Betty Paoli Neue Gedichte Frühlingsahnung Wenn des Winters starrer Traum Berg und Flur mit Schnee bedecket, Jeder dürre Zweig am Baum Jammernd sich gen Himmel strecket: Kannst du da begreifen, sag' Wie nach wen'gen Mondesneigen Der jetzt frosterstarrte Hag Einen Blüthenflor wird zeigen? Doch du weißt, der lichte Trost Naht auf unsichtbaren Wegen Und im rauhen Winterfrost Lächelst du dem Lenz entgegen. Und so kann, so kann auch ich Nicht begreifen und nicht fassen, Wie in meiner Seele sich Noch ein Glück wird ziehen lassen. Doch ich weiß: zur Wonne geht, Wer da wallt auf Dornenbahnen, Und durch meinen Winter weht Ein tief selig Frühlingsahnen! Auf einer nächtlichen Fahrt Glanzumflossen liegt Venedig Sanft vom Mondesstrahl umgaukelt, Während die Lagune gnädig Unsre Gondel wiegt und schaukelt. Still ist's in dem weiten Eden, Nur die Woge schäumt und rauschet Und ich lausche deinen Reden, Wie man holden Mährchen lauschet. Und du sprichst mir von der Einen, Sprichst von ihr der Reizverklärten, Deren Blicke beten, weinen, Glauben dich und lieben lehrten. Und du sagst mir, welche Dornen Deine Seele blutig ritzen, Denkst du sehnend der Erkornen, Die du nimmer wirst besitzen. Alter Schmerzen Heer entsteiget Seinen dunkeln Grüften wieder, Und dein Haupt, das stolze, neiget Still auf meine Hand sich nieder. Was verstummst du? Rede, klage! Laß dein Wort auf Geisterschwingen Diesen Duft vom Blütenhage Deiner Jugend zu mir bringen. Rede, klage! denn dein Trauern Ist nur ein verhüllter Segen, Aehnlich den Gewitterschauern, Die des Frühlings Herz bewegen. Ach wie bald zieht er vorüber Dieser Lenz! wie bald von hinnen! Und ein Herbst, ein öder, trüber, Wird dann auch für dich beginnen. Fühlen wirst in spätern Stunden Du im tief geheimsten Wesen, Daß der Schmerz, den du empfunden, Deines Daseins Schmuck gewesen. Fruchtlos dich zurückesehnen Wirst du dann nach jenem Eiland, Wo ein Himmelsthau die Thränen Und der Schmerz ein starker Heiland. – Meine beiden Hände falte Segnend ich, indem wir scheiden, Und ich bete: Gott erhalte Dir noch lang dein schönes Leiden. Endziel Wein schöner Süd! ein fremder Gast Bin ich zu dir gekommen, Allein mit Freundesarmen hast Du mild mich aufgenommen. Je länger ich bei dir verweilt So heller ward mein Sinnen, Du hast die wunde Brust geheilt Und alle Schmerzen drinnen. Aus ihrer dumpfen Grabesruh Erwecktest du die Lieder Und als ich schied, riefst du mir zu: »O kehre baldigst wieder!« Mein schöner Süd! du bist der Stern, Dem zustrebt mein Verlangen, Doch hält mich hier im Norden fern Des Müssens Bann gefangen. Den theuern, köstlichen Ertrag Von deinen Liebesspenden, Den muß ich jetzo Tag für Tag Vergeuden und verschwenden! Doch wenn ich einst den Sieg gewann, Die Wirren all geschlichtet, Dann flüchte ich zu dir, wie man Zu einem Freunde flüchtet. – Um mir an deinem Blüthenscherz, An deinen Sonnenblicken Den müden Geist, das müde Herz Auf's neue zu erquicken. Wesenheit O wie sie emsiglich die Silben spalten Und mühevoll des Denkens Grabscheit schwingen Der Gottheit tiefstes Wunder zu durchdringen, Des Genius geheimnißvolles Walten! Ist ihm doch selbst die Kunde vorenthalten Der Kräfte, die ihn räthselhaft bedingen! Wenn in dem Frühlingshauch die Knospen springen, Sie wissen nicht, wodurch sie sich entfalten. Der Diamant, gereift in dunkelm Schacht, Die Perlen, die sich heiter schimmernd ründen In unerforschlich tiefer Meeresnacht – Sie wissen nicht, woran sie sich entzünden! Ihr aber, freut euch ihres Daseins Pracht Und gebt es auf, ihr Werden zu ergründen Wer nie sein Brot mit Thränen aß Nichts weiß ich von dem Vaterhaus, Nichts von der Kindheit Paradiesen; Früh trat ich in die Welt hinaus, An meine eig'ne Kraft gewiesen. Hinschwanden meines Frühlings Tage In Sorg' und Arbeit, Müh' und Plage, Das drohende Gespenst der Noth Fühlt ich mich grauenhaft umschlingen, Mit allen Kräften mußt ich ringen, Wie oft mein Innerstes bezwingen, Mich fügen fremdem Machtgebot! Gepriesen seist du, Weltengeist! Der mich gelehrt, was Leben heißt! Die schönen Götterbilder, die Mein tiefes Dunkel sanft durchlichtet, In Schutt und Trümmer sanken sie, Vom Leben schonungslos gerichtet. Gestürzt die schimmernden Idole! Die lohe Flamme todte Kohle! Im Herzen tiefer stets der Sporn Des Zweifels, kaum mehr zu ertragen, Der Drang, durch all' die dunkeln Fragen Mich kühn und siegreich durchzuschlagen Zu der Erkenntniß Weiheborn! Gepriesen seist du, Weltengeist, Der mich gelehrt, was Kämpfen heißt! Die Liebe, dran ich bis zum Sarg Begeistert hoffte festzuhalten, Des Meuchlers scharfe Waffe barg Sie still in ihres Mantels Falten. Getroffen von der Todeswunde Rang bebend sich von meinem Munde Der Schrei: »Auch du, mein Brutus! du?« Doch unbeirrt von Schmerzensgluthen Sandt' ich in heiligem Ermuthen Ihm, der mich frevelnd hieß verbluten, Noch einen Gruß des Segens zu. Gepriesen seist du, Weltengeist, Der mich gelehrt, was Lieben heißt! Eine Frage Irrer Sehnsucht dunkelmächt'ger Drang Lockte dich vom heimatlichen Herde, Und du folgtest dem Syrengesang – Ob ich dich je wiedersehen werde? – Viele Tage sind seitdem verrauscht, Bald mit heit'rer, bald mit Gramgeberde, Doch mein Herz nur auf die Antwort lauscht, Ob ich dich je wiedersehen werde? – Heimlich lockend tönt's in meine Brust: Reich an off'nen Gräbern ist die Erde! Und auch mich erfaßt's wie Wanderlust – Ob ich je dich wiedersehen werde? – – Einem Tadler Du kennst mein tiefstes Wesen nicht, Und kennst den Zweck nicht meiner Sendung, Verlangest du, daß mein Gedicht Anstrebe freudige Vollendung. Nein! Gott hat mich nicht ausgesandt Und hat die Kraft mir nicht gegeben, Um glorreich, mit geweihter Hand Des Sieges Palmen zu erstreben. In Marmor prange und in Erz, Der Name deß, der sie erstritten. Ich bin nichts weiter als ein Herz, Das viel geliebt und viel gelitten. Und meine ganze Poesie Ist nur ein lautes Offenbaren Von all den stillen Schmerzen, die Des Weibes Seele kann erfahren. Wohl wär' es doppelt schön und groß Als starker Tröster zu erscheinen, Doch ich, ach! ich verstehe bloß Mit der bedrängten Schaar zu weinen. – Was einst Johannes sprach, das spricht Mein Herz ihm nach mit leisem Beben: Ich selbst bin der Messias nicht Und soll von ihm nur Zeugniß geben. Das Licht, das läuternd und verklärt, Den Strahl der Weihe soll entzünden, Ich bin es nicht und bin kaum werth Euch nur sein Nahen zu verkünden. Das Amt, das mir der Herr beschied, Wozu er Kraft verlieh der Schwachen, Kein andres ist's als durch das Lied Die Sehnsucht brünst'ger anzufachen. Und wenn euch klar, was ihr vermißt, Wenn euer Geist verstört, beklommen Des Abgrunds Tiefe ganz ermißt, Dann wird vielleicht der Tröster kommen! Letzte Zuflucht Einst in bess'rer Zeit vermochte ich Deines Daseins Wüste zu verschönen, Einst vermochte meine Liebe dich Mit dem dunkeln Gegner zu versöhnen. O wie machte da in Himmelslust Mir das Herz, in Stolz und Wonne, schwellen Der Gedanke, einer Menschenbrust Leben, Tod und Jenseits zu erhellen. Ob mein eig'nes Schicksal trüb und schwer Und gebeugt mein Haupt, das kummermatte – Arm und elend dünkt ich mir nicht mehr, Da ich Freuden dir zu spenden hatte. Muthig rang ich mit dem finstern Geiste, Kampfgenoß war mir dein eig'nes Lieben, Doch seit deine Seele liebverwais't Ist dem Dämon schnell der Sieg verblieben. – Was ich sonst an mildem Trost dir gab Trifft nicht mehr den Weg zu deinem Herzen, Meine Worte gleiten machtlos ab, Von dem starren Panzer deiner Schmerzen. Untergraben, nach dem Einsturz, seh' Ich dein Sein, und kann es nicht mehr stützen, Wilder lodert auf mein eig'nes Weh, – O so möge Gott uns Beide schützen! Messiaslohn Ich kam, ein neues Reich zu gründen In deiner Brust, die wüst und brach, Ein Evangelium zu künden, Das von der Liebe Himmeln sprach. Und hast du mich an's Kreuz geschlagen Als meiner Treue Preis und Lohn, So laß' mein Loos mich schweigend tragen, Und spar' mir deines Mitleids Hohn. Sei ärger nicht als jene Rotte, Die wirr umdrängt den Todesstamm, Und biet' mir nicht mit frevlem Spotte Armsel'gen Trostes Essigschwamm. – Du hast geknickt mich und zerbrochen, Nicht achtend meiner Schmerzen Krampf, Du hast mein Urtheil ausgesprochen – So ehre meinen letzten Kampf. Und fühle, daß geweiht die Stätte, Wo in des Lebens Nachtverließ Ein Geist die letzte Erdenkette Mit todestrunk'nem Muth zerriß! Wo sehnend wieder heimwärts schwebte Die Liebe, stumm und abgewandt, Die hoffend nach dem Himmel strebte, Und nur ein Grab auf Erden fand! – Blick in die Tiefe »Was stehst du so düster und von mir gewandt? Was seh ich verhüllend die zitternde Hand An's strömende Auge dich pressen? O laß uns, Geliebte! den peinlichen Streit, Der unsre Gemüther für Stunden entzweit, In süßer Versöhnung vergessen!« Und hab ich verletzt dich mit thörichtem Wort, So mögen die eilenden Winde es fort Wie Nebel des Morgens verjagen! Oft kränket die Liebe so tief wie der Haß – Was irrend an dir sie verbrochen, o laß' Nicht Wurzeln im Herzen es schlagen!« Wohl mag's der Liebe auch begegnen Daß Kränze sie von Dornen flicht, Doch selbst ihr Zürnen ist ein Segnen: Sie tödtet, doch erniedrigt nicht. Ihr Dolch macht breite Wunden klaffen, Wenn er sich in die Seele taucht, Doch stolz verschmäht sie solche Waffen Wie du sie gegen mich gebraucht. In ihres Zornes wildem Grauen Ist sie ein Blitz, der zündend trifft, Doch saugt sie nicht aus dem Vertrauen, Das ihr geworden, heimlich Gift! Sie drängt sich nicht in eine Seele, Ein falscher, lauernder Spion, Ins Antlitz ihr beweinte Fehle Zu schleudern einst mit frechem Hohn. – Ein See mit sanftbewegten Wogen Schien mir dein trügerisch Gemüth, Licht überwölbt vom Himmelsbogen, Von duft'gen Ranken überblüht; Allein die ersten Stürme riefen Empor an den wahrhaft'gen Tag Was, lang bedeckt, in seinen Tiefen An ungeahnten Gräueln lag. Zwar hat des Sturmes Nachtgefieder Zur Ruhe sich nunmehr gelegt, Mich aber täuscht der See nicht wieder – Ich weiß, was seine Tiefe hegt! Entfremdet bist du meinem Herzen, Zerrissen jedes Liebesband! Wie möchte mit der Natter scherzen, Wer ihres Stiches Qual empfand! Enttäuschung Ja, ich habe dir verziehen, Deiner Schuld gedenk ich nicht; Aber dich auf ewig fliehen Heißt mich eine höh're Pflicht. Und das Wort selbst der Vergebung, Drauf sich nun dein Hoffen baut, War in schmerzlicher Erhebung Meiner Liebe Sterbelaut. Mit emporgewandtem Haupte Sank ich einstens vor dir hin, Weil ich wahnbefangen glaubte Daß du edler, als ich bin. Von der Höh' herabgeschmettert, Ledig der geträumten Zier, Deines Adels baar, entgöttert, Stehst du nun – wie klein! – vor mir. Was mir blieb von meinem Lieben Stolzes Mitleid ist's allein. Laß den Scheidebrief geschrieben Drum für alle Zeiten sein. Besser ist's dem Glück entsagen Muthig, ein für alle Mal, Als, befleckt, im Herzen tragen Ein entwürdigt Ideal! Fragen »Warum mein Lied nur mehr ein Klagen? –« Die Schwingen, die einst stark und frei Zu lichter Höhe mich getragen, Brachst du sie mir nicht selbst entzwei? »Warum so marmorbleich die Wange?« – Als mich dein falscher Schwur betrog, Sprich! warst du da nicht selbst die Schlange, Die mir das warme Blut entsog? »Warum sich nicht in Friedenslauben Der Hoffnung birgt mein müdes Haupt?« – O hast du denn nicht selbst den Glauben An Gott und Menschen mir geraubt?! – Trennung Was wir gelitten und erduldet Durch meine Fehler, deine Schwächen, Was du geirrt, was ich verschuldet – Wir wollen nicht darüber sprechen. Wer an dem Zwiespalt unsrer Tage – Zu lösen nicht und nicht zu schlichten, – Die größ're Schuld, die klein're trage, Wir wollen nicht darüber richten. Ich weiß nur Ein's! nur Eines fühle Im Herzen ich, dem trauervollen: Wir hätten in dem Weltgewühle Uns nun und nimmer finden sollen. Und da wir dennoch uns gefunden, So laß uns zürnen nicht und klagen Ob all den Schmerzen und den Wunden, Die Ein's dem Andern wir geschlagen. Nicht böser Wille ist's gewesen, Der uns gebracht so herbe Leiden; Uns trennet unser tiefstes Wesen, Der Gott im Innern heißt uns scheiden. Ein Frevel war, was einst wir schwuren Und Thorheit unser Kämpfen, Weinen! Sich widerstrebende Naturen Die kann die Liebe nicht vereinen. Je heißer, sehnender sie ringen Nach sel'gen Einklangs sanften Frieden, So tiefer wird es sie durchdringen, Durch welche Klüfte sie geschieden. – Und so ist es auch uns ergangen, Gott weiß allein, mit welchen Qualen Mit wie verzweiflungsvollem Bangen Wir für den Irrthum mußten zahlen. Jetzt ist der Klarheit Tag erschienen – Laß uns ihn ohne Groll begrüßen Und, klaglos, auf des Glücks Ruinen Für Schuld, die nicht die unsre, büßen. Ihr nennt mich stolz? Ihr nennt mich stolz? Wer hat mich so gemacht? Ihr selbst, die mich betrogen und verrathen! Die Regung, die ihr schmäht, ist erst erwacht, Als ich mein Thun verglich mit euern Thaten! Ihr nennt mich stolz? O wüßtet ihr wie gern Und freudenvoll der starre Stolz verschwände, Vor einem Menschen, der, ein lichter Stern, Hoch über mir und meinem Wesen stände. – Ein freudig Opfer Es geht in Israel die Sage: Auf nachtumhülltem Himmelplan, Bei Blitzesgluht und Donnerschlage Zieht der Messias einst heran. O du, des Liedes Gottessegen! Auch du erscheinst in Nacht und Graus, Und, so wie er, auf Flammenwegen Ziehst du in mein geöffnet Haus. – Die Schwachen mögen vor dir zagen, Die Thoren beben deinem Zug: – Den Glanz der Herrlichkeit zu tragen Ist meine Seele stark genug. Der Sturm mit seinem Siegessange Die Flamme, die an Flamme brennt, Das Jauchzen nach dem Untergange Ist mir verwandtes Element. Zur Ruhe ward ich nicht geboren, Was sie gewährt, mir scheint es schaal; Den Kampf hab' ich mir auserkoren, Die Höhen such' ich, nicht das Thal. Und wie den Riesen alter Zeiten Erkräftigte der Erde Herz, So schöpf' ich neue Kraft zum Streiten Aus dir, o du mein heil'ger Schmerz! – Zuckt denn, ihr Gnadenblitze! nieder, Und schlingt, o schlinget wie vordem Um meine bleiche Stirne wieder, Ein weithin leuchtend Diadem! – Umstrahlt von diesem Schmerzensglanze, Geschmückt mit meinem Liebesweh, Streb' ich nach keinem andern Kranze, Nach keiner andern Krone je! – Frühlingsgedanken 1. Fort trieb mich's an den Busen der Natur Aus meiner Zelle, d'rin ich lang verschlossen, Und staunend sah mein Auge Wald und Flur Von Sonnenstrahlen goldig übergossen. Es sprach das Licht: O sag! was trauerst du? Kann meine Macht dein Dunkel nicht versüßen? Und liebvoll säuselte die Luft mir zu: Ich will die Thräne dir vom Auge küssen! Der rasche Strom sang mir ein brausend Lied: Des Lebens Hast magst du in meiner sehen! Und als die Sonne fern von hinnen schied, Sprach tröstend sie von Sterben und Vergehen! – 2. Nicht wahr, ihr Alle wünscht, wenn einst die Stunde Gekommen, wo die andern Wünsche enden, In eurer Lieben Mitte zu entsenden Den letzten Hauch vom todesblassen Munde? Verlangt es mich im tiefsten Seelengrunde Nach solchen Glückes heilig süßen Spenden, Muß ich mich an den holden Frühling wenden, Den einz'gen Freund, mit welchem ich im Bunde. Und weil kein and'rer Gruß die dunkle Gruft Mit Liebesschimmer sanft mir wird umfärben, Wenn nicht sein Gruß als Licht und Sang und Duft, Möcht ich mir dieses milde Loos erwerben: Zur Zeit der Blühten und der sonn'gen Luft An schönen Frühling's schönstem Tag zu sterben! An *** Du forderst rückhaltslos Vertrauen? Du willst in deinem frommen Wahn Zutiefst in meine Seele schauen, Den stürmereichen Ozean? – Du willst behutsam, leise tauchen In meine Wunden deine Hand? Du wähnst mit sanften Liebeshauchen Zu mildern ihren heißen Brand? – Wenn ich nun deinen Wunsch erfüllte, Wenn all' die Schmerzen, Stück für Stück, Ich nun vor deinem Blick' enthüllte, Wie bebtest du entsetzt zurück! Wie schnell entwiche deinen Wangen Der Jugend heit'rer Rosenschein, Und deinem Herzen das Verlangen, Ein Tröster solchem Weh zu sein! Schon halb erfaßt von dem Verderben Spräch'st du: Was kann ich dir mehr sein? – Nichts bleibt dir übrig als zu sterben – Stirb denn, wie du gelebt: allein! – Das will ich! ja, so will ich's halten! Ob auch mein Herz vergeht und bricht; Das Gift, davon ich muß erkalten, In fremden Becher flöß ich's nicht. Nein, unser Weg ist nicht gemeinsam, Denn Glück und Hoffnung sind noch dein. So lebe wohl und laß mich einsam In meiner Todesstunde sein. – Gewonnene Einsicht Wähne nicht, daß in dem Weltgewühle Je ein Herz, so wie das deine fühle, Daß ein zweites folge deiner Spur! Wähne nicht im sehnenden Umschlingen And'rer Wesen also durchzudringen, Daß es mit dem deinen Eines nur! – Einsam bist du, ob die bunte Menge Rühmend oder tadelnd dich umdränge, Einsam in dem Kampf' wie in der Ruh', Einsam bei der Freunde Scheinerbarmen, Einsam selbst in deiner Liebsten Armen, Denn sie Alle sind nur sie, nicht du! – Eine Stelle wird es ewig geben, Wo der Riß, der hin durch Aller Leben Trennend geht, aufklaffen wird im Sprung'! Eine Stelle, wo du bang', mit Schrecken, Nacht wirst sehen ihre Augen decken, Und du hoffst noch auf Vereinigung? – Meinst du, jenes dunkle, formenlose Etwas sei der Dorn nur an der Rose, Flücht'ger Mißklang, der bald ausgebebt? Nein! als unvertilgbares Erinnern Wird's zum Gift, das heimlich aus dem Innern, Glück und Frieden tödtlich untergräbt! Lerne d'rum aus ihrem Kreis verschwinden, Dich in deiner Brust zurechtefinden, Lerne du dein eig'ner Freund zu sein! Was sie dir an Treu' und Huld versprechen, Unwillkührlich werden sie es brechen, Denn des Lebens Losung heißt: Allein ! – In den Cascinen In den Cascinen steht ein Baum, Den meinen Freund ich nannte. Dort ruht' ich oft in wachem Traum Wenn heiß die Sonne brannte. Und wenn dann auf die müde Welt Herabsank mächt'ges Düster, Da drang aus seinem Laubgezelt Ein geisterhaft Geflüster. Er ließ die Blüthen duftig weiß Auf mich hernieder regnen, Als wollte er, ein Priestergreis, Mein Haupt, das müde, segnen! – Jetzt irr' ich mit umflortem Blick Auf dürr versengten Matten Und trauernd sehn' ich mich zurück In seinen linden Schatten. Und soll er einst vom Todesstreich Der scharfen Axt erbeben, Dann fällt mit diesem Baum zugleich Ein Theil von meinem Leben! Einigung Frühling 1848. In scheuer Angst seh' ich die Einen jagen, Die Andern hör' ich Freudenhymnen singen, Ich aber fühl' es tief mein Herz durchdringen, Daß jetzt nicht Zeit zum Jubeln noch zum Klagen! Hier frommt nicht Furcht und nicht vermess'nes Wagen! Soll der Zerstörung Werk uns Segen bringen, So muß der Geist nach neuen Formen ringen Und schöner auferbau'n was er zerschlagen. Zu solchem Werk bedarf es ernster Stille, Rastloser Arbeit, trotzend den Beschwerden, Des Brudersinnes tiefster Liebesfülle! Hofft nicht, euch könne sonst der Friede werden, Der einzig Jener harrt, die edler Wille Zu Gliedern einer Kirche macht auf Erden! In denselben Tagen Milde Lüfte, duftdurchschwommen, Staunend trinkt sie meine Brust! Früher ist der Lenz gekommen Als vorher mir je bewußt. Wie der Strahlen Glanzgewimmel Segensreich hernieder scheint, Ahn' ich gläubig, daß der Himmel Gut es mit der Erde meint! Jüngling und Greis Sieh', welcher Flammenschimmer Des Jünglings Stirn' umwallt, Wenn seinem Mund' enthallt Der gläub'ge Schwur: Auf immer! Auf Greiseszügen finden Wirst du ein Lächeln nur, Tönt der vermess'ne Schwur, Der Ew'ges wähnt zu gründen. An Adalbert Stifter Vertief ich mich in deine Blätter Da wehts um mich wie Frühlingsduft! Der Lerche jubelndes Geschmetter Durchtönt die frische Morgenluft, Die jungen Halme keimen, sprießen, Vom Himmel strömt ein Meer von Licht Und in die Menschenbrust ergießen Sich Hoffnung, Ruh und Zuversicht. Die falschen Freuden, nicht'gen Schmerzen, Der Erde Wust und ihren Tand Nimmst du hinweg von unserm Herzen Mit leiser, liebevoller Hand. Von vielverschlungnen Irrewegen Zurück auf ewig lichte Spur Führt mild uns deines Wortes Segen, Du treuer Dolmetsch der Natur. Ob Kampf und Zwiespalt dich umringe Und wirren Scheines Truggewalt, Dein heller Blick erschaut die Dinge In ihrer heil'gen Urgestalt. Dein Geist durchbricht die engen Schranken Von eitler Satzung aufgestellt, Und führt den reinen Gottgedanken Als heitern Sieger durch die Welt. Drum winken deiner Dichtung Strahlen Uns wie der Stern der Weisen zu, Drum finden tausend bittre Qualen Am Saume deines Mantels Ruh, Drum bist du als Prophet zu ehren, Den tröstend die Natur gesandt, Und den, das Wunder noch zu mehren, Die Menschen freudig anerkannt. Kein Blitz, kein Schlag kann den erreichen Der über den Gewittern steht! So stehst du in des Geistes Reichen In still erhabner Majestät. Zu tiefem, ahnungsvollem Schweigen Verklingt der Erdenstimmen Chor Und nur der Liebe Düfte steigen Wie Opferhauch zu dir empor. Wunsch! Nimmer werde mir ein Glück gegeben, Das nicht Alle, Alle die da leben Ueberströmt, mit gleichem tiefem Heil! Tragen will ich, dulden und vermissen Lieber, als um einen Segen wissen, Der nicht aller Kreatur zu Theil! Keinen Vorzug will ich vor den Andern, Nicht auf weichen Blumenpfaden wandern, Während ihre Bahn durch Wüsten geht, Und nicht treten in die Himmelshalle Wenn die helle Pforte nicht für Alle Aufgethan und weit erschloßen steht. Denn ein Vorzug, mir allein gegeben, Müßte mich als bitt're Scham durchbeben, Und ich litte, in der Freude Schooß! Du, für die im Innersten ich brenne, Meine Menschheit! keine Gnade trenne Von dem deinen, deines Kindes Loos! Dem kranken Dichter Es war der Hauch von deinem Munde, Der, was bewußtlos, still und tief Geruht in meines Wesens Grunde, Hervor an's Licht des Tages rief. Denn als dein Lied voll heil'ger Schmerzen Mit seinen Strahlen mich durchdrang, Enthallte träumend meinem Herzen, Dem Memnonsbild, der erste Klang! Da nannte ich, mit Stolz und Wonne Begrüßend deine Herrlichkeit Dich meines Geistesmorgens Sonne, Den Frühling meiner Jugendzeit! – Der schöne Lenz, er ist vorüber, Für immer, ohne Wiederkehr! Und sich verhüllend, trüb und trüber, Sinkt meine Sonne in das Meer! Die Memnonssäule tönet wieder Eh' sie für stets verstummen muß; – Es bringen diese düstern Lieder, Verlorner! dir den letzten Gruß. Den letzten Gruß, den letzten Segen Des Herzens, welches treu und still, Wie dir's gefolgt auf deinen Wegen, An deinem Weh verbluten will! Auf Helgoland 1. Kein Baum erhebt sich hier Auf sand'ger Dünenfläche, Der von dem Lenze dir Mit Säusellauten spräche. Vergebens lauscht dein Ohr Dem Lied der Nachtigallen, Es flieht ihr süßer Chor Die öden Meereshallen. Hier hörst du nur den Sang Der zwei gewalt'gen Stimmen, Die todesfroh und bang In einen Strom verschwimmen. Wenn sich in grimmer Wuth Am Fels die Wogen brechen, Und mit der dunkeln Fluth Des Himmels Stürme sprechen. 2. Am weißen Strand Von Helgoland Wie süß läßt sich's da träumen! Wenn auf der Fluth Der Mondstrahl ruht, Die Wellen aufwärts schäumen! Am weißen Strand Von Helgoland Da flüstern Geisterzungen. Mein Herz durchzieht Noch heut das Lied, Das damals mir erklungen. Am weißen Strand Von Helgoland Lauscht' ich geheimen Grüßen. Und Lust und Leid Sie wurden Beid' Staub unter meinen Füßen. Heimathlaute Grüß' ihn, der unter fremdem Dache Ein Flüchtling lebt im fremden Land, Grüß' ihn in der geliebten Sprache Des Land's, wo seine Wiege stand, Mit Thränen wird er sich erinnern Des stillen Glücks, das er verlor, Und wilder schlägt in seinem Innern Des Heimweh's heiße Qual empor. So zaubern deine sanften Reden, So zaubert mir dein reiner Blick, Der Unschuld blüthenreiches Eden, Der Seele Heimathland zurück, Und neu erglüht die Sehnsuchtswunde Nach dem verlor'nen Paradies, Aus dem in einer Unheilsstunde Ein finstrer Dämon mich verstieß. – Bekenntniß 1. Mag höhnend auch die Welt darüber richten, Mein tiefstes Wünschen will ich nicht verhehlen: Hätt' ich vom Schicksal eine Gunst zu wählen, Ich wählte mir den Ruhm, den sonnenlichten! O selig Loos, schon hier in Staubesschichten Dem Glanz der Ewigkeit sich zu vermählen, Zu jenen Ueberwindern mitzuzählen, Die, götterstark, des Todes Bann vernichten! Zu wissen, daß die tiefe Schmerzensklage, Die Freudenhymnen, welche uns enthallen, Ein köstlich Erbtheil für die spätsten Tage! Daß unser Name wird auf Erden wallen, Wenn auch schon längst im stillen Sarkophage Des glüh'nden Herzens Aschenrest zerfallen! 2. Doch eh' ich, um den Kranz mir zu erstreben, Um heimzukehren mit dem gold'nen Vließe, Von meinem Selbst herunter dingen ließe, Und Lüge brächte in mein innres Leben. Eh' ich die Stimme, die mir Gott gegeben, Zu fremden Weisen sich bequemen hieße, Kehrt' ich den Rücken jenem Paradiese Und sähe stolz den Beifall mir entschweben. Eh' wollt' ich einsam in der Wüste singen, Eh' ließ ich träumend meines Liedes Laute, Von allen Menschen ungehört verklingen! Das einz'ge Ziel, nach dem mein Auge schaute, Es wäre: unentweiht zurückzubringen Das heil'ge Pfand, das Gott mir anvertraute! – An Jakob Kaufmann In der Heimath trauter Haft Wolltest du nicht weilen; Mög' auf deiner Wanderschaft Dich mein Gruß ereilen. Schmerzlich, freudig, mög' er dich An die Zeit gemahnen, Wo für flücht'ge Stunden sich Kreuzten unsre Bahnen. O wie froh ließ ich dein Wort Meinen Geist umranken, Und empfing von dir den Hort Ew'ger Lenzgedanken! Einen Strom von Poesie Fühlt' ich mich umschwellen, Meine Seele läuternd, wie Heil'gen Stromes Wellen! – Bruder! grüße ich dich leis' Hier in meinem Sange, Weil ich keinen Namen weiß, Der von süßrem Klange. O gewiß! dein Herz verkennt Nicht was meines flüstert: Daß wir, ob für stets getrennt, Doch für stets verschwistert. Seelenzauber Sie sagen, hingeschwunden sei Die Schönheit, die dein Haupt bekränzte, Als noch ein wolkenloser Mai Der Jungfrau Leben heiter glänzte. Gleichgiltig bald, bald heuchelnd spricht Ihr achselzuckendes Bedauern: Wie Schade, daß dieß Angesicht »So früh versehrt von Gram und Trauern!« Doch wo ihr Auge bloß die Spur Vom Welken sieht und vom Verblühen, Da sieht das meine wieder nur Verklärung wundersam erglühen. O nie hat deiner Schönheit Strahl So tief so mächtig mich beweget, Als seit der Schmerz sein heilig Maal Auf deine reine Stirn' gepräget! Ja, dich umwallt ein reicher Glanz Ob er auch Vielen sich verhehle! Dein Antlitz, es ist Seele ganz, Und seinen Zauber fühlt die Seele. Es fasset mich in deiner Näh' Ein schmerz- und freudenvolles Ahnen, Und dieß geheimnißreiche Weh, Wie Heimweh will es mich gemahnen. Einem grollenden Dichter Du wandelst grollend durch das Weltgetriebe Und stolz darauf, die Menschheit zu verachten. Kaum gut genug dünkt dich ihr Thun und Trachten Für deines Spottes scharfe Geißelhiebe. O daß der thöricht eitle Wahn zerstiebe! Nicht länger laß' ihn deinen Blick umnachten! Das echte Gold ruht in des Herzens Schachten Und jedes Kunstwerks Seele ist die Liebe. – Des Künstlers Sendung ist es Licht zu flößen In alle Geister, mild zu sein den Armen, Und milder noch den Unheilvollen, Bösen. An seiner Gluht soll ja ihr Frost erwarmen; Wie aber könnte Jener sie erlösen, Der sie nicht liebt mit göttlichem Erbarmen? Die Tempeltrümmer bei Spalato Kennt ihr des Beduinen Sitte, Wenn er, bereit zu neuem Ritte, Die Brust von frischem Drang geschwellt, Den Blick läßt in die Ferne schweifen Und, dämmert kaum ein lichter Streifen Im Osten, abbricht sein Gezelt? Er ruhte süß; doch jetzt ist's Morgen! Nur Ein's bleibt ihm noch zu besorgen, Bevor er rasch von hinnen eilt: Aus Steinen fügt er myst'sche Kreise Zum Zeichen, daß auf seiner Reise Ein Wandrer ruhend hier geweilt. – – O Menschengeist voll Sehnsuchtbangen! Wie gleichst im rastlosen Verlangen Dem flücht'gen Sohn der Wüste du! Nach mühevollen Wanderfahrten Winkt der Oasis grüner Garten Dir stille Edensträume zu. Als heilig grüßest du die Stelle, Du labst dich an dem frischen Quelle, Der aus dem Felsgerölle bricht; Du fühlest mild'rer Lüfte Wehen, Du glaubst die Sprache zu verstehen Womit der Stern zur Blume spricht. Erstarken fühlst du dich gesunden, Die Heimath scheint dir aufgefunden, Das letzte, höchste Ziel erstrebt. Du jubelst: Fort mit Schmerz und Grauen! Hier will ich meine Hütte bauen, Von Friedenshauchen sanft umschwebt. Dein innerst Glauben, Hoffen, Denken Willst du auf diesen Kreis beschränken, In den du liebend dich gebannt. Du meinst, es sei für alle Zeiten Versöhnt der Kräfte feindlich Streiten, Gelöscht des Herzens tiefer Brand. – Umsonst! Bald wird sich dir's entfalten, Daß, was du für das Ziel gehalten, Nichts als ein Meilenzeiger nur. Und wieder treibt dich's in die Weite, Dein Stern ist Gott und dein Geleite Die stille Ahnung seiner Spur! Und diese Tempel, diese Hallen, In Schutt und Trümmer längst zerfallen Umrauscht von ew'ger Meeresfluth, Sie mahnen feierlich und leise, Daß einst auf seiner Erdenreise Der Geist der Menschheit hier geruht. Du willst mich trösten? Du willst mich trösten? Laß, o laß, Was zwingst du dich zu falschem Scheine? Dein Angesicht, ist es nicht blaß, Dein Aug' nicht düster wie das meine? Was sagst du mir, wie schön es sei Mit dem Geschicke kühn zu ringen? Durch deine Worte hör' den Schrei Ich deines eignen Jammers dringen! Ach, deines Auges verlöschend Licht, Der stille Gram in deinen Zügen, Ja selbst dein Lächeln widerspricht All' deinen frommgemeinten Lügen. Geh! deinem Wesen hat der Feind, Den zu bekämpfen du dich rüstest, Der Schmerz, sich allzu tief geeint, Als daß du ihn zu bannen wüßtest. Wer ihn besiegen soll, der darf Des finstern Gegners Macht nicht kennen, Dem dürfen Thränen ätzend scharf Nicht auf der eignen Wange brennen, Der darf in seiner eignen Brust Mit Schaudern nicht empfunden haben, Was es bedeuten will, die Lust, Das Glück des Lebens zu begraben. Der beste Tröster ist ein Kind! Des Kummers bittrer Quell versieget, Wenn es mit sonn'gem Lächeln lind An unsre Brust sich harmlos schmieget. Ein sanfter Sphärenton durchdringt Es unsrer Qualen Schlachtgetümmel, Ein freudig Morgenroth entspringt Es hell an unserm nächt'gen Himmel! Sein Wort erquickt und labt und kos't Ein Jubellied aus Rosenlauben, Und macht den Geist, trotz Sturm und Frost, An einen ew'gen Frühling glauben. Es häuft nicht eifrig Schluß auf Schluß Es quält dich nicht mit eitlen Gründen, Mit einem Blick, mit einem Kuß Spricht es dich frei von Schmerz und Sünden! So sieht der blitzgetroffne Baum An seinem Stamme Blumenranken Gleich einem holden Elfentraum Im Hauch des Frühlings duftig schwanken. O, wie vergißt er da so gern Sein eigen Welken und Zersplittern, Sieht er in ihres Kelches Stern Den Morgenthau als Perle zittern! – Du fühlst dich innerlich erhellt, Zum Tempel wird des Schmerzens Zelle, Das Kind setzt seine neue Welt An deiner eingestürzten Stelle! Und ist auch diese Welt nicht dein Mit ihrem wolkenlosen Glücke, Ihr Dasein schon genügt allein, Daß sich dein Herz daran erquicke. Bedrängniß Es ist nicht schwer der Pflicht den Zoll Des eignen Glückes darzubringen, Doch gräßlich ist's und schauervoll Wenn sich die Pflichten wirr verschlingen. Wenn, was die eine von dir heischt, Verrath und Frevel an der zweiten; Wenn dein verzagend Herz zerfleischt Von ihrem grimmen sich Bestreiten. Wenn du bedrängt, umstrickt, gequält, Nicht mehr vermagst zu unterscheiden, Ob gleichen Anspruchs Recht sie stählt, Ob eine heiliger von beiden! – Es scheint der Boden, der dich trägt Dir unter deinem Tritt zu wanken, Zu tiefst in deine Seele schlägt Der Zweifel seine Tigerpranken. Und durch den schaurigen Tumult Aufstöhnt dein Inn'res, schmerzlich leise: »Nicht ohne Flecken, ohne Schuld Entrinn' ich diesem Zauberkreise!« – Da frommt die Weisheit nicht der Welt, Kein Grübeln und kein klug Bedenken. Vom Bogen rasch der Pfeil geschnellt! Die Hand des Ew'gen wird ihn lenken. Anstatt des Zweifels gift'gen Keim In dir zu pflegen und zu dulden, Stell' dein Beginnen Gott anheim, Vertrau' den Ausgang seinen Hulden! Mag auch die Welt, vom Schein beirrt, Den Schuldigen dich beigesellen, Das Unrecht, das geschah, er wird Es nicht auf deine Rechnung stellen. Dann löset sich der Widerspruch, Den Geist erquicket Sabbathstille, Denn über allem Schicksalsfluch Steht reine Kraft und reiner Wille! Ein Sterbehauch O sag' mir! hast du je empfunden Wie seltsam es das Herz beschleicht, Wenn uns in seinen Sterbestunden Der Lenz noch eine Gabe reicht? – Wenn aus der Schaar der Waldessänger, Die rasch sich nach dem Süden schwingt, Vor'm Herbste fliehend, ihrem Dränger, Ein letztes Lied noch zu uns klingt? – Wenn, bald dem rauhen Nord erlegen, Der sie entblättert und verstreut, Die Blume, wie zum Liebessegen Noch ihren letzten Duft uns beut? – So wisse: dieses Deingedenken, Das Heil auf dich herniederruft, Dieß sanfte mich in dich Versenken, Ist meines Herzens letzter Duft. Und dieses Lied, als Seelenkunde Zu dir hintönend liebevoll, Es ist ein Gruß von einem Munde, Der bald im Tod verstummen soll! – An S. Was biethet das Geschick dem Menschensohne Als höchste Zier, zum Gott ihn zu ergänzen? Des Heldenlorbers unvergänglich Glänzen, Des Märtyrthum's geweihte Siegeskrone! Du hast in unermeß'ner Schmerzen Frohne, Verwiesen in des Jammers starre Grenzen, Dein Haupt geschmückt mit beiden Strahlenkränzen, Die leuchtend prangen an des Ew'gen Throne. Du Märtyrer und Held! wie rauh und wild Dein düst'res Loos, dein Herz hat sanft geschlagen, Geschirmt von deines Glaubens Demantschild. Du lehrtest mich vergeben und entsagen, Dem Schmerze lächeln, und dein edles Bild Begeistert mich zum Lieben und Ertragen! Vertröstung O frag' nicht, was Mich mag verdüstern! Den Lenz nur laß Dich hold umflüstern! O frage nicht Was mir wohl fehle! Lab' dich am Licht Der eignen Seele! Noch kann dein Herz Mich nicht begreifen! Einst wird der Schmerz Dazu es reifen. Einst wird dir klar Warum ich weine, Wenn grau dein Haar Und weiß das meine. Weihe Der du fragest, welches Glück Deine Liebe lohnen werde, Weich' Unwürdiger! zurück Von dem heil'gen Opferherde! Denn so lang' nach Freuden noch Strebt dein Sinnen und Verlangen, Bist du aus der Selbstsucht Joch Nicht zur Freiheit eingegangen. Erst, wenn alle Lust und Qual Deinem Blick in Nichts zerronnen, Wird der Liebe Weihestrahl Läuternd dein Gemüth durchsonnen, Und beginnen wird in dir Wunderbar erhöhtes Leben, Jenseitsfrieden in dem Hier, Wenn du deiner dich begeben. Wenn du, statt zu fordern, giebst, Wenn du, selig selbstvergessen, An der Gluth, womit du liebst, Deine Wonne weißt zu messen, Wenn das Herz in deiner Brust Segensstrahlen rings entsendet, Seines Reichthums sich bewußt, Durch die Gaben, die es spendet. – Einem jungen Mädchen Durch finstre Gräuel der Verwüstung schwebt Dein Lied zu mir, wie eine Friedenstaube! Um meine blitzversehrte Stirne webt Den Kranz des Lichts dein kindlich frommer Glaube! Dein Traum, umspielt von gold'gem Nebelduft, Er zeigt mich dir in heil'gen Tempelhallen, Und deines jungen Herzens Sehnsucht ruft: »O wäre mir ein gleiches Loos gefallen! O lebte ich wie du, der Welt entrückt, In seliger Gemeinschaft mit dem Schönen! O hätte ich die Macht, was mich beglückt Und was mich quält, melodisch auszutönen! Vermöcht' ich, wie der Glocke reines Erz, Des Segens Klänge weithin zu entsenden! O wäre, wie das deine, auch mein Herz Nur eine Harfe in der Gottheit Händen!« Mit heißer Inbrunst sprichst du so zu mir; Mich aber halten Schauer kalt umschlungen. Du unglückselig Kind! so ist auch dir Der lockende Syrenenruf erklungen? Ophelia! mit frohem Jugendmuth Ziehst du hinaus um Kränze dir zu winden, Weh dir! wie bald wird in der dunkeln Fluth Entseelt man deine schöne Leiche finden! – Der See, der tiefen, gleicht die Poesie. Süß ist's sich ihrem Kosen hinzugeben, Auf blauen Wellen hinzugleiten, die Im heitern Spiel sich senken und sich heben. Erquickend kühlt sie deine heiße Brust, Tiefsel'ge Träume fühlst du dich umwogen, Und ehe dir noch die Gefahr bewußt, Hat dich der Abgrund schon hinabgezogen! – Es schreckt dich dieß Verhängniß nicht zurück? So mächtig treibt es dich nach jenen Schätzen, Daß du bereit des Lebens Lust und Glück Im kühnen Wagniß hoffend einzusetzen? Erfahre denn des Liedes ganzen Preis! Mit leisem Schauer mög er dich erfüllen! Zu oft nur muß des Lorbers grünend Reis Ein düstrer als des Schmerzens Maal verhüllen! Noch zeigt dein unentweihter Glaube dir Des Dichters Bild in erdentrückter Ferne, Hoch über all dem irdischen Gewirr Hinwallend gleich dem leuchtendsten der Sterne. Du wähnest ihn geläutert und befreit Von jedem Fesselband der Creaturen, Von jedem Flecken trüber Sinnlichkeit, Von aller Schlacken menschlicher Naturen. Ich aber sage dir: Wohl werden ihm Momente wie den Seligen, Verklärten; Hochheil'ge Stunden, wo die Cherubim Sich um ihn reih'n als strahlende Gefährten; Entzückungen, in deren reinem Licht, Die Blüthen sich erschließen ew'ger Lieder! Da schwindet seine Kraft, die Schwinge bricht Und in die dunkle Tiefe stürzt er nieder! O wüßtest du, was solche Stunden sind Wo Erd und Himmel sich in uns bekämpfen, Die trübe Kenntniß, du bethörtes Kind! Sie würde deiner Sehnsucht Flamme dämpfen! O könntest du den doppelschneid'gen Stahl, An dem verblutet sein geheimstes Leben, Der Sühnung Weh, der Läutrung heiße Qual, Vor seinem Loose würdest du erbeben! – Genug, genug! Ich habe dir gesagt, Mit welchem Preise sich das Lied erkaufet! Dir zu verkünden habe ich gewagt Wie streng der Geist, der nur mit Feuer taufet! Bleibt unerschüttert selbst noch jetzt dein Herz, Und wandellos das Dürsten deiner Seele, So nimm denn Theil an allem Glück und Schmerz Der ihren Gott umschlingenden Semele. Klänge Stumm hing die Harfe an der Wand, Da kam der West gegangen, Daß, wie berührt von Geisterhand, Die Saiten hell erklangen. Stumm war mein Herz, da wehte mild Ein Liebeshauch darüber, Aus den durchseelten Saiten quillt Ein Sang, ein selig trüber. An deiner Brust An deiner Brust ist meine Stelle, In deinen Armen mein Asyl! Mich warf des Sturm's empörte Welle An dieses bang ersehnte Ziel. Die Gaben, die das Leben zieren, Jedwedes Gut, das köstlich heißt, Was ich besaß, mußt' ich verlieren, Daß du fortan mir Alles sei'st. Jetzt, da ich Alles hingegeben, Wird mir's durch dich zurückgeschenkt, Wenn unter wonnevollem Beben Dein Mund auf meine Stirn' sich senkt. Ich harre stumm gefaßt Wie meiner Seele Harm Vermittelnd zu besiegen? O laß' in deinem Arm Vergessensfroh mich liegen. O laß', wenn neu erwacht Ein schmerzliches Gedenken, In deines Auges Nacht Die Seele mich versenken. Und will in seiner Pein Mein Herz erschöpft verbluten, Dann hauch' ihm Leben ein, Mit deines Kusses Gluthen. Doch keinen, keinen Schwur! Meinst du, daß ich ihm traute? Er mahnte mich doch nur An hingeschwund'ne Laute. An Laute, die vom Strand Mich lockten auf die Wellen, Bis ich am Klippenrand Mein Fahrzeug sah zerschellen. Die wild empörte Fluth Kannst du zur Ruh' nicht sprechen; Ich weiß zu gut, zu gut, Wie leicht ein Schwur zu brechen. Was glühend du verneinst, Schon keimt's in dunkeln Saaten; Ich weiß, du wirst mich einst Verlassen und verrathen. Das weiß ich, ach! und kann Ihn nimmermehr doch heben Den mächt'gen Zauberbann, Der mich dir hingegeben. – Ein Wüstenwand'rer trifft Im Sand auf eine Quelle; Und böthe sie ihm Gift, Er tränk' die gift'ge Welle. Denn leichter ist zumahl Ein rasch hinlodernd Sterben, Als in des Durstes Qual Vorkommend zu verderben. So bin in dunkler Stund' Ich an dein Herz gesunken, Und hab' von deinem Mund' Den Untergang getrunken. In unermess'ner Noth Bist du mir so begegnet, Und giebst du mir den Tod, Sei dennoch mir gesegnet! Das Glück der Welt erblaßt Von dem, das mir erglommen – Jetzt harr' ich, stumm gefaßt Der Schmerzen, die da kommen! – Stilles Wallen Stern am Himmelsbogen Schimmernd silberblank, Wenn in's Grab der Wogen Längst die Sonne sank! Ton der Aeolsharfe, Ach, nur dann erlauscht, Wenn der Nord, der scharfe, Wild darüber rauscht. Duft im Blumenkelche Schlummernd lind und leis, Tiefe Lieb', um welche Gott allein nur weiß. Still und ungefeiert Durch die Reihen dicht, Wall'st du, ein verschleiert Engelsangesicht! – An *** Wie süß du meiner Seele bist, Ich weiß es nicht zu sagen! Was still in meinem Innern sprießt, Will nicht an's Licht sich wagen. Vom Lenze, der in meiner Brust Geweckt ein neues Leben, Vermag ich, wollend und bewußt, Den Schleier nicht zu heben. Es sei! Wozu versucht ich auch Ihn absichtsvoll zu lüften? Du merkst den warmen Frühlingshauch An seinen linden Düften. In meinen feuchten Augen siehst Du Licht des Morgens tagen – Wie süß du meiner Seele bist Brauch' ich dir nicht zu sagen! In deiner Stimme In deiner Stimme bebt ein Klang, Der mich so tief erschüttert, Daß mir im Auge, selig bang, Die Thräne glänzt und zittert. Ich frage nicht: Wird mir dein Wort Schmerz oder Glück bereiten? Der süße Ton hallt in mir fort Für alle Ewigkeiten! Ohne Rückhalt Siehst du, nach tausend Zähren Ein selig Lächeln mir Das Angesicht verklären, So gilt dieß Lächeln dir! Und wenn mein Herz, mein wundes, In banger Sehnsucht schwillt, Bist du's, dem meines Mundes Tief inn'ger Seufzer gilt. Bei Santa-Croce In der fremden Stadt ein Gast, Steh' ich sinnend, traumverloren, Still bewegt, vor dem Palast Wo die Mutter dich geboren. Hier ist's, wo auf's Haupt des Kind's Freudenthränen niederthauten, Diese Marmorwände sind's, Die des Knaben Spiele schauten. Hier in diesem Ahnensaal Fühltest stolz dein Blut du wogen, Durch dieß schimmernde Portal Bist du in die Welt gezogen. In die Seele flüstert mir Unaussprechlich süßes Bangen, Daß von dieser Schwelle hier, Einst mein Schicksal ausgegangen. Die beste Spende Im kühnen Drang', den Himmel zu erzwingen, Schwingt sich mein Herz zu dir, dem einzig Einen! Heiß dürstet es nach ewigem Vereinen Und weiß doch: nimmer wird es dich erringen. O, selbst wenn deine Arme mich umschlingen, Und uns're Augen Freudenthränen weinen, Seh' plötzlich ich die Flammenschrift erscheinen: »Den Tod nur wird dir diese Liebe bringen!« – Den Tod? den Tod? o selige Verheißung! So wird der tiefe Liebesbund nur enden Mit dieses Daseins fröhlicher Zerreißung? – Den Tod, den Tod von meiner Liebe Händen! Was hat das Leben Schön'res zu erwerben, Als solch ein herrlich und verklärend Sterben! – Feier Des Südenhimmels gold'ne Sterne glühten In heit'rer Pracht, Durch's off'ne Fenster wehte duft'ge Blüthen Die warme Nacht. Des Brunelleschi stolzer Prachtbau ragte, Ein Marmorwall, In Boboli's tiefschatt'gem Haine klagte Die Nachtigall. Die Schönheit selber schien sich zu entschleiern, Und nah und fern Des Isisbild's Enthüllung mitzufeiern, So Blum' wie Stern. Der Feier solcher Nacht sich zu vermählen War würdig nur Entflammter Geister, liebdurchströmter Seelen Lautloser Schwur. Ein Gebet O wie schlug das Herz mir schnelle, O wie seltsam mir geschah, Als ich dort in der Kapelle Deine Mutter beten sah. Das Gebet voll Lieb' und Schmerzen, Das sich ihrer Brust entschwang, War es nicht mit meinem Herzen Innerster Zusammenklang? Galt nicht dir ihr frommes Sehnen? Dir nicht ihrer Andacht Brand? Netzen hätte ich mit Thränen Mögen ihre treue Hand. Aus dem Kampf, dem qualdurchgrauten, Dämmerte mir sanfte Ruh', Und mit sel'gen Wonnelauten Rief mein Innerstes ihr zu: »Ja uns trennt des Lebens Gleißen, Trennt der Erde bunt Gewirr! Tochter darf ich dich nicht heißen, Aber Mutter bist du mir! Die, von höchster Huld erkoren, Meines Daseins Schmuck und Zier, Die den Heiland mir geboren, Mutter! sei gesegnet mir!« Abwehr Nein, ich kann den Schmuck nur scheuen, Den bloß deine Phantasie, Sich an ihrem Werk' zu freuen Mir auf flücht'ge Stunden lieh. Wisse, daß du Hohn den Trieben Sprichst, der stolzerfüllten Brust, Wenn du mich, um mich zu lieben Erst erfindend dichten mußt. Statt dir ängstlich zu verhehlen Meiner Mängel dunkle Schaar, Liebe mich mit meinen Fehlen, Denn nur so liebst du mich wahr! – Entgegnung 1. »Die falsche Welt, sie soll mich nicht bethören Wenn sie, von Hohn und Hassesgifte trunken, In meiner Brust des Glaubens heil'gen Funken Und deinen Altar will in mir zerstören. Mag sie's mit tausend Eiden mir beschwören, Daß du zu finst'rer Schuld herabgesunken, Verleumdung ist's! Dieß freche Lied der Unken Nicht überzeugen kann mich's, nur empören! Und fühlt' ich je zum Zweifel mich getrieben, In deines Auges dunkelhellem Scheine Fänd' Lösung ich, von Gottes Hand geschrieben. Klar steht dein Bild in würd'gem Tempelschreine, Und wie die Opferflamme loht mein Lieben Zu dir empor, du Makellose, Reine!« – 2. Sei stark, mein Freund! und laß' kein weichlich Zagen Vor düst'rer Wahrheit dich die Blicke wenden, Was sie begannen, will ich selbst vollenden: Die Stimmen lügen nicht, die mich verklagen. Nach falschen Gütern ging mein wildes Jagen, Der Schuld erlaubt' ich, mit verruchten Händen Des Innern stilles Heiligthum zu schänden, Unwürd'ge Fesseln hat mein Herz getragen. Und lähmen ließ ich meines Geistes Schwingen, Ergab der Welt mich, von dem Wahn betrogen, Durch den Genuß zum Glücke hinzudringen. Bis ich, da jene Täuschung mir entflogen, Dastand, umgürtet von den Schlangenringen Der Ungeheuer, die ich großgezogen. 3. Jetzt ist's gesagt, der Schleier ist zerrissen! Im Dunkel nicht soll deine, Seele schwanken. Statt eitlem Wahne deiner Huld zu danken Will ich sie lieber stolzen Muth's vermissen. Doch magst du auch die ganze Wahrheit wissen, Magst wissen, daß ein Geist in den Gedanken Der Gottheit wie ein Thau vom Himmel sanken, Zu trüben nicht von ird'schen Finsternissen. Laß Marmorbilder unter Schutt versinken, Sie werden noch nach Tausenden von Jahren Dem Auge schimmernd hell entgegenblinken. Im Staub' wird der Demant den Glanz bewahren Und, darf er wieder Sonnenstrahlen trinken, Sein Lichtgeheimniß flammend offenbaren. In den Bergen Vom Gewühle weg die Schritte lenkend Hin zu dem Palast der Alpenfee, Standen wir auf sonnigstiller Höh' In den Abgrund uns're Blicke senkend. Durch die Föhren ging des Windes Rauschen, Und des Gießbach's wildes Brausen drang Mir an's Ohr, gleich einem Geistersang, Dem ich todesfreudig mußte lauschen. Todes freudig , ohne Angst und Schmerzen Denn das Sterben schien mir einzig nur Heimkehr, in die Arme der Natur, Froh Vergeh'n an ihrem Mutterherzen; Ein Zersprengen nied'rer Sinnesketten Und des Geistes eig'ne, freie Wahl Aus des Einzellebens dumpfer Qual In das All, das sel'ge, sich zu retten! Blüh'nder Rosen Wonne zu empfinden, Wenn, berauscht von lauer Frühlingsluft, Liebestrunken sie den würz'gen Duft Ihres Kelchs verstreu'n nach allen Winden; Theilzunehmen an dem Freudensegen, Der sich ahnend durch den Baum ergießt, Wenn im Blüthenflor, der ihm entsprießt, Sich des Werdens heil'ge Kräfte regen; Einen Ton zum Liede mitzubringen, Das sich aufschwingt voll verklärter Pracht, Wenn die Vögel in der Waldesnacht Früh und Abends ihr Te Deum singen; Zu vereinen sich mit allem Leben, Festzuwurzeln in dem Stamm des Seins Und nicht mehr, der flücht'gen Blätter ein's, In dem Hauch' des Sturmes hinzubeben! – Also dacht' ich. Wunderbare Lieder Stiegen aus der finstern Schlucht empor, Wirrer Stimmen süßverschmolz'ner Chor – tiefer beugt' ich mich zum Abgrund nieder. Ja, ich stand, wo sich die Wege spalten, Auf der Schwelle zwischen Dort und Hier, Doch umschlungen fühlt' ich mich von dir, Und durch dich vom Sturz zurückgehalten. Licht und klar durchdrang es da mein Wesen: Aufgeh'n in dem All ist dein Begehr? – Tauche unter in der Liebe Meer, Und du wirst von deinem Ich genesen! Deiner Selbstheit Schranken werden sinken, Fühlen wirst du dich im großen All, Ew'ger Strahl im ew'gen Sonnenball Wird dein Geist die Luft der Heimath trinken. Wenn im Tod' die Wangen sich entfärben Meinst du, daß nur da Vollendung sei? – And'rer Weg zur Gottheit steht dir frei Und die Liebe ist das schönste Sterben. Nur du! Ein Schrecken ist mir und ein Grauen Die Aehnlichkeit, von der man spricht, Ich will nicht deine Züge schauen In einem fremden Angesicht! – Vernehmen nicht aus fremdem Munde Will ich der theuern Stimme Klang, Die einst wie eine Himmelskunde Beseligend mein Herz durchdrang. Denn deine Schönheit ist der Schimmer, Der hell durch meine Nächte bricht; Den Glanz von oben trübe nimmer Ein falschem Schein erborgtes Licht. Mir ist von myst'schen Geistersängen Ein süßer Wiederhall dein Wort, Und unvermischt mit ird'schen Klängen Hall' es in meiner Seele fort. Ein Abschied Auf Bello-Sguardo standen trauernd Wir, still und stumm, im Abendschein', Die Seelen in einander schauernd Vom Weihekuß derselben Pein. Erklungen war der Ruf zum Scheiden, Des Schicksals unerbittlich Wort; Ob Menschen jubeln, ob sie leiden, Unaufgehalten schreitet's fort. Ich starrte, wüst und qualversunken, Indeß mein Herz im Busen brach, Des Tages rasch versprüh'nden Funken, Dem Untergang der Sonne nach. Und in dem Abendroth erkannte Ich, tief umstrickt von wachem Traum, Das Flammenschwert, das mich verbannte Aus kaum gefund'nen Edensraum! Du sah'st mich zittern und erbleichen, Und, folgend meines Denkens Lauf, Sprachst du: »Sieh hoffend sie entweichen! Nur schöner geht sie wieder auf!« Ja! sie ersteht mit neuem Prangen, Wie viel der Blumen, frostversehrt, Verduftet auch und hingegangen, Weil sie ihr wärmend Licht entbehrt! Hinweg mit diesem Trost, der bange Und drohend meine Brust durchbebt! Weißt du, ob Ein's von uns die lange, Die finst're Nacht auch überlebt? Und mag das Günstigste geschehen, Strahlt uns einst wieder Sonnenschein, Wird ein dereinst'ges Wiedersehen Denn auch ein Wiederfinden sein? Jedweder forschende Gedanke, Erkenntniß, welche neu entbrennt, Ein Abgrund sind sie, eine Schranke, Wodurch Getrennte mehr getrennt. Der Fluch ist dieses, der hienieden Die Schaar der Strebenden umflicht! Hat sich erst Geist von Geist geschieden, Bald findet Herz zum Herzen nicht! Des Weisen Wort hallt ewig wieder: »Die Asche wird nicht mehr zur Gluth! Du tauchst zur Kühlung deine Glieder Nicht zweimal in dieselbe Fluth!« So mag es sein! Um meine Gondel kos't der Wind, Und macht die Wellen spielend schäumen. Sein Geisterhauch umweht mich lind, Ich denke: Also muß ein Kind In seiner Wiege ruh'n und träumen. Die Gondel trägt mich weit hinaus Nach mondbeglänzten Meeresräumen, Und bei der Fluthen leisem Braus Denk' ich: So mag's im letzten Haus, Im Sarg' sich wonnig ruh'n und träumen. Zusammenklang Nimm allen Schmerz zusammen, Der Seelen je erdrückt, Und alle Gottesflammen, Die Seelen je entzückt; Was je an Freud' und Qualen Der Welt ein Räthsel blieb, Dann wird's zusammenhallen Wie meine tiefe Lieb'. Wir schifften hin Wir schifften hin auf feuchter Bahn, Das Meer lag schwarz umnachtet, Die Wellen brausten um den Kahn Mit uns'rem Schmerz befrachtet. Es sang sein Lied voll wilder Lust Der Sturm, beim Schlag der Ruder, Als ahne er in uns'rer Brust Den nimmerstillen Bruder. Die Finsterniß ward nur erhellt Von bleichen Phosphorfunken, Es schien die ganze weite Welt In Zauberschlaf versunken. Doch unser'm Herzen war's, als sei Die sturmdurchfurchte Welle Ihm zu der Heimath, stark und frei. Die bang gesuchte Schwelle. Hoch über uns der Himmel hehr, Durchwallt von Sternenreigen, Und unter uns, das dunkle Meer, Ein Grab voll Ruh' und Schweigen. Und still verschwamm des Innern Streit Zu wundersamem Frieden, Da wir von Grab und Seligkeit Nur durch ein Brett geschieden. Ein Name O wann zerreißt der Nebelschleier, Der Licht und Sonne mir entzieht? Wann strahlet Auferstehungsfeier Dem still in mir versargten Lied? Wann kehrt von dunklen Irrefahrten Zurück die Seele, bräutlich froh? Wann wird die Wüste mir zum Garten? Wann seh' ich dich, Ottavio? In dieser einen Frage schwinden Die andern alle, alle hin! So schwänden mir im Wiederfinden Des Lebens Gram und sein Gewinn, Denn meiner Tage Sonnenhelle Mein lebenspendend Ostern, wo Sich neu ergießt des Liedes Quelle Du bist es, mein Ottavio! Vergolten hast du mit Verderben Die Liebe, die du nie erkannt, Doch, wie des Pilgers, ist im Sterben, Mein Antlitz dir noch zugewandt! Und wie die welke Blüth' am Strauche Vom Lenze spricht, der längst entfloh, So tönt aus meinem letzten Hauche Dein Name noch: Ottavio! Zu spät Von Ahnungsweh beklommen, Starr' ich ins Abendroth; Du wirst einst wiederkommen, Dann aber bin ich todt. An eig'ner Wunden Brennen Wirst meine bitt're Noth Du schmerzvoll einst erkennen, Dann aber bin ich todt. Du wirst mit dunkelm Bangen Nach dem, was ich dir both, Einst sehnsuchtwild verlangen, Dann aber bin ich todt! Warum? Warum ich herzenskrank und wund Aus deinen Armen mich gerissen? Wohlan! so magst du nun den Grund Des schmerzlichen Beginnens wissen. Was aus dem stillen Paradies Dem lang ersehnten, mich getrieben, Was deine Näh' mich meiden hieß, Es war ein unermeßlich Lieben. Dir selber war's noch nicht bewußt, Du wagtest nicht dir's zu gestehen, Daß die Empfindung deiner Brust Im Schwinden, ach! und im Vergehen. Gleich blieb sich deines Auges Gruß, Und gleich der Lippe zärtlich Flehen, Doch, wehe mir! durch deinen Kuß Fühlt' ich den Hauch des Himmels wehen! Wie aus dem Lied, das auf der Flur Die Wandervögel scheidend singen, So hörte ich durch deinen Schwur Den Schmerzenston des Abschieds klingen. Und in der Rose duft'gem Schooß Sah ich den Wurm des Todesnagen – Da riß ich mich entschlossen los, Um nicht die letzte Schmach zu tragen. Der Liebe, die uns einst vereint, Wollt' ich ein schöner Loos erwerben, Als unbetrauert, unbeweint, Verwelkt und matt dahin zu sterben. Einprägen wollt' ich ihre Spur Auf immerdar in dein Gedächtniß, Daß sie dir bleibe, sei's auch nur Als eines bittern Weh's Vermächtniß. Und daß ich recht that, unsern Bund Zu lösen eh' er morsch zersplittert, Das thut mir jetzt die Thräne kund, Die dir im dunkeln Auge zittert. Losreißung Was gescheh'n muß, das geschehe ganz! Trennung heischt des Schicksals strenges Walten, Suche nicht von dem verwelkten Kranz' Einzler Blätter bang zurückzuhalten. Der du einsogst Sonnenlichtes Gluth, Laß' dir's nicht am Dämmerschein' genügen! Wirf den gold'nen Becher in die Fluth, Da du ihn geleert mit raschen Zügen. Was die Blüthe deines Lebens war, Soll nicht langsam sterben und vermodern, Nein, in Schmerzensflammen, rein und klar, Laß die schöne Leiche aufwärts lodern! O entweihe nicht ihr läuternd Grab Durch ein fruchtlos wühlendes Begehren! Schließe kräftig mit der Zukunft ab, Um entschwund'ne Tage fromm zu ehren. Vergessen Erinnerung nennt Ihr ein Glück? Sie, die nach Eurem tiefen Falle Die hingeschwund'nen Freuden alle Euch höhnend vorzählt Stück für Stück? Wißt Ihr, was mir Erinnerung? Ein Tiger, der aus finst'rer Höhle Grimm auf den Frieden meiner Seele Hinstürzt, mit mörderischem Sprung! Ein Upasbaum auf öder Trift, Der, wag' ich es in eitlem Sehnen, Mein Haupt an seinen Stamm zu lehnen, Mich rasch durchdringt mit glüh'ndem Gift! Mein Unglück trag' ich wie ich kann, Doch soll der Muth mir nicht entgleiten. Dann ihr verlor'nen Seligkeiten, O tretet weinend nicht heran! Und wenn auf meiner Stirne Rand Sich kalt jetzt deine Lippen pressen, Dann lass' auf ewig mich vergessen, Wie heiß vordem ihr Kuß gebrannt! O still! soll nicht mein eig'nes Wort Aufrufen der Dämonen Wüthen, Die tief in meinem Innern hüthen Der Schmerzen Nibelungenhort. Es ist genug! mehr als genug! Den Abgrund kann kein Blick ermessen. Ich will nichts weiter als vergessen Was ich genoß, was ich ertrug! Siegespreis Als mich des Kampfes Wetterschein umsprühte, Da war ich stark! Gerechten Zornes Flammenhauch durchglühte Mein innerst' Mark, Entrüstung lieh mir ihre scharfe Wehre Mich zu befrei'n; Das Glück war hin, so sollte doch die Ehre Gerettet sein. Jetzt, da der Kampf vorbei und ausgerungen, Getilgt die Schmach, Jetzt fühl' ich, daß die Kraft, die es durchdrungen, Das Herz mir brach. Aufschreit in meiner Brust die Qual, die herbe, Die vordem schwieg; Den heißen Kampf bestand ich, ach! und sterbe An meinem Sieg! Nach hall Auf den Blättern, welche deine Hand Einst beschrieb mit Liebeshieroglyphen, Ruht mein Auge sinnend, unverwandt, Und mir ist, als ob sie mahnend riefen: »Trübe Seele, welche unbewegt Von den Stürmen, die sich an ihr brechen, Längst verdorrte Blätter wahrt und pflegt, Die vom Lenz, dem schönen Todten, sprechen.« Per me si va nella città dolente In eine Hölle hast du mich verstoßen, An deren Eingang alle Sterne schwinden, Den Sel'gen wähnte ich mich zu verbinden, Und nun sind die Verdammten mir Genossen. Die Gnadenfrist der Reue ist verflossen, Wie sich auch noch mein Lebenspfad mag winden, Es ist kein Rückweg mehr zum Licht zu finden, Mit Glaub' und Hoffnung hab' ich abgeschlossen. Sie sind dahin! doch meine Liebe lebt! Sie lebt in meines Kummers heißen Zähren, Und Gott schuf keinen Schmerz, der sie begräbt. Mich kannst du tödten, nimmer sie versehren, Die Liebe, die von heil'gem Stolz durchbebt, So Glaube weiß, wie Hoffnung zu entbehren. Die böse Stunde Die Stunde, die nicht Wachen mehr, Und noch des Schlafes Gut nicht spendet, Sie ist's, die aller Foltern Heer Verräth'risch gegen mich entsendet. Ob mich der Blitz des Himmels trifft, Willkommen biet' ich den Gewittern! Doch jener Stunde schleichend Gift Macht mein gestähltes Herz erzittern. Da sind die Waffen hingelegt, Womit ich muthig kämpf' am Tage, Die hingeschied'ne Sehnsucht regt Sich leis' in ihrem Sarkophage. Da strahlt voll schmerzenreicher Huld Dein Aug auf mich im Liebesscheine Und fragt mich: Wessen ist die Schuld, Daß du nicht mein, du ewig Meine? Da übertönt dein süßer Laut Des Lebens tosende Orkane, Und fragt: Du meine Geistesbraut! Liebst du mich auch, wie ich es ahne? So ruft's, und jeder Natter Stich, Das tiefe Elend ist vergessen! In wilder Inbrunst möcht' ich dich An meinen Busen jauchzend pressen. Mein Geist flammt auf zu Gottes Lob, In meinem Aug' glänzt eine Zähre, Mein Herz erbebt und schwillt, als ob Ich nicht schon längst gestorben wäre. Hinweg du böser Spuk! zurück, Du bängster von den Schrecken allen, Um ewig unerreichbar Glück Ruh'los, ein irrer Geist, zu wallen! O nimmer wieder! Dich wiedersehen, du Verlorner? Nein! Mich faßt davor ein namenloses Zagen. Stark trug ich uns'rer Trennung herbe Pein, Dieß Wiedersehen wüßt' ich nicht zu tragen. Und kehrtest du auch liebend mir zurück, Erinnerung zu bringen uns'rem Bunde, Du wecktest nicht das hingeschied'ne Glück – Es sitzt der Dolch zu tief in meiner Wunde. Und zög'st aus dieser Wunde du den Stahl, Mein Blut verströmte rasch in heißen Güssen! Du gabst mich frevelnd auf, aus eig'ner Wahl – Jetzt ist's ein schaurig unabweisbar Müssen. Bescheide dich mit dem, was du gewannst, Als du mein Herz verrathen und zertreten. Vergiß mich, o vergiß mich, wenn du kannst, Und wenn ich kann, so will ich für dich beten. Rest Als uns'rer Seelen Aeolsharfensaiten Vom Gotteshauch der Liebe laut erklangen, Als uns're Geister glühend sich durchdrangen, Nicht wahr, mein Freund! Das waren schöne Zeiten? Das ist vorbei, und jene Seligkeiten, Zu süß in ird'schem Gefild' zu prangen, Sie sind in Nacht und Tod dahingegangen Als ich dein schwankend Herz sah von mir gleiten. Doch, ob auch liebeleer nun deine Brust; Ein starkes Band wird ewig uns vermählen, Im Innersten ist's trostvoll mir bewußt: Denn ewig werden uns're düstern Seelen, Gefall'nen Engeln ähnlich, von der Lust Verlornen Edens trauernd sich erzählen. In solcher Nacht Es winkt der Mond aus blauen Fernen Hernieder seinen Geistergruß, Die Erde schickt den Himmelssternen In duft'gen Seufzern Kuß auf Kuß. In solcher Nacht war's, wo die Hülle Mir von dem jungen Auge fiel, Wo ich der Liebeswonnen Fülle Zuerst geträumt als Lebensziel, Wo ein gestaltlos heißes Ahnen, Tief mit geheimnißreichen Mahnen, Die Seele mir zuerst durchfacht In solcher Nacht. In solcher Nacht war's, wo ich, trunken, Zuerst an deiner Brust geglüht, Wo deine Schwüre Gottesfunken In's tiefste Wesen mir gesprüht, Wo, um im Herzen mir zu liegen, Vom ew'gen Thron herabgestiegen Der Seligkeiten reichste Macht In solcher Nacht. In solcher Nacht ist's nun, daß, trübe Mein Geist der Schätze all gedenkt, Des Glück's, des Hoffens und der Liebe, Die längst ins Meer der Zeit versenkt. Was ich geahnt, was ich empfunden, Was ich besaß, es ist verschwunden Bis auf den Schmerz, der einsam wacht In solcher Nacht. Zuversicht Wir sind getrennt, und trüb und trüber Verglimmt das rasch entflammte Licht, Es schwebt kein Blatt zu mir herüber, Das mir von liebvollem Erinnern, Von Sehnsucht und Verlangen spricht, Doch fühl' ich es im tiefsten Innern: Von dir vergessen bin ich nicht! Denn eine Stunde schlug uns Beiden, Die mit des Schmerzens Priesterhand, Zu gleichen Wonnen, gleichen Leiden, Zu gleichem Fluch und gleichem Segen Uns unauflöslich fest verband! Wir wallen auf getrennten Wegen Doch in dasselbe Heimathsland. Lass' mahnen dich an jene Stunde, Wo Herz an Herz mit bangem Schlag Sich zugeraunt die Trauerkunde, Dieß sei der letzte gold'ne Schimmer Von einem sonnenhellen Tag, Und dann vergiß mich auf allimmer Wenn deine Seele es vermag. Geisternähe Ottavio! mein düst'res Lied, Weit über Meer und Berge zieht Es bis zu deinem Prunkpalaste. Umstrickend dich mit dunkelm Bann Tritt mahnend es zu dir heran Gleich Macbeth's schauerlichem Gaste. »Woher – so fragen sie erschreckt – Die Bläße, die dein Antlitz deckt, Und deiner Pulse fieberisch Jagen?« Sie wissen nicht, daß deinem Blick Gespenstisch sich gezeigt das Glück Das du mit Meuchlerhand erschlagen! – Am Lido Die weißen Wellenhäupter funkeln Im Sonnenuntergang – In meiner Seele auch will's dunkeln, Mein Herz ist schwer und bang! Es tönt und rauschet aus der Tiefe Verlockender Gesang, Als ob es mich herunter riefe – Mein Herz ist schwer und bang! Von düstern Sorgen, die es pressen, Ist es so schwer und bang! O nimmer werd' ich dich vergessen, Da hier mir's nicht gelang! Ewiger Gewinn Das Weh, das ich im Innern trage, Treu wahr' ich es, entschloss'nen Sinnes, Als letzten Rest glücksel'ger Tage, Als Bürgschaft ewigen Gewinnes. Ob auch dem blöden Aug' des Thoren, Zerrissen unser Bildniß scheine, Ich hab' dich nimmermehr verloren, So lange ich noch um dich weine. Und dieses Herz, das kühn gemuthet, Sich hingab deiner Liebe Flammen, So lang' es um dich klagt und blutet, Hängt es mit deinem noch zusammen. Der Tröstungen kann ich entbehren, Da ich in meinen eig'nen Wunden, In meines Kummers heißen Zähren, Den schönsten, reichsten Trost gefunden. Ein Wahlspruch Ringsum Gewitternacht Am Horizonte liegend, Und durch die Wolkenschlacht Ein Pfeil, beschwingt hinfliegend, Die Aufschrift drum geprägt: Hindurch! trotz Blut und Leichen! Der Douglas Wappen trägt Die Worte und dies Zeichen. Wer diesen Spruch erfand Und wer erdacht dies Zeichen, Ich möchte meine Hand Dem Glaubensbruder reichen! Wie seines traut mein Herz Dem freudigen Berichte, Daß aller Kampf und Schmerz Ein Durchbruch nur zum Lichte. Aurora An E. Es neigte sich in einer finstern Stunde Dein Geist zu mir mit Worten des Propheten: »Die zu zerstört dich wähnest und zertreten, Ich sage dir: Erheb' dich und gesunde! Das nied're Unkraut dir im Seelengrunde Wild aufgeschossen, trachte auszujäten! Durch Thaten lerne zu der Gottheit beten – Im Wirken liegt der Balsam jeder Wunde.« Als ob das Schicksal mir durch dich geböthe, Gab willenlos dem Wort ich mich gefangen, Das über Wunsch und Schmerzen mich erhöh'te. Und Roth der Scham entglomm auf meinen Wangen, Gelobt sei Gott! es war die Morgenröthe, Die neuem Lebenstag vorangegangen! In der Fremde Fern vom heimathlichen Strand Fand ich dich auf meinem Pfade – Gott hat dich zu mir gesandt Und ich preise seine Gnade! Meiner Wunden Schmerzenbrand Kühlt' ich in Bethesda's Bade – Gott hat dich zu mir gesandt Und ich preise seine Gnade! Es erschloß mir deine Hand Neuen Glaubens Bundeslade – Gott hat dich zu mir gesandt Und ich preise seine Gnade! Beistimmung Ja, du hast Recht! Es muß das Glück zerfallen, Soll sich des Geistes kühner Bau erheben, Der Kaufpreis für Unsterblichkeit heißt Leben , Auf Gräbern ruh'n der Tempel stolze Hallen! Der Lorbeer wird nur jene Stirn' umwallen, Die sich des Blumenkranzes hat begeben, Nach keinem Erdenglücke darf mehr streben Wer sich dem Ruhm geschworen zum Vasallen. »Ich dulde keine Götter neben mir!« So spricht der Gott, und willst du treu ihm dienen, Wirf rasch hinweg der Götzendiener Zier. Und schreite starken Muth's aus den Ruinen Des eingestürzten Glückes, welche dir Ein Kerker waren und Palast nur schienen . Dem Freunde Du weißt es nicht, wieviel du mir gegeben In einer finstern Zeit, da meinem Leben Des Hoffens gold'ner Schein entschwand! Du kennst es nicht, das tiefe bitt're Elend, In welches deine Worte, neu beseelend, Den Himmelsboten Trost gesandt. Du siehst sie nicht die stolz verhüllten Wunden, Auf die in dunkeln mitternächt'gen Stunden Du sanfte Kühlung niederweh'st! – Du ahnest nichts von meines Innern Streite, Noch ahnest du, daß du an meiner Seite Am Siechbett' eines Herzens stehst. – Und wenn ich dich betrachte, möcht' ich fragen: Bist du ein Strahl, der mir von bessern Tagen Voll freudiger Verheißung spricht? Wie? Oder bist du nur ein letzter Schimmer, Mir nachgesandt zum Trost eh' ich auf immer Vom Leben scheide und vom Licht? – Wie dem auch sei, und wie es sich mag wenden, Nimm meinen Dank für deiner Seele Spenden! Mein Segen sei ob deinem Haupt! Denn eine Stütze bist du mir gewesen In bösen Stunden, wo von allen Wesen Mein Herz nur mehr an dich geglaubt. Wird Heilung mir noch in des Lebens Thalen, Mit welchem Wucher will ich dir bezahlen Die Schuld, in die du mich verstrickt! Und soll mir nur der Tod Genesung bringen, Dann wird es dein Gemüth wie Duft durchdringen, Daß du die Sterbende erquickt. – Dann denke mein! In stillen Mitternächten, Die sich aus Sternen Friedenskränze flechten, Gedenke, o gedenke mein! – Wenn laue Weste deine Stirn' umfächeln, Dann sage dir mit wehmuthsvollem Lächeln: Es mag ein Gruß der Todten sein! Asyl Was immer mich an Schuld beschweret, Des Einen bin ich mir bewußt: Nie hab ich frevelhaft entehret Des Sanges Kraft in meiner Brust. Ob längst des Lebens trübe Welle Mich von dem Reich des Friedens schied, Der Nonne gleich in stiller Zelle Blieb rein und unentweiht mein Lied. Im wechselvollen Weltgetriebe, Auf stürmereicher Irrenfahrt, Wie eine fromme Jugendliebe Hab' ich es unbefleckt bewahrt. Als einz'ges Gut, das ich gerettet Aus einer eingestürzten Welt. Als letztes Band, das mich gekettet An's Strahlenherz der Gottheit hält. Und wie der Sprosse der Atriden Im heil'gen Haine Lind'rung fand, So flücht' ich mich zu deinem Frieden, O Musa! in dein Zauberland. Die Flüche der Erynnen schweigen, Der Hand entsinkt der Pilgerstab, Und auf dem öden Patmos neigen Sich himmlische zu mir herab. Mahnende Stimmen Dort, wo im Herbst der Himmel reiner Herniederblaut, als hier im Lenz, Denkst du mit stillem Lächeln meiner, In deinem blühenden Florenz. Die duftig blauen Bergessäume, Des Arnothales Lichtrevier, Die Pflanzen, Blumen und die Bäume, Sie sprechen mahnend dir von mir. Die schattenspendenden Platanen Vom Epheu lind und leis' umschwankt, Sie werden flüsternd d'ran dich mahnen, Wie fest mein Herz sich um dich rankt. Der Blumen glänzendes Gewimmel, Erinnern wird dich's an die Macht, Mit der du einen Farbenhimmel In ein umdüstert Sein gebracht. Und wenn in finstern Augenblicken, Der Zwiespalt deine Brust beschleicht, Wird dich der sanfte Duft erquicken Des Oelzweigs, den du mir gereicht. So weiß ich, daß ich in der Ferne Dir ewig nah, so nahe bin, Als wallte ich beim Licht der Sterne An deiner Seite selig hin. Ein Resultat Dein forschend in die Ferne Späh'n, Glaub' mir, es wird dir wenig frommen! Du kannst kein Gotteswort versteh'n, Wenn du's nicht schon in dir vernommen. Kein Geistesstrahl, der auf dich fällt, Macht es vor deinen Blicken tagen, Wenn nicht in deiner innern Welt Du ahnend ihn schon längst getragen! Von einem Wahn zum andern irrt, Wer fremde Weisheit sich erkoren, Denn eine neue Wahrheit wird Mit jedem Menschen neu geboren. Sie thront in deiner eig'nen Brust, Es thut nicht Noth nach ihr zu rennen; Allein der Sinne trüber Wust Verhindert dich, sie zu erkennen. Nur diesen Gegner, diesen nur, Hast siegreich du zu überwinden, Dann wirst du ihre Strahlenspur In deiner tiefsten Seele finden. Doch was ein And'rer sich errang, Das kommt dir nimmermehr zu gute; Echt ist nur das, was dir entsprang, Was Blut von deinem eig'nen Blute. Es kann dich keine fremde Hand Zum Dienst der ernsten Göttin weihen: Nur Jener weiß, der selbst erkannt, Erkennen heißt: nur sich Befreien. Dem Andersglänbigen 1. Es hat die Welt um uns ein Netz geschlungen, Ein dunkles Netz verwirrender Gestalten; Jedweder glaubt die Wahrheit festzuhalten, Und Gott allein nur weiß, wem es gelungen. Was mit Begeist'rung dein Gemüth durchdrungen, Im Hasse macht es meine Brust erkalten, Was meines Hoffens freudigstes Entfalten Scheint aus der Hölle dir emporgedrungen. Doch ob auch in den blutgetränkten Schranken Die Geister sich in wildem Kampf erhitzen, Wir sind doch Waffenbrüder ohne Wanken. Denn, wenn geschwungen uns're Schwerter blitzen, So ist's, weil wir für innerste Gedanken Freudig bereit, das Herzblut zu verspritzen. 2. Es sind nur Meinungen, die uns entzweien, Doch, kommt des Strebens letztes Ziel zur Sprache, Sind wir Vertreter einer heil'gen Sache Und Kampfgenossen in getrennten Reihen. Von Schmerz und Noth die Menschheit zu befreien, Daß, die jetzt unter nieder'm Kerkerdache Aufstöhnend träumt, zu bess'rem Sein erwache, Dieß ist der Dienst, dem wir uns Beide weihen. Du suchst das Heil in den entschwund'nen Zeiten, Den längst des Geistes frischem Hauch erleg'nen; Ich in den Tagen, die sich jetzt bereiten. Doch werden wir uns einst am Ziel begegnen, Wenn die Walkyren über's Schlachtfeld gleiten, Und die Gefall'nen beider Heere segnen! – Unterscheidung Ja! selig sind die friedlichen Gemüther, Die nie am Abgrund finstern Zweifels schwanken, Die sich umschirmt mit fester Satzung Schranken, Und leben als des Glaubensschatzes Hüther. Doch heilig nenne ich die Schaar erglühter, Furchtloser Geister, deren Lichtgedanken, Statt um die fremde Stütze sich zu ranken, Selbander kämpfen um das Gut der Güter. Denn also brünstig ist ihr Gottverlangen, Daß keine Lehre fernher überkommen Befried'gen kann, der Seele Sehnsuchtbangen. Drum selig, wem des Glaubens Licht erglommen. Doch, die im Kampf' zu Gott empor sich rangen, Das sind die Heiligen, die Heldenfrommen. Rückblick Nein! begreifen kann und fassen Ich den eig'nen Wahnsinn nicht! Warum hab' ich dich verlassen, Meiner Seele Luft und Licht? Strahlten deine Augensterne Mich nicht an, voll milder Pracht? Warum zog ich in die Ferne, In die kalte, finst're Nacht? Als das Schicksal uns're beiden Herzen sich begegnen ließ, War's, als ob mit ernsten Eiden Es den Himmel uns verhieß. Warum habe ich, verblendet Wählend Schmerz und Finsterniß, Frevelnd mich von dir gewendet Dem ersehnten Paradies, Um, wo gift'ge Pfeile schwirren, Um auf wild empörtem Meer, Qualvoll, ruhelos zu irren Ein verfluchter Ahasver! Wenn hell des Morgens Gluthen Wenn hell des Morgens Gluthen Vergolden Berg und Thal, Der Vögel Lieder fluthen, Ein freudiger Choral, Dem Blumen-Oceane Sich würz'ger Duft entringt, Der Lenz, die grüne Fahne, Ein heit'rer Sieger, schwingt, Da winkt das Lied vergebens, Und überwältigt lauscht Mein Herz dem Strom des Lebens, Der brandend es umrauscht. Doch wenn im Licht, im bleichen, Des Mond's die Erde liegt, Im Wipfel alter Eichen Der West sich leise wiegt, Wenn dunkle Wolken jagen Voll Sehnsucht südenwärts Und Geisterstimmen klagen, Da tönt und klingt mein Herz! Mein Knie beugt sich zum Grunde, Des Auges Thräne rinnt, Und der Erinn'rung Stunde, Des Sanges Zeit beginnt. Eine Begegnung in Venedig An Rottmann in München. Getreulich wahre ich im Innern Ein heiter grünendes Erinnern An jenen Tag voll Licht und Gluth, Wo in der Stadt wir der Paläste, Dem Trauerort entschwund'ner Feste, Hinwogten auf smaragd'ner Fluth. Wie feierlich war mir zu Muthe Als mächtig sich mir der Salute Harmonisch edler Bau erschloß, Vecellis strahlende Madonne Der Schönheit Licht wie eine Sonne In mein geblendet Auge goß! Als, der schon in den Erdentagen Den Himmel in der Brust getragen, Und seine Blüthen träumend brach, Gian Bellin, der Sanfte, Milde, Aus seinem still durchseelten Bilde Mit Engelslauten zu mir sprach! Als, dem zu früher Tod die Krone Allein entwand, Giorgione Mit seines Geistes tiefem Brand, Mit seiner Leidenschaft Gewalten, Die düster schönste der Gestalten Vor meinem trunk'nen Blicke stand! Wie fühlt' ich meine Pulse fliegen! Bewältigt glaubt ich zu erliegen Von einer fremden Macht durchgraut, Wie Einer, der zur Todesfeier, Der Hüllen baar und baar der Schleier, Das Angesicht der Gottheit schaut. Ist's nicht im Lichtgebild des Schönen, Daß sich des Staubes armen Söhnen Der ew'ge Glanz des Himmels zeigt? Und mußt' in seines Menschthums Schwächen Das Herz vergehen nicht und brechen, Zu dem die Gottheit sich geneigt? – – Doch du, mein herrlicher Begleiter! Du standest sinnend, ernst und heiter, Fast wie ein Priester am Altar! Denn Heimath war dir dieß Gebiethe, In welchem ich nur Neophyte, Und ungeweihter Fremdling war. Du aber sprengtest mir die Riegel, Du lös'test die geheimsten Siegel Mit deines Wissens Zauberspruch. Nicht mehr verwirrt und übermeistert, Und d'rum nur flammender begeistert Las ich in dem geweihten Buch! Wie dürstend lauscht' ich deiner Worte! Wie selig trat ich durch die Pforte In das erschloss'ne Heiligthum! Ja! ich empfing von deinem Munde, Die freudenvolle Lebenskunde, Der Schönheit Evangelium! Und dieses menschlich edle Streben, Mich bis zu ihr hinanzuheben, Wem kam es besser als dir zu? O wer vermöchte wohl den Laien Zum Tempeldienst der Kunst zu weihen, Wenn nicht ihr Auserwählter, du?! Wir schieden. – Wolle Gott es fügen, Daß ich auf künft'gen Wanderzügen Einst wieder dir begegnen mag! Er schenke meinem Geist, dem müden, Im schönen, vielgeliebten Süden, Einst wieder einen solchen Tag! Im Freundeskreise Hell sprühten des Kamines Flammen, Frisch war die Lampe angefacht, Im Kreise saßen wir beisammen In einer stillen Winternacht. Ein heit'rer Austausch von Gedanken Hingaukelnd zwischen Ernst und Scherz, Flocht seine duft'gen Blüthenranken Um jeden Sinn, um jedes Herz. Wir sprachen von der Menschheit Loosen, Wann sie den froh'sten Sieg errang, Und welche Zeit die schönsten Rosen Ihr krönend um die Stirne schlang; Wann von der Gottheit Angesichte Der Strahlen hellster auf sie floß, Wann sie am Quell vom Glück und Lichte Den reinsten Labetrunk genoß. Und Einer rief: »Mögt ihr noch fragen? Seid ihr der Antwort nicht gewiß? Es war in jenen heitern Tagen, Die Perikles die seinen hieß. O Hellas! Land der Heldensöhne! Der Kunst geliebtes Vaterland! Du hieltst des Lebens Kraft und Schöne In deinen Zauberkreis gebannt. Da war das Sein noch nicht gespalten Und Geist und Körper nicht im Streit, Der Stoff war von des Geistes Walten Beseelt, veredelt und geweiht! Den wir umsonst zu lösen streben, Der Zwiespalt zwischen hier und dort, Er blieb dir fremd und all dein Leben Ein voller, seliger Accord!« – Ein Zweiter sprach: »Nicht jenem Alter Der Menschheit klagt mein Sehnen nach! Dem spätern, wo sie gleich dem Falter, Durch ihrer Träume Hüllen brach, Wo vor des Kindes armer Krippe Sie betend auf die Kniee sank, Und von des Menschgeword'nen Lippe Das Heil und die Erlösung trank. Wo eine fremde Macht, der Glaube, Beseligend ihr Herz durchdrang, Wo sich dem niedern Erdenstaube Ein heil'ger Blüthenflor entrang, Wo von dem Strahl der Geistersonne Heraufgeführt der Weihetag, Wo in dem Schmerz die höchste Wonne Und Hoffnung in dem Tode lag! Ihr allzufrüh entschwund'nen Zeiten, Wie sehnt nach euer'm Friedensglück Mein Geist, erschöpft vom Kampf und Streiten Sich bang und wehmuthsvoll zurück! Da grünte schattenreich der Glaube Als Eiche, die gebietend steht – Doch unser Denken gleicht dem Laube, Das jeder Windeshauch verweht.« – Ein Dritter: »Wardst du noch nicht inne, Daß Glaube ein erborgter Strahl? Für heil'ger gilt in meinem Sinne Das selbsterrung'ne Ideal! Drum preis' ich jener Zeit Zerwürfniß, Wo sich die Menschheit unverzagt Ihr tiefstes, flammendstes Bedürfniß, Ihr schmerzlichst Missen abgefragt. Wo sie in stillen Mitternächten Zum Quell selbsteignen Forschens drang, Wo kühn sie mit des Zweifels Mächten, Wie Jakob mit dem Geiste rang, Bis abgestreift die Nebeldecken, Umsegelt war das dunkle Riff Und sie sich selbst, mit sel'gem Schrecken Als göttliche Idee begriff!« – Ich aber rief: Sind eure Herzen Der Vorwelt sehnend zugewandt, Mit meinen Freuden, meinen Schmerzen Bin ich an uns're Zeit gebannt! Und wie zum Vaterland die Liebe Sich nie verlernt und nie vergißt, Häng' ich an ihr mit frommem Triebe, Die meines Geistes Heimath ist. Mag es auch schön're Länder geben Und duft'ger blüh'n die fremde Flur, Es wurzelt unser wahrstes Leben Doch in dem Heimathboden nur. So hält mich uns're Zeit umschlungen, Die mich, bedingend und bedingt, Mit ihrem Hauch so tief durchdrungen, Wie sie der meine tief durchdringt. Ich bin ihr Kind und nicht ihr Richter! In meinen Adern wallt ihr Blut, Entbrannt sind meines Geistes Lichter Am Widerscheine ihrer Gluth, Sie ist an jedem Keim betheiligt, Der sich in meiner Brust erschloß, Als Mutter ist sie mir geheiligt, Und ihr Geschick, es ist mein Loos! O mater dolorosa! Thränen Verdunkeln deiner Augen Licht, Und deinem tiefsten frommsten Sehnen Noch ward ihm die Erfüllung nicht, Allein geheimnißvolle Zeichen Gewahr' ich rings, entzückt und bang, Und Ahnung will mich froh beschleichen, Daß keinem Schooß das Heil entsprang! – So nimm mich hin als dir zu eigen, Mit meines Wesens tiefstem Sinn! Laß mich in Wort und Thaten zeigen, Daß ich dein Kind, dein treues bin! Und mag ich gleich dem Laub zerstieben, Das jeder Windeshauch verstreut, Der Stamm, der zeugend mich getrieben, Er wurzelt in der Ewigkeit! – In der Krankheit O strömt herein, ihr milden Frühlingslüfte, Und tröstet mich in meiner Krankenzelle! Herein, o West! du flüchtiger Geselle! Herein ihr Strahlen und ihr Blumendüfte. Sonst sucht' ich euch im Berg- und Felsgeklüfte, Im Thalesgrund und an dem Waldesquelle, Jetzt aber fleh' ich: Kommt zu meiner Schwelle Und scheucht hinweg den dumpfen Hauch der Grüfte Soll mir des ernsten Engels Ruf erschallen, So laßt, eh' ich dem Todesstreich erlegen, Noch eure holden Schimmer auf mich fallen! Wenn nicht, so laßt es tief ins Herz mich prägen, Wie es doch schön und herrlich hinzuwallen Auf einer Welt voll Frühlingsglanz und Segen! Feste Bande Ja, es kommen böse Tage, Des Geschickes rauhe Schergen, Wo das Herz in stummer Klage Leichentuch sich möchte bergen. Wo's von milden Sonnenstrahlen Nicht mehr liebevoll durchzittert, Und die Freuden wie die Qualen Ausgetobt und ausgewittert. Wo nur längstverklung'ne Stimmen Träumerisch es noch durchhallen, Wo zum Nebelbild verschwimmen, Die an unsrer Seite wallen. Wo uns weiter nichts geblieben Als die Opferduft-umhauchten Gräber der geliebten Lieben, Welche wir zum Leben brauchten. O, wie wir das Sein so gerne, Wie so freudig von uns streiften, Auf der Flucht nach schön'rem Sterne Einzuholen die Gereiften! Doch, da tritt mit ernstem Mahnen Vor uns hin, das Bild von Jenen, Die auf ihren dunkeln Bahnen Schutz und Trost von uns ersehnen. Sieh' die flehenden Gestalten Und dein Geist wird Stärke schlürfen, Treu bei ihnen auszuhalten, Welche deiner noch bedürfen. Sorge Nahe fühl' ich mir den dunkeln Schnitter, Dessen Sichel mähet Menschenleben, Fühle des Befreiers heißes Streben, Aufzusprengen meines Kerkers Gitter. Sehe nach dem tobenden Gewitter, Siebenfarbige Bogen sich erheben, Todesfreudig drauf empor zu schweben! Eines doch macht mir das Scheiden bitter. Eines doch, macht meine Seele zagen: Daß – ich weiß es – deines Herzens Frieden Sterben wird, wenn meines ausgeschlagen! O wer wird, bin ich dahingeschieden, Deiner Schmerzen Bürde mit dir tragen? O wer liebt dich so wie ich hienieden? Einem Kämpfer Wenn sich ein Herz im glüh'nden Schwung Zur kühnen Opferthat ermuthet, Im Sturme der Begeisterung Sich selbst vergessend, kämpft und blutet Wenn alle Wunden, die es trägt, Gleich lichten Siegesmalen prangen, Da hat es, tief und süß bewegt, Den höchsten Lohn bereits empfangen. Und wenn ein Herz von mild'rer Art, Ward ihm sein irdisch Glück vernichtet, Aus gramumhüllter Gegenwart Sich in das Reich der Hoffnung flüchtet. Wenn es da glaubt, Gott werde mild Ihm einst vergelten seine Mühen, Da sieht auf ödem Herbstgefild' Es einen ew'gen Lenz erblühen. Du aber, finst'rer Mann! dem nicht Begeisterung das Aug' befeuchtet, Du, dem des Glaubens tröstend Licht Die nächt'gen Bahnen nicht beleuchtet, Der keine fromme Hoffnung hegt, Von dem die Liebe abgefallen, O sag mir, was dich stützt und trägt, Auf deinem dunkeln Erdenwallen? Als du dein eigen Herz zerdrückt, Um nicht ein andres zu verletzen, Als du ein fremdes Sein geschmückt Mit deines Lebens besten Schätzen, Da ward die trunk'ne Seele nicht Von freud'gen Flammen dir durchlodert, Dein Thun schien dirnicht mehr als Pflicht, Und du vollzogst, was sie gefordert. Dir ward kein Dank; mir aber ist Als müsse vor dem Herrn der Welten, Der unsre Thaten prüft und mißt, Dein Opfer als das größte gelten! Denn keine holde Zaubermacht Bestrickte dich mit Engelsmienen – Du hast das Schwerste stark vollbracht, Bloß weil es dir als Recht erschienen. Du tiefes Herz, das unter Eis Verborgen wahrt die reinste Blume! Du Held, der da nichts ahnt und weiß Von seinem eig'nen Heldenthume! Wenn in der letzten Stunde Grau'n Dein Geist sich klärt sein wahrhaft Wesen, Dann wirst du, selig staunend, schau'n, Wie edel du, wie groß gewesen! Ein Traum Schon glaubt' ich meines Herzens Schläge Beschwichtigt und zur Ruh gebracht, Schon glaubt' ich, überwunden läge Im Staub vor mir des Lebens Macht, Verachtend blickt ich auf die Klage, Kalt lächelnd auf versunk'nes Glück, Und das Gedächtniß früh'rer Tage Wich scheu vor meinem Stolz zurück. So wähnt' ich mich geheilt, genesen, Hinwallend auf erlauchter Spur, Geläutert und geräumt mein Wesen Von Schlacken irdischer Natur. Wie stieg das Blut in meine Wangen, Wie strahlte im Triumph mein Blick! Bewältigt hatt' ich Wunsch und Bangen, Mein Wille nur, war mein Geschick. So war's noch gestern. Wie nun heute? Welch dunkler Bann hat mich berührt, Und die ihm abgerung'ne Beute Dem Schmerze wieder zugeführt? O Purpur, deckend Bettlerblöße! O Kronenreif von Glitzerschaum! O wahngeträumte Herrschergröße – Besiegt, zerstört hat euch ein Traum! Ein Traum, deß finst'rer Zaubersegen Mit Fesseln meuchlings mich umreift. Er brach herein, wie Räuber pflegen, Als ich die Rüstung abgestreift. Er brach herein bei nächt'ger Stille, Vampyrhaft saugte er mein Blut, Als schlimme Wächter, Geist und Wille Erschöpft vom Tageswerk geruht. Und die in mir so lange schliefen, Die alte Lieb', das alte Leid, Sie stiegen aus des Grabes Tiefen Von ihm erweckt, durch ihn befreit. Sie sangen ihre Schmerzenlieder, Sie winkten mit der Geisterhand, Und aus der Asche schlugen wieder Die Flammen auf in wildem Brand. Da, plötzlich aus dem wirren Grund, Rang sich ein Bild gewitterklar, Du tratst vor mich, wie in der Stunde, Die meines Friedens letzte war. Wir sind uns fremd im Leben, Sterben, Wir haben fürder nichts gemein, Was drängst du, ganz mich zu verderben. Dich nun in meine Träume ein? Was nahst du mir mit fleh'ndem Munde, Was blickt dein Aug' so schmerzenwild, Daß aus der schon vernarbten Wunde Auf's neu' der alte Blutstrom quillt? Was mußt du mir die Kunde bringen Mit deinem trüben Seelengruß, Daß all mein Kämpfen, all mein Ringen Die eitle Müh' des Sisyphus? Daß alle meine Geistesflüge Ein Flattern an der Kette bloß, Daß meine Kraft armsel'ge Lüge In Nichts zerfließend, wesenlos, Daß meinem innersten Gemüthe Fortan nichts wahr und wirklich heißt, Als nur die Lieb', in der es glühte, Und nur der Schmerz, der es zerreißt. Geistige Knechtschaft Als heilig ist des Dichters Schmerz zu ehren, Wenn bang er schmachtet nach der Wahrheit Strahle, Wenn er verwais't sich fühlt im Erdenthale, Und nach der Heimath Glück verlangt mit Zähren. Allein bei euch, die jammernd sich beschweren, Daß sie entbehrend steh'n am Lebensmale, Daß keine Anerkennung sie bezahle, Kann ich mich tiefen Ekels nicht verwehren. Hinweg mit euch von der geweihten Stätte, Die nach Genuß ihr dürstet und nach Lohne Als ob die Welt ihn euch zu spenden hätte! Als Knechte lebt ihr in gemeiner Frohne, Des Geistes Gold, ihr schmiedet es zur Kette, Statt draus zu formen eine Siegeskrone! Dem jungen Freunde In deinen Tempel soll ich treten, Zu deinen Göttern gläubig beten, Was jemals mein Gemüth durbebt, Soll ich mit muth'ger Hand verwischen, Dann, meinst du, werde mich erfrischen Der Frieden, welcher dich umschwebt. Gewiß! gewiß! wie freudig würde Ich dann ertragen jede Bürde, Wie froh begrüßen jeden Tag, Wie schiene mir dann Leid und Grämen Nichts als ein wesenloser Schemen – – Nur Schade, daß ichs nicht vermag. Ob wir mit Recht uns Freunde nennen, Doch wird den Geist vom Geiste trennen Noch lange eine dunkle Kluft: Du stehst in deiner Jugend Blüthe Und ahnend streift durch mein Gemüth Des nahen Herbstes rauhe Luft. Vielleicht, daß wir dereinst uns gleichen, Wenn deine Wangen still entbleichen, Wenn sich dein Blick entmuthigt senkt! Was lebt, dem Alter reift's entgegen, Und einer zweiten Jugend Segen Wir keinem Irdischen geschenkt. Gnadenwahl Bist du denn noch so wenig vorgeschritten Auf der Erkenntniß Bahn, der dornenvollen, Daß du die Menschen zürnen magst und grollen Für das, was du erduldet und gelitten? Ob auch als Antwort deiner Flehensbitten Nur lauter ihres Hasses Flüche schellen, Ein dunkles Müssen war's, kein freies Wollen, Wenn sie dein Herz vom Glücke abgeschnitten. Denn wahllos wandelt Jeder auf den Pfaden, Auf welchen Kräfte, die sich tief umfloren, Mit dunkelmächt'gem Spruche ihn geladen. Zum Henkerdienste wurden sie geboren. Du aber freue dich, wenn Gottes Gnaden Zum Werkzeug dich des Segens auserkoren. Dem ewig Unverlornen Da Götter dich zu ihrem Dienste weihten, Folg' ihrem Rufe und zertritt mein Glück! Mit dir fühl' ich das Leben mir entgleiten, Doch meine Hand, sie hält dich nicht zurück. Ob dunkle Wolken rings den Himmel schwärzen, Die Lust entflieht, ein scheidend Abendroth, Es hebt mich über mich und meine Schmerzen Die Liebe, die da stärker als der Tod. Uns einte und verknüpfte nicht für Stunden Der Sinne Gluth, der Laune flüchtig Spiel; Was unauflöslich Geist mit Geist verbunden, Ein gleich Erkennen war's, ein gleiches Ziel. O, fort mit jeder schwächlich feigen Klage! Bleibt nicht mein Loos dem deinen zugesellt Für immer, da in deiner Thaten Wage Nun das Gewicht auch meiner Leiden fällt? So bauen treu wir an demselben Werke, Dem unser tiefstes Hoffen zugekehrt: Du schaffst daran mit deines Geistes Stärke, Ich mit dem Grame, der mich still verzehrt, Dich wird der Ruhm mit seinem Licht umkleiden, Wenn kein Gedächtniß meinen Namen trägt; Doch Gottes Richterspruch wird dann entscheiden, Wer sich der Opfer größ'res auferlegt! – »Wie willst du leben?« tönt's von deinem Munde, »Wie willst du leben, wenn ich fern von hier?« O! anders nicht wie bis zu dieser Stunde: Durch dich, mein Freund, mein Bruder! und in dir! An jedem Tage will ich neu besiegeln Mit Märtyrwonne meinen Liebesschwur, Und nichts soll sich in meiner Seele spiegeln, Als ein Erinnern und ein Hoffen nur! Nicht nur Entzückungen, es gibt auch Leiden In deren Strome sich das Herz erfrischt. Dem unermess'nen Weh, von dir zu scheiden, Ist eine süße Tröstung beigemischt! Ein Sonnenstrahl durch finst'rer Nebel Decke Ringt leuchtend der Gedanke sich empor, Daß ich dich nur um ewig heil'ge Zwecke, Daß nur an Göttliches ich dich verlor! Aschenbrödel Was für ein ärmlich traurig Leben Mit fahlen Fäden dich umspinnt! Der Freuden mußt du dich begeben, Du armes, du verlass'nes Kind. Von gold'ner Zier, von Sammt und Seide Wird deiner Schwestern Reiz verklärt, Umwallt vom grauen Alltagskleide Sitzt Aschenbrödel still am Herd. So sitzt sie schon seit manchen Jahren Und wirkt und schafft den ganzen Tag, Aufsammelnd für die Undankbaren, Der Mühen köstlichen Ertrag, Zerstreut, gedankenlos empfangen Sie, was die Arme ihnen reicht, Und merken nicht, wie ihrer Wangen Sanft blühend Rosenlicht erbleicht. Nur selten, wenn für flücht'ge Stunden Des Kummers fast vergess'ne Macht Den Weg zu ihrer Brust gefunden, Wird Aschenbrödels auch gedacht. Da muß das treue Herz sie laben, Das sie so oft, so schwer verkannt, Und Trost, den sie ihr niemals gaben, Empfangen sie aus ihrer Hand. Doch, wenn aus dem geriss'nen Schleier Die Sonne freundlich wieder blickt, Wenn neu beginnt die Freudenfeier Wird Aschenbrödel fortgeschickt. Da stürzen sie ins Weltgebraus'e Mit hast'ger Ungeduld hinein, Und wieder sieht im öden Hause Arm Aschenbrödel sich allein. Sie kann dem Gram nicht länger wehren, Der ihr verlass'nes Herz bezwingt; Still fließen ihre heißen Zähren – Doch was ist dieß? das Fenster klingt, Durch ihre Kammer rauschen Töne Voll Himmelslust, voll sel'gem Weh, Und vor ihr steht in Zauberschöne Die Poesie, die gute Fee! Hold lächelnd neigt sie sich hernieder Und segnet das gebeugte Haupt: Von meiner Huld empfange wieder, Was dir das Leben hat geraubt. Mit meinem Strahlendiademe Verklär' ich jeden reinen Schmerz, Die von der Welt Verstoss'nen nehme Ich liebend an mein Sonnenherz. Wo trüb und einsam eine Seele Verkümmern will im starren Frost, Und ird'sche Hilfe fern, da stehle Ich mich zu ihr mit lindem Trost, Bis sie, die trauernd stand im Leben, Ein fremder, unwillkommner Gast, Die Luft der Heimat trinkt, daneben Das Glück der Glücklichen erblaßt. Drum bin ich dir auch jetzt erschienen In meines Kummers trüber Nacht! Sieh, was an Perlen und Rubinen Ich meinem Kinde mitgebracht! Voll stolzer Mutterfreude schmück' ich Mit reicher'm dich als Königsglanz In deine weichen Locken drück' ich Den unverwelkbar heil'gen Kranz.« Doch wie ihr also herrlich prangend Das Spiegelglas ihr Antlitz zeigt, O wie sie schüchtern da und bangend Das Haupt in frommer Demuth neigt! »Der Glanz auf meinem Angesichte Ich nenn' ihn nun und nimmer mein! Er ist von einem ew'gen Lichte Geheimnißvoller Widerschein!« Hinweg aus ihrer armen Klause Sieht sie mit süßem Schreck sich jetzt In eines Festes Lustgebrause Mit einem Zauberschlag versetzt. Die sonst mit herrisch stolzen Mienen Gekränkt des Kindes weichen Sinn, Die huldigen ihr nun und dienen Ihr wie der schönsten Königin. – Doch wehe! wehe! kalt und nüchtern Herein das Licht des Morgens fällt, Von seinem Strahl entfliehet schüchtern Die vielgeliebte Traumeswelt, Dahin die Perlen, das Geschmeide, Die heitre Pracht, die ihr beschert! Umwallt vom grauen Alltagskleide Sitzt Aschenbrödel still am Herd. Allein ihr Stern ist nicht verglommen, Und freudig lächelt sie in Weh, Sie weiß, bald wird sie wiederkommen Die schöne, die geliebte Fee! Bald nimmt sie, was ihr Kind auch quäle, Von hinnen mit Erlösungsmacht – Und ahnend harrt die Dichterseele Entgegen ihrer Weihenacht. Naturstimmen Hell glüh'n im Wald, dem düstern, Des Abendlichtes Brände, Die Blätter rauschen, flüstern – O, wer sie doch verstände! Empor aus dichten Zweigen, Gleich einer Opferspende, Der Vögel Lieder steigen – O, wer sie doch verstände! Der Bach zieht seine Kreise Durch grüne Uferwände, Die Wellen murmeln leise – O, wer sie doch verstände! In all den Wechselreden, Ob nicht ein Gruß sich fände Aus dem verlornen Eden? – O, wer sie doch verstände! Gieb es auf! Gieb es auf, mir deine Pein, Stolzen Sinnes, zu verhehlen! Andre täuschen mag der Schein, Doch nicht schmerzverwandte Seelen! Diese sind, ob auch ihr Bund Fremdem Aug' nicht sichtbar scheine, Auf dem weiten Erdenrund Eine mystische Gemeine. Wer an seines Glückes Bahr' Hielt die ernste Todtenwache, Zählt zu der geweihten Schaar, Und versteht des Schmerzens Sprache. Und die Brüder kennen sich An geheimen Ordenszeichen, Wenn sie, wie jetzt du und ich, Still bewegt die Hand sich reichen. Stimme der See O wie mein Herz so gern Der großen Stimme lauschet, Die, wie ein Gruß des Herrn, Aus Meerestiefen rauschet! Sie nennt den Heimathsport, Dem bang verirrten Kinde, Sie hat das rechte Wort Für das, was ich empfinde; Sie ruft mir tröstend zu: »Du sturmverschlag'nes Leben! Die hingeschied'ne Ruh Will ich dir wiedergeben. Vertrau' dich meiner Huth! Ich löse deine Kette. Des Friedens Kleinod ruht In meinem Wogenbette. Der Lenz mit seiner Zier Mahnt dich mit seinen Prangen, An den nur, der in dir Auf ewig hingegangen! Und wenn zu Lust und Leid Die Menschen sich verbinden, Wirst deine Einsamkeit Du bitt'rer nur empfinden. Drum flieh' mit deinem Müh'n, Wenn Schmerz in dir entbrennet, Zu mir, die zwar kein Blüh'n, Doch auch kein Welken kennet! – Bei mir verstummt die Pein! Sanft will ich dich umgleiten, Du wirst nicht einsam sein In meinen Einsamkeiten. Mein Haus erhebet sich Aus schimmerndem Kristalle, Ich wölbe über dich Die schattende Koralle! Statt mit dem Rosenpaar Von euern flücht'gen Lenzen Will ich dein dunkles Haar Mit Perlen licht bekränzen! Ich will in meinem Arm Dich fest und liebend pressen, Bis daß du deinen Harm In sel'gem Traum vergessen! Befreit, wirst du die Gluth Der Erde hier verlernen, Und sehnend, wie die Fluth, Aufrauschen zu den Sternen!« Ein Gedächtnißtag Gewichen war der helle Tag Der Frühlingsnacht, der warmen; Mit Schauern der Entzückung lag Ich still in deinen Armen. Herab auf deine theure Hand Floß meine Freudenthräne, Begeistert stürzte in den Brand Die Seele, die Phaläne! Ausging von deinem Angesicht Ein wundersam Geleuchte, Das von des Himmels Friedenslicht Ein Abglanz mich bedäuchte! O wie so süß die Stunde war! Heut' ist's ein Jahr. Vorbei! vorbei! der Blitzstrahl fiel, Er hat mein Glück getroffen! Das Schicksal treibt ein frevles Spiel Mit unserm besten Hoffen; Von dir geschieden und getrennt, Verblutend losgerissen, Von dir, nach dem die Seele brennt, In ewigem Vermissen, Scheint mir das Leben arm und leer, Verächtlich jede Spende, Nichts wünsche, nichts verlang ich mehr Als nur ein rasches Ende! O ständest du an meiner Vahr' Heut' über's Jahr! Stille Gewalten Es giebt zwei selige Gefühle, Die unser Herz erst dann erfaßt, Wenn in des Lebensmittags Schwüle Des Morgens duft'ger Reiz verblaßt. Dann kommen jene Engel beide, Die Gott zu unserm Trost bestellt: An der Natur die heil'ge Freude, Die Liebe zu der Kinderwelt. So lang auf sturmdurchfurchter Welle Der Leidenschaft die Seele schwankt, Der Erde Lust, die Qual der Hölle Um unser Inn'res wild sich zankt, In brennenden Verlangens Grimme Die Jugend ihre Schlachten ficht, So lang dringt ihre sanfte Stimme Durch des Orkanes Toben nicht. Erst, wenn der Wünsche wilde Horden Entmuthigt flieh'n, besiegt und bleich, Erst, wenn es still in uns geworden, Beginnet jener Engel Reich: Wie Christus einst den Armen, dienen Sie mild des Glücks verstoss'nem Sohn, Und bau'n auf rauchenden Ruinen Ihm einen neuen Freudenthron. Tief selige Mysterien künden Im Rauschen sie des Abendwinds, Des Trostes lichten Strahl entzünden Sie in dem großen Aug' des Kinds, Das Herz, das sich in banger Scheue Verschloß, von Bitterkeit geschwellt, Sie knüpfen liebend es aufs neue An Gott und seine schöne Welt. Und wer sich ihnen hingegeben, Wer sich zu ihren Treuen schwur, Der lebt ein tausendfaches Leben Im Keimen aller Creatur! Der Winter, der mit starren Banden Den schwerbedrängten Sinn umeis't, Er hat ihn siegreich überstanden Und Frühlingsdüfte trinkt sein Geist! Aufruf Geist, dem wahrhaft Sein entsprüht, Senk' dich auf mich nieder! Hauche Ins zerfahrene Gemüth Mir die Stärke, die ich brauche! Nimm den Flor der Sinnenwelt Fort von der verstörten Seele, Daß, von deinem Licht erhellt, Sie des Weges nicht verfehle! Und vertilg' die letzte Spur Jenes Bild's, um das vermessen Die bethörte Kreatur Dein und ihrer selbst vergessen. Dieses Lebens bangen Streit Wollte kühn mein Herz versöhnen Und es suchte Ewigkeit Bei des Staubes armen Söhnen. Aufgeschreckt aus meinem Traum' Sah ich, daß, was ich gefordert, Selbst als leise Ahnung kaum Jemals ihre Brust durchlodert. Ihres eignen Wesens Bann Mögen sie sich duldsam fügen! Aber was vergänglich, kann Nun und nimmer mir genügen. Ein Geheimniß will der Schmerz Mir prophetenhaft enthüllen: Dieses schrankenlose Herz Kann nur Gott allein erfüllen! Weltlauf Der Kälte zeih'st du mein Gemüth? Nicht immer ist es kalt gewesen! Wie fromm, wie tief es einst geglüht, In meinen Liedern magst du's lesen. Du nennst mich hart wie strenges Erz? Daß Härte mir war stets nicht eigen Mag dir die Runenschrift, vom Schmerz In meine Brust gegraben, zeigen! Und scheine ich dir jetzo kalt, So magst du drob mit Jenen hadern, Die grausam in Vampyrsgestalt Das Blut gesaugt aus meinen Adern. Und bin ich hart, wie du es meinst, Mag sich die Einsicht dir gesellen: Dieß Herz trug tiefe Wunden einst Und fühllos werden Narbenstellen. – Mir aber zürne nicht, daß dein Die Ernte jener bösen Saaten, Und daß du, selber treu und rein, Nun büßen mußt für Andrer Thaten. Es ist der alte Lauf der Welt: Ein Herz, das, fern hinausgetrieben, An fremder Felsenbrust zerschellt, Rächt sich an Jenen, die es lieben! Ein Bann Daß ich längst schon zähle zu den Leichen, Sagt dir's nicht der dorngekrönten, bleichen Stirne Trauermal und Kainszeichen? Hat dir meiner Lippen zuckend Beben Trübe Kunde nicht schon längst gegeben, Daß vom Schmerz und Schuld zerstört mein Leben? Und du wolltest dennoch, dennoch wagen, Deine Seele jener zuzusagen Die des Friedens Gottesbild zerschlagen? Und so mächtig wähnst du deine Rechte, Daß sie siegreich aus der Nacht der Nächte Mich zurück zum Quell des Lichtes brächte? Mag dein Angesicht sich drob entfärben, Wissen mußt du's: jedes fromme Werben Zahlt' ich noch mit Jammer und Verderben. Meiner nicht, es war des Schicksals Wille! Treten nicht aus ihrer Schauerstille, Soll die einsam träumende Sibylle! Wer dem dunkeln Geisterreich verfallen, Geb' es auf, in festgeschmückten Hallen An Geliebter Seite hinzuwallen. Geisterlaute, welche zu ihm dringen, Oeffnen zwischen ihm und ird'schen Dingen Eine Kluft, die nicht zu überspringen. Will er Segen dir und Liebe spenden, Wehe dir und ihm! In seinen Händen Wird das Heil sich bald in Jammer wenden. Eifersüchtig sind die dunkeln Mächte, Unzerreißbar ihres Bann's Geflechte, Strenge wahren sie erworb'ne Rechte. Für das Herz, das sehnend und verblendet, Ihren Walten einmal sich verpfändet, Ist der Erde süßer Traum beendet. Seine Liebe kann sein Glück nicht dauern, Aus der holden Täuschung wird's mit Trauern In der Wahrheit Reich zurückeschauern. Was es aufgebaut, wird es verheeren, Wird belastet mit den fremden Zähren Und dem eignen Fluche heimwärts kehren. Um in still geheimnißvollem Walten Zu vergessen bald, daß sein Erkalten Ein vertrauend, liebend Herz gespalten. Was von mir und meiner Lieb' zu hoffen, Liegt vor deinem Blick nun klar und offen. Flieh den Pfeil, bevor er dich getroffen. Vor einem Bilde Giotto's Die Sehnsucht, die gen Himmel weis't, Umrauscht mein Haupt mit dunkeln Schwingen, Seh' ich auf deinem Bild den Geist So schmerzlich mit dem Stoffe ringen. Der Schönheit ewig reinen Strahl Dein inn'res Aug' hatt' ihn getrunken, Vor einem heil'gen Ideal Warst auf die Kniee du gesunken! Und heiße Inbrunst trieb dich an Die himmlisch herrlichen Gestalten Mit deines Geistes starkem Bann Für alle Zeiten festzuhalten. Du sahst ihn wohl den ew'gen Kranz, Es war kein Wahn, der dich beseelte, Der Wille war, die Kraft war ganz, Allein, das ird'sche Werkzeug fehlte! Versagt blieb dir's, in Götterruh' Und Götterglanz dein Bild zu tauchen, Nur deine Sehnsucht wußtest du, Nur deinen Schmerz ihm einzuhauchen. Und ob die Welt sich dann erbaut, Nie konnte dir dein Werk genügen, Denn Höh'res hattest du geschaut Auf deines Geistes Wanderzügen! O du gemahnst mich wie ein Kind, Das, von Erwachens Weh umdüstert, Vergeblich sich darauf besinnt, Was ihm sein Schutzgeist zugeflüstert. Eines Morgens Ans Fenster rückt' ich meinen Tisch Und wollte weise Dinge schreiben, Doch, eh' ichs dachte, sah ich frisch Mein Blatt im Morgenwinde treiben. Was liegt an einem Blatt Papier? Leicht ist's ein zweites zu bereiten! Nun aber ließ die Sonne mir Streiflichter blendend drüber gleiten. Wie flogen sie so lustig hell Die Pfeile von dem gold'nen Bogen! Gleich einem Schilde ließ ich schnell Den grünen Vorhang niederwogen. Jetzt, meint' ich, jetzt wird Ruhe sein! Des Fleißes ernste Zeit beginne! So dacht' ich, still vergnügt, allein Bald ward ich meines Irrthums inne. Denn schmeichelnd und verlockend drang Durch Blättergrün und grünen Schleier Der Vögel Lied wie Festgesang, Wie eine freud'ge Liebesfeier. Was half es mir, daß ich mein Ohr Vom Lauschen suchte zu entwöhnen? Im Geiste hörte ich den Chor Der süßen Stimmen doch ertönen. Vergeblich sorgt' ich, daß sich nicht Der Sonne Schimmer zu mir stehle; Das ich von mir gebannt, das Licht, Ich schaut' es doch in meiner Seele. Da warf ich meine Feder hin! Nicht länger konnt' ich widerstreben, Gefangen war mir Herz und Sinn – Ich mußte mich dem Lenz ergeben. Aus meinem Hause trieb mich's fort Auf waldgekrönte Vergeshöhen, Wo, wie ein mildes Segenswort, Die ahnungsvollen Lüfte wehen. Den heil'gen Stimmen horchend, saß Ich dort bis spät zum Abendlichte, Und meine trunk'ne Seele las In Gottes ewigem Gedichte! Frauenloose Sei mir gegrüßt, du holde Blüthe, Erschließend dich dem heitern Licht! Den Frühling trägst du im Gemüthe Und auf dem schönen Angesicht. Noch stehst du da in Glanz und Schimmer, Das Herz von jenem Thau erfrischt, Den, ach wie bald! und für all immer Des Lebens rauhe Hand verwischt. Der Wehmuth liebende Gewalten Sie flößen mir die Frage ein: Wie wird dein Schicksal sich gestalten, Und welche Zukunft harret dein? Die Loose, die dem Weibe fallen, Zum Schmerze führend oder Glück, Im dunkeln Geisterzuge wallen Vorüber sie an meinem Blick. Ist dir's bestimmt ein Herz zu finden, Das, mit dem deinen gleichgestimmt, In deinem innersten Empfinden Des eignen Selbstes Ruf vernimmt? Wird dirs ein milder Gott vergönnen, Von stolzer Freudigkeit beseelt, Vor aller Welt ihn dein zu nennen, Den deine Liebe sich erwählt? Wird er den finstern Mächten wehren, Die uns umlauern je und je? Wird Mutterliebe dich verklären? Der Muttersorge heil'ges Weh? Darfst du dir sterbend einst gestehen, Daß Segen dir entströmt und Heil? O, unter Thränen möcht' ich flehen: Dir werde solch ein Loos zu Theil! Denn in der Seinen Herz zu thronen, Beglückend und durch sie beglückt, Die höchste ist es aller Kronen, Womit des Weibes Stirn sich schmückt! Der Lorberkranz auf seinem Scheitel, Der Schönheit schimmerndes Geflecht, Das Sternenband des Ruhms sind eitel, Und jene Krone nur ist echt! – Wie? oder wirst du einst erglühen Vergeblich in der Sehnsucht Brand? Wirst du vergehen und verblühen Der Blume gleich im Heideland, Die hoffend sich im Lenz erschlossen, Mit klarem Aug emporgeblickt Und süße Düfte ausgegossen, An denen Niemand sich erquickt? O dann entfalte deine Schwingen, Von ird'schen Lasten unbeschwert! Statt nach versagtem Glück zu ringen Erhebe dich in deinem Werth! Ob Liebe nie sich dir verbunden Und deiner Leiden Gluth gekühlt, Du hast ihr Herrlichstes empfunden, Wenn ihre Sehnsucht du gefühlt. – Ein and'res Bild noch seh' ich schweben Geheimnißvoll vor meinem Geist. Kaum wag ichs, Worte ihr zu geben Der Ahnung, die mich still umkreis't. Wirst du auf bangen Wanderfahrten Einst folgen müssen ohne Wahl, Dem dir im Traum geoffenbarten Und nie erreichten Ideal? Wird einst mit deinem Glück dein Frieden Verbluten auf dem Opferstein? Das düstre Loos der Promethiden Harrt es mit seinen Schmerzen dein? Wirst du dereinst, ein Kind des Fluches, Hinschiffen auf empörtem Meer, Vom Braus umtönt des Wogenbruches, Ein ruheloser Ahasver? Und wenn dann aus dem Schooß der Fluthen Ein grünes Eiland sich erhebt, Wenn dein Gemüth mit seinen Gluthen Dahin, hin zu dem Hafen strebt, Wird es dann plötzlich dich durchgrauen: Mich blendete ein Truggesicht! Die meine Ahnung mich ließ schauen, Die sel'ge Heimath ist dieß nicht!? Und wenn zwei Arme dich umstricken, Ein Mund auf deinen Lippen glüht, Dem Schmerze nah verwandt Entzücken Durch deine Nerven zuckt und sprüht, Wird plötzlich dich mit eis'gen Händen Erfassen der Enttäuschung Qual, Vom Irdischen dich abzuwenden Zurück zu deinem Ideal? Weh' über dich, wenn solche Flammen In dir entzünden ihren Brand! Der Spruch der Welt wird dich verdammen, Sich lösen selbst des Blutes Band! Nichts wird von Allem dir verbleiben, Was eines Weibes Sein beglückt, Auf öden Wellen wirst du treiben, Wenn sich im Lenz die Erde schmückt! Doch Eines kann dich noch erretten Und heil'gen deiner Schmerzen Maal, Es ist: noch brünst'ger dich zu ketten An deines Geistes Ideal, Nie an dem Gotte zu verzagen, Nach dem du märtyrgläubig ringst, Der Wunden keine zu beklagen, Die du in seinem Dienst empfingst! Verfolgt von pöbelhaften Scherzen, Von der Gemeinen Spott und Hohn, Tritt du mit deinem starken Herzen Vertrauend vor des Höchsten Thron Und sprich: »Den Strahl aus deinem Eden, Den Ahnung mir geoffenbart, Trotz äußern Kampf's, trotz inn'rer Fehden, Hab' ich die Treue ihm bewahrt.« – – Genug, genug! mag sich's erfüllen! Geschehen mag was soll und muß! Zu frühe noch wird sich enthüllen Des Schicksals wandelloser Schluß. Vermessen wär's ihm vorzugreifen – Ein fruchtlos thörichtes Geschäft! Du magst dem Loos entgegenreifen, Das still in deinem Busen schläft. Vor einem Jammer nur behüthe Dich eines milden Gott's Geheiß, Nie geb' er deines Innern Blüthe Verderbter Seele Pesthauch preis, Nie lasse er dich Wonnen finden An einer schuldbelad'nen Brust, Und niemals Liebe dich empfinden, Für das, was du verachten mußt. Ja, seine Huld mag dich behüthen Vor solcher Liebe Qual und Schmach, Die, wenn die Flammen längst verglühten, Der böse Zauber längst schon brach, Wenn Jahr um Jahr dahin gegangen, An's Herz das Eis des Alters dringt, Noch immer auf die bleichen Wangen Ein brennend Schamerröthen bringt. Meine Todten Ihr, meine Todten! kommt, o kommt Zum Frieden mir das Herz zu wenden! Die einz'ge Labung, die mir frommt, Die habt nur ihr mir noch zu spenden, Herauf! herauf aus eurer Gruft! Laßt euern Blick mich still durchdringen! Die starke Liebe, die euch ruft, Sie muß des Grabes Bann bezwingen! – Mit ernstem Gruß trittst du heran, Du Freund aus meinen Jugendtagen. An's lichte Endziel deiner Bahn Hat frühe dich dein Flug getragen. O Gott! ich weiß kein Menschenbild, Das groß und rein, wie deines ragte! Kein Aug', in welchem Trost so mild, So siegreich wie in deinem tagte! Der mächt'ge Tod, der Alles bricht, Hat deine Macht nicht überwunden! Du strahlst, ein erdenfremdes Licht, Herein in meine trübsten Stunden. Und will mein Geist, vom Natterstich Des Zweifels blutend, bang verzagen, Dann rufst du: »Auf! besinne dich! Dein Loos ist Wirken und Ertragen!« Und wie mein Ohr dem Worte lauscht, Kehrt auch die alte Kraft mir wieder! Durch meinen Busen strömt und rauscht Geheimnißvoll der Strom der Lieder. Das Walten fühl' ich deiner Hand, Den Trieb mich deinem Glanz zu einen! Wie Märtyrer im Flammenbrand Bekenn' ich froh mich zu den Deinen! So bist du mein Befreier, drängst Mich rastlos fort zu neuen Siegen, So wirkst du noch durch mich, ob längst Zum Todtenreich hinabgestiegen. Von dir gestützt, getragen, ringt Mein Geist sich durch des Kampfes Wehe, Den Hauch wahrhaft'gen Friedens bringt Mir deine ewig theure Nähe! – – Du, And're! sprich! was stehst du scheu, Wie im Gefühl der Schuld befangen? Mahnt bang Erinnern dich auf's neu', Daß du dich einst an mir vergangen? – Die Thräne, die mein Auge trübt, Sie sage dir, wie ich dich richte! Ich weiß, du hast mich viel geliebt – – Dein Schuldbrief, ward längst zu nichte! – Und du, verklärte Lichtgestalt! Geliebteste von ihnen allen! Mich faßt der Sehnsucht Gramgewalt, Auf meine Kniee möcht' ich fallen! Du schwebtest, leuchtend, wie ein Schwan, In's Reich der unbewölkten Wonnen! Als ew'ge Lust für dich begann, Hat ew'ger Schmerz für mich begonnen. Und diese unermess'ne Pein Den Menschen darf ich sie nicht klagen! Nur dir, mein Alles! dir allein Darf ich in meinem Liede sagen: Daß von den Thränen, die es trank, An jedem Morgen feucht mein Kissen, Mein Leben an der Wurzel krank, Mein Herz im tiefsten Kern zerrissen! Daß auf dem weiten Erdenrund Ich nichts als deinen Hügel sehe, Daß ich in meiner Seele Grund Ein ewig Schmerzenfest begehe! Genug! die keinem Aug' sich zeigt, Du deutest sie die Hieroglyphe, Und was das arme Wort verschweigt Lies es in meiner Wunden Tiefe! – Du lächelst sanft und feierlich? O wohl versteh' ich dieses Lächeln! Als ew'gen Lenzhauch fühle ich Es meinen Schmerzen Kühlung fächeln! Der Strahlenschimmer, der dich krönt, Scheint rosig mir die Nacht zu färben! O, nur der heil'ge Tod versöhnt Mit dieses Lebens stetem Sterben! – – Ihr theuern Todten, die ihr lebt In uns'rer Sehnsucht, uns'rer Trauer, Den heißen Schmerz um euch durchbebt Allew'gen Lebens Wonneschauer! Wie glaubte an Vergänglichkeit, An spurlos Schwinden und Verwehen Die Seele, d'rinnen Lieb und Leid In wandelloser Blüthe stehen?! – Rath Willst du den Frieden dir erstreben, Der aller Güter höchstes heißt, So sieh in Welt, Natur und Leben Nur einzig Stoff für deinen Geist! Bewält'ge alle Schickssalsspenden, Das Glück, das Leid, mit jener Macht, Die in des Bildners weisen Händen Aus rohem Marmor Götter schafft! O schwinge die gefeite Wehre, Die huldvoll dir ein Gott geschenkt, Daß rein zum Kunstwerk sich verkläre, Was in dir athmet, fühlt und denkt! Und strahlt das Werk voll Größ' und Milde In der Vollendung heiterm Licht, Was thut es, wenn vor seinem Bilde Der Künstler todt zusammenbricht?! – An Carl Laroche Wohl fühlt die Menge in geweihten Stunden Die Macht, womit ein Geist, von Gott gesendet, Des Ideales lichten Trost ihr spendet, Die Fessel lüftend, die sie hält gebunden! Doch ob sie tausend Kränze ihm gewunden, Und staunend ihre Blicke zu ihm wendet, Ist es doch nur sein Wirken , das sie blendet; Sein tiefstes Sein , das wird sie nie erkunden! Nur Wen'ge gibt's, die wissen und empfinden, Was sich, daß er zu den Erkor'nen zähle, In einem Künstler muß zusammenfinden: Ein Herz, im Lieben stark und stark im Hassen, Ein königlicher Geist und eine Seele, Die groß genug, das Größte selbst zu fassen! Wozu? Kein Mittel seh' ich zu entkommen Dem fest in sich verschlung'nen Kreis: Des Dichters Lied kann Keinem frommen, Der nicht, was Jener singt, schon weiß. Den Wissenden bedünkt hinwieder, Das Wort so dürftig und so hohl! – Ach! wozu singt man dann noch Lieder? Und wozu nützt der Dichter wohl? Zwei Führer Es ist in diesem Weltgetriebe Nichts süß und heilig als die Liebe. Der Schmerz nur wesenhaft und wahr. Drum hab' ich, frei mit mir zu schalten, Den beiden, göttlichen Gewalten Mich hingegeben ganz und gar! Vermag ich es des Lebens Höhen Und seine Tiefen zu verstehen, So dank ich's ihnen nur allein. Sie führten, wie Virgil den Dante, Mein Herz, das still und tief entbrannt; Zur Hölle und zum Himmel ein! – Zur Erklärung Du schiltst, daß ich mein Leben verträumt, Statt froh es zu genießen? Daß ich die Blumen zu pflücken versäumt, Die rings am Wege sprießen? So sprechend dünkst du dich klug, wie klug! Daß Bess'res du erkoren Indeß an Wahn und Täuschung und Trug Ich Jahr um Jahr verloren. Glaub mir! es hielt mich des Traumes Macht So ehern nicht umschlungen, Daß ich nicht manchmal plötzlich erwacht Aus seinen Dämmerungen. Doch sieh! da schien mir all euer Glück Nur Glitzern flücht'gen Schaumes, Und, Schön'res suchend, floh ich zurück In's gold'ne Reich des Traumes! Einem Künstler Ist's denn nicht mehr schon als genug, Im eig'nen Glanz dich zu erblicken? Mußt du auch noch durch holden Trug, Durch süße Täuschung uns bestricken? – Doch nein! nicht Trug und Täuschung nicht, Wie blendend auch und vielgestaltig, Es strahlet nur der Wahrheit Licht So hell, so geisterhaft gewaltig! Sie lehrt dich in der Vorzeit Fluth Zu werthem Fund die Hand zu tauchen, Mit deiner Seele Kraft und Gluth Dem Tode Leben einzuhauchen! – Die in viel tausend Herzen hie Und da verstreuten, einzlen Flammen, In deinem Herzen schlagen sie Zu einem lohen Brand zusammen! Die in so viele Leben sich Getheilet, die getrennten Quellen, O wie sie stolz und königlich In dir zum Katarakte schwellen! Und höre ich den gold'nen Strom Melod'schen Schalles mich umrauschen, Ist mir's, als dürft' ich, still und fromm, Der Menschheit ew'gem Herzschlag lauschen! Widerspruch Kein Mährlein bloß, kein müßiges Erfinden, Thatsache ist es, wie man eine nennt: Ein Glied, das längst schon ward vom Leib getrennet, Noch gegenwärtig bleibt es dem Empfinden. Mag es als Staub hinwirbeln in den Winden, Daß kein Atom das and're mehr erkennt, Dein bleibt es durch den Schmerz, der in dir brennet, Und der nicht weichen will und nicht entschwinden. – Wirst du dies Bild dir wohl zu deuten wissen? Ein Theil von meiner Seele war mein Lieben, Du hast es blutend davon losgerissen! In alle Lüfte sah ich es zerstieben! Doch während ich es selber muß vermissen, Ist mir sein ganzer, voller Schmerz geblieben! Umsonst! Was todt ist, sei begraben, Verlor'nes sei dahin! Mir bleibt, mich d'ran zu laben, Ein ewiger Gewinn! Frei schwingt sich mein Gedanke Zu dir, du meine Welt! Und spottet jeder Schranke, Die zwischen uns sich stellt! Lügt auch die Welt des Scheines, Verloren hätt' ich dich, Wir sind ein ewig Eines, Hier gilt kein Du und Ich! Hier ward nach eig'nem Sinne Geprüft nicht und gewählt, Uns haben vom Beginne, Gott und Natur vermählt! Das ist's, was stets auf's Neue Entfacht den alten Brand, Was, trotz gebroch'ner Treue, Noch Seel' an Seele bannt, Obsiegend allem Truge Den Stein vom Grabe wälzt, Und mit magnet'schem Zuge Die Hüllen selbst verschmelzt! – Du hast uns nicht geschieden, Wie frevelnd du gedacht, Nur um den heitern Frieden Der Seele dich gebracht! Der Bund, um den wir wissen, Noch steht er fest wie Erz! Gebrochen und zerrissen Ist nichts als nur mein Herz! Opfergaben Sie meinen sich zu Helden aufzuschwingen, Wenn sie, beglückt von heil'ger Liebe Segen, Trotz bieten des Geschickes rauhen Schlägen, Den Schmerz der Erde lächelnd niederringen. Wohl dem, der nur die Opfer hat zu bringen, Die äußere Mächte streng ihm auferlegen! Kein Zwiespalt wird in seiner Brust sich regen Und, Ein's mit sich, wird er die Welt bezwingen! Der Kranz, der hell sich schlingt durch seine Haare Zu leichten Kaufes ward er ihm beschieden. Ich opf're Bess'res auf dem Brandaltare: Der Seele Reinheit und des Herzens Frieden, Den stolzen Sinn für's Rechte und für's Wahre, Mein Heil im Jenseits, meine Ruh' hienieden! Aufschrei »Nur sanfter mög ich mich geberden,« So redest du mir liebvoll zu, »Dann könne Alles gut noch werden, Dem Sturme folgen süße Ruh.« Mir aber ward solch sanfte Milde Von der Natur nicht eingeflößt! Es ruft mein Herz, das heiße, wilde: Fluch Allem, was von dir mich stößt! Und ob der Engel Ruf erschölle, Fest bliebe ich an dich gebannt! Des Himmels Lust, die Qual der Hölle, Ich will sie nur aus deiner Hand! Nur dir will sich die Seele neigen, Von dir verdammt, durch dich erlöst! Nichts will ich sein, als dir zu eigen, – Fluch Allem, was von dir mich stößt! Todesnähe Wo fänd ich Frieden auf dem Erdenrunde, Wie sollte Angst mir nicht das Sein verbittern, Da ich doch weiß: mein Leben zu zersplittern, Genügt ein einzig Wort aus deinem Munde?! Ich bin kein Held, der zu jedweder Stunde Starkmüthig trotzt den tödtlichen Gewittern! Ein Weib nur, muß ich vor dem Worte zittern, Mit welchem die Vernichtung selbst im Bunde! Das ist's, was alle Glückessaaten reutet Aus meiner Brust! das lähmt mein bestes Streben, Ein Sterbeglöcklein, welches rastlos läutet! O höret auf, mir nicht'gen Trost zu geben! Denn Keiner von euch weiß, was es bedeutet, Des Streichs gewärtig, unterm Beil zu leben! Letzter Ausweg Du hast in schrecklicher Verblendung Umstrickt uns mit so schwerem Bann, Daß keine milde Schicksalswendung, Daß nur der Tod ihn lösen kann! Von einem finstern Geist getrieben, Hast du die Fäden so verwirrt, Daß dir mein Leben und mein Lieben Zum Unheil und zum Fluche wird! Ob ich dir darum grolle, zürne? Nein, du Geliebter! ewig nein! Seh' ich denn nicht auf deiner Stirne Das dunkle Flammenmal der Pein? Vom Schmerz bewältigt deiner Seele, Wie hätt' ich meines Leides Acht? Und wie gedächt ich noch der Fehle, Die solchen Jammer dir gebracht? – Die Rettungsbrücke dir zu schlagen, O letzte, tiefste Seligkeit! Doch nicht durch Dulden und Entsagen, Versöhnt sich dieser herbe Streit! Ich kann nur noch in meinem Blute Dem Dienste deines Glücks mich weih'n, Und, sühnend, mit gehob'nem Muthe, Der Priester und das Opfer sein! Einzige Bitte Schließt sich dereinst mein müder Blick, Von Todesnacht umwoben, Und kehr' ich einst zu dir zurück, Mein Vater du dort oben! Und ziehst du mich an deine Brust, Ein Tröster, sanft und linde, Und fragst mich: »Welche Himmelslust Bescheer' ich meinem Kinde? Was du gelitten, weiß ich ganz! Ich zählte deine Zähren, Und meiner Freuden vollsten Kranz Will ich dir jetzt gewähren! Blick um in meinem Lichtrevier! Von allen Seligkeiten Die reichste, höchste wähle dir, – Ich will sie dir bereiten!« Dann will ich sprechen: Habe Dank! Mir ward mein Theil beschieden. Mein Herz ist wund, mein Herz ist krank Und sehnt sich nur nach Frieden! Mein Herz ist wund, mein Herz ist krank, Kein Glück kann ihm mehr winken, Ihm frommt kein süßer Wonnetrank, – Vergessen will es trinken! Und Ein's nur gibt es, Eines, das Mir werth scheint, d'rum zu flehen: Entrücke mich mir selbst und laß In dir mich untergehen!