Schäffer-gedichte. Sylvia B.N. Der arme Thyrsis lag nechst unter einer eichen/ Bey quellen/ die an glantz dem hellen silber gleichen/ Und dachte lange zeit dem herben ungemach Und den verkehrungen in seiner liebe nach. Doch endlich lößte sich die stimme seiner zungen/ Und sang/ daß berg und thal von diesen worten klungen: Ach strenge Sylvia! Warumb verachtst du mich? Die sonne brennt und wirfft die strahlen unter sich. Lufft/ feld und erde brennt/ die kühlen ströhme brennen Von flammen/ die auch schon die jungen lämmer kennen: Dein Thyrsis aber fühlt mehr/ weder alle pein/ Und du alleine nur wilst schnee und kälte seyn. So bald ich neulich dich/ (du wirst es noch wohl wissen) Mit auffgeschürtztem rock und halb entblößten füssen/ Als eine jägerin/ durch wald und püsche ziehn/ Und jene hindin sah für deinen waffen fliehn; So dacht ich bey mir selbst: Was fliehstu für den wunden/ O hindin/ die du doch in solchen händen funden? Und gleich den augenblick entbrannte blut und hertz/ Ich fühlt/ ich weiß nicht was für einen seelen-schmertz: Die mutter aber sprach: es wäre brunst und liebe. Was solt ich ärmster thun/ daß ich verschonet bliebe? Ich riß den engen rock biß an den gürtel auff/ Ließ meine schafe stehn/ und sprang in vollem lauff Dir auff dem fusse nach: Allein du warffst die hände Und deinen weissen schleyr (o allzustrenge hände! O allzuharter schleyr!) vor mund und brüste für/ Und flohest ärger noch als wild und hirsch vor mir. Drauff stund ich gantz erstarrt/ gleich wie die matten tauben/ Wenn ihnen pfeil und blitz den süssen buhlen rauben/ Und rieff wohl tausendmahl dir deinen namen nach; Gleich legte sich der wind und wehte gantz gemach. Du aber lieffst mir nach/ indem ich rieff/ zum possen/ Und hattest ohr und hertz/ wie deine brust/ verschlossen. Wer hilfft mir ärmsten nun in meiner schweren pein? Ich lauffe hügel an/ ich steig ins thal hinein; Doch thal und hügel hört mein weinen und mein klagen: Ja Echo will mich gar mit wieder heulen plagen/ Und ist zugleich betrübt. Jedoch ich wünsch allein Verliebt/ und auch allein bey mir betrübt zu seyn. Sonst möchte/ wenn allhier sich falsch und wahr gesellten/ Die Nymphe meinen schmertz auch für erdichtet schelten. Wiewol es ist umsonst mein weinen und mein schmertz: Denn du/ o Nymphe! treibst mit allen beyden schertz. So sehr verachtet mich nicht Phyllis und die Dore: Dann Phyllis band mich nechst mit einem haber-rohre/ Das ihr corallen-mund mit freuden offt geküst/ Und Dore hat mich gar erst heute noch gegrüst. Allein nicht Phyllis mund/ nicht Dorens purpur-wangen Sind mächtig so wie du/ mein treues hertz zu fangen: Der wald wird zeuge seyn/ die oder und der strand/ Und jener erlen-baum/ auff dessen rinden-wand Ich unsre nahmen nächst mit thränen angeschrieben. Ich hab es selbst gesehn/ wie ihre schrifft beklieben. Des abends stunden sie noch weit und unvermengt: Des morgens waren sie wie ketten eingeschrenckt. Dreymal hab ich mit lust diß wunderwerck gelesen/ Und dreymahl bin ich fast für küssen todt gewesen/ O küsse! die nach thau – Was aber hilfft es mich? Die nahmen sind vermählt/ die leiber scheiden sich. Der helle Lucifer bringt schon den dritten morgen; Und dennoch sieht man mich nicht für die schafe sorgen. Die ziegen haben noch kein frisches graß geschmeckt; Die jungen böcke nur die dürre brust geleckt: Ich selber habe noch vom weine nichts genossen/ Kein stücke brod gesehn/ kein auge zugeschlossen. Denn ohne dich vergeht mir alle schäfer-lust/ Und ohne dich ist mir auch kein geschmack bewust. Doch gönnstu einmahl uns nur einen süssen morgen; So will ich wiederumb für meine schafe sorgen. Die ziegen sollen fort und in die weide gehn; Die eyter voller milch/ die böcke truncken stehn: Ich selber aber will den Bachus wieder grüssen/ Nach frischem brodte sehn und neuer ruh geniessen. Und stürbe gleich mein vieh/ mein väterliches gut/ Und aller wiesen-wachs durch feur- und wassers-flut/ So will ich/ wann sie mich nur deiner nicht berauben/ Mich dennoch in der welt am allerreichsten glauben. Wann der beperlte thau des morgens nieder fällt/ Und sich das erste licht der sonnen eingestellt/ Schau ich den tropffen zu/ indem sie sich verbinden/ Ob ich dein bildniß kan in ihren farben finden. Ich sehe vielerley: Nichts aber ist wie du. Das gold schleust seinen glantz für deinen haaren zu. Der reiff muß deiner haut/ der stirne liljen weichen/ Den wangen ist nicht blut und frische milch zu gleichen/ Der mund beschämt rubin/ die zähne helffenbein/ Die augen Phöbus licht und aller sterne schein. Vom andern weiß ich nicht/ wie einem muß geschehen; Weil ich es/ schönste/ nur kan in gedancken sehen. Wenn denn Aurorens schooß die rosen auffgethan/ So schau ich ihre pracht mit steiffen augen an/ Und suche deinen mund in ihren purpur-strahlen: Doch bleib ich zweiffelhafft/ was schwerer sey zu mahlen/ Du/ oder aber sie. Ja/ wenn ich endlich dich Im felde nirgends seh/ so übereil ich mich/ Und denck: Ist nun ihr geist in himmel gar gestiegen? Und kan sie denn zugleich bey sternen und bey ziegen/ Des abends Sylvia/ und früh Aurora/ seyn? So denck ich/ trifft es gleich nicht mit der warheit ein. Ach Sylvia! du wirst nicht ewig so verbleiben. Der tod kan seine lust mit blum und schönheit treiben/ Und du möchtst endlich wohl im alter in dich gehn/ Ich aber weiß mir nicht die schmertzen auszustehn. Schau! Bachus liebt den wein. Weil Bachus wein wird lieben/ Soll sich dein Thyrsis auch in steten flammen üben. Je mehr du für ihm weichst/ je weiter folgt er nach. Denn dir zu g'ringe seyn/ ist weder schimpff noch schmach. Ja solte gleich die zeit den spiegel dir verderben/ Und dein gesichte so wie deine jahre sterben/ So soll mir/ schönste/ doch noch deiner rosen schein/ Und deiner glieder schnee stets für den augen seyn. Ach stoltze Sylvia! Laß deinen zorn sich wenden/ Ich will dir/ wo du willst/ auch wohl geschencke senden. Nicht etwa die der wald und unser garten trägt; Nicht die das reiffe feld uns in die scheuren legt; Nein: Sondern einen putz mit puder überschlagen/ Wie in der stadt itzund die bürger-töchter tragen/ Und einen bunten korb/ den neulich erst Serran Mit grosser kunst gemacht/ Serran/ der kluge mann. Der hirten gröste lust und zierrath unsers landes/ Der alle bürger so an gaben des verstandes Gleich wie die nachtigal die raben übertrifft; Der mich zuerst gelehrt/ wer diese welt gestifft/ Woher ihr roher teig und ihre forme kommen; Wie städte sich gemehrt und wieder abgenommen; Was sonn und monde seyn/ und wie ihr licht die welt Durch seinen steten lauff in der bewegung hält: Der sag ich/ alles mir/ nur dieses nicht gezeiget/ Wie man/ o Sylvia! dein steinern hertze beuget. Doch wo du hierdurch auch nicht zu bewegen bist; So weiß ich ärmster nicht/ was weiter übrig ist/ Als daß ich meinen rumpff an diesen eichbaum hencke. Vielleicht liebst du mich todt/ weil ich dich lebend kräncke. Schreib aber auff mein grab nur noch zu guter nacht: Allhier hat Sylvia den Thyrsis umgebracht.