich errathen. Ists nicht fast Nacht, und bin ich Aurore? rief sie, indem sie sich erröthend zu ihren Gespielen wandte. Die schöne Save ist mehr als Aurore, antwortete einer der Weisen, der auf einmahl bey ihr stand. Anders bewillkommt der Bräutigam die Braut, als der Sohn die Mutter, so voll, und rein hat noch nie ein Sterblicher den Memnonischen Morgengruß gehört, als wir jetzt ihn bey untergehender Sonne vernehmen. In diesem Augenblick ertönte das melodische Lallen der Bildsäule zum zweyten, und bald darauf zum dritten Mahle. Bleich vor Entsetzen, ich weis nicht, ob auch vor Freude, stand die Prinzessin, noch bleicher ihre Jungfrauen. Selbst der Weise hatte sich, überwältigt vom heiligen Schauer, ein wenig zurückgezogen, und erst jetzt nahte er sich von neuem, um der Prinzessin Glück zu wünschen, und ihr einige Anweisung zu geben, wie sie ihrem himmlischen Bräutigam zu begegnen habe. Einsamkeit, ungetheilte Einsamkeit, behauptete er, sey ein Haupterforderniß zur ersten Unterredung mir ihm, und indem sich Save niederwarf, vor dem Götterbilde anzubeten, führte er ihre beyden Gespielinnen nach dem Walde zurück, den sie eben verlassen hatten, und rieth ihnen, sich ungesäumt nach Hause zu verfügen, weil hier in der Nähe des eifersüchtigen Gottes, sie leicht ein Unfall betreffen könne. Fast unmöglich dünkte es den Jungfrauen, ihre Gebieterin in dieser grauenvollen Einsamkeit zu verlassen, und eben so unmöglich dünkte es ihr, hier allein zu bleiben. Sie eilte den sich Entfernenden nach. Lebt wohl! Lebt wohl, ihr meine Lieben! schrie sie, indem sie sie noch einmahl in die Arme schloß. Werde ich euch wiedersehen? – Nein, o nein! Himmlische Liebe entrückt zu den Sternen! Mit heiligem Schauer gehe ich meiner großen Bestimmung entgegen, die mich dieser Erde – ach sie ist so schön! – auf ewig entreißt. Die große Termuthis, nicht unerfahren in dem was die Tücke der Priester und Weisen dieses Landes zu wagen im Stande sind, ahndet vielleicht in dieser Memnons Liebe bereits das, was sie wirklich war; auch Save war nicht so in überirrdische Regionen entzückt, daß sich ihrer nicht bald, das nehmliche ahndende Gefühl des Betrugs hätte bemeistern sollen. Sie hatte nie eine Neigung, sich umständlich über dieses Abentheuer zu erklären, aber nur zu gewiß war es, daß einer jener überirrdischen Weisen sich des Namens des großen Memnons bedienen wollte, um die Prinzessin, die er heimlich liebte, in seine Gewalt zu bekommen. Save hatte Stärke und Geschwindigkeit genug, um sich den Armen ihres Entführers zu entwinden, und ihre nach Hause eilenden Gespielinnen noch am Ende des Waldes zu ereilen. Ihre Thränen sagten ihnen, wie man ihre fromme Einfalt getäuscht, wie man den Namen eines Gottes gemisbraucht hatte, sie zu hintergehen. Memnon mußte entgelten, was man auf seinen Namen gesündiget hatte. Save that ein Gelübde, nie sein Thal wieder zu betreten, auch war ihr Hang zu der Philosophie der Weisen des Waldes ganz verschwunden, ob sie gleich noch an mancher der Schwärmereyen mit ganzer Seele hing, die sie dort eingesogen hatte. An den schönen Pythicus dachte sie, und seine Entkörperung glaubte sie noch immer, sie scheute sich nicht, ihren Gespielen vertraulich zu gestehen, daß sie eine Art himmlischer Liebe für ihn fühle, welche alle Höflichkeiten des furchtbaren Memnons nicht in ihr hätten hervorbringen können. Die Einsamkeit, in welcher die Prinzessin lebte, seit sie den Philosophen des Waldes entsagt hatte, und hinter einen Theil ihrer Geheimnisse von redenden Bäumen, und tönenden 1 Cymbeln gekommen war, machte ihr Vermehrung ihrer Gesellschaft oft wünschenswerth; sie entschloß sich, noch eine Jungfrau in ihren Cirkel aufzunehmen, und sie war wegen ihrer Tugend und Leutseligkeit so angesehen, daß sich die größten Häuser aus Theben und den umliegenden Gegenden um die Wette beeiferten, ihr ihre Töchter zu Gespielinnen anzubieten. Der Stadthalter schlug ihr seine Schwester, die schöne Pythica, vor, und Save hatte diese Jungfrau nicht so bald gesehen, als ihr Entschluß gefaßt war. Ich habe bereits gesagt, welche Empfindungen Save für den vergötterten Bruder eingestand, und diese Schwester war diesem Bruder so auffallend ähnlich, daß man der Prinzessin verzeihen mußte, wenn sie ersten Blicks eine Neigung für sie faßte, welche ihre Aufnahme gewiß machte, und den Rang, den sie inskünftige unter ihren Gespielinnen einnehmen sollte, entscheidend bestimmte. Die Jungfrauen der weisen Save empfingen ihre neue Schwester, als sie ihnen vorgestellet ward, nicht ganz mit der Vorliebe, welche ihre Prinzessin für sie fühlte; war es Furcht, von ihr aus dem Herzen einer angebeteten Gebieterin verdrängt zu werden, oder Scheu vor dem Außerordentlichen, das ein unbefangenes Auge in ihrer ganzen Person entdecken mußte, genug, Pythica fand eine sehr kaltsinnige Aufnahme. Ich bin meiner erhabenen Zuhörerin eine Schilderung ihrer Person schuldig, aber ich zittere, sie ihr in so wenig Worten zu geben, als ich könnte. Pythica war schön, wie ein Jüngling, als Jungfrau fehlte ihr die Sanftmuth, die Feinheit ganz, welche unser Geschlecht reizend macht. Muth und Entschlossenheit saß in ihrem schwarzen Feuerauge, und auf ihrer offenen Stirn. Dicke schwarze Locken füllten ihren Nacken, und gaben, nebst den hochgewölbten Bogen, die ihre Augen beschatteten, ihrem Gesicht etwas Drohendes, das kein Blick lange aushalten konnte. Ihre hochgebildete Gestalt, die Stärke ihrer Arme, ihr fester entscheidender Gang, war mehr männlich als weiblich, und, wenn sie unter ihren Gespielinnen an der Seite der Prinzessin, bey weiblichen Arbeiten saß, so glaubte man einen verkleideten Achill zu erblicken; ihre Hände waren indessen nicht ganz ungeschickt, mit der Spindel und mit der Nadel umzugehen, doch natürlicher stand es ihr freylich an, mit dem Köcher auf dem Rücken, und dem Bogen in der Hand, die Prinzessin auf die Jagd zu begleiten. – O Almé! schrie hier Termuthis, was wagst du hier, für ein Bild zu entwerfen! Ists nicht der ruchlose Amun, den du vor meine Augen mahlst? Verrätherin! Verführerin! das Ende deiner Geschichte wäre zu errathen, wenn es nicht schon bekannt wäre! Sage, womit willst du deine geschlossenen Augen, in Rücksicht auf den Bösewicht entschuldigen, der mich zur unglücklichsten der Mütter machte? Mit der Abneigung, antwortete ich, die ein jeder Vernünftige fühlt, Fabeln ins wirkliche Leben übergetragen zu glauben; und war ich allein blind? – Gab es nicht weit hellere Augen, welche hätten sehen sollen? Auch möget ihr selbst, aus dem Anfange und dem Ende meiner Geschichte urtheilen, ob sie irgend etwas enthält, was die Handlungsweise eurer verlohrnen Tochter begünstigen konnte. Save war keine Zaide, und Pythicus kein Amun. Elende Entschuldigungen! schrie Termuthis. Doch erzähle weiter. Das Ende deiner Geschichte soll dein Schicksal entscheiden. Daß Pythica ein Pythicus war, welches ihr bereits wisset, hätte sich durch tausend Umstände verrathen können, wenn man nicht verblendet gewesen wäre. Sein Muth, und seine Kenntnisse übertrafen noch das Auszeichnende seiner Person, sie waren mehr als weiblich; aber letztere machten ihn, zu der angenehmsten Gesellschaft für die kluge Save, und erstere gaben ihm mehr als einmahl Gelegenheit, sich um das Leben der Prinzessin verdient zu machen, und sie befestigten ihn also in Save's Gunst. Sie wagte sich, seit die muthige Pythica ihre Gespielin war, öfter in die Gefahren der Jagd, als vordem. Die Spindel ruhte, aber der Jagdspies hing selten ungebraucht an der Wand, und verloren wäre Save, die die Schwäche ihres Geschlechts an der Seite ihrer stärkern Gefährtin oft verkannte, verloren wäre sie hier durch das Rasen zu rascher Rosse, die sie immer zur Jagd am liebsten wählte, dort durch die Stärke des Wildes an das sie sich wagte, hier durch die Fluthen des Stroms, welche sie nicht scheute, weil Pythica durch denselben das Wild verfolgte; verloren wäre sie auf tausenderley Art gewesen, hätte nicht ihre unzertrennliche Gefärthin sie allemahl gerettet. Die andern Jungfrauen haßten Save's Lebensretterin, und konnten ihr die Hülfe in Gefahren die sie selbst herbeygezogen hatte, wenig danken, aber die Prinzessin floß über von Liebe und Dankbarkeit. An den vergötterten Pythicus ward wenig mehr gedacht, seit eine Pythica auf Erden lebte. Die neue Gespielin der Prinzessin Save hatte noch nicht ein ganzes Jahr an der Seite ihrer Gebieterin gelebt, als sie nachdenkend und traurig ward. Ihre Gestalt verfiel, ihr Blick wich dem Blick der Prinzessin aus, und ihre Liebkosungen wurden mit Schüchternheit erwiedert, wahrscheinlich fing die Larve an dem Betrüger unbequem zu werden, oder, noch wahrscheinlicher, unzufrieden mit der unschuldigen Freundschaft der schönen Save, dachte er, sie durch einen kühnen Streich zu seinem Eigenthum zu machen, ehe die Zeit sein Geheimniß enthüllte. Pythica war öfter abwesend, als sonst, sie besuchte fleißig ihren Bruder, den Stadthalter, jenseit des Waldes; vielleicht, um den Streich mit ihm zu verabreden, der erst späterhin, und doch, Dank sey den Schutzengeln der Tugend, nicht ganz glückte. Eines Tages, als Save ihre liebste Gespielin mißte, und mit den andern genöthigt war, ihre Zuflucht zu dem, jetzt selten gebrauchten Weberstuhl zu nehmen, damit die langsam schleichenden Stunden, wo Pythica nicht gegenwärtig war, schneller vorüber gingen, wurden die Arbeitenden auf einmahl, durch ein ungewöhnliches Getön aufmerksam gemacht. Ein mehr wilder, als harmonischer Laut von Stimmen und Instrumenten ließ sich hören, man eilte auf den Umgang des Hauses, und sahe die Ebene mit einer Menge Volks erfüllt, die einem feyerlich nahenden Zuge geschmückter Priester entgegen jauchzten, welcher sich aus der Ferne, gerade auf den Pallast zu, zog, den die Prinzessin bewohnte. Fackeln, Blumenkränze, Götterbilder, köstliche Opfergefäße, schimmerten in den Händen der Priester den Schauenden entgegen. Einige der Priester streueten, aus goldenen Körben Weizen um sich her, andere sprengten aus krystallenen Krügen wohlriechende Wasser in die Luft, die rauschendste Musik löste sich nach und nach in die zärtlichsten Melodien auf, und da man im immer näher Kommen des Zugs, endlich einen leeren Triumphwagen, und eine Menge weißgekleideter Mädchen entdeckte, welche zahme Turteltauben auf den Händen trugen, so konnten die, welche mit der Sitte des Landes bekannt waren, nicht einen Augenblick mehr zweifeln, daß es hier auf eine Brautwerbung angesehen sey. Der klugen Save, die besonders in dem Ritual des alten und neuen Götterdiensts ihres Landes viele Kenntnisse hatte, ward es sogar nicht schwer, aus gewissen Abzeichen auf ein Haar zu errathen, was hier für ein Bräutigam um eine Braut würbe, ob es ihr gleich einige flüchtige Unruhe machte, welche unter mehrerern Jungfrauen, die ihr Haus beherbergte, die Gewählte seyn würde. Für sich selbst hoffte sie auf alle Fälle, durch die Ausflucht sicher zu seyn, daß sie sich nie zu vermählen wünschte. Seit Aegypten seinen Götterdienst mit neuen Göttern vermehrt sah, beherbergte ein in der lybischen Wüste ehemals dem Serapis geweihter Tempel, ein Bild des Jupiter Ammons. Die neue Gottheit hatte die alte vertrieben, und herrschte unumschränkt, mit allen ihr eigenen Gesetzen und Gebräuchen. Ein sonderbarer Gebrauch des lybischen Gottes war es, sich jedes Jahr eine neue Braut aus den schönsten Töchtern des Landes zu wählen; der Bräutigam war nicht schön, und wenig Jungfrauen fanden Gefallen, sich so hoch zu vermählen, indessen durfte dieser Brautwerber nie eine abschlägliche Antwort, als unter oben erwähnter Ausflucht bekommen. Diejenige, welche ihn ausschlug, verlobte sich damit zu ewiger Ehelosigkeit, und man wußte Mittel, sie zu Haltung ihres Gelübdes zu zwingen; dahingegen ein gefälliges Ja, der gewählten Braut, außer dem Vorzug für die schönste und tugendhafteste Person ihrer Zeit erklärt worden zu seyn, und der fast göttlichen Verehrung, die ihr ein ganzes Jahr lang erzeigt wurde, noch den Vortheil verschaffte, nach Ende dieses Jahres, nebst einer königlichen Aussteuer, ihre Hand dem Manne ihrer eigenen Wahl geben zu dürfen. Auf diese Art fehlte es dem lybischen Gotte nie an reizenden Bräuten, und seine Werber nahten sich auch diesesmahl dem Hause der Prinzessin, mit der vollen Ueberzeugung, nicht getäuscht zu werden. Die weise Save, welche in allen Fällen wußte was zu thun war, konnte sich auch in diesen recht wohl schicken. Während die Priester das Haus erfüllten, und das Ceremoniel ordneten, ordnete auch sie das ihrige. Auf einem kleinen Thron, ihre beyden anwesenden Gespielinnen zur Seite, erwartete sie die Gesandten in ihrem Staatszimmer, indessen alle übrige Mädchen des Hauses, so schön geschmückt als es die Eil zuließ, zu beyden Seiten, den Saal erfüllten. Keine, auch die niedrigste, durfte hier nicht fehlen, keine war zu schlecht, auf die Wahl des lybischen Gottes nicht hoffen zu dürfen, er hatte gute Kunde von allen Töchtern des Landes, und raubte seine Gemahlinnen sowohl vom Thron, als von der Heerde, denn auch ein sonderbarer Gebrauch des gehörnten Gottes 2 war es, daß er, ungeachtet der freywilligen Zusage, die er allemahl erwartete, doch nie das seinige anders, als durch Raub nahm; auf den Willen der Braut kam es denn an, wenn und wie sie geraubt seyn wollte. Die Prinzessin kam den Gesandten, als sie eintraten, mit majestätischem Anstande einige Schritte entgegen, und setzte sich denn, um der weidlichen Würde auch gegen einen Gott nichts zu vergeben, wieder auf ihren Thron, um das Anbringen der vor ihr stehenden Priester zu vernehmen. Heilige Männer, antwortete sie, als die erste Anrede geendet war, ihr meldet mir wohl, daß die Wahl des großen Jupiter Ammon auf mein Haus gefallen sey, aber noch nenntet ihr nicht den Namen der Braut. Welche unter allen diesen jungen Mädchen, deren jede schön und tugendhaft genug ist, auf das erhabenste Glück zu hoffen, wird aus der Niedrigkeit auf den Thron erhoben? welche wird der Gegenstand unserer künftigen anbetenden Verehrung seyn? Diejenige, antwortete der Sprecher, auf welche die Wahl dessen der uns sandte, gefallen ist, erblicke ich gar nicht in diesem reizenden Cirkel, und die Prinzessin Save wird verzeihen, daß der lybische Gott, selbst ihre Vollkommenheiten zurücksetzte, und seine Augen auf eine ihrer Dienerinnen warf. Pythica ist die gewählte Braut, Pythica ists, welche wir suchen, und Pythica ists, welche wir rauben werden, wenn sie uns versagt wird. Die Prinzessin gerieth, über diesen Antrag, in das lebhafteste Erstaunen, Freude mischte sich in dasselbe, Freude, theils der Werbung für ihre Person entgangen zu seyn, theils ihre liebste Freundin zu einem Glück erhoben zu sehen, das sie in der That für jede andere, außer sich selbst, äußerst annehmenswürdig fand. Ihre Empfindungen mahlten sich in ihren Blicken; doch sie wußte wohl, daß es hier nicht der Ort sey, sie weitläuftig zu äußern, die gewöhnliche Werbungsformel, welche sie eben aus dem Munde des Priesters gehört hatte, mußte mit eben so wenig, und eben so bestimmten Worten, ohne langes Bedenken beantwortet werden, und da Save ihre Pythica genug zu kennen glaubte, um ihren Willen zu errathen, und sie hinlänglich liebte, ihr Glück zu wollen, so antwortete sie mit einer sittsamen Verbeugung: Pythica billigt die Wahl des lybischen Gottes; Pythica wird sich finden lassen; Pythica kann noch diesen Abend, auf ihrem Rückwege aus dem Walde in dieses Haus, geraubt und ihrem Bräutigam geschenkt werden. Man kann nichts anständigers denken, als das Betragen der Prinzessin bey dieser Gelegenheit. Die Priester waren ungemein wohl mit ihr zufrieden, und entfernten sich mit der Versicherung, daß der lybische Gott ihren Gehorsam zu belohnen wissen würde, und daß sie allemahl willkommen seyn werde, wenn sie in seinem Tempel erscheinen würde, ihrer glücklichen Gespielin die gebührende Verehrung zu erzeigen. Das Getümmel, die Verwunderung, die Freude, auch hier und da die kleinen Aeußerungen von Misgunst zu schildern, welche nach Abzug der Gesandten, in dem Frauenzimmer der Prinzessin überhand nahmen, würde überflüßig seyn; schicklicher wäre es vielleicht, der armen Pythica entgegen zu gehen, welche mit der größten Unbefangenheit den Rückweg nach ihrer Prinzessin bereits angetreten hatte, und, als sie um Abendzeit die Schatten des Waldes verließ, von wo der Weg nach dem Hause nur klein war, sich auf einmahl in Räuberhänden sah. Es war schon zu dunkel, als daß sie ihre Entführer hätte erkennen sollen, sie wehrte sich verzweifelt, und würde wahrscheinlich das nehmliche gethan haben, wenn sie ihre Bestimmung gewußt hätte. Ob sie von geschmückten Priestern, oder wilden Arabern geraubt, ob sie in einem vergoldeten Triumphwagen, oder in Fesseln davon geführt wurde, das mußte ihr bey gleichem Verlust ihrer Freyheit einerley seyn, und vielleicht würde sie, wäre Wahl ihr vergönnt gewesen, noch das letzte dem ersten vorgezogen haben. Arme Pythica, die Entscheidung deines Schicksals nahte heran; daß du in deiner Verkleidung schön genug warest, die Augen des lybischen Gottes, oder irgend eines seiner Diener, zu reitzen, war dein Unglück. Entdeckung war nun unvermeidlich! Schon hatte der zu tapfere Widerstand die Geraubte verdächtig gemacht, und als sie bey der Ankunft im Tempel in der Sache ganz klar sehen lernte, und bey der Weigerung, sie loszulassen, alle weibliche Sanftmuth auszog und ganz zur Furie ward, da konnte man nicht mehr zweifeln, hier sey mehr als ein Weib; auch läugnete der ergrimmete Jüngling nichts mehr, er gestand seine Verkleidung, gestand die Absicht derselben, gab sein ganzes Geheimniß preis, achtete nicht der Schande, die bey dieser Gelegenheit auch auf die unschuldige Save fiel, riß darauf einem aus der gaffenden und vor Verwunderung fast zu Stein gewordenen Menge, das Opfermesser aus dem Gürtel, bahnte sich damit einen Weg durch das Gedränge, und entkam, ohne daß man sich erkühnte, diese seltsame Braut aufzuhalten. Indessen unterhielt die fromme Save sich mit ihren Jungfrauen von nichts, als von dem Glück der geliebten Pythica; sie zog nachdenkliche Parallelen zwischen ihr und ihrem vergötterten Bruder, sie nannte Beyde erklärte Lieblinge der Götter, und verlor sich in alle den andächtigen Schwärmereyen, die man ihr zutrauen wird. Ganz begeistert von dieser süßen Beschäftigung, saß sie einst des Abends auf ihrem dämmernden Zimmer, als plötzlich die Thüre aufflog, und sie sich in den Armen eines gewaffneten Mannes erblickte. Das Geheimniß ist enthüllt, schrie eine bekannte Stimme, die Stimme ihrer Pythica. Save, du bist mein! Flucht mit mir, ist der einzige Ausweg der dir übrig bleibt. Deine Ehre ist dahin, dein guter Ruf verlohren; du hast keine andere Wahl, als deine Freundschaft für die glückliche Pythica, in Liebe zu dem unglücklichen Pythicus zu verwandeln, und mit ihm zu fliehen, weit hinweg, wo keine Lästerung die treueste, die schuldloseste Liebe höhnt. Die halbohnmächtige Save hatte in den Armen ihres Räubers, während diesen Worten, schon den Weg bis zu einem Wagen zurückgelegt, der vor dem Thor des Hauses ihrer wartete. Wahrscheinlich verstand sie kaum den kleinsten Theil von dem, was er ihr sagte; aber auf dem Wege zu dem Stadthalter, wohin sie geführt wurde, und bey einem drey Tage langen Aufenthalte in dem Hause desselben, enthüllte sich ihr alles, und nichts vergleicht sich der Verzweiflung, in welche sie durch diese Entdeckungen gestürzt ward. – Lange dauerte es, ehe sie ihren schrecklichen Gefühlen Worte oder Thränen geben konnte; doch in der letzten Nacht, da sie milder über ihre Täuschung weinte, als sie bisher weinen konnte, gelang es ihr endlich in Klagen auszubrechen, welche ihrem Herzen Luft machten. Dies ist also, sagte sie zu sich selbst, der Lohn unschuldiger Frömmigkeit, Schimpf und tausendfältige Täuschung! O Religion der heiligen Isis, was soll ich von dir glauben, wenn du deine Geweihten in solche Labyrinthe führst! Aus der sichern Freystatt in dem Tempel zu Theben trieb mich die Pest. Im Hayn der Philosophen täuschte mich trügliche Weisheit. Das Abentheuer bey den Memnonssäulen macht mich wegen meiner frommen Einfalt erröthen. Die Brautwahl des Lybischen Gottes ist wahrscheinlich die andere Hälfte zu jener Geschichte. O Priester, Priester der Völker am Nil! wie geht ihr mit uns um! und möchtet ihr doch uns hintergehen; aber daß auch Pythicus, der vergötterte Pythicus, mich betrügen konnte, das ist zu viel! Elender! dein frommes Hinstreben nach himmlischer Veredelung, das zuerst meine Augen auf dich zog, war also nichts als Mittel, eine truglose Seele zu fesseln, die für nichts, als Andacht, Gefühl hatte? Dein gefabelter Hingang in die Reiche des Lichts zielte blos dahin ab, die Schwärmerin noch mehr zu bestricken? Dein treuloser Aufenthalt an meiner Seite, deine abscheuliche Verkleidung, stahl mir mein Herz, stahl mir meine unschuldigen Geheimnisse, lieferte mich gang in deine Gewalt, um mich am Ende durch diese grausame Entwickelung mit Schimpf zu belohnen? Und nun bin ich ganz deiner Willkühr überlassen, nun droht man mir mit der Ausführung von Planen, die ich erst kennen lernen, zu welchen ich, die Götter wissen wie, die Hand bieten soll! Arme, arme Save! Abscheulicher Pythicus! ist denn keine hülfreiche Gottheit, die ich bisher noch nicht kannte, mich den Abgründen zu entreißen, zu welchen ich hingeschleudert werde? Save klagte, bis sich ihre Wor^te in unverständliches Murmeln verloren, nur ihre Thränen redeten. Ihre Augen waren geschlossen, und schon lange war ihr Zimmer durch ein überirrdisches Licht erleuchtet, ohne daß sie es gewahr ward. Endlich fühlte sie sich von einer sanften Hand ergriffen, von einer noch sanftern Stimme angeredet. Save! flüsterte eine himmlische Gestalt, die sich, als sie die Augen aufschlug, denselben zeigte, Save! wozu dieser endlose Kummer! Die Götter leben noch, und ohne Ursache ists, daß du sie anklagst. War es die Religion der heiligen Isis, die dich irre leitete? Du verließest sie ohne es zu wissen, du wurdest der Natur untreu, und verlohrst dich in künstliche Sophistereyen, so mußtest du ja irre gehen. Noch kannst du gerettet werden. Gestehe mir jetzt das einzige: Liebst du ihn noch, diesen Pythicus, der dich betrog? Ich bin deine Mutter, bin aus den Reichen des Lichts herabgekommen, dir zu helfen. Rede! beantworte mir nach der Wahrheit die Frage, die dein Schicksal entscheidet. Ob ich ihn liebe? schrie Save. Ja, ich liebe ihn, und weil ich fürchten muß, ihn ewig zu lieben, so will ich ihn fliehen, so will ich mich mit Gewalt seinen Stricken entreißen, die mich, ich fühle es, vielleicht endlich selbst dem Laster fesseln würden. O nur Mittel, nur Gelegenheit, der schrecklichsten Gefahr zu entkommen! Nur einen Ausweg, und sollte es der Tod seyn! Der Entschluß ist groß und heldenmüthig, antwortete die Erscheinung. Ihn zu befestigen diene dir die Versicherung: die Liebe dieses Mannes wiegt nicht die Hälfte der deinigen auf. Ein großer Theil seiner Bemühungen um dich, hat seinen Grund in der Begierde, durch dich groß zu werden. Wisse, ich, die dich gebar, bin die Königin Akenchris. – Pythicus und seine Freunde kennen deine Ansprüche besser als du selbst. Durch dich einst den Thron von Aegypten zu besteigen, ist sein Wunsch, aber die Erfüllung desselben verhüten die Götter! Sie brauchten meine übereilte Wahl eines Gemahls zum Mittel, dem Geschlecht der Pharaonen den Thron zu entreißen, und Save ist nicht bestimmt, hierin den Willen des Schicksals zu ändern. Gehe ein, mein Kind, zur ewigen Ruhe, du hast genug gelitten; deine Wünsche, deine Hoffnungen passen nicht für diese Erde. Dort oben winkt dir Glück und himmlische Liebe! Die Worte der verklärten Königin verloren sich am Ende in überirrdische Melodien, Save's besänftigte Seele hallte sie nach. »Gehe ein, gehe ein zur ewigen Ruhe! Dort oben winkt dir himmlisches Glück!« So tönte es ihr noch wie aus unabsehlicher Ferne zu, als die Erscheinung längst verschwunden war. Ein sanftes Entschlummern aller Sorgen, ein süßes Dahinsterben aller quälenden Gefühle war ihre letzte Empfindung. Sie entschlief – um nicht wieder zu erwachen. Man glaubte am Morgen, sie sey entflohen, denn auch ihre irrdischen Ueberbleibsel hatten die Götter den unheiligen Augen der Sterblichen entrückt, und daher entstand die Verschiedenheit von Sagen, mit welcher die Fabellehre die Geschichte dieser Prinzessin schließt; einige lassen sie, dem Wunsche ihrer Mutter zu Folge, mit welchem sie sie in ihrer Kindheit nach Theben entließ, öffentlich als Märtyrerin der Tugend und Wahrheit sterben. Andere bringen sie nach vielen in der Stille der großen Pyramide verlebten Jahren, unter dem Namen der Königin Nitokris, wieder auf den ägyptischen Thron, und noch andere versetzen sie unter dem Namen der himmlischen Jungfrau 3 , unter die Götter. Ich aber, die ich hier die Geschichte geschlossen habe, erkühne mich zu der Frage an die große Termuthis, ob diese Erzählung wohl im Stande war, das Unheil zu stiften, dessen man mich beschuldigt, und ob es billig ist, mich für das leiden zu lassen, was ich nicht mit einem Gedanken, nicht mit einem Worte, was ich wenigstens nicht gutwillig, veranlaßt habe. Almé, erwiederte Termuthis, ich beschwöre dich bey der Gottheit, die wir beyde verehren, ob dieses ungeändert die nemliche Geschichte ist, mit welcher du Zaiden wenig Stunden vor ihrer Flucht unterhieltest? Ich habe schon einmahl gesagt, antwortete ich, daß ich nicht genau bestimmen kann, ob ich meine letzte Unterredung mit der Prinzessin, überhaupt durch diese Geschichte verlängerte; meine Seele ist durch die letzten Vorgänge zu sehr zerrüttet worden, um hier nach Gewissen bestimmen zu können. Erzählte ich jedoch, so war es diese Geschichte, diese und keine andere. Doch eure Lauscher, die jedes Wort das in jener bedenklichen verhängnißvollen Stunde geredet wurde, so genau zu wiederholen wußten, müssen dieses besser wissen als ich, und ich muß mich freylich ihrer Aussage unterwerfen. Eins dünkt mich: die Geschichte vom Pythicus ist in dem Buche, das man mir so grausam entzieht, noch einmahl enthalten, und ich kann nicht genau bestimmen – Ich weis was du sagen willst, unterbrach mich Termuthis, man soll dir jene Blätter die das Unglück meines Hauses machten, wieder ausliefern. Lies und untersuche, damit dir dein Gewissen dein eigenes Urtheil spreche, und ich entschuldigt sey. Die Prinzessin verließ mich mit diesen Worten, und gegen den Abend war das Buch des weisen Sopher wieder in meinen Händen. Welch eine traurige Beschäftigung für mich, es wieder zu durchblättern, und welche Entdeckungen, die ich bey reifem Nachdenken über dasselbe machte! O weisester unter den Sterblichen, keins deiner Worte war ohne Grund gewesen. Aus Sorge für mein Glück hattest du mich so genau an die Folge der heiligen Blätter gebunden, und ich würde so gewiß dieselbe gefunden haben, wär' ich deinem Befehl treu geblieben, als ich mein Unglück fand, indem ich von deiner Vorschrift abwich. Gezwungen war es, daß ich sie verletzte! – Vergieb, vergieb, o du seliger Geist, was ich wider mein Glück sündigte! Die Einsamkeit des Gefängnisses gab mir mehr Muse das Buch zu untersuchen, als ich bey den täglichen Zerstreuungen an Termuthis glänzendem Hofe gekonnt hatte. Was ich vorher nur muthmaßte, daß eine feindselige Hand hier geschäftig gewesen seyn mußte, das fiel mir jetzt deutlich in die Augen. Jedes der wohlgezählten Blätter war verrückt, man hatte mich jedesmahl erzählen lassen, was man wollte daß ich erzählen sollte. Stellte ich, nach nun erst entdeckten untrüglichen Zeichen, die alte Ordnung wieder her, berechnete ich genau die Tage, in welchen ich das Haus der Prinzessin auf diese Art unterhalten hatte, so fand sichs immer, daß wenig Geschichten der Liebe, und immer nur die gleichgültigsten, auf die Stunden gefallen seyn würden, da ich verdächtige Zuhörer hatte; viele von denen welche mir jetzt Verantwortung zuzogen, gehörten ans Ende des Buchs. Die Geschichte, die jetzt mein Urtheil sprach, fand ich in ganz geänderter Gestalt, und mit Umständen bereichert, die sie freylich für ein schwankendes Herz nachtheiliger machten, als die, welche ich so eben der großen Termuthis wiederholt hatte; Glück und Freude krönte dort, die verbotene Liebe, so wie hier, Elend und Tod. Es war möglich, daß ich in der bedenklichen Lage meines eigenen Herzens, und in der daraus entspringenden Zerstreuung, unvorsichtig genug gewesen war, irgend einmahl diese für jene zu erzählen, und dadurch das Unheil zu stiften, das man mir beymaß. Erwegungen wie diese, stürzten mich in ein Meer von Verwirrung; ich wußte nicht, in wie ferne ich schuldig oder unschuldig war. Man forderte meine Vertheidigung von neuem, aber alles was ich vorbrachte, war ungewiß und schwankend, es diente nur darzu, mich verdächtiger zu machen als ich es schon war. Unerklärlich war mir es, wer in meinem Heiligthume, dem Buche, und dadurch in meinem ganzen Schicksale, diese Verheerung anrichten konnte. Diese geheimnißvollen Blätter waren größtentheils in einer Bilderschrift geschrieben, die nur wenigen bekannt war. Sollte der verführerische Amun, oder Zaidens verkleidete Almé mehr Kenntnisse und mehr Boßheit besessen haben, als ich ihnen zutraute? Wie, oder war ich berechtigt, in meinen Muthmaßungen noch weiter zu gehen? Das Geschlecht der alten aegyptischen Priester war, obgleich ihre Religion bey der damaligen Herrschaft unter dem Drucke lag, noch nicht ganz ausgestorben. Verschiedene derselben gingen in dem Hause der großen Termuthis aus und ein, viele waren oft Zuhörer bey meinen Geschichten, die, wie bekannt, nicht allemahl zum Besten ihres Ordens abzielten; oft war ich von ihnen vertraulich gebeten worden, mich in dergleichen Aeußerungen zu mäßigen, und der Vorwand, daß ich an die Worte meines Buchs gebunden sey, war es vielleicht, was mir mein Unglück, und ihm die Zerrüttung zuzog, welcher jetzt mein regster Fleiß vielleicht nicht ganz abhelfen konnte. Die Sorgfalt, mit welcher ich mein Heiligthum zu verschließen pflegte, war schwerlich hinlänglich gewesen verwegene Hände davon abzuhalten. Welches Schloß, welcher eherne Riegel vermag etwas wider List und Gewaltthat! Mein Verdacht auf die eben erwehnten heiligen Männer ward aufgeregt, da in den Tagen, welche mir zu meiner Vertheidigung zugestanden waren, verschiedene von ihnen sich nicht entblödeten, mich im Gefängnisse zu besuchen, und nach einigen gelinden Verweisen über das, womit ich noch in meiner letzterzählten Geschichte ihren Stand beleidigt haben sollte, mir Vorschläge zu meiner Befreyung zu thun, welche mir die Memnonssäulen, und den lybischen Gott, wieder in frisches Gedächtniß brachten. Andere suchten meinen alten, längst vergessenen Verfolger, Haßan Ebn Raschid wieder hervor. Sie sprachen ziemlich frey von seiner noch nicht getilgten Liebe, von der unaufhörlichen Aufsicht, die er bisher beliebt habe, über alles, was mich betroffen hatte, zu halten, von der Möglichkeit, indem ich mich in seine Arme würfe, dem mir drohenden Schicksal zu entgehen, und von der Furchtbarkeit desselben, wenn ich es darauf wagte, mich ihm zu unterziehen. Diese letzten Vorstellungen waren mir fast die schrecklichsten. Sie waren mir ein Blitz in dunkler Nacht, sie schienen ein grauenvolles Licht über meine bisherigen Schicksale zu verbreiten. War hier vielleicht überdachter Plan und Anlage? mußte ich vielleicht so unglücklich werden, als ich war, damit man mich dem Laster in die Arme stürzen könnte? Ein Fieberfrost durchbebte mich, wenn ich mir dieses lebendig vorstellte, ich dachte an meine zuletzt erzählte Geschichte. Die unglückliche Save, von tausend Fallstricken umringt, stand lebendig vor meinen Augen. Sie wankte nicht, und auch mein Entschluß ward fest, der Tugend ewig treu zu bleiben. Wie? ich, die die heiße glühende Leidenschaft für den edeln Menes zu überwinden wußte, ich sollte weit geringern Versuchungen unterliegen? Fast kam mir ein Lachen an, wenn ich die schwachen kraftlosen Mittel übersah, mit welchen man meine Tugend zu fällen drohte. Die Versuchungen, die ich von dieser Seite auszustehen hatte, waren nicht die Einzigen. Es schien, jedermann im Schloß nahm Antheil an meinem Fall, und suchte denselben zu seinem Vortheil zu nützen. Nach und nach kamen fast alle Frauen der Prinzessin Termuthis, selbst einige von ihren höhern Dienern kamen, mir ihre Hülfe unter irgend einer Bedingung anzubieten. Sie hatten von dem geheimnißvollen Buche das ich besaß, reden gehört, hatten es zum Theil selbst gesehen, ihr Aberglaube machte es zum Zauberbuch, und sie gaben mir zu verstehen, daß ich ihnen nur eine Seite desselben, daß ich ihnen nur die erklären möchte, welche Jeden unter ihnen besonders anging, Jedem, wie sie meynten, sein Schicksal zeigte; dann sollte ich frey, dann gerechtfertigt seyn, dann versprachen mir sogar einige, die nur zu tief in mein Herz geblickt hatten, Glück in meiner hoffnungslosen Liebe – versprachen mir Entdeckungen, die dieselbe begünstigen würden. Hoffnungslose Liebe? Welch ein Wort für die stolze Alme! Dank sey es diesem meinem Stolz, dieses Wort empörte mein Herz, und machte mich noch hartnäckiger in meinen Weigerungen. Ohne ein Zauberbuch zu besitzen, und ohne Wahrsagerin zu seyn, hätte ich vielleicht jedem dieser Frager, die ich nun schon seit einem Jahre kannte und handeln sah, Dinge über ihr Schicksal sagen können, die sie für Prophezeihungen würden gehalten haben. Erfahrung und kalter Beobachtungsgeist reden oft Göttersprüche, wenn der träumende Astrolog Dinge unter den Sternen sucht, von denen man, bey seiner Rückkehr zur Erde, kaum noch etwas weis, oder zu wissen wünscht. Gegen die Nacht kam Termuthis selbst zu mir. Ein ungewöhnlicher Ernst saß auf ihrer Stirne; sie sah das Entsetzen, mit welchem mich ihr Richterblick erfüllte, ( – denn ach, noch hatte eure arme Almé nicht Festigkeit genug, sich hinter dem Schilde der Tugend und Unschuld, vor den Angriffen der Tyranney sicher zu glauben) – sie sah mein Zittern, und bemühte sich mit schlechterem Glück als gutem Willen, mir Muth einzusprechen. Almé, sagte sie, ich will vergessen, wie verdächtig dich alle Umstände, wie verdächtig dich selbst deine gegenwärtige Verlegenheit macht. Ich will dir zugeben, daß sich deine Schuld an gewissen vergangenen Dingen so leicht abläugnen als beweisen läßt. Sey nur jetzt, sey nur in einem gegen mich aufrichtig! – Almé Rusma! Wer bist du! Täusche mich nicht mit der Ungewißheit, welche du bisher über deine Geschichte verbreitetest, nöthige mich nicht, dir Mährchen zu glauben, welche Iphis von deiner Herkunft ausstreut; sie sind Muthmaßungen, höchst unwahrscheinliche Muthmaßungen und – Gewißheiten sinds, die ich verlange. Prinzessin, erwiederte ich, die Frage, welche mir vorgelegt wird, betrifft Dinge, in welchen selbst ich in der größten Dunkelheit tappe. Sollte Iphis, wenn ihr euch herabließet, sie über irgend etwas zu befragen das mich betrifft, sollte sie euch verschwiegen haben, daß ich nach dem Tode des weisen Sopher, fast so sehr als seinen Verlust, die Ungewißheit beweinte, in welcher er mich über die wichtigste Angelegenheit meines Lebens verließ? Ja, ich gestehe es euch, ich halte mich nicht für die Tochter jenes großen Mannes, den ich Vater zu nennen gewohnt war; wer aber dieser Unglücklichen das Daseyn gab, wer mich in die Nacht hinausschleuderte, die mein ganzes Schicksal immer mehr umzieht, und mich nun hülflos umkommen läßt, das ist dem Richter über uns bekannt; er wird nicht richten wie die gefabelten Richter jenseit des schwarzen Sees, gerechter, entscheidender wird sein Urtheil seyn, und vielleicht wird dann die arme verfolgte Almé – Rusma, unterbrach mich die Prinzessin mit verdrüßlicher Miene, du sprichst mit Termuthis, die keinen andern Antheil an deinen kleinen Angelegenheiten hat, als daß sie dir eine Zeitlang Zuflucht in ihrem gastfreyen Hause verstattete, und nun mit Undank von dir belohnt wird. Bedenke, vor wem du stehst, und lerne dich mäßigen. Ich habe, wenn ich auf meine Frage schlechterdings keine befriedigende Antwort erhalten soll, gegenwärtig nichts bey dir zu suchen, als Verkürzung einer müßigen Stunde. Nimm dein Buch zur Hand, und unterhalte mich mit seinen Räthseln, doch werde ich heute selbst wählen; die Zeit ist kurz – (dies sagte sie mit einer höhnisch verbindlichen Verbeugung gegen mich) – die Zeit ist kurz da ich noch des Unterrichts der weisen Almé genießen kann, und ich habe schlechte Neigung, mich nach ihrer Willkühr gerade mit den gemeinsten und uninteressantesten Dingen langweilen zu lassen. Noch giebt es Leute unter uns, die diese Bilderschrift so gut verstehen als die Tochter Sophers, und diese rühmten mir besonders, dieses Blatt, welches das ungeheure Volumen beschließt, als ein Mittel zur Unterhaltung und Belehrung. Rusma wird sich gefallen lassen, mir vorzutragen, was ich befehle, ich bin es müde, mich von ihren Launen leiten zu lassen. Ach, schon längst war mein Heiligthum durch profane Hände entweiht worden, es war nicht mehr Zeit, es in dem heiligen Dunkel zu schützen, das ehemahls seine Sicherheit war. Ich mußte dem Befehl der Prinzessin gehorchen, das Buch war in ihren Händen. Halb war es mir lächerlich, sie mit einer forschenden Miene Blätter umwenden und prüfen zu sehen, die sie nicht verstand, aber in Zittern verwandelte sich mein Lachen, als ich sah, wie ihr Auge auf einer Geschichte verweilte, die ich nie ohne heiliges Grauen gelesen hatte, wie ihr Mund mir befahl zu erzählen was, – ich hatte ausdrücklichen Befehl meines Vaters hierüber – nur unter gewissen bestimmten Umständen, von welchen hier nicht einer vorhanden war, laut werden durfte. Es war eine Geschichte, betitelt: Horme, oder die Braut des Nils. Ihr Eingang bestand in hingeworfenen Zügen, die wahrscheinlich Sophers eigene Geschichte betreffen. Heilige, mir ewig ehrwürdige Dinge, welche ich mit ehrerbietigem Stillschweigen versiegelt haben würde, wenn nicht auch Sophers eigene Hand Weisungen hinzugefügt hätte, die ich, unwissender Weise, schon durch Ungehorsam gegen die Ordnung des Buchs, ungehorsam gemacht, um keinen Preis zu vernachläßigen dachte. Hätte ich aufrichtig gehandelt, wäre ich den oft erhaltenen Lehren meines Vaters zu Folge, den geraden Weg gegangen, der selbst in der bedenklichsten Lage der Dinge, selbst da, wo Vorstellung nöthig scheint, der sicherste ist; so würde ich dem entscheidenden Tone der Prinzessin zum Trotz, ihr meine Bedenklichkeiten gestanden, und mich entschlossen geweigert haben; aber so niedergedrückt wie ich war, wo sollte ich Muth und Entschlossenheit hernehmen? Ich stutzte eine Weile, und faßte dann einen Entschluß, der wahrscheinlich der schlimmste von allen war, weil er vom Pfade der Redlichkeit und Wahrheit abwich, ob ich mich gleich beredete, er sey ein Opfer, das ich Sophers bisher überschrittenen Befehlen brächte. Ohne mich weiter zu bedenken, ergriff ich das Buch, blätterte kurze Zeit in andern Gegenden desselben, um mich zu überzeugen, welches Blatt, nach gestern mühsam ausgerechneter Folge derselben, heute zum Vortrag kommen dürfe, und nachdem ich mich hiervon gnüglich unterrichtet hatte, schlug ich von neuem die Stelle auf, die Termuthis Finger und ihr drohender Blick bezeichnete. Gelassen fing ich an zu erzählen, was freylich hier nicht stand, was ich aber bey der Unwissenheit meiner Zuhörerin in den heiligen Charakteren, ihr als das hierstehende vortragen zu können glaubte. Der Kunstgriff glückte, Termuthis ward ruhig, und ich wünschte mir heimlich Glück, einen so schönen Mittelweg zwischen der Gefahr, sie tödtlich zu beleidigen, und meiner Pflicht gegen die Ordnung des Buchs und die Befehle des weisen Sophers, gefunden zu haben. Elende Rusma! Welch ein Verderben zu dem dich Wahn und Leichtsinn in wenig Augenblicken hinriß! wie große Fortschritte thatst du, ohne es zu wissen, auf dem Wege des Unrechts! Du wagtest es nicht allein, dich einer Falschheit schuldig zu machen, du gabst auch sogar dir selbst triumphirenden Beyfall über deine schlaue Erfindung, und versprachst dir, der Himmel, der jede Ungerechtigkeit rügt, würde deinen Anschlägen beytreten, und sie gelingen lassen. Warum mistrautest du den Waffen der Redlichkeit? Selbst der wahre Umstand, daß dir in der von der Prinzessin gewählten Geschichte, ganze weitläuftige Stellen noch unverständlich waren, und daß du dich also nicht im Stande fühltest sie andern vorzutragen, selbst dieser hätte dir Nachsicht verschaffen können. Das Herz deiner Richterin war in der Hand Gottes, er konnte es lenken wie er wollte, vielleicht erweichte es sich gegen dich; und geschah das Gegentheil, was hattest du zu fürchten als Vertreibung aus einem Hause, das auf keine Weise die Heimath deines Herzens war, oder den Tod, der dir ja in der Verkettung von Umständen in welcher du dich befandest, das Erwünschteste hätte seyn sollen. Ich erzählte, und Termuthis horchte, denn von Augenblick zu Augenblick wuchs ihre Aufmerksamkeit; aber die Geschichte, welche ihre Seele auf so sonderbare Art an sich zog, diese euch wörtlich zu wiederholen, ihr Almés künftiger Zeiten, verbeut mir meine Bestimmung; siehe die Hand des Schicksals ist über mir, sie reißt mich von Vorgängen zu Vorgängen fort, die nicht Fremde, sondern mich selbst betreffen. Hinfort darf ich euch, denen diese Blätter geweiht sind, nicht mehr die Zeit mit lehrreichen Märchen hinwegtändeln, das weit lehrreichere Schicksal eurer Rusma reißt mich zu nothwendigern Schritten hin. Ihr habt gesehen welche Wege eure Vorgängerin gegangen ist, ihr werdet sie in noch tiefere Labyrinthe begleiten. Hoch ist, und schwindelnd der Stand, auf welchem ihr stehet. Wahret euch durch die Weisungen die mein Schicksal enthält. Ich erzählte, und Termuthis horchte. Das Gemälde das ich ihr vorzeichnete, bey Gott nicht das Werk meiner eigenen Wahl sondern meines seltsamen Geschicks, war die Geschichte der edeln Aruma, einer Aegypterin aus Pharaonischem Stamm. Das Glück schien sie von der Wiege an zu seinem Liebling geweiht zu haben. Schönheit, Talente, hohe Abkunft, Reichthum, machten sie zur Göttin ihrer Zeit. Sie war glücklich in der Liebe, glücklich in der Verbindung mit dem Gewählten ihres Herzens, glücklich in liebenswürdigen Kindern. Selbst als das Elend ihr Vaterland von allen Seiten überschwemmte, als Feinde den Thron ihrer Väter umstürzten und alles in Blut und Thränen sich badete, blieb ihr Geschick erträglich. Sie rettete alles was ihr das liebste war, und selbst der nicht sehr beweinte Tod eines Gemahls, den sie, seit er nicht mehr blos ihr Verlobter war, nur pflichtmäßig liebte, selbst dieser ward ihr das Mittel zum abermahligen Emporsteigen. Sie ward die Gemahlin des Eroberers ihres Vaterlandes, und trug, da ihrer Bedenklichkeiten wenig waren, keinen Scheu, es zu werden. Ihre Kinder barg sichere Dunkelheit, sie krönte Glanz und königliche Größe. So verlebte sie die Blüthentage des Lebens. Jetzt kam der Herbst der Jahre, und machte ihr Ruhe erwünscht, Ruhe in den Armen ihrer Kinder. Das Schicksal, das ihr Zeitlebens nichts versagt hatte, schenkte ihr auch diese. Ihr nicht geliebter Gemahl, er, den sie blos um das gewohnte Leben einer Königin fortführen zu können, gewählt hatte, verließ sie und die Welt, in dem Wahne, er sey ihr alles das gewesen, was sie ihm war. Er hinterließ ihr unermeßliche Reichthümer, und die gewünschte Ruhe die ihren Jahren angemessen war, in einer der schönsten Gegenden des Königreichs. Ihre Kinder waren um sie her, und die Hoffnung ihres Glücks vergoldete den Abend ihres Lebens. Hier ward Termuthis unruhig, sie glaubte ihre eigene Geschichte erzählen zu hören, ich aber nur halb gegenwärtig bey meinen Worten, und weit entfernt Anwendungen zu machen die jedem Wissenden in die Augen fallen mußten, (ich wußte aber nur wenig von Termuthis Geschichte) fuhr mit der größten Unbefangenheit fort: Aruma bezog ihre königliche Wohnung am Ufer des Nils, und fand auch hier Spuren von der Partheylichkeit des Glücks. Ihre Gegenden blühten schöner als die andern alle; der zürnende Himmel, der oft diese Gefilde verheerte, verschonte nur ihre Triften, nur ihre Heerden wurden nie von den Arabern hinweggeführt, und ansteckende Seuchen überstiegen nur die Mauern ihrer Palläste niemahls. Sie lebte in froher Sicherheit dahin, und dankte selten den Mächten des Himmels, die sie verschonten. Noch hatte sie, ungeachtet schon Jahre verflossen waren, seit sie ihr Eden bewohnte, noch hatte sie seine Grenzen nicht ganz durchwandert. Man sagte ihr von einem abgelegenen Pallast an der äußersten Grenze ihres Gebietes, und die Dinge welche man ihr von demselben erzählte, reizten ihre Neugier. Einer der vormahligen Besitzer hatte dort einen besondern Götterdienst gestiftet, und Aruma, eine Forscherin in dergleichen Dingen, obgleich nichts weniger als wahrhaftig fromm oder andächtig, bereitete sich mit feyerlicher Erwartung zu dem Anschaun der heiligen Sonderbarkeiten. Höchst sonderbar war auch in der That das, was sie erblickte, schon die Lage des Pallasts, ein finsteres Tamarindengebüsch, schon die Aufschrift an der Stirne des großen Thors, erregte Schauer und seltsame Ahndungen. So lauteten die Schauder erregenden Züge: »Der furchtbaren Nemesis, der Anklägerin und Rächerin zu großen Glücks, weihte diese Schatten ein Sohn der Vergänglichkeit.« Aruma las diese Worte, und ich weis nicht, warum sie zitterte. Man sagte ihr, der Stifter der Geheimnisse, welche dieser Bau verschlossen halte, sey glücklich gewesen wie sie, und habe sich durch Demuth und Furcht der Götter in ewig blühendem Glück erhalten, und ihr Mund verzog sich zu einem Lächeln, das niemand deuten konnte. Aber dieses Lächeln dauerte nicht immer; als sie das Innere des heiligen Bau's betrat, als man ihr in wenig Worten die Grundsätze vorlegte, auf welchen der Dienst der Gottheit die hier verehrt wurde, der großen Nemesis, beruht, da hüllte sich ihr Gesicht in tiefen Ernst. Ihr sollt einige von diesen Worten hören, ob auch euch ein heiliger Schauer vor der Stimme der Wahrheit anwandeln möchte. »Jedem Sterblichen,« so lautete eine Innschrift, die auf der Marmorwand der Vorhalle eingegraben war, welche Aruma zuerst betrat; »Jedem Sterblichen bestimmten die Götter ein gleiches Maas von Glück und Elend. Doch ein unbegreifliches Geschick wirft die gleichen Loose durch einander, und so gewinnt oft ein Liebling des blosen Zufalls alles, indessen sein Bruder, der besser ist, als er, alles verliert. Die Göttin mit der Meßschnur und der richtenden Wage, die Göttin, die mit einer Hand den Zügel der Leidenschaften, mit der andern die Geißel der Rache hält, die furchtbare Nemesis, sieht und rächt diese Ungleichheit, und derjenige, den das Schicksal auf die günstige Art auszeichnete, ist schon darum ein Gegenstand ihres Hasses. Glücklicher, der nie einen Wunsch verfehlte, dem nie ein Anschlag mislang, zittre vor der Größe deines Glücks! eile und versöhne die Rächerin! Dein Fortschreiten auf diesem geweihten Boden, lehre dich, welche Opfer die große Schützerin des Gleichgewichts fordert.« Aruma las, zitterte, zögerte, und ging weiter. Ihr Weitergehen zeigte, daß sie schon halb zu dem Glauben an die furchtbare Nemesis bekehrt war, und daß sie Belehrungen wünschte, die ihr hier versprochen waren, die sie aber nirgends anders, als in Bildern fand. Der Fußboden auf welchen sie trat, war glatt wie polirter Crystall, nur die äußerste Behutsamkeit konnte für Ausgleiten und Fallen schützen. In den vier Winkeln des Hauses waren Bildsäulen von Marmor aufgerichtet, vor deren dreyen der Erbauer dieses Heiligthums täglich zu opfern pflegte, nachdem er vor der vierten eine Stunde im tiefen Nachdenken verweilt hatte. Diese aus weißem Marmor geformte vierte, war die menschlichste unter allen; sie war kein Götterbild. Eine sittsame weibliche Figur, die mit tiefem Ernst in ihren eigenen Busen schaute, indeß die liebreich ausgestreckte rechte Hand, einem Hülfe bittenden Kinde entgegen kam. Zweye der andern Bilder, von schwarzem Marmor geformt, waren Abbildungen der Nemesis; man konnte die furchtbare Göttin nicht verkennen. Mit richtendem Blick maß sie hier die Länge ihres eigenen gebogenen Arms vom Ellenbogen zum Zeigefinger, indessen die andere Hand die Wage hielt; und dort schwang sie mit fürchterlicher Miene den zerrissenen Zügel und die Geißel, nun schön nicht mehr zu versöhnen, nun schon unerbittlich erzürnt über gebrochene Gesetze der den Menschen ziemenden Gleichheit. Vor jener Bildsäule mochtest du noch opfern, vor dieser nicht, du fandst hier keine Erhörung. Den vierten Winkel des Hauses beherrschte der Genius des Todes, mit der umgekehrten Fackel in der Hand, halb aus schwarzem halb aus weißem Marmor gebildet, hier lächelnd und Freude winkend, auf der andern Seite mit drohendem Furien-Blick. Aruma, welcher das Nachdenken, das in dieser heiligen Stille herrschte, wohl gethan hatte, sank vor diesem Altar nieder, sie hatte keine der Deutungen verfehlt die ihr hier entgegen kamen und tief waren sie in ihr Herz gegraben. Sie betete lang, und erhob sich, um im Innersten des Heiligthums neue Belehrungen zu suchen. Sie fand sie und wußte sie zu nutzen. Niemand war ihr gefolgt in das mittlere Gewölbe, welches von hellspiegelnden Crystalltafeln zusammengesetzt war, niemand weis, was ihr allda begegnet seyn mochte, aber wahrscheinlich zeigten ihr die wunderbaren Spiegel ihr eigenes Bild in vergangenen Tagen; sie sah, wo sie die große Nemesis gereitzt hatte, und wie sie zu versöhnen war, und weiser, als sie diesen heiligen Boden betreten hatte, verließ sie ihn. Wink der Gottheit führte sie dorthin, um sie vom Verderben zu retten; ihrem übergroßen unerkannten Glück drohte die Nemesis; es war Zeit, sie zu versöhnen. Glückliche! merkt die Lehren des Tempels der Rachgöttin! Der glatte schlüpfriche Boden dieses Heiligthums lehre euch Behutsamkeit auf jedem eurer Tritte, sie ist dem Lieblinge der Götter, ihm, dessen Blicke immer an der Sonne hängen, nöthiger als dem vom Glück Verworfenen, dessen Nacken das Elend ohnedem schon zur Erde beugte und jeden seiner Schritte messen lehrte. Jenes weiße Marmorbild lehre euch stets in euren Busen schauen, und euch prüfen, wie ihr die Begünstigungen des Glücks verdientet und wie ihr sie angewendet habt; auch lehre euch die nach der Hülflosigkeit ausgestreckte Hand, verbessern, was das blinde Schicksal verderbte. Die Lehren, die euch das Bild der warnenden, und der rächenden Nemesis predigt, kennt ihr, auch wißt ihr wohl, daß ihr die beste Lection für das Leben von dem Engel des Todes nehmen könnt, vor welchem Aruma betete. Erhebt euch von den Füßen seines Altars, in das Spiegelgewölbe, dessen Geheimnisse ich euch nun enthüllen will. Schwärmerin! unterbrach mich hier Termuthis mit Unwillen, wem erzählst du deine Fabel? oder von wem handelt sie? Ich sah die Prinzessin mit verwunderungsvollen Augen an, mir war's, als erwachte ich aus einem Traume. Hatte ich jemahls Begeisterung gefühlt, so empfand ich sie in jenen Augenblicken, die mir noch jetzt ein Räthsel sind. Mit kaltem Blute, mit halber Aufmerksamkeit hatte ich meine Geschichte begonnen, nach und nach ward ich durch einen Strom, von Gedanken zu Gedanken fortgerissen. Nicht ich, eine fremde Macht war es, die bisher durch meinen Mund geredet hatte, und jetzt stand ich auf dem Punkte Erscheinungen zu schildern, die ich selbst nicht begreifen konnte, die aber mich, und die Person, zu welcher ich redete, sehr nahe anzugehen schienen. Bilder gingen vor mir über, welche die Zukunft mir selbst erst erklären mußte, und deren gegenwärtige Enthüllung der bestürzten Termuthis, welche zu wissen schien, was sie zu erwarten hatte, es besser zu wissen schien als ich, das willenlose Werkzeug der Götter, unwillkommen seyn mußte. – Termuthis harte Anrede schreckte mich auf, mein Zustand war einem Erwachenden gleich, der gehabte Träume nach und nach verschwinden sieht, und nicht fähig ist, die fliehenden fest zu halten. Was Aruma in dem Spiegel, den ihr Nemesis vorhielt, gesehen hatte, hätte ich jetzt, aus meiner wunderbaren Begeisterung gerissen, nicht mehr erzählen können, auch schien Termuthis nichts weniger, als diese Erzählung zu wünschen. Sie war in fürchterlicher Bewegung, sie stampfte mit dem Fuße, und gebot mir, mich zu entfernen. Ich wußte nicht, ich konnte nicht errathen, womit ich sie gereitzt hatte. Einer der Priester, welcher bey dem Ende der Erzählung gegenwärtig gewesen war, suchte sie so weit zu besänftigen, daß sie mir den Schluß meiner Erzählung vorzubringen erlaubte. Er war kurz! und, wär' er länger gewesen, ich hätte mich nicht im Stande befunden, so bestürzt als ich selbst war, ihn vorzutragen. Aruma, so endigte ich, verließ gebessert den Tempel der Nemesis, den sie hinfort täglich besuchte. Sie schien immer auf Spiegelglas zu gehen, sie sah unabläßig in ihren Busen, und ihre Hand richtete jeden Tag einen Hülflosen aus dem Staube auf. Sie übertraf in Mitleid und Demuth sich selbst. Die Krone ihrer guten Handlungen war die Großmuth, mit welcher sie die Hand ihres einzigen Sohns einem unglücklichen aus der Dunkelheit gezogenen Mädchen gab, dem ihre Wohlthätigkeit Zuflucht in ihrem Hause verstattet hatte, und mit welcher die Götter die sie ihr zusandten, um sie zu prüfen, große Dinge vorhatten. Sie hieß Rusma, und der Sohn Menes! unterbrach mich hier die wüthende Termuthis mit einem Tone, den ich noch nie aus ihrem Munde gehört hatte. Verworfene! Rasende! wie elend ersonnen ist der Plan, mir in deinem Märchen zu zeigen was du von mir hältst und was du von mir forderst! So wenig Termuthis die Aruma ist, die du mit tausend Verläumdungen schildertest, so wenig bedarf sie die Nemesis durch das Opfer auszusöhnen, welches deine plumpe List ihr zumuthete. Entferne dich augenblicklich, um das Urtheil zu erfahren, dem dich nun nichts entreißen kann. Zu spät ists nun dir Mittel zu entdecken die ich selbst ersann, um dir die schon zuvor verdiente Strafe zu ersparen. Zu lange schonte dich meine Langmuth! Alle deine Plane sind nun entdeckt, und du sollst sie mit dem Leben bezahlen. Du entferntest meine Tochter, du verführtest meinen Sohn um Königin meines Hauses zu werden, um endlich auch mich zu verdrängen! Hinweg Schlange, die ich in meinem Busen nährte! Ich war betäubt, war wie in den Boden gewurzelt. Anstatt daß ich Termuthis verlassen sollte, verließ sie mich weil ihr mein Anblick unerträglich war selbst, und ihr Begleiter, der einzige Zeuge dieser seltsamen Vorgänge, folgte ihr. Mir war es wie einem der in der Trunkenheit eine Uebelthat verübte, und nun dafür büßen soll; unbegreiflich scheint ihm sein Verbrechen, und ungerecht seine Strafe. Nach und nach lernt er heller sehen, nach und nach lernte auch ich es, ob ich gleich noch bis diese Stunde meine eigene Handlungsweise nicht ganz begreifen kann. Ich sagte vorhin, ich sey begeistert gewesen, sey willenlos zu dem, was ich vortrug, und dessen Folgen ich nun erfuhr, hingerissen worden; – Möglich! – aber auch möglich, daß die höchst seltsamen, und höchst unglücklichen Vorgänge der letzten Tage, die Schlag auf Schlag einander gefolgt waren, meiner Seele würklich eine augenblickliche Zerrüttung zuzogen, und mich Dinge sagen ließen, die ich selbst nicht verstand, die ich jetzt erröthete vorgetragen zu haben. Eine Dame, eine Termuthis durch Erzählung einer Geschichte die ganz auf sie paßte, ins Angesicht zu beschämen, mich der plumpesten List, der niedrigsten Rache verdächtig zu machen, am Ende nicht viel anders thun, als mich der Mutter des Menes zur Tochter aufzudringen; arme Rusma, welche Beschämung! Sie war vielleicht gerechte Vergeltung von deinem eben begangenen Verbrechen gegen die Regeln des Rechts und der Aufrichtigkeit; aber hart, sehr hart war sie, der Tod wäre dir lieber gewesen. Nur zu gewiß ists, daß eine gutgesinnte Seele den Unwillen der ganzen Welt und ihre Verachtung eher aushalten kann, als eigenen Unwillen und eigene Verachtung: Laßt mich dulden was ich kann, ihr Mächte des Himmels, nur laßt mich niemahls in mein eigen Urtheil herabsinken, nur nie das Elend erfahren, denen, die mich verurtheilen, mit voller Seele beystimmen zu müssen!!! So vernichtet war es, daß mich Almar, der Zuhörer der letzten Geschichte, antraf. Er war der Bote der großen Termuthis von Oxyrinchus, den Ueberbringer meines Urtheils. Was hast du gemacht, Rusma! rief er, indem er mich mit mehr Schonung als ich jetzt von irgend einem rechtschaffenen Wesen zu verdienen glaubte, bey der Hand nahm. O, schrie ich, verschone mich mit den Vorwürfen die ich mir selbst mache! Du machst dir vielleicht noch nicht alle die du verdienst, erwiederte er. Laß mich die unbegreiflichen Thorheiten der eben erzählten Geschichte, laß mich den, mit deinem bisherigen Character ganz unverträglichen Betrug, den du der Prinzessin spieltest, indem du ihr eine Geschichte vor die andere unterschobest, übergehen, und sage mir blos dieses, warum wolltest du ihr nicht vortragen was sie forderte, und worauf, ich muß dir es nur gestehen, mein Rath ihre Wahl lenkte? Ich sagte meine Ursachen, die er natürlich nicht ganz begreifen konnte. Wisse, fuhr er fort, indem er den Kopf schüttelte, du hast dir da in der Unmöglichkeit, zu erzählen was man dir vorschrieb, ein Gespenst gebildet, hinter dem sich dir dein Glück verbarg! O Rusma, wie thöricht handeltest du! Du kennst dich selbst nicht, ich kenne dich besser, und du, und Termuthis würden dich kennen gelernt haben, hättest du dem Winke gefolgt, den dir die Vorsicht gab, durch mich gab. Wisse, ich, der das Buch des weisen Sopher vielleicht so gut, vielleicht besser versteht, als du, arbeitete durch meine Vorschläge die Gelegenheit heran, dich auf einmahl, aus den traurigen Verhältnissen zu reißen, in welchen du dich jetzt befindest, und aus welchen nun nichts dich retten kann. Du hättest – wäre es nach meinem Plane gegangen, du hättest geredet was du solltest, hättest den Vorhang aufgezogen, der dein Glück verdeckt, Termuthis hätte dich für die erkannt, die du bist, hätte dich erkennen müssen, meine Gegenwart bürgte dir dafür, und Menes wär dein gewesen, dein auf ewig! – Dies ist nun alles vorbey, du bist verloren, und ich darf dich im Thale des Elends, das du nun noch Jahre lang zu durchwandern hast, nicht wieder sehen, ich, der Einzige von allen, die dich umgeben, der es redlich mit dir meynt. – Wir wurden hier unterbrochen; man kam, mich in einen fürchterlichern Kerker zu führen. Almar verließ mich, nachdem er den Namen Hermunthis, ich wußte nicht warum, mir noch als im Fluge zugerufen hatte, und ich sah ihn nicht wieder. Mein Geschick war schrecklich. Meine Gefühle, die durch Almars, zwar kaum zur Hälfte verstandene Worte, aufs empfindlichste geschärft wurden, übergehe ich; ihr, ihr feinfühlenden Seelen, könnt sie euch denken: aber auch mein äußeres Leiden häufte sich, und gut war es, daß es mich dem Tode entgegenführte, denn fast konnte ich es nicht mehr ertragen. Nach langen in meinem Kerker erduldeten Qualen, forderte man mich endlich vor Gericht. Ich konnte mein Urtheil errathen, da meine Klägerin, die beleidigte Termuthis, und meine Richter diejenigen waren, die ich schon aus verschiedenen Auftritten während meiner Gefangenschaft kannte. Selbst in den letzten Tagen war noch dieser bey mir gewesen, und hatte mir, unter Versprechen der Freyheit, sein Herz angetragen, indessen ein Anderer für Ebn Raschid, und ein Dritter sogar für den Prinzen Menes, für meinen ewig geliebten Menes, sprach, der mich so ganz verlassen hatte, seiner Almé sogar nicht mehr zu gedenken schien. Alle, selbst Menes Vorsprecher, waren, einer wie der andere, abgewiesen worden; dachte Menes nur auf diese Art an mich, so sollte sein Andenken ewig vergessen seyn! Diese, von mir abgewiesenen, beleidigten Freyheits-Boten, waren nun Termuthis gedungene Kläger und Richter. Von dem, was mich eigentlich in den Augen der Prinzessin vollkommen verdammte, von meiner allzukühnen letzten Erzählung kam nichts in Vortrag, man wußte andere Mittel, mich unter dem Schein des Rechts zu verurtheilen. Einer klagte mich an wegen der Verführung Zaidens, ein Anderer brachte Menes und seine unstatthafte Liebe für mich in Erwegung, (es war der nemliche, der vor wenig Tagen, mich durch ihn zu befreyen versprach,) ein Dritter zerlegte meine Grundsätze in der Religion, und bewies sie aus meinen ruchlosen Reden gegen Gottheit und Priesterthum; und ein Vierter erhärtete, daß alles, was ich von den aegyptischen Gottheiten zu glauben vorgäbe, nichts sey, als Heucheley, indem ich heimlich einer neuern Religion anhange, die Sopher mir eingeflößt und deren Grundsätze er in sein Buch übergetragen habe. O! unterbrach ich diesen Kläger, o wahr! wahr ist das letzte deiner Zeugnisse! Ja, ich kenne bessere Lehren als die ich zu glauben vorgab! Meine Verstellung, meine Doppelherzigkeit verdient die Strafe, die ich nun erleide, ich that unrecht mich zu verstellen, mochten auch die Ursachen meines Verfahrens so scheinbar seyn als sie wollten! Mir geschieht Recht in dem Urtheil, das über mich ergeht, und sehe ich in mein vergangenes Leben zurück, so finde ich es durch die Stimme der Vorsicht bestätigt! Meine heuchlerischen Besuche in den Moscheen wurden die ersten Ursachen meines Unglücks, indem sie mich einem Verführer bekannt machten, und die Folgen meiner Bequemung nach den Grundsätzen dieses Pallasts, erfahre ich in diesem Augenblicke. Hinab! Hinab mit mir! Almé verdient nicht länger zu leben! Wenn der Verklagte selbst sein Urtheil spricht, was sollen die Richter länger zögern? Hinab! Hinab! rief ich, die die Art des mir bestimmten Todes kannte, und meine Richter wiederholten dieses schreckliche Wort. Man führte mich an einen tiefen Brunnen, im Innersten des Gefängnißhofes, man nahm mir meine Fesseln, man hob mich auf den Rand des Abgrunds, man ließ mich sinken, und unter dem grauenvollen Gefühl eines unabläßigen Fallens, vergingen mir meine Gedanken.