[20.] Galathee Corydon der ging betrübet An der kalten Cimbersee Wegen seiner Galathee, Die er vor so sehr geliebet, Die ihm vor so sehr behagt, Eh' er ward von ihr verjagt. Seit daß ich hinweg bin kommen, Seit daß wir geschieden sein, Sang er, hat des Mondens Schein Viermal ab und zugenommen; Galathee, so lange Zeit Bin ich von dir allbereit. Nun, du wirst dich noch besinnen, Daß ich bei dir ganz und gar Fuß zu halten willens war Und auch kaum gesegnen können: Raue Heidelberg mich sehr, Du viel tausent mal noch mehr. Galathee, ich were blieben, Ungescheut der Kriegesnoth; Der verlacht Gefahr und Tod, Welcher treulich pflegt zu lieben; Aber es ist dir wol kund, Daß es gar bei mir nicht stund. Ich zoh hin von meinen Schafen, War auch schon biß an den Main; Doch es wolte ganz nicht sein, Ich vermochte nicht zu schlafen, Biß ich wieder zu dir kam Und noch einmal Abschied nahm. Dann must' ich, was solt' ich machen? Wieder auf mein Frankfurt zu; Tityrus der sprach: wie nu? Wie stehts jetzund um die Sachen? Mich bedünket ganz und gar, Daß dir vor viel besser war. Tityrus ist recht gewesen, Ich ward immer ärger krank; Thyrsis gab mir einen Trank, Ob ich könte so genesen; Aber alle Kräuterkunst War vergebens und umsunst. Keiner Müh' hab' ich geschonet, Schifft' hin in das Niederland; Leiden wird die Stadt genant, Da der große Daphnis wohnet; Daphnis, der berühmte Mann, Der so trefflich spielen kan. Ich kam zu ihm, wolte singen, Wie zu Heidelberg vorhin: Nein, es schlief mir Muth und Sinn, Alle Worte must' ich zwingen; Bloß mein Schatten ging allhier, Ich war nirgend als bei dir. Doch er ließ es ihm gefallen, Sagte: wol, mein Corydon, Fahre fort; dein guter Ton Kan noch weit und breit erschallen; Es war aber nicht vor mich; Ich gedachte nur an dich. Bin ich unten oder oben, Es gilt alles eben viel, Und was hilft es, daß mein Spiel Alle, die es hören loben? Du hergegen, o mein Licht, Die ich lobe, hörst es nicht? Nachmals kam ich zu den Friesen, Sah ihr schönes Vieh da stehn Und im feisten Grase gehn Und die Lämmer auf den Wiesen; O wie wol ist doch daran, Sprach ich, der so leben kan! Nun, ich wil euch gar nicht neiden, Ja, ich wünsche noch darzu, Daß ihr lange Zeit in Ruh, Lieben Hirten, möget weiden. Aber ich, hier unbekant, Flieh' anjetzt mein Vaterland. Ihr könnt singen bei den Quellen, Daß man höret weit und breit Von der schönsten Freundlichkeit Das Gestade widerschellen; Ich muß singen auf der See: Wo ist meine Galathee? O wie bistu so verdrungen! Wo ist jetzt die Herrlichkeit, Corydon, wie vor der Zeit? Nun sing, wie du vor gesungen: Galathee, bei dir allein Wil ich jetzt und immer sein. Geh' jetzund hin zu dem Brunnen, Da des Wolfes strenge Macht Mutter Jetten umgebracht, Da sich ofters, durch der Sonnen Heiße Strahlen angeregt, Galathee zu dir gelegt; Da sie dich mit vielen Küssen In die weißen Armen schloß; Da du in der zarten Schoß Deine Lust recht kontest büßen; Aber jetzt, o Corydon, Ach wie weit bistu darvon! Nun, wir haben es erlebet, Was du, Gott, verhangen hast, Daß bei uns ein fremder Gast Auf den schönen Aeckern gräbet; Was wir haben ausgestreut, Wird von andern abgemeit. Wol dem, der sein Feld kan bauen, Lieben Schäfer, gleich wie ihr, Darf sein Leben nicht mit mir Nur dem bloßen Winde trauen: Ihr habt euer Vatergut, Ich muß auf die wüste Flut. Nach dem Hinundwiederziehen Kam ich endlich doch hieher, Galathee, weit über Meer; Weiter kan ich nun nicht fliehen, Weiter fliehen kan ich nicht, Weil mir Wind und See gebricht. Wo die Schiffe vor geflossen, Da liegt scharfes Eis und Schnee; Dieses Ufer, da ich geh, Hat der Winter ganz verschlossen: Vor der grünen Felder Lust Ist hier lauter Reif und Frost. Nun, ich wolte gerne leiden, Was ich immer leiden sol; Ja, mir were ganz so wol, Wann ich dich nicht dörfte meiden; Alle Traurigkeit und Pein Fühl' ich nur von wegen dein. Alle Nacht pflegt mir zu träumen, Wie ich bei dem Necker sei, Wie ich, aller Sorgen frei, Bei den rauhen Kestenbäumen Mit dir, liebe Galathee, Oepfel aufzulesen geh. Dein Verstand und kluge Sinnen, Die mir meine ließen nicht, Deiner schönen Augen Licht, Die ich muste lieb gewinnen, Deiner rothen Lippen Zier Sind ohn' Unterlaß allhier. Ganz verstarret und erfroren Durch den Schnee und strengen Nord, Irr' ich ofters um den Port, Rufe dir, die ich verloren. O vergebens, Corydon, Sie ist allzuweit hiervon. Täglich geht die Sonne nieder, Steht auch täglich wieder auf Und helt ihren alten Lauf; Aber wann seh' ich dich wieder? Ach wie weit ist doch der Tag, Daß ich dich umfangen mag! Manches Land muß ich noch sehen Und mich lassen hin und her Durch das weite, wilde Meer Manche rauhe Winde wehen, Eh' ich, reicht mir Gott die Hand, Schauen kan mein Vaterland. Unterdessen, meine Freude, Galathee, gehab dich wol, Biß ich, wo ich leben sol, Weit von Trauren und von Leid Bei den Meinen und bei dir Bleiben werde für und für. Dieses Ufer wil ich haben; Galathee, in deiner Schoß, Kan ich werden frei und los; Hier wil ich mein Leid vergraben. Hier sol, weit von Angst und Pein, Meiner Reise Ruhstatt sein. Also sang er, daß die Wellen Und das Ufer an der See Galathee, o Galathee, Sämtlich muste widerschellen, Biß die Abendröthe kam Und die Nacht den Tag weg nahm.