Eine Mahnung Vom dunkeln Fichtenwald umbraust Lehnt die Ruine an dem Hügel; Der Zahn der Zeit, des Sturmes Flügel Sie haben tüchtig hier gehaust. Rot glüht des Abendhimmels Feuer Durch das gespaltne Dach herein, Von dem geborstenen Gemäuer Löst sich zerbröckelnd Stein um Stein. Des Epheus grün Geflechte schlingt Sich um die Pfeiler und Balkone Ein Siegeszeichen, das, zum Hohne, Natur, die ewig junge, schwingt! Sie, die aus unerschöpfter Fülle Stets neues kräft'ges Leben treibt, Indeß zu Schutt und zu Gerülle Das Werk der Menschenhand zerstäubt. Und stille sinnend sitz' ich dort So manchen sommerlichen Abend Am Glück der Einsamkeit mich labend Gestört von keinem Menschenwort, Verkehrend nur mit den Gedanken Die, wenn der Dämon in mir spricht, Durch die bewegte Seele schwanken Jetzt dunkel und jetzt wieder licht! – So saß ich gestern erst, allein Wie immer, in den öden Hallen Und ließ an mir vorüberwallen Phantast'scher Bilder bunte Reihn. Ich fühlte sie mich überkommen, Mich überwält'gen je und je; Mein Herz war schwer und war beklommen Von einem rätselhaften Weh. Gedenken mußt' ich schwermutvoll, In meines Geistes wachem Träumen, Der Zeiten, wo in diesen Räumen Der rasche Strom des Lebens schwoll! Der längst zu Staub zerfallnen Herzen, Die bang und freudig hier gepocht, Von Wonnen bald und bald von Schmerzen Von Lust und Jammer unterjocht! Was schmeichelnd und was ungelind Sich wechselnd in ihr Sein verwoben, Ihr Lieben, Hassen ist zerstoben, Dahingegangen in den Wind! Wonach sie heißverlangend stritten Bis zu dem letzten Kampf und Hauch, Was sie genossen, was sie litten, Entschwunden ist's, verweht wie Rauch! Wie Rauch? Da sah ich an der Wand An des Kamines spitzem Bogen Die dunkle Spur, die hier gezogen Des Herdes halbverglühter Brand. Ich fuhr empor, von Grau'n durchschauert! Erschüttert sah ich Glück und Leid Der Menschenseele überdauert Vom Sinnbild der Vergänglichkeit! Ihr Toten! rief ich, tief und fest Nun schlummernd in den Grabeshallen, Seht hier von eurem Erdenwallen Den letzten, einz'gen Erdenrest! Der Rauch, der eure Hallen schwärzte, Er zeigt sich noch der Enkel Blick, – Von dem, was euch beglückte, schmerzte, Blieb keine, keine Spur zurück! O Gott! mein Gott! ist diese Welt Des Menschen Grab wie seine Wiege? Ist sie, auf kühner Fahrt zum Siege, Nur deiner Kämpfer wandelnd Zelt? Vermengt uns mit dem Staub der Erden Ein unerbittliches Geschick? Bleibt, weil wir ganz zum Lichte werden, Kein Schatten hier von uns zurück? – – Noch lange saß ich, wie gebannt, Wie einer Geisterantwort harrend, Mit unverwandtem Auge starrend Auf jene Streifen an der Wand. Dann schied ich, doch noch an der Pforte Blickt' ich nach ihnen um; mir war's Als läse ich die droh'nden Worte Vom Gastmahl König Belsazars!