Betty Paoli Gedichte Mein Baum war schattendicht; o Herbstwind komm und zeige, Indem du ihn entlaubst, den Himmel durch die Zweige. Rückert. Nikolaus Lenau empfange diese Blätter als Zeichen freudigster Anerkennung und innigster Bewunderung von der Verfasserin. An Lenau In Hella's morgenfrischen Tagen, Umwebt von ros'ger Träume Flor, Da lieh das Volk den heitern Sagen Der Dichter gern ein gläubig Ohr. Der jungen Menschheit Seele, offen, Lauscht' freudig auf den süßen Ton; Der Dichter schuf aus seinem Hoffen Und seinem Traum die Religion. Allein seit in des Nichtseins Leere Der Götter bunte Schaar zerstob, Seit sich die heil'ge Gotteslehre Am Kreuz auf Golgatha erhob; Seit Christus Wort dem Erdenstaube Auf Engelschwingen uns entrafft, Ist es des Herzens tiefer Glaube, Der nun hinfür den Dichter schafft. Und statt des Heidenthumes Musen Und ihrer längstversunknen Spur, Blüh'n jetzo in des Künstlers Busen Des Christenthums drei Engel nur. Drei Engel, die in ew'ger Neuheit, Wenn auch nicht allwärts noch erkannt, Als Glaube, Liebe und als Freiheit Durchgeistigen das Erdenland! Die sich in jedem Bilde malen, Die tönen aus jedwedem Lied, Die aus jedwedem Kunstwerk strahlen, Das aus berufnem Geiste zieht. So laß mich denn verehrend grüßen Aus meiner Seele Innigkeit Dich, den mit himmelreinen Küssen Zu ihrem Dichter sie geweiht! Dich, den vor Vielen sie erkoren, Zu künden ihr erhabnes Wort, Und der sich ihnen zugeschworen Als Streiter für der Menschheit Hort! O wirke fort, wie Du begonnen, Voll Liebes- und voll Freiheitsdrang, Und laß die Strahlen dreier Sonnen Verein'gen sich in Deinen Sang. O leuchte fort als heil'ge Flamme, Verklärend diese dunkle Bahn, Und richte, segne und verdamme, Wie du es kühn bis jetzt gethan. Wer tief, wie ich, den Geist empfunden, Der süß aus Deinen Worten bricht, Der ahnet, daß in hohen Stunden Die Gottheit selber zu Dir spricht. Täglicher Tod Wenn Mehlthau auf die Blume fiel, Da sinkt sie ohne Hoffen, Und ward ein Baum des Blitzes Ziel, Stürzt er, zu Tod getroffen. Und wenn in einer Menschenbrust Erregt die Qualen werden, Da ist ihr's innig tief bewußt, Daß Heilung nicht auf Erden. Dem Baum, der Blume wird sofort Bald stille Ruh' gegeben, Das Menschenherz allein lebt fort Sein täglich sterbend' Leben. Frühlingsgaben Wiesen werden baldigst grünen, Blumen blüh'n vor meiner Thür; Denn der Lenz ist schon erschienen – O mein Lenz, was bringst du mir? »Blüthen, Gräber auszuschmücken, Sonnenglanz, daß Deiner Brust Tiefe Nacht den Seelenblicken Nur noch tiefer werd' bewußt.« Aeußre Lust bei inn'rer Klage, Stummes Weh' bei lautem Scherz, Kummers Nacht am Sonnentage – Dieß Dein Jugendlenz, mein Herz! Herbstgefühl Jetzt, da von kalter Lüfte Schauern Die Bäume blatt- und blüthenlos, Fühl' ich in mir ein reuig Trauern, Daß ich den Frühling nicht genoß. Er war so schön mit seinen Rosen, Mit seinem Nachtigallensang, Mit seines Hauches mildem Kosen Und seinem frischen Blüthendrang. Mir aber floß ein Born der Thränen Inmitten dieser Frühlingslust, Ich fühlte bei den frohsten Scenen Den Jammer nur der eignen Brust. Und jetzt erst, da die kahlen Bäume Vom ernsten Winterfrost versehrt, Reut mich's, daß ich der heitern Träume Des lichten Frühlings mich erwehrt. So werd' vielleicht in künft'gen Tagen An eines andern Herbstes Grenz' In eitler Sehnsucht bang' ich klagen Um meines Sein's entfloh'nen Lenz! O, jetzt schon fühl' ich, wie die Frage Tief schmerzlich meine Brust durchbebt: Warum ich meine Frühlingstage Auf wüster Meeresfahrt verlebt? Stille! Wenn ein Kranker schlummernd liegt, Mild von Traumesarm gewiegt, Schweigen Alle im Gemache, Daß der Arme nicht erwache. Leis' ihr Hauch und stumm ihr Mund, Kaum berührt ihr Fuß den Grund – Und der Kranke schlummert weiter Ruhbeseligt, traumesheiter. Innig fleh' ich jetzt zu dir: Halte du es so mit mir, Mit dem tieferschöpften Herzen, Das entschlummert ist voll Schmerzen. Halb verblutet schläft es fort; Weck' es nicht mit Deinem Wort! Trage schonendes Erbarmen Mit dem Kranken, Müden, Armen! Willst du's wecken, sei's zum Glück; Kannst du dieß nicht, tritt zurück! Gieße Gift nicht in die Neige Meines Lebens! schweige! schweige! Erscheinung So hab' ich wieder dich gesehen So ernst, so wahrhaft und so mild, Daß aus dem Grabe zu erstehen Mir schien vergangner Zeiten Bild. O theurer Schatten todter Liebe! O geisterhafte Traumgestalt, Die durch der jetz'gen Stunden Trübe Versöhnungsmild, vermittelnd strahlt! Weil nächt'ges Dunkel, nächt'ges Schweigen Der Schmerz in meine Brust gebracht, Seh' ich dich still zu mir dich neigen; Denn Geister wandeln nur bei Nacht. So mag die Nacht denn ewig währen, Die sehnsuchtsvoll mein Wunsch erkürt, Weil sie dem Blick voll Glut und Zähren Doch Deinen Geist vorüberführt. So mag die Nacht denn ewig dauern. Da doch hinfür kein Erdentag Aus Deinen tiefen Todesschauern Zum Leben dich erwecken mag! Wie sollt' ich vor dem Tag nicht beben? Er weckte nicht mein todtes Glück Und scheuchte selbst sein Traumesleben In's kalte, dunkle Grab zurück. Die Pythia Ich dichte nicht in frohen Stunden – Mein Leben ist an solchen leer! Ich dichte nicht, um zu gesunden – Genesung gibts für mich nicht mehr. Ich dichte nicht, um zu erstreben Des Ruhmes gleißnerische Pracht, Die, statt Unsterblichkeit zu geben, Ein zweites Mal nur sterben macht. Ich dichte nicht, um mich zu krönen Mit meiner Leiden Dorngeflecht; Die Menge würde mich verhöhnen Und sprechen: Es geschah Dir Recht! Mein Lieb quillt aus demselben Borne, Aus dem das Wort der Pythia brach, Als rauh und wild im Siegerzorne Der Macedonier zu ihr sprach. Des Schicksals nachtumflorten Willen, Der Zukunft keimevollen Grund Sollt' ihm ihr Seherspruch enthüllen, Allein verschlossen blieb ihr Mund. Doch nichts kann sein Verlangen wenden, Nichts beugen seinen starren Sinn! Mit frevelhaft vermessnen Händen Faßt er die bleiche Priesterin. Zum Schlunde, dunkel, unergründlich, Drängt er sie zürnend mit Gewalt, Bis: »Ja! du bist unüberwindlich!« Sie angst- und zorndurchschauert lallt. – So ward', was jemals ich gesungen, Den Blick gerichtet himmelwärts, Mir nur erpreßt und abgedrungen Vom wilden Ueberwinder, Schmerz . Resultate Wenn ich frage, was sich noch errungen Wer gewandelt in dem Erdenthale, Wenn ich forsch' in den Erinnerungen Bis zum heut'gen Abendsonnenstrahle, Zuckt mir's höhnend durch die tiefste Brust; Was ich lang' geahnt, wird mir bewußt: Daß des Lebens bittre Müh' verschwendet – Alles endet! Das Geschick liebt's, Kronen zu zersplittern Ob von Gold nun, Lorbeer oder Rosen, Und mit seinen heißen Ungewittern Die geweihten Stirnen zu umtosen; Lilienblätter wie der Cedern Laub Werden seinem Samumshauch zum Raub; Was sich kühn und göttergleich erhoben, – Ist zerstoben! An Onufrio's dunkler Pforte frage, Ob die Kunst, die himmlische, beglücke? Frag' an meines Herzens Sarkophage Ob der Liebe Spenden ohne Tücke? – Sieh zerstreut in bangem Pilgerzug Jenen Stamm, der einstens Kronen trug! Wähn' dann noch in Weltensturmes Wehen Festzustehen! Meine Rechnung hab ich abgeschlossen, Will nichts mehr verlangen noch gewähren; Für das Lächeln ist mein Mund verschlossen Und mein Aug' vertrocknet für die Zähren. Ist das Ziel, nach dem der Wunsch begehrt, Denn des Ringens und der Kämpfe werth? Werth, daß Sorg' und Mühe man dran wendet? – Alles endet! Wandlung Willst du erschau'n, wie viel ein Herz kann tragen, O blick' in mein's! So reich an Wunden, vom Geschick geschlagen, War wohl noch kein's. Doch mitten in den wüthendsten Orkanen Erhob ich mich, Und schritt dahin auf meinen fernen Bahnen – Wie stark war ich! Wie ward mir doch nun so mit einem Male Die Kraft geraubt? Es trotzte muthig dem Gewitterstrahle Mein stolzes Haupt, Doch als du zu mir sprachst mit leisem Grüßen: »Ich liebe dich!« Da sank ich still und weinend dir zu Füßen – Wie schwach bin ich! Geständniß Ob ich mit finsterm Urtheilsspruche Auf dich beschwör' der Schmerzen Heer? Ob ich dich hasse und dir fluche? – Ich liebe dich, wie nie vorher! Und hörst du auch manch' Wort mich sprechen, Bei dem es Dir im Innern scheint, Als wollt' ich meine Qualen rächen An dir, du vielgeliebter Feind: – So wählt, auf ewig dir verfallen, Mein Herz des Hasses Maske nur, Um unverhöhnt dahinzuwallen Auf seiner heil'gen Liebesspur! Ophelia! O glücklich, wer, wie du, entrückt Dem grassen Todesspuck, Sich unbewußt und lächelnd schmückt Mit seinem Leichenschmuck! O glücklich, wer das Grab erzielt, Ohn' daß er wild drum wirbt, Und wer, von Hoffnung süß umspielt, Im Blumensuchen stirbt! Kräftigung Nein, Jammer, nie geling es dir, Verdumpfung mir zu bringen; Und wenn es donnert über mir, So will ich lauter singen! So laut, daß ich jedweden Hohn, Und jeglich Schreckgedröhne Mit meiner Stimme Liederton Bewält'gend übertöne. Und wenn mich Blitze rings umglüh'n, Bedrohend schier mein Leben, So will mein Haupt ich stolz und kühn Nur höher noch erheben. Und meiner Stirne Dichtermaal Wird mich vor ihnen schützen, Erbleichen soll ihr Flammenstrahl Vor meines Auges Blitzen. Und wenn der Sturm empört die Fluth, Drauf hinwogt meine Barke, Will ich benützen seine Wuth, Daß ich daran erstarke. Gegrüßt! du Sturm auf wüster See, Daß adlermächt'ge Schwingen Noch schneller, als es sonst geschäh' Mich in den Hafen bringen. Erklärung Nimm die Lieder, seelentflossen, Nimm die Thränen, heißvergossen, Nimm die Seufzer, bang' und trüb, Nicht für thörichte Beschwörung Um Erwied'rung und Erhörung Meiner Lieb! Wandle fort auf Deinen Bahnen! Folge den mir fremden Fahnen! Wär' die Macht, die mir gebricht, Mein, zu einen unsre Loose, Glaub', mein Herz, das stolze, große, Thät' es nicht. Müßte mich nicht Scham durchdringen, Wollte ich erfleh'n, erzwingen, Was mir frei nicht wird gewährt? Nichts will ich dem Herzen gelten Das den Kern nicht seiner Welten In mir ehrt! Geh denn hin! vergiß auf immer Wie du einst bei Sterngeflimmer Mich als Deine Braut gegrüßt, Wie mir Seel' und Sinn zusammen Von der Liebesworte Flammen Wund geküßt! Wie – genug! du sollst vergessen, Daß Du jemals mich besessen, Daß ich war und daß ich bin! Sollst verwandeln mich zum Traume, Der aus erdenfernem Raume Dir erschien! Sollst in meiner Lieder Chören Nicht die Menschenstimme hören, Nur den Gruß der Leidenschaft, Welt und Schmerz und Tod bezwingend, Aus dem Jenseits zu dir klingend Geisterhaft. Wiederkehr Gar selten nur sah ich bei Tage Dich, meinen Herrn! Da hielt der Erde Lust und Plage Dich von mir fern; Und immer bist du nur gekommen, Wenn fern am Horizont erglommen Der träumerische Abendstern. Jetzt hat dich ganz von mir gewendet Der Erde Macht; – Die lang ich hielt, sie ist geendet Die Liebeswacht! – Doch ist mir alles Weh entnommen, Ich weiß, du wirst einst wiederkommen, Für eine lange, lange Nacht! Nachruf Zu stolz für weibisch feige Klagen Und doch zu innerst tief verletzt, Um länger noch dies Sein zu tragen, Hast du ihm rasch ein Ziel gesetzt. Du warst mir werth im Seelengrunde, Viel theurer noch, als du's gewußt, Und deines Busens Todeswunde Glüht blutend auch in meiner Brust. Doch deine kühne Flucht betrauern, Und mit scheinheiligem Gesicht Vor deiner That zurückeschauern – Beim höchsten Gott! das kann ich nicht. Ein Vogel, der im Waldessitze Auf einen Baum herniederflog Und, als der Sturm geknickt die Stütze, Beschwinget wieder aufwärts zog – In diesem Bild' seh ich Dich schimmern, Du Herz voll Liebe und Gesang, Das von versunk'nen Glückes Trümmern Sich rasch und kühn zum Himmel schwang. Probatum est Wenn dich bittres Weh durchfuhr, Trachte dann, eh' dich's bezwungen, Zu verfolgen seine Spur Bis zum Quell, dem es entsprungen. Findest du dann, daß der Gram, Störend deiner Nächte Schlummer, Von dem Schicksal zu Dir kam, So bezwinge deinen Kummer. Denkend, daß des Schicksals Witz Neu will sein an jedem Morgen Und daß drum ein gleicher Blitz Künftig nicht mehr zu besorgen. Wohl verschieden ist der Fall, Doch nicht größer sei die Beugniß, Nennt dich Ursach Deiner Qual Deines Geist's wahrhaft'ges Zeugniß. Suche dann ohn' Ruh' und Rast Deinen Fehler zu entdecken; Wenn du ihn gefunden hast, Wirf hinaus den dunkeln Flecken! Kämpfe, bis, was dich bethört, Du besiegt und überwunden. Ist sein böser Keim zerstört, Ist das Unglück bald verschwunden. So kannst du in jeder Art, Hoffend glauben, daß das Leiden, Trübend Deine Gegenwart, Deine Zukunft werde meiden. Gleichstellung Wer nur erst recht vertraut ist mit des Lebens Kerne, Der gießt sein Wohlthun aus auf Nahe wie auf Ferne – Auf jeglich' Menschenbild, gleichviel, ob sich sein Geist Als ebenbürtig, ob als unterordnet weis't; Gleichviel, ob er mit ihm durch Lieb' und Treu' verbunden, Ob er mit ihm sich nie verständigt und gefunden; Ob dürr des Andern Herz, ob es an Blüthen reich; – Der Milde Segen thaut – worauf? das gilt ihr gleich. Dem Freunde thut er wohl, weil es ein Selbstbeglücken, Des Freundes Lebenspfad zu ebnen und zu schmücken; Weil im geliebten Aug' der helle Freudenglanz Ein Strahl, vor dem erblüht des eignen Lebens Kranz. Dem Fremden thut er wohl, weil, wenn er hilft und lindert, Er seine Schuld gen ihn theilweise doch vermindert – Die große Herzensschuld, die tief ihm ist bewußt: Daß für den Andern kalt und liebleer seine Brust. Durch Wohlthun will er nun sich dieser Schuld entled'gen Und für versagte Huld durch huld'ge That entschäd'gen. Ihm scheint es doppelt Noth und doppelt heil'ge Pflicht, Liebthätig da zu sein, wo ihm die Lieb' gebricht. So gegen Alle gleich, wirst du an seinen Werken, Wer seinem Herzen fremd, wer theuer, niemals merken Dichters Klage O könnte ich dich von mir werfen Du Fluch des Sangs, der auf mir ruht! Du Todesstahl, der, sich zu schärfen, Erglüht in meines Herzens Blut, Und wieder dann in meinen Thränen Die Kühlung suchet, die ihm noth! Zerstört hat mich Dein gleißend Höhnen; Ich lebe nicht und bin nicht todt! Ich lebe nicht! denn auf der Erde Wall' ich umher, ein fremder Gast, Bin heimathlich an keinem Herde, Bin nicht geliebt und nicht gehaßt, Hab keinen Antheil an den Gaben, Die Gott den Menschen mild verleiht; Was sie erquickt kann mich nicht laben – Ich bin nicht aus der Zeitlichkeit! Ich bin nicht todt! denn tief im Herzen Regt sich der Wunsch noch glühend heiß, Nach sel'ger Freude Frühlingsscherzen, Nach jungen Glückes frischem Reis! Noch dränget sich mir auf die Frage: Ob ich allein dem Schmerz geweiht? Ich weine, hoffe und verzage – Ich bin nicht aus der Ewigkeit! Und dieses martervolle Schwanken, Dieß Fremdsein an jedwedem Ort, Dieß Himmelstürmen der Gedanken, Dieß Sehnen nach dem Grabesport, Dieß Heimweh, das des Daseins Blüthe In ihrem ersten Keime brach – Im einst so freudigen Gemüthe Riefst du es, Lied, allein nur wach! Du lehrtest mich das Jenseits ahnen Und seiner Wonnen Göttlichkeit! Ich schwebte hin auf Sternenbahnen, Ich trank vom Quell der Seligkeit, Und als, ach, wie mit Blitzesschnelle, Das Traumbild dann zerstoben war, Stand an des Paradieses Schwelle, Ich aller Erdenhoffnung bar! Denn nichts kann mir das Leben bieten, Was jenen Wonnen käme nah, Die oft ich in des Lieds Gebieten So himmlisch hold erblühet sah; Doch nach den lastenden Gesetzen Uns fesselnd an die Erdenbahn, Will sich in Glück die Brust noch letzen, Die's fühlen nicht, noch missen kann! So leb' ich fort, ein täglich Sterben Im Schwanken zwischen Dort und Hier, Ein unermüdlich Qualerwerben, Ein Traumessein im Tagsgewirr, Ein einsam Sein in düstrer Mahnung Inmitten dieser lauten Welt, In tiefer Nacht, die nur die Ahnung Als Stern jetzt, jetzt als Blitz erhellt! Dem Freunde Ob ein Räthsel dir mein Schmerz, Den du nicht vermagst zu heilen, Willst du ihn doch mit mir theilen, Du so vielgetreues Herz! Nicht gefragt hat mich dein Mund, Antwort hab' ich nicht gegeben; Doch aus meiner Lippen Leben Ward dir, daß ich leide, kund. Und das dünkte dir genug! Nie hat mich ein Weh getroffen, Das dir nicht zerstört ein Hoffen, Dir nicht eine Wunde schlug. Du so mild, die Welt so arg! Will ich in die Zukunft spähen, Seh ich dich allein nur stehen Zwischen mir und meinem Sarg. Nun die Hoffnung mir entglitt, Meine Seele gramesbitter, Nahst du wie ein Johanniter, Der an's Krankenlager tritt! Der, von höh'rem Licht umtagt, Um ein wundes Herz zu pflegen, Allem ird'schen Freudesegen Ernst und milde hat entsagt. Ist der Himmel nicht von Erz, O dann muß der Herr der Welten Deine Großmuth dir vergelten, Du so vielgetreues Herz! Gleichniß An Fanny F. Wenn sich ein leichtbeschwingter Gast, Von Maienluft geletzt, Auf einen blüthbehangnen Ast In kurzer Ruh gesetzt, Und er dann wieder flieget fort: Erbebet leis' der Baum, Und streut der Blüthen duft'gen Hort Hin auf den grünen Raum. Der Baum bin ich, der Vogel du, Du anmuthreiche Fee! Ich feire süße Schmerzenruh' In deiner holden Näh'; Doch seh ich dich von dannen geh'n, Wird meine Sehnsucht wach, Und meines Liedes Blüthen weh'n Dir in die Ferne nach! Schwur Einz'ge Seele, die noch an mich glaubt! Kein Asyl sei mein am Gottesherde, Wenn ich unwerth je des Kranzes werde, Den du mir verklärend schlingst um's Haupt, Einz'ge Seele, die noch an mich glaubt! Treues Herz, das nimmer von mir läßt! Meine Liebe, sagst du, sei dein Leben? O so frag', ob ich sie Dir gegeben, Diese Thräne, die mein Auge näßt, Treues Herz, das nimmer von mir läßt! An die Heimgegangene Entrückt der Grambeschwerde, Die sich durch's Leben spinnt, Liegst du in fremder Erde So fern von Deinem Kind! Seit manchem langen Jahre Bist du, was todt man heißt, Allein bei deiner Bahre Weilt sinnend noch mein Geist. Daß leichter dir die Erde, Daß lichter deine Gruft, Daß ausgeglichen werde Die trennend weite Kluft – Senk' ich mein stilles Sehnen Und meine dunkle Pein, Mein Hoffen, meine Thränen Und mein Gebet hinein. Ach, wenn bedrängt von Kummer, Von naher Qual erschreckt, Ich ohne Ruh' und Schlummer Stillweinend hingestreckt, Harr' ich umsonst der Seele, Die mild einst sprach zu mir: »Was dir auch immer fehle, Es bleibt mein Lieben dir.« Und ist es mir geblieben? Gingst du nicht auch hinweg? Du eiltest hin nach drüben, Ich blieb auf schwankem Steg! Wer scheucht des Schmerzes Schlangen, Seit sich dein Aug schloß zu? Seit du hinweggegangen, Wer liebt mich noch wie du? Ein Lebewohl Fahr wohl, fahr wohl, mein Dichterbild! Noch einmal laß mich dich umstricken, Noch einmal dir in's Antlitz blicken, Dann laß uns scheiden, ernst und mild. Das Auge himmelwärts gewandt, Steh' ich, mit heißen Schmerzen ringend Und dennoch ein Triumphlied singend Wie Märtyrer im Flammenbrand. O dieses Abschied's herbe Pein, Sie ist mit Seligkeit im Bunde Und unser Schmerz die sichre Kunde Von unserm ewigen Verein. Was bangst du vor der Trennung Leid? Wie magst du vor der Zukunft zagen? Was eine Stunde uns getragen Ist Saat für ferne Ewigkeit. Es heb' dich über Schmerz und Qual, Es ebne dir die Sturmeswelle, Jedwedes Grau'n der Nacht erhelle Dir jener Stunde Sonnenstrahl. – So fahr denn hin, du goldnes Licht Auf dunkler Wetterwolken Grunde! Den Dolch zieh' ich aus meiner Wunde Und reich ihn dir: »Es schmerzet nicht.« Psyche Begeisterndes Glück! Es sank von den schmerzlichen Werken, Von allen den qualvollen Müh'n Die irdische Hülle in Schlummer dahin. Und ich darf zurück, Im himmlischen See mich zu stärken! Am Tage da hält mich mein Kerker fest, Da bin ich zurück in den Busen gepreßt, Zur Qual und zum Weh für uns Beide; Denn Psyche erträgt die Gefangenschaft nicht, Und ich rüttle am Gitter, bis daß es zerbricht, Wenn im Kerker ich allzuviel leide. Da bin ich versenkt in den blutigen Strom, Ich, die in der Himmel helleuchtendem Dom Gewohnt bin, auf Strahlen zu schweben! Befleckt bin ich da von zerfallendem Staub, Ich, der einst die Sterne als goldenes Laub Verklärend die Stirne umgeben! Drum bin ich so selig, wenn endlich die Nacht, Vermittelnd die Pforten der Erde bewacht, Wenn alle die Hüllen entschlafen. Wenn vorbei erst des Tages so peinliche Frist, Da werd' ich von Freiheit auf Stunden begrüßt, Da eil' ich zum heimischen Hafen! In Aether mich badend durchflieg' ich die Welt, Das prangende raumlose Himmelsgezelt, Vom Sonnensysteme zum andern. Ich lausche der Harfe in Seraphshand, Ich nipp' an der himmlischen Blumen Rand – O selig entzückendes Wandern! Ich grüße die Geister, die vor mir befreit, Für die schon vorbei der Verbannung Zeit; Ich habe sie wieder gefunden, Und sag' ihnen nun, wie ich ihrer gedacht, In Thränen die nachtvollen Tage durchwacht Und wie nun geheilt meine Wunden! Ich sehe das Auge, das jenseits der Zeit Uns schützend bewacht für die Ewigkeit, Und das Herz voll unendlicher Liebe! Ich ahne der Schöpfung hochheiligen Grund, Die Güte mit Weisheit und Allmacht im Bund – O daß es doch ewig so bliebe! Doch wehe! da hebt sich das Morgenroth Und ich muß zurück in das Leben, den Tod, Bis dieser einst Leben mir spendet. O strahlende Heimath, so fahre denn hin! So segelt, ihr eilenden Welten, wohin Der göttliche Wille euch sendet! Mich sendet er fort aus dem himmlischen Land, Mich hat er in drückende Fesseln gebannt Auf jenem unsel'gen Planeten! Die Heimkehr auf immer ist mir noch verwehrt, Und was mir im Kerker an Tröstung bescheert, Ist Lieben und Dichten und Beten. Metamorphosen Seht dort den Regentropfen beben An jenes Baumes dunkelm Stamm! Als Demant glänzt er hell im Schweben, Doch sinkt er nieder, wird er Schlamm. – Allein, ihn wieder aufzuraffen Und ihn, der farblos erst und fahl, Aufs Neu' zum Demant umzuschaffen, Genügt's an einem Sonnenstrahl. So zittert auch am Baum des Lebens Das Frauenherz im Sturm der Welt, Sein Ringen, Kämpfen ist vergebens, Zu schwach ist seine Kraft, es fällt! Doch um sich leuchtend zu erheben, Von seinem tiefen Sündenfall, Und ätherklar empor zu schweben Braucht es nur einen Liebesstrahl. Zu spät Ich liebte dich, doch meine Liebe, Sie hat dir Kummer nur gebracht, Und dunkler Wetterwolken Trübe Auf Deines Himmels Sonnenpracht. Unfähig, das Gefühl zu theilen, Das mich empor zum Himmel trug, Verfolgtest du mit Witzespfeilen Mich auf dem sel'gen Heimathszug. Und solche scharfe Pfeile dringen Selbst bis zum fernen Himmelsplan, Daß blutend mit gebrochnen Schwingen, Man draus zu Boden stürzen kann. So stürzte ich; – doch als du, Jäger! Sahst meiner Wunden Flammenpein, Da wolltest Heiler du und Pfleger Der von dir so Verletzten sein. Laß ab! Gehör ich zu den Schwachen, Die, schmeichelnd, man mit einem Wort Auf immer kann vergessen machen, Daß man ihr Herz gequält, durchbohrt? Ein Blut, deß Kön'ge sich nicht schämen – In meinen Adern schäumt's und rollt's; Des Mitleids Gabe anzunehmen Bin ich zu edel und zu stolz. Muß ich doch meine Würde wahren! Es ziemt sich für ein Königsherz, Das seine Größ' will offenbaren, Nur höchste Lust, nur tiefster Schmerz. Und für den Geist, den liederreichen, Ziemt sich nur blaue Himmelsluft; Kann er die nicht mehr frei durchstreichen, So sink' er lieber in die Gruft, Als, daß mit klagender Geberde, Entwürdiget, ein läst'ger Gast, Er auf der feindlich rauhen Erde Fortschleppe seines Lebens Last. Cleopatra Und weil es nun entschieden ist, Daß mir auf immerdar entrissen, Was sich ersetzt nicht, noch vergißt, Und einst gekannt, nicht mehr zu missen. So sei mein königliches Haupt, – Umstrahlt einst von der Krone Prangen – Nun ihm das Diadem geraubt, Von keinem Kranz je mehr umfangen! Umsonst lockt mich mit Schmeichelton Die Lust, der heitre Glanz des Lebens; Mein stolzer Sinn spricht ihnen Hohn: O Lust und Glanz, ihr lockt vergebens! Ich weiß, es schien euch schön genug Mein unbezwungen Herz zu knicken, Und dort in euerm Siegeszug Mich als gefangen zu erblicken. Ich aber, wissend fest und klar, Was meine Würde von mir heischet, Biet' meinen Busen lieber dar Dem Schlangenzahn, der ihn zerfleischet. O Schmerzenschlange, nage zu! Vernichten eh' will ich mein Leben, Als, zu erringen feige Ruh', Mich meines Anspruchs je begeben. Gelöbniß Erinnerung soll ich dir schenken, Wenn du in weite Ferne fort, Und mildes Freundesangedenken – So fleht dein letztes Abschiedswort. Erinn'rung? Hätte denn das Leben Noch einen Reiz, noch Werth für mich, Sollt' das Gedächtniß draus entschweben, An deine Freundschaft und an dich? Gewiß! nach manchem langen Jahre, Von keinem Freudenthau benetzt, Wird auf der Seele Weihaltare Dein Bildniß prangen so wie jetzt. O wer, wer malt die dunkle Wonne, Die mich durchflammt mit Allgewalt, Blick ich in deines Auges Sonne, Draus Kunde aus dem Jenseits strahlt? Wer nennt mein schmerzlich süßes Lauschen, Die Seligkeit, die mich durchdringt, Wenn mild, wie Aeolsharfenrauschen, An's Ohr mir Deine Stimme klingt? Und wenn, wie lauer Weste Fächeln, Wie Sang durch Abendluft getönt, Dein zaubrisch wunderbares Lächeln, Die schönen Züge noch verschönt! Wenn dir einst diese Reize schwinden, Geraubt vom neidischen Geschick, Wenn bleich sich deine Locken winden, Dann blick in meine Brust zurück! Da lebt dein Bild für Ewigkeiten In seiner jetz'gen Schönheit fort, Erreicht nicht von dem Sturm der Zeiten, Denn mein Empfinden ist sein Hort. Wenn Wonnen mein Gemüth durchschüttern Hat dieses Bild sie angefacht; Wenn Thränen mir im Auge zittern, So sind sie von dem Bild erwacht! Der neue Simson Von edlem Kampfesmuth umlichtet Standst du einst drohend, kühn und hehr, Der Seele schönen Zorn gerichtet Gen der Philister schnödes Heer. Auf Thorheit, Wahn und Vorurtheile, Und auf der Lügen Molchgeschlecht, Entsandtest du die scharfen Pfeile, Als Kämpfer für ein höh'res Recht. Wie viel' auch deiner Feinde waren – Du hast sie ängstlich nie gezählt; – Es wichen zagend ihre Schaaren, Scheu vor dem Gott, der dich beseelt. Doch, als nach wechselnden Geschicken Dein großer, heil'ger Sieg dir nah, Da sandten sie, dich zu berücken, Der Sinnenfreude Dalila. Was keines Schwertes Flammenzungen, Was keines Kummers Pfeil vermocht, Ist ihrem falschen Kuß gelungen – Die Dirne hat dich unterjocht! Mit süßen Tändelworten raubte Sie deiner Seele Kraft und Schwung, Und riß von deinem trunknen Haupte Die Glorie der Begeisterung. Und als erschöpft du eingeschlafen In einer Nacht voll Saus und Braus, Da lieferte sie dich als Sklaven Den harrenden Philistern aus. Was jetzo auch dein Herz durchwühle, Du dienest ihnen doch als Knecht, Und mahlst ihr Korn dort auf der Mühle Und treibst, was ihnen eben recht. – O! blieb von deinem frühern Streben In dir ein leiser Wiederhall: So trachte, dich noch zu erheben Von deinem ungeheuern Fall! Versuch es, dich zu Gott zu wenden, Gedenke an dein früh'res Sein, Und stürze dann mit deinen Händen Den schnöden Götzentempel ein! Erfasse kühn die Säulenhalme, Vom Untergange nicht erschreckt! Ob dich und mich ihr Sturz zermalme Wenn er nur deine Schmach bedeckt! Abschluß Darf ich dem dunkelsüßen Grauen, Das leis' durch meine Seele zieht, Als einer Ahnungsstimme trauen, So sing' ich bald mein letztes Lied, So reißet bald der Nebelschleier, So schwindet bald der Erde Schmerz, So sink' ich bald zu sel'ger Feier An meiner Musa Sonnenherz! Du räthselhafte Kraft des Sanges, Die Gott in meine Brust gelegt! Du Nachhall eines Himmelklanges, Der sich in meinem Busen regt! Du Perle aus dem Geisterhorte, Du Engel, der mich oft geletzt, Du standst an meines Lebens Pforte; Steh auch an seinem Ausgang jetzt! Hab' ich denn nicht für dich empfunden Der bösen Natter gift'gen Stich? Floß nicht aus aufgeriss'nen Wunden Mein bestes Herzblut hin für dich? Hab ich in diesen düstern Tagen, Dich wahrend als das höchste Gut, Den Fluch entschlossen nicht getragen, Der auf den dir Ergeb'nen ruht? Denn du bist von der Welt verfluchet, Wie Alles, was nicht aus dir stammt, Und wer in dir nach Freude suchet, Den hat ein leerer Wahn entflammt; Wer dir will folgen, muß entsagen Des Lebens buntbewegter Lust, Wer dir will folgen, darf nicht tragen Ein irdisch Bild in seiner Brust. Und durch die Erde muß er wallen, Verkannt, verlassen und allein, Von ihren tausend Gütern allen Darf ihm kein Gut zu eigen sein. Er darf nicht ruh'n im frischen Thale, Sein Weg geht auf einsamen Höh'n; Er muß am großen Freudenmahle Der Kreaturen bettelnd steh'n. Er muß es sehen, wie sein Trachten Den Andern halber Wahnsinn scheint, Wie sie den Genius verachten, Den einen Engel er vermeint! Er muß die Stirne der Gemeinheit Umlaubt seh'n mit dem Kranz des Ruhms! Nur tief'rer Schmerz und höh're Reinheit Wird ihm statt allen Eigenthums. Und wenn als unerschrockner Freier Die Proben alle er bestand; Wenn endlich sinkt der letzte Schleier, Wenn ihn bekränzt der Musa Hand: Da schallt es von vieltausend Lippen »Ja, du bist groß und auserwählt!« Doch zwischen früh'rer Schmerzen Klippen Liegt seiner Freude Sphynx entseelt! Das ist's, was du vermagst zu geben, Du Engelsbraut, du armes Kind! Und doch vor Allen, die da leben, Beseligt ist, wer dich gewinnt! Er braucht den Lorbeer nicht, den fahlen, Er braucht die Lust der Erde nicht, Umspielt von tausend Sonnenstrahlen Mit weltverklärend mildem Licht! Mein armes Lied ist keins von jenen, Die, ewig hell und ewig klar, Am weiten Horizont des Schönen Bestimmt zu glänzen immerdar; – Doch mir war's eine sich're Leuchte, Von Geisterhänden mir erbaut. Dahin mein Aug', das thränenfeuchte, Im Sturm des Lebens gern geschaut. Und mir war's auf dem Klippenwege Ein treuer, fester Hoffnungsstab, Ein zaubervolles Blüthgehege, Verdeckend Schmerz und Tod und Grab. Mir war's ein Hauch von Engelsküssen, Mir war's ein milder Jenseitsstrahl, Mir war's ein fromm in Gott Zerfließen, Mir war's – genug! es war mein All. Drum will ich, wenn von Weh und Fehle Mein bess'res Theil nun bald entflieht, Aushauchen meine freie Seele, In einem letzten Siegeslied! Drum will ich, wenn des Todes Grauen Die bleiche Stirne mir umspielt, Noch zu der Musa aufwärts schauen Als wie zu einem Gottesbild. Rath Wühle nicht in den versunk'nen Zeiten, Laß Vergessen schirmend niedergleiten Auf die Gräber der Vergangenheiten. Wohl bedürfen sie der dunkeln Decke, Daß ihr Anblick nicht dein Auge schrecke, Böse Ahnung nicht in dir erwecke. Hält mein Arm dich fest und lind umschlossen, O so frag nicht, also ernstumflossen, Welchem Grund mein Lieben sei entsprossen. Wissen Blumen, wissen süße Reben Wohl die Theilchen Staubes anzugeben, Draus entsprang ihr farbig, würzig Leben? Sind sie minder duft- und gluthdurchflossen, Ob im Garten sie bei den Genossen, Oder auf dem Hochgericht entsprossen? Was ein Selbst, verdient als Selbst Beachtung, Nur dem Sein, nicht des Entsteh'ns Umnachtung Wende zu die forschende Betrachtung. Antwort »Solchen Kranz, wie deine Lieb' mir flicht, Glaube mir, ach, ich verdien' ihn nicht; Läßt mich doch dein flammend Lied erscheinen Als der leuchtend Ueberird'schen Einen, Der als Götterbild in's Leben ragt, Den man betend nur zu lieben wagt. O ich weiß, daß deines Lobes Worte Wandeln aus wahrhaft'ger Seele Pforte, Daß, was Deine Dichterlippe singt, Wahr und wirklich dein Gemüth durchdringt: Aber Sorge muß mich bang beschleichen, Daß die Täuschung endlich wird entweichen, Daß, wenn rauher Wirklichkeiten Strahl Einst entfärbt dein träum'risch Ideal, Der Erkenntnißschmerz dich wird durchbeben: Das nur liebt' ich, was ich ihm gegeben! – Rufen wirst du dann, von Qual durchfleischt: Bitter hab' ich ihn und mich getäuscht! Und der Mensch wird dir nicht mehr genügen, Den im Traum du sahst mit Engelzügen!« – »Nein, mein Lieb! kein leeres Traumgebild Ist's, dem meines Herzens Jubel gilt. Nein! ich will dich mit phantast'schem Streben Zu den Engelchören nicht erheben Nicht mit Ideales Sternenband Kränzen deiner schönen Stirne Rand. Wenn für dich in tiefer Lieb' ich brenne, Ist's, weil ich dein Inn'res ganz erkenne, Weil ich treulich folgte jeder Spur Deiner menschlich herrlichen Natur. Vieles ist an mir vorbeigegangen, Sieh's an meinen marmorbleichen Wangen, An des Auges thränenfeuchtem Strahl, Hör's an meiner Stimme Seufzerhall. Längst verraut mit dieses Lebens Müh Lebe ich kein Sein der Phantasie; Darum darfst du meinen Worten trauen, Wenn mit Augen, die vor Rührung thauen, Dir mein Lied nun innig offenbart, Daß dir darum meine Liebe ward, Weil ich nimmer fand in Lebens Reichen Einen Menschen, der dir zu vergleichen, Dessen Herz so rein und unentweiht Und so stark blieb in dem Sturm der Zeit; Dessen Geist, so kühn und stolz im Wagen, So verstand gebrochner Seele Klagen; Dessen Huld, ein mild verklärend Licht, Den, der sie gewonnen, heilig spricht. Könnt' ich nun im Liede Schön'res zeigen, Als dir wahr und wirklich ist zu eigen? Möcht' ich schmücken dich mit fremdem Schein, Da so edle Sonnenstrahlen dein? O was könnte Phantasie erfinden, Das nicht herrlicher in Dir zu finden?! Laß mich drum, mein Freund, zu jeder Frist Dich nur treulich schildern, wie du bist! Wozu wär' mir auch Gesang gegeben, Wenn für dich nicht, du mein liebes Leben?« Kein Gedicht A vingt-cinq ans le coeur se brise ou se bronze. Chamfort. O, wäre mir das heitre Loos gefallen, Das still beglückend andern Frauen fällt, In schirmender Beschränkung hinzuwallen Durch eines engen Kreises kleine Welt; Mein Herz gleich einer Blume zu verschließen, Vor jedem Sturm und jedem Weh der Zeit, Des Lebens Freuden harmlos zu genießen In ahnungsloser Unbefangenheit! Doch anders hat sich mein Geschick gewendet, Ein Kampfplatz nur war meine Lebensbahn; Der Kindheit Blüthenruh ward mir entwendet Und hingeopfert einem eitlen Wahn! In starrem Zwang verflossen jene Tage, In strenge Regeln ängstlich eingeschult, Indessen meines jungen Herzens Klage Um frische Luft und Sonnenlicht gebuhlt. Ich rang dawider, doch es war vergebens, Und als ich nun entwachsen jener Zucht, Da drang die feindlich finstre Macht des Lebens Wild auf mich ein mit ihrer ganzen Wucht. Mich schirmte keines Freundes treues Lieben, Durch meinen Frost drang keines Herzens Glut, Und in die Fremde ward ich fortgetrieben Ohn' andre Stütze als den eignen Muth. Was ich bedurfte, mußt' ich selbst erringen, Auskämpfen selber jeden herben Streit, Und drückend lasteten auf meinen Schwingen Die schweren Fesseln der Nothwendigkeit. Weh Jedem, der in seinem Thun und Lassen Dem inneren Gesetz nicht folgen kann! Mein Unglück läßt sich in zwei Worte fassen: Ich war ein Weib und kämpfte wie ein Mann! Daß ihm am Tag der Schlacht die Wehr nicht fehle, Erwarb mein Geist sich Schärfe, Kraft und Licht, Doch blüthenlos blieb meine ernste Seele – Im Waffenkleid pflegt man der Blumen nicht. Nur ein Mal wagt' ich, Besseres zu hoffen; Verheißend lag vor mir ein schönes Glück; Doch kaum erblüht, sank es, zu Tod getroffen, Und eine Wunde nur blieb mir zurück. So glitt, fast ungeahnt an mir vorüber Des Liebefrühlings träum'rische Gestalt, Und trüber ward mein Sinn und immer trüber, Mein Herz, gleichwie die Todten, schwer und kalt. Und wie vom Hauch der herbstlich scharfen Winde Sich rauh verhärtet manch ein zartes Reis: So legte sich um mein Gemüth die Rinde Des Lebensüberdrusses starr, wie Eis. Und nun, da schon mein bess'res Theil im Grabe, Da meine Stirn des Zweifels Brandmal trägt, Nun, da ich es schon fast vergessen habe, Was einst so stürmisch meine Brust bewegt; Nun, da im Lebenssande meine Zähren Versickert längst, da ich mit stolzem Sinn Nichts mehr vermissend, Alles kann entbehren, Tritt deine Liebe leuchtend zu mir hin! Suchst du denn Rosen unterm Leichentuche, Und grünes Laub am blitzzerschellten Stamm? Zu spät! der Segen wird an mir zum Fluche – Mein Schicksal ist ein andrer Bileam! O warum bist du damals nicht gekommen, Als ich nach Liebe suchte, nach ihr rief? Jetzt kann mir dein Erscheinen nicht mehr frommen, Denn meine Sonne steht schon allzutief! – Das Weib, das aus den häuslichen Bezirken Heraustrat in das brausende Gewühl, Mit eigner Hand zu schaffen und zu wirken, Gezwungen zu beherrschen sein Gefühl; Das, fortgetrieben von den heim'schen Laren, Auf mühevoller, ruheloser Flucht, Durch rauhe Wirklichkeit gelernt, erfahren, Was andre Frau'n zu denken nie versucht; Das, wie Ödip, mit unheilvollem Munde Des dunklen Räthsels düstre Lösung fand, Vor der die Sphynx des Glaubens sich zur Stunde Verzweifelnd stürzet von dem Felsenrand: – Das mag wohl ferner mit erschloss'nen Augen Rasch vorwärts streben auf der Bahn zum Licht, Zum Forschen, zum Erkennen mag es taugen; Allein zum Lieben und zum Küssen nicht! Und darum ist's, daß ich von dir begehre: Laß mich allein mit meinem Geistesschmerz! Der Liebe Lust, der Liebe Grameszähre, Sie füllen nicht mein abgrundtiefes Herz! Du aber stehst in deiner Jugend Prangen, Um welche nie ein trüber Schatten floß, Dein Auge flammt, es blühen deine Wangen – Drum geh' und suche dir ein bess'res Loos! Und denke nicht, daß ich dein frommes Werben Hochmüth'gen Sinn's verworfen und verschmäht! Ich sage dir ja nur, was man im Sterben Zu allem Glücke sagt: Zu spät! zu spät! Bewältigung Und weil ich einst in dunkelsel'ger Stunde Dir weihte meines Lebens Lust und Gram, Weil gottbegeistert ich von deinem Munde Der Liebe süß bestrickend Wort vernahm, Weil meine Brust an deiner hat gelegen, Weil einst dein Haupt geruht in meinem Schooß, Und weil als frommer, heil'ger Liebessegen Auf deine Stirne meine Thräne floß; Weil du verstanden meiner Pulse Beben, Weil einst mein Kuß geglüht auf deiner Hand, Weil ich ein Theil einst war von deinem Leben Und weil du mich einst deine Braut genannt: – So wird fortan in allen künft'gen Tagen Hoch über allem Schmerz und aller Lust, Dein Bild als ew'ge Pyramide ragen, In der Sahara meiner tiefsten Brust. Wohl oft verhilft der Zeit zu grausen Siegen So manches Herz durch schnöden Selbstverrath; Doch meines wird ihr nimmer unterliegen – Es hat mehr Flammen, als sie Asche hat! Wohl oft erstirbt an bittrer Nichterhörung Die Liebesglut in einer Thräne Naß; Doch meine lebt gesichert vor Zerstörung, Denn noch viel stärker ist sie, als dein Haß! Rückblick Als heute ich ein schlichtes Lied gelesen, Das du einst schriebst, an Lieb' und Jugend reich, Da zuckt' es schmerzlich durch mein tiefstes Wesen Und regungslos verharrt' ich stumm und bleich. Die Hand gepreßt in meine dunkeln Haare Und Todtenklage im gebrochnen Blick, Rief ich mir jene längstversunknen Jahre, Wo jugendlich dein Herz geglüht, zurück. O Gott! so tief hast damals du empfunden! So heiß geliebt, so kühn und wild gehaßt! So leicht der Wahrheit Sonnenweg gefunden, Ein stolzer Königsadler ohne Rast! Und jetzt! und jetzt! o sprich, wie soll ich's fassen? – Was in dein innerst Leben schien getaucht, Dein strömend Lieben, dein allmächtig Hassen Versiegt ist's und entschlummert und verhaucht! Der schwerste Fluch hat furchtbar dich getroffen: Ein greises Herz in einer jungen Brust, Das, schon zu alt zum Glauben und zum Hoffen, Noch Hohn spricht der Erinn'rung heil'ger Lust. Entthronter Fürst, dem tückisch schlau das Leben Der Krone Zier, der Schätze Glanz entwand, Und zur Entschädigung ihm nichts gegeben, Als nur den kargen Jahrsgehalt: Verstand ! Ja, du bist klug! Allein soll ich es loben, Daß, wo ein träum'risch Paradies einst stand, Wo sich ein Athos königlich erhoben, Jetzt nur ein wohlbestelltes Ackerland? Soll – doch genug der Worte nun, der herben! Gelös't ist ja auf ewig unser Bund! O könnt ich unvermißt und einsam sterben, Ein wundes Reh im tiefen Waldesgrund! Unbewußtes Was fragst du mich, wie es wohl sei gekommen, Daß also hell der Liebesstrahl entglommen, Der meines Daseins schönes Sonnenlicht? Ich weiß es nicht! Was fragst du mich, wie ich es werd' ertragen, Wenn einst nach diesen himmellichten Tagen Herein die finstre Nacht der Trennung bricht? Ich weiß es nicht! Genügen Weiße Rose, die so bleich Und so duftig blüht! Liebe, die so schmerzenreich Und so selig glüht! Was an ew'ger Geistessaat Mir der Herr geschenkt, Meine ganze Seele hat Sich darein versenkt! – Pflanzen laß die Rose mich In den Staub vor dir, Nicht zum Schmuck und Stolz für dich, Doch zur Wonne mir. Liebesgroßmuth Fragen möcht' ich dich mit süßem Bangen, Wie sich deine Lieb' zu mir verloren? Nach dem Höchsten durftest kühn du langen Und statt seiner hast du mich erkoren! O ich ahne, was dich an mich bindet: In den Liebesketten, die dich halten, Sieht mein Auge und mein Herz empfindet Deiner Großmuth königliches Walten. Weil von Sturmesgrimm und Wetterstrahle All mein Sein versengt, versehrt, verschüttet, Hast du auf das blüthenlose, fahle, Deiner Seele Frühlingshort geschüttet. Weil du mich gebeugt, entweiht vom Leben In der dunkeln Menge aufgefunden, Hast du, mich zu dir emporzuheben, Lichte Kronen um mein Haupt gewunden. Zu dem Wesen wolltest du dich wenden, Dem versagt blieb jede Glückesgabe, Daß es reich sei nur durch deine Spenden, Daß es dir allein zu danken habe. Daß es, im Bewußtsein dieses Bundes Wie die Opferflamme liebentbrenne Daß es leb' vom Hauche deines Mundes, Daß es dein sei, wie ich dein mich nenne. Gedenken Nach dem Englischen. Und glaubst du, weil im Weltgewühl Mein Mund dich nie genannt, Daß drum der Liebe Glutgefühl Aus meinem Busen schwand? Ich sah dein Herz in früh'rer Zeit Vom Dolch des Grams verletzt, Und klaglos, wie du trugst dein Leid, Will ich es tragen jetzt. Zu heilig rein war unser Bund Mit seinem stillen Glück, Um frevelnd ihn zu geben kund Der Menge Späherblick. Verborgen trug ich in der Brust Die Wonnen sonder Zahl; Da Niemand schaute meine Lust, Seh' Niemand meine Qual! Vergessen?! Nacht! sei Zeugin mir! Wie lang ich meine Pein Getreulich wahre für und für, Das weißt nur du allein! So fließt der Strom bei Tag wohl sacht, Klar spiegelnd Sonn' und Wald, Dem in der schweigend stillen Nacht Ein Klagelaut enthallt. Bei Nacht, wo lauer, süßer Duft Aus Blumenkelchen schwebt, Wo die Erinnerung die Luft Bevölkert und belebt, Bei Nacht, bei Nacht – – wie ferne du Mir auch entrückt magst sein: Noch lächelt hold dein Bild mir zu Mit sternenklarem Schein. Vergessen ist was Hoffnung je Mir schmeichelnd vorgemalt, Vergessen ist so Lust als Weh; Von feindlicher Gewalt Ist ihre Farbenglut erblaßt, Nur dein Gedächtniß blieb, Wie eine Blüth' an morschem Ast Noch schwanket, sanft und trüb! Der Thränen Trost versag' ich mir An meines Grams Altar, Und spräche, Heil'ge! dann von dir Zur lauten Thorenschaar? – Mir sagt ein jeder Sonnentag: »Sie lebt nicht mehr im Licht!« Ob es auch Keiner ahnen mag, Vergessen bist du nicht! Aus Herzenstiefen Deine Liebe hab' ich nie begehrt, Weil ich ihrer mich nicht werth erkenne, Aber wissen sollst du, daß, verklärt, Ich als Opferflamme für dich brenne. Wie es also kam, ich weiß es nicht! Sieghaft tauchend aus des Ostens Thoren, Ueberströmte mich das goldne Licht Und der Engel war in mir geboren. Lächelnd jedem Schmerz und jedem Spott Folg' ich dir seitdem auf deinen Pfaden, Und du wardst zum Wort, mit dem mich Gott Zu dem Fest der Seligen geladen. Oft war Jammer meiner Seele nah, Meine Brust durchbohrt vom scharfen Stahle, Doch die finstre Nacht, sie schien nur da, Daß der Glanz der Liebe heller strahle. Als ich mich mit allem Glück und Weh Fest an dich, du Einziger! gekettet, Hab ich mich aus stürmereicher See In den Port der Ewigkeit gerettet! An Gabriele Sch. In der Brust die Schmerzenwunde, Die dein Scheiden mir geschlagen, Lasse in tiefnächt'ger Stunde Mich an deinem Sarge klagen. Laß in deinem Angesichte Wiederfinden mich den Frieden Und den Strahl aus höh'rem Lichte, Der mit dir von uns geschieden! – O in welchem Schönheitsglanze Liegst du da auf deiner Bahre, Mit dem hellen Blüthenkranze In der Lenznacht deiner Haare! – Mit den Blumen, die sich fügen Bunt zum Strauß und Düfte fächeln, Mit dem Ernst auf deinen Zügen Mit dem heil'gen Siegeslächeln! Nimmer, nimmer werd' ich's fassen! Dich, du Lieblichste von Allen, Konnte dich das Leben lassen? Durftest du dem Tod verfallen? Ja er hält dich nun umgittert, Tief und still, du Sondergleiche! Und der Deinen Glück, zersplittert Sank es hin an deiner Leiche! Ach! und zu den Deinen zähle Ich, die Qual- und Schmerzentbrannte, Selber mich und jede Seele, Welche, Engel! dich erkannte. – Heimgeschifft zum Vaterhause Bist du in dem dunkeln Nachen – Schlummre denn in deiner Klause! Ewig wird die Klage wachen. Für ein Herz, dem du entrissen, Giebt's nur einen Trost, nur einen Für so schmerzliches Vermissen, Und er heißt: um dich zu weinen! Rettung Wolle du, in stillem Selbstbeschränken Dich bedenken Und mit ernstem Muthe dich versenken, In dein innerst und wahrhaftigst Ich! Wühle in der hingeschwundnen Zeiten Seligkeiten, Die du, kaum erschienen, sahst entgleiten, Einem Traum gleich, der am Morgen wich! Wiederhole dir versunkner Tage Schmerzenklage Und sie werde dir zur stolzen Frage: »Woher ward mir Rettung als durch mich?« – Und dann tritt dem Schicksal kühn entgegen: Nicht erlegen Bist du seinen grimmen Wetterschlägen, Seine Härte hat dir Nichts geraubt! Wer in der Begeistrung Flammenstunden Sich gefunden, Hat für alle Zeiten überwunden, Lorbeerhaft der Dornkranz ihn umlaubt! Ob sein Kahn, den Klippen rings umragen, Sturmzerschlagen, Rettend wird die Fluth ihn strandwärts tragen, Der da kräftig an sich selber glaubt! Mit dir! Nimm mich mit, wohin dein Fuß Auf des Lebens Pfaden gehet, Denn da weht mir Heimathsgruß, Wo dein süßer Athem wehet. Nimm mich mit, wenn kühn dein Geist Fliegt durch alle Himmelsräume Und zur Erde, die verwaist Bringt des Jenseits goldne Träume. Nimm mich mit, wenn in's Gefecht, Wo du heldenherrlich streitest, Für der Menschheit heilig Recht, Du, ein edler Ritter, schreitest. Nimm mich mit, wenn still gebückt Zu der tiefen Geisterquelle, Deine Seele sich erquickt Mit des Denkens Lebenswelle. Nimm mich mit, es sei dein Theil Wonne, Jammer, Leben, Sterben! Nimm mich mit in's ew'ge Heil Und in's ewige Verderben! Getrennt, Vereint Seit du von mir weggegangen, O welch brennendes Verlangen In mir aufgelodert ist! Ja! ich mußte dich vermissen, Um zu lernen, um zu wissen, Wie so süß, du Liebster! bist. Rings umrauscht vom Sturmesgrimme Scheinet deine theure Stimme Nur noch süßer meinem Ohr; Aus der Nacht voll finstern Qualen Taucht in nur noch hellern Strahlen Deiner Schönheit Glanz empor. Mehr als in Besitzes Flammen Schauert Herz in Herz zusammen Bei der Trennung dunkelm Weh, Und die Seele, bang und trübe, Flüchtet sich in ihre Liebe Wie zum Quell das wunde Reh. Schweigendste der Einsamkeiten, Wolle du dich schirmend breiten Um mein träumerisches Herz, Daß, in tiefem Weltvergessen, Es sich hingeb' unermessen Einem einz'gen Glück und Schmerz. In's Album einer Braut Nimm ihn freundlich auf den Gruß, Den die Scheidende dir sendet, Ehe sich ihr flücht'ger Fuß Hin zu neuen Zielen wendet. Eine liebevolle Hand Schlichte dir des Lebens Wirren Während ich in fremdem Land, Freundlos, heimathlos muß irren. Von der reinsten Seelenlust Sei das Dasein dir verschönet, Während meine wunde Brust Ihrer Freuden sich entwöhnet. Und dir werde zugesagt Alles, was an Glück und Frieden Ich zu hoffen einst gewagt, Und was mir nicht ward beschieden. Ahnung Sollte nicht der Seele Frieden Untergeh'n in Qual und Pein, Mußte unser Bund geschieden Und für stets gelöset sein. Als der Kampf nun ausgerungen, Und getroffen war die Wahl, Hieltst du schweigend mich umschlungen, Scheidend, noch zum letzten Mal. Und von deinem Arm umschlossen Hab die Thräne ich gefühlt, Die, aus deinem Aug' geflossen, Meine heiße Stirn gekühlt. Träum'risch falt' ich jetzt die Hände, Fragend: war die Thräne licht, Deiner Liebe letzte Spende, Meine letzte Oelung nicht? O frage nicht! Warum, im Innersten zerrissen, Mein gramerbleichtes Angesicht Ich von dir wende, willst du wissen? O frage nicht! Ob deiner Stimme Zaubergrüße, Die Schönheit, die dein Haupt umflicht, Für mich verloren ihre Süße? O frage nicht! Ob unsre Trennung, schmerzdurchlodert, Für die mein Mund nun bebend spricht, Von mir, ob vom Geschick gefordert? O frage nicht! Ob, was ich leide, ohn' Verzagen Und ohne daß vor Qual es bricht, Ein Menschenherz vermag zu tragen? O frage nicht! Dunkle Einsamkeit Als meine Mutter krank und nach der letzten Reise, Da ward verändert viel auf mannigfache Weise. Zuerst befahl der Arzt, die Blumen wegzutragen, Die gerne sie gepflegt in frühern bessern Tagen. Dann ward dem Tageslicht der Eingang auch verwehrt – Es hieß, damit die Ruh der Kranken ungestört. Und als der Priester kam, die Hostie ihr zu reichen, Da mußte selbst ihr Kind aus ihrem Zimmer weichen. So, losgerissen längst, und längst schon im Entschweben Verhauchte sie zuletzt nur einen Schein von Leben. – Auch mir ward nach und nach Duft, Licht und Lieb' genommen, Ich lieg' in stiller Nacht – wird wohl der Tod bald kommen? Vorbei Ich hoffte einst auf schöne Tage Und lauschte mit erschloss'ner Brust Der mährchenhaften Wundersage Von ewig heitrer Liebeslust. In jugendfrohem Uebermuthe Glaubt' ich von jedem Glück und Gute, Daß es mir zugewiesen sei – Es ist vorbei! Und als der fromme Wahn entschwunden, Da fleht' ich, stolz auf meine Qual: Bleibt ewig offen, meine Wunden, Als unvergänglich Liebesmahl. Und mußten Freud und Glück verwehen, So soll mein heil'ger Schmerz bestehen, Daß Eines doch unsterblich sei – – Es ist vorbei! Innerer Tod O den beklag ich nimmermehr, Den Schmerz noch kann durchdringen, Der auf des Lebens wildem Meer Mit Well' und Sturm muß ringen! Er sucht und findet eine Bahn – Glückselig, wer noch leiden kann! Der Busen, den noch Weh durchbebt, Steht auch der Lust noch offen, Und durch die nächt'gen Wolken schwebt Ein fromm' Messiashoffen; Und viel besaß, wer viel verlor – Aus reicher Saat keimt's reich empor. Wer seiner Wünsche Blüthenflor Mit Thränen kann begießen, Dem werden sie noch einst hervor Erfüllt als Blumen sprießen; Ob die nun heut', ob morgen sein, Wird wohl zuletzt dasselbe sein. Doch elend, wahrhaft elend ist, Der selbst vom Schmerz verstoßen, Der, da die Lust ihn doch nicht grüßt, Vom Gram selbst ausgeschlossen; Deß Nacht nicht schwarz, deß Tag nicht klar, O der ist elend, ist's fürwahr! Den kein Verlangen mehr bewegt, Kein schmerzenfreudig' Sehnen, Deß Busen keinen Wunsch mehr hegt, Deß Auge ohne Thränen. – Ja elend, elend sicherlich Ist Jeder, der so ist, wie ich Warnung Du willst mich, sagst du, ewig lieben? Hast du dieß Wort auch recht bedacht? Soll sich dein heitrer Himmel trüben Mit den Gewittern meiner Nacht? Willst du, daß deine Freude sterbe, Daß Glück und Hoffnung weich' von dir, Daß sich dein Leben schnell entfärbe, – Ja dann, dann fordre Lieb' von mir! In klaren Sonnenscheines Blicken Liegt licht vor dir des Lebens Bahn; Was willst du von dem Quelle trinken, Der nur den Tod dir geben kann? Der heitern Kränze, die dich schmücken, Vergessend, willst in süßem Traum Du in dem Schatten dich erquicken Von meiner Liebe Upasbaum? O wisse, daß, was je im Herzen Ich trug als höchstes Lebensziel, Gar bald dem heißen Brand der Schmerzen Als rettungsloses Opfer fiel; Daß, die ich zu den Meinen zähle, Vom Gram als Seine auch begrüßt; Kurz, daß die Liebe meiner Seele Der Kuß der Eisenjungfrau ist! – Hör' auf, nach einem Ziel zu streben, Das Glück verspricht und Unglück beut! Laß mich auf Schmerzeshöhen leben In königlicher Einsamkeit. Verwahre deines Glückes Blüthen, Gern netzt' ich sie mit meinem Blut! Gern – – nein! dich möge Gott behüten Vor meiner Dichterliebe Glut. Dichtervorzug Nein, glaube nicht, daß du mein Herz geknickt Mit deines Zornes wilden Donnerschlägen; Es pocht so stolz, wie stolz mein Auge blickt! Dem Dichterherzen ist das Unglück Segen. Nur des gemeinen Lebens dumpfer Harm Kann schnöd' entkräftend an der Seele nagen, Doch eines großen Schmerzes starker Arm Wird in die Reih'n der Himmlischen sie tragen. Nie fühlt' ich mich in früh'rer Wonnezeit So ganz entrückt den niedrigen Bereichen, Als jetzt, nachdem das Unglück mich geweiht Zu einer Schmerzenhoheit sonder Gleichen. Mein einsam Herz thront königlich und hehr, Stolz von dem Rest der Menschen abgeschnitten; Für meines Gleichen acht' ich sie nicht mehr, Denn Keiner hat so viel wie ich gelitten. Verwahrung O glaubet nicht, daß meine düstern Klagen In Eurer Seele Mitleid wollen wecken! Sie wollen Euch vielmehr mit Stolz entdecken, Wie viel ein Menschenherz vermag zu tragen. Erkennt in ihnen muthigkühne Fragen, Erprobten Geistes kampfgestählte Recken, Die vor dem dunklen Gegner nicht erschrecken Und trotzig selbst sich an das Schicksal wagen. Die Stirn, umstrahlt von früh'rem Kronenschimmer, Die niemals trug der Feigheit schmachvoll Zeichen, Beugt sich vor eines Feindes Machtspruch nimmer! Erliegen kann ich seinen rohen Streichen; Doch sterbend noch werd' ich es offenbaren, Daß nur Gewalt, nicht Recht mir widerfahren. Versprechen Klingen trüb jetzt meine Lieder, O so habt mit mir Geduld! Kehren bess're Zeiten wieder, Will ich zahlen alte Schuld. Wollt den Baum ihr niederhauen, Weil der Herbstwind ihn entlaubt, Und des Winters böses Grauen Ihm die Blüthenzier geraubt? Nein! ihr laßt ihn hoffend stehen, Um ihn einst zur Lebenszeit Wieder neugeschmückt zu sehen, Schattig, blüthenüberschneit. Und die ihn geduldet haben, Ehrt der Baum mit frommem Sinn, Legt dann dankbar seine Gaben Gern zu ihren Füßen hin. Also steh auch ich entblättert, Von des Unglücks rauhem Nord, Von dem Blitzstrahl fast zerschmettert, Der mich traf in einem Wort. Doch es werden Zeiten kommen, Wo das Herz mir wieder frei, Und zu heitrem Sang verschwommen Meiner Seele Jammerschrei. Wo nach Winters Finsternissen Mir erblüht ein Frühlingstag, Wo ich werd' zu singen wissen, Wie ich jetzt nur weinen mag. Und von froher Lieder Blüthe Werde dann die Stirn umrauscht Derer, die mit stiller Güte Meinem Schmerzensang gelauscht. Wo? Nicht einzeln formte Gott die Seelen, Als er sie sandt' in's Erdenland; Es gingen, hier sich zu vermählen, Zwei gleiche stets aus seiner Hand. Doch das Geschick in seinem Neide, In seines Hasses Ironie, Wirft oft den Ocean als Scheide Und dunkle Schranke zwischen sie. Dieß Schicksal denk' ich, ist das meine, Drum breit' ich oft, von Schmerz durchgraut, Die Arme sehnend aus und weine Und rufe ungestüm und laut: Du Wesen, das in gleichen Tagen Ein gleicher Gotteshauch belebt, Deß Pulse wie die meinen schlagen, Deß Herz so wie das meine bebt! Das gleiche Wünsche und Gebete Wie ich entsendet himmelan, O sage mir, wo ist die Stätte, Wo ich dich endlich finden kann? Lebst du an ferner Nordenküste, Wo eisbedeckt die Ströme zieh'n! Fliegst du in der arab'schen Wüste Auf windesschnellem Roß dahin? Neigst du am schönen Gangesstrande Vor Lotosblumen still dein Haupt? Steht an der Andes dunklem Rande Dein Haus von frischem Grün umlaubt? Weilst du vielleicht in meiner Nähe Und schaust mit mir dasselbe Licht, Und fühlst dasselbe bittre Wehe, Das mein verzagend Herz umflicht? Und suchst mich an jedweder Stelle, So wie auch ich dich suchen muß, Und schickest mir durch jede Welle Durch jedes Lüftchen einen Gruß? Und klagst wie ich: »was muß ich missen Dich, meines Geist's erwählte Braut? Soll sich mein Aug' im Tode schließen, Eh' es im Leben dich geschaut?« – Wahrheit in der Dichtung Oftmals glaubt' ich, daß nicht mir zum Frommen Mir geworden sei des Liedes Gabe; Aber jetzo hab' ich wahrgenommen, Daß sie meines Lebens beste Labe. Könnt' ich singen nicht, müßt ich zurück Pressen nun mein schmerzvoll Liebesglück, Dürfte nicht mit glühendem Bekennen Dein mich nennen: Also trennt die Welt vereinte Seelen, Daß nur im geheimnißvollen Sange Ich dir lust- und leidvoll darf erzählen Von des Busens ewig regem Drange. Daß ich meiner Liebe Flammengruß Erst in Reim und Verse bringen muß, Um ihn vor der Menschen bösen Willen Zu verhüllen! Daß ich dich, der herrlich steht im Leben Wie ein Halbgott aus versunknen Zeiten, Mit den Nebelflören muß umgeben, Die sich rings um Ideale breiten, Daß ich wie von leerem Traume nur Sprechen darf von unserm heil'gen Schwur, Von der festgeschlossnen Geistesehe Glück und Wehe! Und so stelle ich die Welt zufrieden, Die nur in der Dichtung Lieb' gestattet, Die sich von Begeistrung ausgeschieden, Weil sie für den Flug viel zu ermattet; Die im Liede schön und herrlich nennt, Was sie in der Wirklichkeit verkennt, Nur in ihm des Herzens sehnend Streifen Mag begreifen. Nimmer werd' der Schleier ihr zerrissen; Ihrem Irrthum will ich nichts erwidern, Du allein, mein Freund, nur du sollst wissen, Daß du Quell von allen meinen Liedern; Daß jedweder Laut von meinem Mund Einer ew'gen Wahrheit treue Kund', Bis mein Sang, dir liebend zugewendet, Jenseits endet! Ghasel »Ghasel! was magst du wohl, so fragt' ich lange, sein? Soll ich, dein Wesen zu ergründen, bange sein?« – So fragend hab ich dich erkannt und du kannst nun Kein dunkles Räthsel mehr dem Dichterdrange sein. Ich weiß nunmehr: du sollst, aus tiefster Brust gehaucht, Ein frischer West um glüh'nde Liebeswange sein, Du sollst dem schönen Freund, zu dessen Preis du tönst, Ein fürstlich reicher Schmuck, womit er prange, sein. Sollst seines edlen Schatzes köstlichster Demant, Und 0seines königlichen Purpurs Spange sein, Ein unzerreißbar Netz, aus laut'rem Gold gefügt, In das sich Reiz und Huld für stets verfange, sein! Du sollst, Ghasel! mit deinem süßen Echospiel Ein Wiederhall vom ew'gen Liebesklange sein! Ghasel Bewahrst mein ernstumflossnes Bild du im Gedanken nicht? Bricht meine Liebe deiner Brust umeis'te Schranken nicht? – Ich denke fast, es muß gescheh'n, denn wer, o sage, wer Erbarmte meiner Seele sich, der tödtlich kranken, nicht? Das Meer der Zeit verschlang die Lust, die Hoffnung und das Heil, Nur meine Leiden standen fest, nur sie versanken nicht! Als Felsen ragen sie empor im wüsten Ocean; Des Lebens Brandung rauscht drum her, allein sie wanken nicht. Doch sinnend weilet gern mein Geist auf ihrer höchsten Höh, Von Eb'nen könnt' er sich so leicht zum Himmel ranken nicht. Als Brautgeschenk gabst du mir Schmerz, der führt zu Gott hinan, Wie sollte ich für solch Geschenk dir innigst danken nicht? Ghasel Verstoß mich nicht, da ich von dir noch immer scheiden kann; Weis' mich nicht an die Welt, an der ich mich nicht weiden kann. Viel theurer, als ihr bestes Gut, gilt meiner wunden Brust, Was sie an bittrem Schmerz und Weh um dich noch leiden kann. Ich ford're Wen'ges nur von dir: – daß du mich dulden sollst! Gewähr' mir dieß, da ich damit mich froh bescheiden kann. Als Fürst der Liebe schmückt mich aus mein reicher Herzenshort, Wer wirft den Purpur weg, mit dem er sich bekleiden kann? Ghasel Ferne von dem frohen Kreise klagst du, es sei Nacht in dir? Aber, sprich! sie zu erhellen, hast du nicht die Macht in dir? Gib nicht auf das Unverlorne! scheue Arbeit nicht nach Müh, Und durchwühl' den unerschöpflich reichen Trostesschacht in dir! Wirf im Augenblick des Sturmes, angstbethört, verzweiflungsvoll, Ueber Bord des Lebensschiffes nicht die Glaubensfracht in dir; Lenke hin die schwanke Barke durch das wild empörte Meer, Und vertrau dem ew'gen Leuchtthurm, dessen Flamme facht in dir! Schreitend über Eisgefilde, denke hoffend auch zugleich, Wie es schön sein wird, wenn einstens neu der Lenz erwacht in dir. Brechen alle deine Stützen; ist das All dir fremd und feind; Liefern sich die wilden Schmerzen eine heiße Schlacht in dir: – O so denk, wie frisch dein Lorbeer und wie groß dein Siegesruhm, Wenn du durch dein Wollen alle einst zur Ruh' gebracht in dir! Treu Geleit O sprich mir nicht von des Vergessens Mächten, Die, wenn sie leis sich um die Seele schlingen, Den Schutt mit frischem Epheu überflechten Und heitre Tage spät im Herbste bringen. Mir hat der Herr ein wildres Herz gegeben, Mit Wünschen stürmisch, heiß und unermessen; Was ich als falsches Glück sah von mir schweben, Als treuen Jammer muß ich's in mich pressen. Drum bist und bleibst du mein für alle Zeiten, Die Freude nur ist eilig im Vergessen; Mich aber wird durch's Leben still geleiten Der dunkle Gram, daß ich dich nie besessen. Ein Traumbild Einmal, einmal nur Hab' ich dich geschaut, Einmal nur vernommen Deiner Stimme Laut; Aber hör' den Schwur, Den dir zuschickt Deine Geistesbraut: Meine Seele weilt Wo dein Athem weht, Was an Glück mag kommen Kommt für mich zu spät, Denn es kühlt und heilt Nichts den Schmerz, daß ich dich nicht erfleht. Melancholie So ist denn Alles hingeschwunden Als wie ein schnell verklungner Laut! Die Zeit hat über schön're Stunden Ihr Pyramidengrab erbaut. Die heitern Strahlen sind erblichen, Die meiner Jugend Pfad erhellt, Die Schmerzen, die einst Wonnen glichen, Sie zeigen sich nun unverstellt. Und wie ein Schiff auf fremden Meeren Der Wuth der Wogen preisgestellt, So schiffet unter blut'gen Zähren Mein Herz durch's Wogenmeer der Welt. Und wie auf hohem Felsenthurme Die Möwe ihre Rettung sucht, So lenket im Gedankensturme Mein Geist zu dir hin seine Flucht; Und klagt mit Tönen schmerzgebrochen Wie ewig theuer du mir bist, Und spricht es aus, was ich verbrochen Und nennt dir auch, wie ich gebüßt. Daß ich noch lebe, sagt mein Leiden, Daß ich dich liebe, sagt mein Schmerz, Daß schwer ich büße, sagt mein Scheiden, Daß ich dein würdig, sagt mein Herz. In einer Abendstunde Wenn ich, indeß in Dämmerungen Verschwimmt des Abendhimmels Glut, Von deinem Arme liebumschlungen Hinschiffe auf der dunkeln Fluth; Wenn von der hohen Geistersonne, Die mystisch dein Gemüth erhellt, Ein Strahl als überird'sche Wonne In meine düstre Seele fällt; Wenn mitten in den Frühlingsscherzen, Womit das Jetzt uns hold umwebt, Ein Schatten von vergangnen Schmerzen Um deine schöne Stirne schwebt; Wenn ich in deinem tiefsten Wesen, Von mir allein erforscht, erkannt, Desselben Schicksals Spur kann lesen, Das meinen Busen wund gebrannt; Wenn du, vergessend deiner Loose, Mit meinen dich betrübst und freust, Und deines Hoffens schönste Rose In meines Lebens Abgrund streust: Da sinkt die letzte, dunkle Schranke; Mein inn'rer Zwiespalt ist versöhnt, Und aufwärts ringt sich mein Gedanke, Wie Sang durch Morgenluft getönt! Da wird von tausend Seligkeiten Mein staunend Herz erfaßt, entführt, Und klingt wie einer Lyra Saiten, Wenn sie geweihte Hand berührt! Da fühl' ich, was der Meereswelle Des Mondenstrahls geheimer Kuß, Und was den Bienen ihre Zelle, Den Bergen ist der Sonne Gruß; Und was dem Wandrer durch die Wüste Ein Quell, auf den er dürstend trifft, Was müdem Segler ist die Küste, Nachdem das Weltmeer er durchschifft; Was einem Weib im Wittwenschleier Das Kind, das ihres Lebens Zier, Was einem Sclaven sein Befreier, Und mehr noch ist dein Lieben mir! Gebrochenes Schweigen Als Krösus stummer Sohn das Schwert im Schwunge Ob seines Vaters theuerm Haupt sah schweben, Zerriß das Weh die Fessel seiner Zunge, Und flehend rief er: »Schont des Königs Leben!« So ist in meiner Brust auch lange, lange Die Leidenschaft verhüllt und stumm geblieben, Nicht folgte ich der Seele mächt'gem Drange, Zu sprechen dir von meinem tiefen Lieben. Doch jetzo, da der Augenblick gekommen, Der irdisch ew'ge Trennung uns soll bringen, Will mir mein stolzes Schweigen nicht mehr frommen, Die Angst der Seele läßt sich nicht bezwingen. Jetzt, da erschienen ist die nächt'ge Stunde Wo du für stets mir sollst entrissen werden, Ringt sich der Schrei vom langverstummten Munde: »Ich liebe dich wie weiter nichts auf Erden.« »Ich liebe dich am unruhvollen Tage Und in der Nächte stillen Einsamkeiten, Mit jedem Blick, mit jedem Herzensschlage, Ich liebe dich für alle Ewigkeiten.« Doch weh! nicht wie der lyd'sche Fürst beschirmen Kann ich mein Glück vom grausen Todesstreiche; Sein Ruf drang siegreich durch des Schicksals Stürmen: – Der meine klagt nur mehr an einer Leiche. Beruhigung Harter, der du ohn' Erbarmen Mich verletzest kalt und rauh, Wirst bald glühen in den Armen Einer reizbegabtern Frau! Ruhig mag ich dieß erwägen, Denn die Ahnung thut mir kund, Was sich dann wird leise regen Tief in deines Innern Grund. Wenn, durchzuckt von deinen Küssen, Stumm dein Lieb im Arm dir ruht, Wirst du heimlich doch vermissen Meiner Seele Kraft und Glut. Wenn mit heitern Frühlingsscherzen Sorglos froh sie zu dir spricht, Wird dir's flüstern tief im Herzen: »Diese kennt die Liebe nicht! Kennt sie nicht, so wie sie kannte Jenes unglücksel'ge Weib, Dessen Lieben flammt' und brannte Sillverzehrend Seel' und Leib! Ist's auch süß, sich hier zu sonnen In der Schönheit Maienlust: Um die tiefsten Qualen, Wonnen Hat doch Jene nur gewußt!« Strahlend wird in's Aug' dir brechen Meines Herzens Glorienzier; Und so wird mich treulich rächen Einst dein eigen Selbst an dir. Hinweg Es bebt ein Strahl zur Erde nieder, Vergoldet magisch Berg und Flur, Und kehrt dann heim zur Sonne wieder, Und läßt auf Erden keine Spur. Aus Blumenkelchen strömen Düfte; Doch schon nach kurzem Augenblick Entschweben sie, ein Spiel der Lüfte, Und lassen keine Spur zurück. Wenn Gluten den Demant durchhitzen, Verflüchtigt schnell sich seine Spur, Und nimmer bleibt von seinen Blitzen Zurück die todte Kohle nur. O seid der stillen Weisheit Erben! Wenn Lieb' aus eurem Busen schwand, So mag sie ganz und spurlos sterben, Wie Strahl und Duft und Diamant! Wohl nahm sie schon zu höherm Reiche, Euch unbewußt, den kühnen Schwung; Zwingt nicht in's Sein zurück die Leiche – Hinweg mit dir, Erinnerung! Gedächtnißfeier Als bang die Kunde deines Tod's erscholl, Da schlugen sie die Brust verzweiflungsvoll, Da rangen schmerzbewältigt sie die Hände Und klagten um dein allzufrühes Ende. Zerrissen nannten sie ihr eignes Sein, Von jedem Trost sich blutend abgeschnitten, Verwais't an Glück ihr brechend Herz, inmitten Der lauten Welt verlassen und allein! Doch jetzt, – wie bittrer Hohn beschleicht es mich, Denk' ich, wie schnell der edle Gram entwich! – Jetzt liegt, versenkt, im Lebensmeer ihr Kummer; Der Welt Syrenenlied sang ihn in Schlummer Und dein Gedächtniß ward der Welt zum Raub. Eh deinem Hügel Blumen noch entwallen, Eh du in deinem Grab zu Staub zerfallen, Wardst du im Herzen Deiner Lieben Staub! Und ich allein, die, als du noch gelebt, Von dir gefordert nichts und nichts erstrebt, Und deren Wunsch sich nie zu dir vermessen, Ich denke dein, da alle dich vergessen! Durch ihrer lauten Festgesänge Chor Tönt mir dein Sterbeseufzer tief und leise, Und aus der blühenden Gestalten Kreise Taucht schmerzlich mir dein bleiches Bild empor! Ich denke dein Ich denke dein im Waldesgrunde, Ich denke dein beim Festgelag, Bei jeder Wonne, jeder Wunde, Bei jedem Hauch und Herzensschlag. Aus heitern Hoffnungsparadiesen, Aus der Verzweiflung Nachtverließen Wend' ich den treuen Blick dir zu – Und du? Ich lieb' dich, als durch mich Erlös'te Vom Fluche, dem ich lang geweiht, Als meiner Freuden reinste, größte, Als mein verklärtest', schönstes Leid! Ich liebe dich, in sel'ger Beugniß, Als menschgewordnes Gotteszeugniß, Das mir verheißen Glück und Ruh' – Und du? Gabe Alles hinzugeben Ist der Liebe Brauch; Nimm denn hin mein Leben, Und mein Sterben auch! Aller meiner Lieder Sanften Schmeichellaut, Die ein Eden wieder Sich aus Schutt erbaut; Alle Lichtgedanken, Die an Glück und Leid Kühn sich aufwärts ranken In die Ewigkeit. All mein stilles Sehnen, Innig dir vertraut, Das in sel'gen Thränen Auf dich niederthaut! Nimm, daß nichts dir fehle, Wenn die Stunde ruft, Meine ganze Seele Hin als Opferduft! Einem Jugendfreunde Die Mutter sah ich bleich im Sarge liegen, Die frommen Hände zum Gebet gefaltet; In des Geliebten todtenblassen Zügen Hat sich ein dunkles Reich für mich entfaltet. Doch, trotz der strenge wiederholten Mahnung, Blieb mir doch fremd des Tod's geheimste Ahnung, Und was ich sah, schien mir ein Sterben nur! Denn, als sie schieden aus dem Weltgetriebe, Sprach noch ihr letzter Blick von ew'ger Liebe; Ihr letzter Seufzer war ein Liebesschwur. Du aber lehrtest, als du mich verlassen In flücht'gen Leichsinns herzlos roher Richtung, Mich jenen furchtbaren Gedanken fassen Der rettungslosen ewigen Vernichtung. Dein Treubruch warf des Todesahnung Schatten Auf meines Lebens hoffnungshelle Matten – Und sicher, fest scheint mir nichts mehr fortan. Als deiner Freundschaft Traumbild mir zerronnen, Da hat des dunkeln Schnitters Werk begonnen – Zu seiner Ernte reif' ich schnell heran! Geisterspuk Woher das räthselhafte Grauen, Das nächtig meine Seele trübt? Muß ich die Seele dessen schauen, Den ich so tief, so heiß geliebt! Es ist nicht Schmerz, daß nun zerrissen Das festgeschlungne Seelenband, Und daß ich muß im Dunkel missen Die liebgewohnte Führerhand! Noch ist's das ungestüme Sehnen Der mitleidslos verlassnen Braut, Die unter Strömen heißer Thränen Zurück auf schön're Tage schaut. Die holden Täuschungen beschränken Mir nicht mehr den erloschnen Blick; Mit kaltem Lächeln kann ich denken An früh're Zeiten und ihr Glück. Und dieses ist's, was trüb und traurig Durch meine tiefste Seele geht, Und wie ein Hauch des Todes schaurig Um meine bleiche Stirne weht: Daß dieser Blick, der einst entzündet In mir dämonisch wilde Lust, Nun nichts als todte Asche findet In meiner ausgebrannten Brust; Daß die melodisch süße Rede, Der einst ich lauschte wonnerschreckt, In meiner Seele Wüstenöde Kein freudig Echo mehr erweckt; Daß ich dieß Bild, deß Schönheitsprangen Mich einst durchflammt mit trunknem Wahn, Nun ohne Wunsch, ohne Verlangen, Mit eis'gem Ernst betrachten kann. Daß wie ein leiser Klang der Leier Schwand, was unsterblich ich geglaubt, Das wirft den dunkeln Nonnenschleier Auf mein dem Schmerz verfallnes Haupt! O welche Macht der Erde schriebe In's Herz mir noch den sel'gen Schwur, Seit ich die Sterblichkeit der Liebe Vernichtet an mir selbst erfuhr! Ich fühl' es: zwischen mich und Jeden, Den heiß die Sehnsucht zu mir reißt, Drängt sich mit höhnisch bittern Reden Der abgeschiednen Liebe Geist. An Lenau Begeistrung senkt sich auf mich nieder, Mein Auge glänzt, mein Busen schwillt, Gedenk ich dein und deiner Lieder, Du hohes, ernstes Dichterbild! Strahl des Gesangs! mit dunklem Beben Erfaßt mich tiefer Sehnsucht Weh, Von dir geleitet hinzuschweben Auf der Gedanken weiter See! Und eh mich noch die Wellen tragen, Steht es wohl fest in meinem Sinn, Mich allzuferne nicht zu wagen, Zu schiffen nur am Strande hin; Denn Hilfe, Trost und Zuflucht fehlen Auf jener Bahn, die wählt mein Drang, Und viele Schiffer sind zu zählen, Die dieser Ocean verschlang. Doch seh ich deinen Strahl, den klaren, Du Liedesstern, so licht und hehr: – Vergeß ich träumrisch der Gefahren Und steure fort in's offne Meer. Und steure fort, bis fern die Küste Vor meinem trunknen Blick versinkt Und in der weiten Weltenwüste Mir nur dein Licht entgegenblinkt. Es zog mich dieses Licht vom Strande, Dem Leben raubt' es eine Braut, Doch wird's den Weg zu höhrem Lande Dem Herzen zeigen, das ihm traut. Forderung Und trennt uns jetzt des Schicksals Haß, Muß fort ich ziehn allein; So leb denn wohl, mein Freund, doch laß Mich nicht vergessen sein! Gehst ohne mich du nun durch's Thal Und durch den frischen Wald, Wo wir beim Morgensonnenstrahl So oft vereint gewallt; Und trittst du hin zum grünen Strand, Der liebend uns umschloß, Hin, wo auf meine bleiche Hand Heiß deine Thräne floß: Dann schenke, wenn's so kommen muß, Daß ich ersetzt bei dir, Den Andern jeden Liebesgruß, Doch einen Seufzer mir! Entgegnung 1. Bange nicht vor künft'gen Tagen, Vor der Liebe Unbestand! Herzen, die wie unsre schlagen Eint ein unzerreißbar Band! Geister, die wie unsre streben Zu der Wahrheit Sonnenbahn, Sind dem wechselvollen Leben Nun und nimmer unterthan. Hat uns denn ein Bund vereinet, Wie ihn jeder Tag gebiert, Wo geküßt, gelacht, geweinet, Endlich auch geschieden wird? Unsre Liebe ist Erkennen, Streben nach dem gleichen Ziel! Was kann solche Liebe trennen, Unerreicht vom Schicksalsspiel? Tausend Lichtgedanken ranken Sich um uns und halten fest, Ohne Weichen, ohne Wanken, Dich an meine Brust gepreßt. Einen engen Pfad bestrahlen Gleiche Sterne dir, wie mir, – Könnt' ich auf dem rauhen, schmalen, Jemals trennen mich von dir? Möglich, daß in künft'gen Zeiten Andrem Glück dein Wunsch noch winkt, Und den Born der Seligkeiten Einst von fremden Lippen trinkt. Möglich, daß in neuer Regung Einst auch meine Seele schwillt Und in stürmischer Bewegung Hin sich neigt zu fremdem Bild: Doch den Geistesbund zu brechen, Der sich leuchtend um uns flicht, Und dich von mir loszusprechen, – Das, mein Lieb, vermagst du nicht! Doch dein Lieben zu vergessen Einst bei andrer Augen Schein, Glaube mir, ich werde dessen Nun und nimmer fähig sein. Drum, ob sich auch unsre Seelen Einst auch beugen neuem Joch, Wird uns Freundschaft stets vermählen, Und der Bund bleibt ewig doch! 2. Sahst du, wenn in Glanzesfülle Schmetterling zum Himmel flog, Daß er seine Raupenhülle Später abermals bezog? Mag die Zukunft niederreißen, Was mein Hoffen auferbaut: Nie kann ich dir Freundin heißen, Dem ich Schwester jetzt und Braut! Nie würd' ich's zu tragen wissen, In dem theuern Angesicht Je den Schimmer zu vermissen, Der jetzt liebend daraus bricht. Und aus offner, tiefer Wunde Strömte heiß mein Herzblut fort, Hört ich je von deinem Munde Matter Freundschaft kühles Wort. – Wer zu tiefstem Weh erkoren, Wird von höchster Kraft beseelt; Ist die Krone einst verloren, Sei der Schleier rasch erwählt! Ein Menschenende An *** Ich sah dich, wie der wilde Lebensdrang Den Ruf des Weh's von meinen Lippen rang, Wie an des Schmerzaltares nassen Stufen Verblutend du die Gottheit angerufen. Wie dann, als dir die Hilfe ward versagt, Du Erd' und Himmel jammernd angeklagt; Und wie du kraftlos und verzweiflungstrunken Auf deines Glückes Grabmahl hingesunken! – Jetzt hat sich dieß geändert wunderbar! Aus heit'rem Antlitz strahlt dein Aug' so klar, Daß nur, wer selber schritt auf solchen Bahnen, Der milden Ruhe bittren Grund kann ahnen. Ein sorglos Lächeln spielt um deinen Mund, Als wär' die Seele kräftig und gesund; Und also harmlos klinget deine Rede, Als wär' geendigt jede Lebensfehde. So staunt die Welt in dir den Menschen an, Der kühn sein Glück dem Schicksal abgewann; Mein Aug' nur kann in deiner Seele lesen, Daß du so elend bist, wie du's gewesen. Die Ruhe, die aus deinem Angesicht, Aus deines Mundes stillem Lächeln spricht, Ist nicht des Friedens heil'ge Offenbarung: Sie ist der Seele tödtliche Erstarrung. Der letzte Schmerzenschrei, der als Gebet Um Rettung und Erbarmung heiß gefleht, Die letzte Klage ob der Schicksalswunde – Sie waren deines Herzens letzte Stunde. Und was seitdem geschah, ist Täuschung nur, Du lebst auf deines Ich's Ruinenspur! So wenig kann das Sein dich mehr bewegen, Daß du die Mühe scheust, es wegzulegen. So fern, so fremd, so fahl scheint dir die Welt, Daß keine Sehnsucht mehr die Brust dir schwellt, Schon längst erdrückt von qualvollem Entsagen Kannst du vor keinem neuen Leid mehr zagen. So wird durch deine Ruhe selbst mir kund Der ew'ge Schmerz in deines Busens Grund! Und wolltest meinen Ausspruch du verneinen Und stark vor mir wie vor den Andern scheinen So fragt' ich dich – die Frag' ist von Gewicht: Ob man bei dunkel mildem Abendlicht Durch eines Wiegenliedes schlichte Töne Nicht heiße Thränen dir entlocken könne? Stolze Güte Wollt' ich mich an dem Feinde rächen, Der tückisch durch mein Leben schleicht, Müßt ich die Kronenzier zerbrechen, Die er mir widerstrebend reicht. Denn, wenn er nicht genau bedächte, Wie schön mein Herz, wie groß und gut: Nicht wagte es der Feige, Schlechte, Mich zu verletzen, wie er's thut. Er weiß, ich könnte mich vertheid'gen, Vernichten ihn mit einem Laut, Und wagt es doch, mich zu beleid'gen, Weil er auf meine Großmuth baut. Wollt' ich in rascher Seelenwendniß Nun Rache nehmen an dem Feind, Was wäre sie, als ein Geständniß: »Ich bin so gut nicht, wie er meint!« Den Kiesel niedern Zorns zu bringen In meines Herzens Demantschrein, Soll keinem Feinde je gelingen! Ich will so schlecht, wie er, nicht sein. Ersatz Ich seh dich endlich, endlich wieder – Dein träum'risch süßes Angesicht! Ich höre deiner Stimme Lieder – O das Entzücken tödtet nicht! Ich lieg' in deinen treuen Armen, Du pressest mich an deine Brust; In sel'ger Freude Gluterwarmen Sag' ich dir, was dir längst bewußt! Und goldne Tage seh ich schweben Aus ferner Zukunft dunklem Meer, Vereinigt unser innerst Leben – O daß es also, also wär'! Wie viel und heiß ich auch gelitten Durch eine lange, lange Zeit, Mein Schmerz hat Herrliches erstritten: Des Wiederfindens Seligkeit. Vorsatz Nicht einer dunkeln Zukunft denke, Wenn dir die jetz'ge Stunde lacht; Genieße sorglos die Geschenke, Die dir die Gegenwart gebracht. Das Morgen ist ein böser Riese, Der drohend seinen Bogen spannt Und der in seine Nachtverließe Gar gern die heitre Freude bannt. Wir wollen trotzen seinem Wüthen! Die jetz'ge Stunde sei so schön, Daß als Erinn'rung ihre Blüthen In's Morgen noch hinüberwehn! Reisehoffnung Ich ziehe in die Ferne fort, In andre, fremde Gründe; Und wenn es auch nicht besser dort, Wenn ich's nur anders finde. Wenn dort nur nicht so finster-grau Die Wolken ob mir hangen, Wenn nicht, wie hier, gestellt zur Schau, Gemeinheit, Bosheit prangen! Wenn ich nur von der Stätte fern, Die Thränen nur befeuchten; Wo unterging mein Hoffnungsstern Nach allzukurzem Leuchten. Wenn ich nur fern dem todten See Von thöricht eitlem Trachten, Und jene Augen nicht mehr seh', Die mich so elend machten. Rath Um von Schaden fern zu bleiben, Merkt auf vielbewährten Rath: Wollt Ihr Minnespiel doch treiben, Weil man's stets getrieben hat, Liebt denn mit dem Augenstrahle, Liebet mit der Phantasie, Mit dem Geist in manchem Falle, Aber mit dem Herzen nie! Erkenntniß Daß ich dich liebe tief und heiß, Das hab' ich oft empfunden, Wenn deiner Nähe Zauberkreis Glückathmend mich umwunden; Wenn mich dein Arm so fest umschlang, Dein Wort in seiner Süße Zu meinem tiefsten Herzen drang Wie tausend Jenseitsgrüße. Doch daß du selbst mein innerst Sein Und Herz von meinem Herzen, Daß du nur in der Seele mein Wach rufest Lust und Schmerzen, Daß du ein heil'ger Engel bist, Für mich als Mensch geboren, Das weiß ich erst seit kurzer Frist: Erst seit ich dich verloren. Vermuthung Ich hab für jede Kränkung, Die du mir angethan, Für dich ein Gebet entsendet Zum Herrn der Welt hinan. Ich hab' das Wort des Fluches, Womit du mich gehöhnt, Mit Segen dir vergolten, Im Innersten versöhnt. Ich hab für deine Härte Ein Lächeln stets gehabt, Und immer nur ganz heimlich An Thränen mich gelabt. Und hätt'st du nicht so schmerzlich, So tödtlich mich betrübt: Ich glaube fast, ich hätte Dich nicht so heiß geliebt. So dienen wohl die Stürme Mit ihrem wilden Graus, Die Perle zu erzeugen, Im dunkeln Muschelhaus. Der Orient O wär' ich, wo aus ros'gen Thoren Die Sonne tritt mit hell'rem Glanz, Im schönen Orient geboren, Ein Kind des lichten Morgenlands! O hätt' ich, fern von dieser Stelle, Wo Lieb' und Haß gleich schmerzlich quält, Dort in Arabiens Sandeswelle Mein einsam stehend weißes Zelt! Dort wollte ich mich glücklich nennen, Weil Glück bei Einsamkeit nur wohnt; Dort lernte ich die Freiheit kennen, Die nur in öder Wüste thront! Dort wollt' ich ruh'n in Palmenschatten, In der Oase duft'gem Raum, Und meinen Muth, den todesmatten, Erstarken an holdsel'gem Traum. Dann wollt' ich auf das Roß mich schwingen, Gezähmt von meiner eignen Hand Und wie auf raschen Sturmesschwingen Hinfliegen durch das offne Land. Und Abends wollt' ich sinnend weilen Vor meines Zeltes nied'rer Thür, Und meiner Seele Sehnsucht heilen Am Sternenhimmel über mir. So, fern vom drangvollen Geschäfte, Von Trug und Haß und Heuchelschein, Im Hochgefühl der eignen Kräfte, Wie stolz und glücklich wollt' ich sein! Doch wehe! weh! hier muß ich leben In dieser stürmevollen Ruh' Und nur die bangen Wünsche schweben Dem lichten Morgenlande zu! Sichere Richtung Sieh dort durch des Tempelbaues Hallen Ernst die gottgeweihte Jungfrau wallen! Eine Lampe, deren Flamme zittert, Trägt sie, und mit reiner Hand umgittert Sorglich sie dieß Licht, daß es im Grimme Rauher Stürme sterbend nicht verglimme. Nicht vermag es alle dunklen Stellen Dieses weiten Domes zu erhellen; Doch genügt's, daß Helle es verbreitet Auf dem Pfad, auf dem die Jungfrau schreitet, Daß ihr Schein, der milde, ernste, klare, Ihr die Richtung zeige zum Altare, Wo die Perlen ihres sel'gen Sehnens Thauen, wie der Balsam Magdalenens. Jener Jungfrau gleichet meine Seele, Wie sie durch des Lebens Dunkel schreitet, Nur vom ew'gen Liebesstrahl geleitet, Daß sie nimmer ihres Weges fehle. All ihr Denken, Fühlen, Thun und Treiben Dienet nur die Flamme zu beschirmen, Daß sie von des Lebens rauhen Stürmen Unerreicht und unberührt mag bleiben. Meines Daseins dunkle Schattenmassen Kann sie nicht zerstreu'n mit mächt'ger Lichtung, Aber leuchtend weis't sie mir die Richtung Zu dem Trost nur mehr allein zu fassen; Sichert mir den Weg, den ich betreten, Leitet mich mit ihrer frommen Helle Treulich hin zur wundervollen Stelle, Wo sich Klagen wandeln zu Gebeten. – O es gleicht mein unverlöschlich Lieben Jenem Stern, der einstmals fortgetrieben Die drei Könige aus ihren Landen, Der sie über Berg und Meer geführet, Bis sie endlich, wonnevoll gerühret, Betend vor dem Gotteskinde standen. Ich Ich kann, was ich muß! o seltnes Geschick! Ich will, was ich muß – – o doppeltes Glück. Mein Herz ist an Stärke dem Felsen gleich, Mein Herz ist, wie Blumen, sanft und weich. Mein Wesen gleicht Glocken von strengem Metall: Schlag kräftig d'ran, gibt es auch kräftigen Schall. Mein Geist stürmt auf eiligem Wolkenroß hin; Mein Geist spielt mit Kindern mit kindlichem Sinn. Ich weiß, was ich will! und weil ich es weiß, Drum bann' ich's zu mir in den magischen Kreis. Ich weiß, was ich will! das ist ja die Kraft, Die sich aus dem Chaos ein Weltall entrafft. Ich weiß, was ich will! und wenn ich's erreich', Dann gelten der Tod und das Leben mir gleich. An Friedrich Rückert In Bezug auf dessen »Lehrgedicht.« Gewalt'ger! mit dem Schwerte der Gedanken Strittst du, ein Held, in jenem großen Streite, Der Deutschland von dem fremden Joch befreite, Und siegreich brach dein Lied durch alle Schranken! Ja! ewig muß das deutsche Volk dir's danken, Daß du zur Zeit, wo Spaltung es entzweite Und niedrer Knechtschaft Zeichen es entweihte, Von Recht ihm sangst und Freiheit sonder Wanken. Doch weil nun längst schon dieser Streit geschlichtet, Hast du entsagt der Schlachtenlieder Tosung Und stehst als Priestergreis hoch aufgerichtet! Es lehrt, weil Freiheit stets doch deine Losung, Uns jetzt dein Lied und deiner Harfe Klingen Der Gotteskinder Freiheit zu erringen. Einem Weltling Fruchtlos hab' in Schmerzenstoben Ich vor dir geweint, geras't; Und die Welt, sie wird dich loben, Daß du mich verlassen hast. Rühmend wird sie zu dir sagen: »Kluger Mann, der, stark und fest, Durch gebrochner Seelen Klagen Nimmer sich beirren läßt; Dessen Wille gleich dem Pfeile Rastlos fliegt zum Ziele fort, Ob er auch in seiner Eile Ein befreundet Herz durchbohrt! Kluger Mann, der zum Beleid'gen Solche Opfer sich erkürt, Die zu rächen, zu vertheid'gen Sich kein Mensch auf Erden rührt! Kluger Mann, der alte Bande, Wenn sie lästig werden, bricht!« – Sag! fühlst du die ew'ge Schande, Die aus solchem Lobe spricht? Dem Verlornen Wie heiß auch oft mit Sehnsuchtswehen Dein Bild die Seele mir durchzieht; Ich hab dich nimmermehr gesehen Seit jenem Tage, der uns schied. Noch lebt er fort in meinem Herzen Der finstre, sonnenlose Tag, Wo ich im wilden Brand der Schmerzen Zu deinen Füßen jammernd lag! Wo ich dein Haupt, das schöne, bleiche, Zum letzten Mal gesegnet hab', Und dann mein innerst Selbst als Leiche Bestattet in der Liebe Grab. Seit jener nachtumflorten Stunde Sah dich mein düstres Auge nicht! Wohl ward durch Andre mir die Kunde, Daß du noch wandelst hier im Licht; Mir aber bist du abgeschieden, Entrücket diesem ird'schen Ort, Und lebst in meiner Brust in Frieden Nur der Erinn'rung Leben fort! Beruhigung Dir zürnen, daß du mich verlassen? – Beim Himmel, nein! wie sollt' ich das? War's deine Schuld, mich nicht zu fassen? Verdient ein blinder Irrthum Haß? Besäße dein Gemüth die Schwingen, Zu schweben auf des meinen Spur, Dann ließest du mich dir entringen Mit deinem eignen Leben nur! Wen also hätt' ich anzuklagen? Dich, daß dein Herz so schwach und klein? Davon kannst du die Schuld nicht tragen! Wie du's empfangen, blieb es dein. Fahr hin! als der Vergebung Blüthe Rankt sich der Wunsch noch himmelan, Daß Gott fortan dein Glück behüte, Weil's meine Liebe nicht mehr kann. Erstarrung »Es scheidet heut der Freund von dir, Der lang dein Sein verschönt, Du bleibst allein, verlassen hier!« Ich bin daran gewöhnt. »Die Stimme, die oft sel'ge Freud' In deine Brust getönt, Sie ist im Grab verstummet heut!« Ich bin daran gewöhnt. »Dein Lieb, dein Stolz und deine Lust Dein Lieb hat dich gehöhnt; Es ruht an einer andern Brust!« Ich bin daran gewöhnt! Aufgegeben Wie wir, ohne daß tiefres Leiden Mit seinem Stachel uns zerfleischt, Erkaltet von dem Freunde scheiden, Der feig und niedrig uns getäuscht: So scheid' ich ohne Gram noch Beben, Und ohne Zorn und ohne Ach, Kalt und verachtend von dem Leben; Es hielt mir nicht, was es versprach. Frage Wenn ich den Weltlauf mir besehe, Dem Tag für Tag das Höh're weicht, Da fühl' ich, wie ein bittres Wehe Sich bis zu meinem Herzen schleicht; Da möcht' ich heiße Thränen weinen In diesen See von Schmerz und Blut, Da möchte ich die Erde reinen Mit meines Fühlens Flammenglut; Da möcht' ich auf den Gräbern beten Der Großen, die in vor'ger Zeit Das Recht der Menschheit kühn vertreten Und ihrem Dienst sich ganz geweiht. Und jammernd möchte ich sie fragen Die Märtyrer im Grabe dort: Wofür habt ihr gekämpft, ertragen, Wenn schon verschollen euer Wort? Was ihr der Welt an Glück erworben, Sagt euch des Weltenschmerzes Chor! – Wofür, wofür seid ihr gestorben, Wenn Alles schlecht blieb, wie zuvor? Abendgang Des Frostes grimme Riesenschlange Hielt auf den öden Fluren Wacht; Wir gingen einsam durch die bange, Die trostberaubte Winternacht. Ich sah an jedem Baum und Strauche Die Siege, die der Tod erficht; Der Nordwind schlug mit scharfem Hauche Die Locken mir um's Angesicht. Bedeckt von dunkeln Wolkenflören, Blieb unsichtbar des Mondes Bild, Als wollt' er das Geheimniß ehren, Das unsern trüben Bund umspielt. Ich wagt' es nicht, den Bann zu brechen, Der mich zu ernstem Schweigen zwang, Und jene Sehnsucht auszusprechen, Mit der die Seele in mir rang. Denn wie vom leisesten Berühren Die reife Frucht vom Baume fällt, So kann ein Wort den Geist entführen, Der schon gereift für jene Welt. – Als ob du um die Schauer wüßtest Mir zugeweht aus fernem Raum, Verstummtest du und schweigend küßtest Du meines schwarzen Schleiers Saum. O laß uns so, mit frommem Munde, Den Schleier küssen, glauberfüllt, In welchen sich die höchste Kunde, Das dunkelste Geheimniß hüllt. Einem Skeptiker Den Geist von dunkler Zweifelsqual zerklüftet, Durchblätterst du der Schöpfung Buch, Den Kern des Lebens aufzufinden, lüftet Dein Forschen manches Leichentuch. Geharnischt eherne Gedanken schlagen In dir sich die Verzweiflungsschlacht: Doch keine Antwort stillet deine Fragen Und finstrer stets wird deine Nacht. Denn ewig wird, mit allem seinem Spähen, Der Mensch, wie mächtig er sich dünkt, Im Himmel nichts und nichts auf Erden sehen, Wenn er nicht auf die Kniee sinkt! Ein Spruch Wenn du dich nimmer willst von Gott verlassen wähnen, So zwing' ihn zu dir her, durch deines Herzens Sehnen. Verschmäh der Erde Glück, lern ihre Qual besiegen, So kannst du wandellos im Arme Gottes liegen. O wirf in diesen Brand dein Denken, Trachten, Sinnen, Und wolle für den Schein die Wesenheit gewinnen. Eines Abends Als dunkle Purpurrose möcht' ich sprießen, Damascus Kind, an farb'gen Blumenwänden; Und meiner Düfte seelenvolles Grüßen Als Opferhauch zu dir, mein Dichter! senden. Balsamgewürzt vom Schlaf auf Lotospfühlen Möcht' ich als Lufthauch zärtlich dich umwallen, Die Fiebergluten deiner Stirne kühlen Und deine ew'gen Lieder wiederhallen. Als Nachtigall möcht' ich vom Baume klagen, Der dich mit seinem Schattenzelt erquicket, Als Welle möcht' ich an das Ufer schlagen, Dem deines Wandelns Spuren eingedrücket. Als süßes Traumbild möcht' ich dich beschleichen, Als Trostoase deinem Blick begegnen, Als Muse möcht' ich dir den Lorber reichen Und dich mit einem Weihekusse segnen! – Allein als Tochter dieser dunkeln Erde, Der höh're Loose streng versagt geblieben, Kann nichts ich bringen zu dem Opferherde, Als nur mein Herz mit seinem tiefen Lieben. Du aber wirst in dieser reinen Gabe Den ernsten Gruß der Musa nicht vermissen; Du wirst darin der Rosen würz'ge Labe, Des Traumes milden Trost zu finden wissen. Und fühlen wirst du, daß die Freuden alle, Die einzeln unser flücht'ges Sein verschönen, Mit gräbersprengendem, gewalt'gem Schalle In einem Liebeswort zusammentönen. Einem Dichter Ueber klarem Meeresspiegel, Durch der Lüfte freies Reich, Zieh'n mit kräftig kühnem Flügel Wandervögel liederreich. Fern weg lenket ihr Gelüste Ihren Flug von Baum und Flur Und die Menschen an der Küste Kennen ihre Stimme nur. Wo Lavinen niedergleiten, Wurden von gewalt'ger Hand Einer Aeolsharfe Saiten Kühn von Berg zu Berg gespannt. Klingen nur beim Mondenstrahle Mystisch wie ein Geistesschwur, Doch die Menschen tief im Thale Kennen ihre Töne nur. Und so dringet meine Stimme Zu dem trostlos öden Strand, D'ran ich von des Schicksals Grimme Wie Andromeda gebannt! Durch die Nächte meiner Schmerzen Hallt vermittelnd dein Gesang; Doch du selbst bist meinem Herzen Nur ein Lied, ein Ton, ein Klang! Rath Wenn heimlich dich ein Glück umfängt, So reich an Freuden, himmlisch klaren, Daß dir der Wunsch den Busen sprengt, Es aller Welt zu offenbaren; Wenn holde Wonnen sich so licht Und mild zu dir hernieder neigen, Daß du ihr Engelangesicht Der ganzen Menschheit möchtest zeigen: Dann schweige, wie der Necromant, Wenn ihn umrauschen Geisterchöre, Das laute Wort weit von sich bannt, Daß nichts den heil'gen Zauber störe. Denn sieh! das Glück, das dich umkreis't Und deines Herzens Muth belebte, Ist aus dem Dort ein sel'ger Geist, Der träumerisch zur Erde schwebte. In deinem Innern träumt er fort Des Jenseits Wonn- und Lichtgedanken, Drum mahn' ihn durch das rohe Wort Vorwitzig nicht an ird'sche Schranken. Schreckst du ihn auf aus seinem Traum Mit seines Namens lauter Nennung, Flieht er aus deines Busens Raum Und ewig währt die bittre Trennung; Denn schüchtern ist das Glück und scheu, Wird nie bewußt der Welt sich einen, Und immer müßtest du auf's neu' Um den geliebten Flüchtling weinen. Sühnung Huld, die dir im Auge schwimmt, Sagt mir, daß dein Groll geschieden; Aber meine Seele stimmt Nicht in dieses Wort voll Frieden. Daß vor meinem wilden Schmerz Dein gerechter Zorn gebrochen Frommt mir nicht, so lang mein Herz Mich nicht gleichfalls losgesprochen. Tiefre Qual ist's, wenn, versöhnt, Du dich liebend zu mir neigest, Und der Vorwurf lauter tönt, Wenn du schonend ihn verschweigest. Nicht mit unverdienter Huld Großmuthvollem Segensspruche: – Das Gedächtniß schwerer Schuld Sühnt sich nur durch schwere Buße. Neu erbau'n, was ich verheert, Können Küsse nicht, noch Klagen; Daß ich dein sei wieder werth Muß ich dir für stets entsagen. Verschiedenes Leid Es strahlt ein düstrer Muth aus meinem Blick, Indessen Thränen dir im Auge zittern, Geknickt hat dich, zerschmettert das Geschick, Mich hat's gefeit mit seinen Ungewittern. Du fragst dich ängstlich, ob in deiner Brust Noch Raum vielleicht für eine neue Wunde: Ich aber bin mir's tief und klar bewußt: Vorüber ist des Lebens schwerste Stunde! Und doch fühl' ich dein weichres Leiden mit, Wie wohl der Fels, den Stürmen preisgegeben, Den Blitzen trotzend, doch mit Wehmuth sieht Vom Nord zertrümmert einer Blume Leben. Und sinkt sie in die grüne Blättergruft, Möcht' er sie wohl um dieses Loos beneiden, Statt schroff zu ragen in die leere Luft, Und die Gewitter, die da droh'n, zu scheiden. Letzter Rest Von Allem, was an Lust und Schmerz, Als Fürchten, Hoffen, Lieben Vordem bewegt mein heißes Herz – Ist Eines nur geblieben. Nur Ein's ist, was zu dieser Zeit Mir süß noch würde scheinen: An deiner Brust mein tiefes Leid Verblutend auszuweinen! Tagebuch Ah! when by thee these lines are read Perchance in some succeeding year, Reflect on me as on the dead And think: my heart is buried here. Byron. 1. O glaubet nimmermehr, daß ich in eitlem Wahn Euch hier belehren will! das maß' ich mir nicht an. Ausdeuten will ich nicht des Lebens Zauberstrahlen, Nur schildern, wie sie sich in meinem Geiste malen. Bestimmen will ich nicht, was Euch zu thun zukommt, Nur künden treu und wahr, was meinem Sein gefrommt. Nicht will zu Euerm Kampf die Waffen ich erlesen, Nur sagen, welche mir am dienlichsten gewesen. Und fühlet Euer Herz, daß es dem meinen gleicht, Dann thut, was ich gethan, bis Gott den Sieg Euch reicht. Wenn nicht, so kann's Euch doch in keinem Falle schaden, Vertraut zu werden auch mit fremden Lebenspfaden. Denn lehren wird es Euch, daß man auf jeder Bahn, Zum hohen Wahrheitsziel hinangelangen kann. 2. In diesen Blättern hier magst du es deutlich lesen, Was meiner Seele du, der strebenden, gewesen. Nicht nur, was du mir warst, auch was du mir noch bist, Und stets mir bleiben wirst zu jeder Lebensfrist. Durch dich fand ich den Muth, mich fordernd zu erheben, Mit kühner Zuversicht nach höchstem Glück zu streben. Durch dich fand ich den Stolz, zu fördern an den Tag Das Große, das vordem verhüllet in mir lag. Durch dich find' ich die Kraft, das Aergste zu ertragen, Und, reich durch mich allein, dem Glücke zu entsagen. Wohl lagen stets in mir der Muth, der Stolz, die Macht, Doch zur Entwicklung hast du schneller sie gebracht. Drum als Gelegenheit muß dankend ich dich loben, In der den eignen Werth ich glorreich konnt' erproben. 3. »Was hat mein armes Herz denn gegen Gott verbrochen, Daß, da es kaum geheilt, von ihm auf's Neu gebrochen? Wenn neu sich öffnete der alten Wunde Riß, Die du vernarbt geglaubt, dann halte für gewiß: Es war nur obenhin und schlecht geheilt dein Herz, Ertrag' nun klug und stark gründlicher Heilung Schmerz. 4. Daß mir, was ich gewußt, je half, kann ich nicht sagen, Nur das, was ich gekonnt, hat rettend mich getragen. Wohl zu beachten ist das Licht des Wissens auch, Doch »können« nur allein ist wahrer Gotteshauch. Doch ist mir's, als ob hier Zusammenhang bestände Und Ein's nothwendig sich hin zu dem andern fände, So, daß von Beiden kein's verdiene höhern Preis: Man weiß so viel man kann, man kann so viel man weiß. 5. Nicht können was man will, mag gelten als Bedrängniß; Doch ist's bei weitem nicht das bitterste Verhängniß; Denn hoffen dürfen wir, daß kommen wird die Zeit, Die von den Hemmungen der Außenwelt befreit. Die hohe, lichte Zeit, wo der Unmöglichkeiten Bedrückend Eisenband zersprengt wird von uns gleiten. Nicht können, was man will, das geht noch immer an, Und ungleich schlimmer ist: nicht wollen, was man kann. Willst du nicht, was du kannst in irdischer Beschränkung, So wär' dir unnütz auch der höchsten Freiheit Schenkung. Denn wäre hundertmal dir unterthan die Welt – Was frommt's, wenn dir der Will', sie zu beherrschen, fehlt? 6. Es ist ein schlechtes Spiel, ein Kampf mit falschen Waffen, Den Fehler zu gesteh'n, um Duldung ihm zu schaffen. Laß dein Geständniß, wenn es deinen Fehler nennt, Ein Scheidwort sein, das dich auf ewig von ihm trennt. 7. Sie sagten, du seist todt. Ich hört' es ohne Beben, Entgegnend ernst und still: längst hab' ich ihm vergeben. Doch dieß Gerücht, das dich wollt' wissen in der Gruft, Ein bloßer Irrthum war's, den man nun widerruft. Und ohne Freude jetzt, wie damals ohn' Erbeben, Sag' ich wie damals nur: ich habe ihm vergeben. 8. Ein's hab' ich heut gefühlt auf meinem Abendgang, Als Frühlingsahnung mich beseligend durchdrang. Wo ihren Scheidegruß die Sonne niederstrahlte, Wo sich im tiefen Strom des Himmels Klarheit malte, Wo mir begegnete manch fröhlich Angesicht, Befried'gung auf der Stirn, im Auge heitres Licht. Im Lächeln der Natur, im Lächeln jener Mienen Ist meiner Zukunft Bild hold tröstend mir erschienen. Denn als so mild der West das Antlitz mir gekühlt Und fremde Lust mich hob, da habe ich gefühlt: So lange noch ein Lenz mit seinem Blumenstabe Das Leben blühen macht und Zier bringt selbst dem Grabe; So lang die Sonne noch erglänzt am Firmament, So lang am Horizont ein einz'ger Stern noch brennt; So lang ein Grün noch keimt, so lang noch Wasser rauschen Und Vögel singen noch, auf deren Lied zu lauschen; So lang ein Menschenaug' noch strahlt im Freudenschein: – So lange wird mein Herz nicht gänzlich elend sein. 9. Wen einmal du geliebt, der sei für alle Zeit, In jedem Lebensdrang dir heilig und geweiht. Ob er der Liebe, die du einst für ihn getragen, Auch werth gewesen sei? das hast du nicht zu fragen. Steht doch das Eine fest, du hast ihn einst geliebt! Das ist's, was ihm ein Recht, ein ew'ges auf dich gibt. Wär' er der Schonung auch ganz unwerth zu erklären, Du müßtest das Gefühl, das du ihm weihtest, ehren. Und ehren kannst du's nur durch immer gleiche Huld Für Jenen, dem es galt, wie groß auch seine Schuld. Nicht lieben sollst du ihn, ist falsch und schlecht sein Wesen; Doch auch vergessen nicht, daß er dir lieb gewesen. Wenn eine ird'sche Kron' so große Macht schon hegt, Daß unverletzlich wird, wer sie auch immer trägt: Wie möchtest du ein Haupt wohl zu verletzen wagen, Das einst das Diadem der Liebe hat getragen? 10. Was du an mir gethan, als schlecht muß ich's erkennen: Doch bin ich weit entfernt, dich selber schlecht zu nennen. Denn jene That kam nicht aus deiner Wesenheit, Und du begingst sie erst nach langem, inn'rem Streit. Und hättst du treu befolgt dein innerstes Verlangen, Des Herzens echten Trieb, sie wäre nicht begangen. Thor, der den gift'gen Pilz mit Müh zu heften sucht An seines Wesens Stamm, dem fremd so schlimme Frucht! 11. O wisse du, der grollt voll böser Ungeduld: Das Schicksal zahlt getreu Jedwedem seine Schuld. Doch dir genügt es nicht, daß Zahlung du empfangest, Ist's in der Münze nicht, die du nun just verlangest. Viel klüger wär' es wohl, du nähmest frischweg an Die Münzensort', in der es dich bezahlen kann . Und wär' es Scheidemünz', nur immer angenommen; Es läßt sich auch damit wohl durch das Leben kommen. 12. »Des Schmerzes wandelnd Zelt, die Stirne tief im Staub, Hab' ich dich jüngst geseh'n, der wild'sten Angst zum Raub.« Wie schien dein Wesen da zerrissen, grambethört! Die Wangen, wie so bleich, die Blicke, wie verstört!« »Und jetzt bist du so klar, so ruhig, so besonnen! Bist du dem mächt'gen Weh, das dir gedroht, entronnen?« Entronnen bin ich nicht und hätt' es nicht vermocht, Doch that ich Besseres: ich hab' es unterjocht. 13. Wer möchte wohl die Flur, die reich an Segen schwillt, Mit Vorsatz wandeln um zu blut'gem Schlachtgefild? Wer in den Rosenkelch die ekle Raupe setzen? – Die duft'gen Blätter wer mit gift'gem Thau benetzen? Und thät es Einer doch, wie klagte man ihn an! – Wie steht es dann um dich, der Schlimmres noch gethan? Der seine Brust erschloß für alle Hassesplagen, Der nur den Himmelsflor der Liebe sollte tragen! Der ungleich edlerm Kelch, benetzt von heil'gem Born, Sein eigen Herz entweiht durch Mißgunst und durch Zorn! 14. Wenn Treu für Liebe bürgt, so sag' ich dir zur Frist: Kein Freund ist dir so lieb, wie dir's dein Fehler ist. Vorm Freund, der dich gebracht in Unglück und Gefahren, Wie sorglich würdest du dich künftig vor ihm wahren! Den Fehler doch, der dir schon so viel Noth gebracht, Statt ihn zu fliehen, hältst du ihn in treuer Acht. So ist dein Fehler denn dein liebstes Lieb auf Erden, O möge baldigst doch ein besseres dir werden! 15. Zerreiß der Erde Schooß mit spitzen Eisens Macht, Du förderst nimmer Blei aus reinem Goldesschacht. So auch, ob noch so tief vom Hassespfeil gespalten, Wird sich aus edler Brust Unwürd'ges nie entfalten. 16. Verschleiert Weh nannt' einst die Lust mein irrend Herz; Verhüllte Lust nenn' ich nunmehr jedweden Schmerz. Lust, die, um unser Äug' nicht blendend zu erschrecken, Mit schwarzem Schleier muß zu hohe Schönheit decken. O blick dem Schmerz nur fest in's dunkle Angesicht, Dann dringst du durch den Flor und schauest Gottes Licht! 17. Was trauerst du, wenn dich die falsche Welt betrog? In dir liegt Besseres, als was sie dir entzog. 18. Du sagst, es hab' durch mich dich Unglück nie betroffen? Ich glaub's, hast jemals du auf mich gestellt dein Hoffen? War ich dir je ein Ziel, nach dem dein Streben ging? Das deines Sehnens Drang mit Glutgewalt umfing? Da ich nun dieß nie war, so ist es leicht erklärt, Daß nie dir Schmerz gebracht, was nie dir Lust gewährt. 19. O schöner, bleicher Tod, du winkst mir mild und licht! Doch, wie mich's sehnt nach dir, ich darf dir folgen nicht. Denn noch hab' ich allhier mein Tagwerk nicht vollendet, Den Auftrag nicht erfüllt, mit dem ich ausgesendet. Verlassen nicht darf ich den Keim, den ich gesä't, Als bis er frei und stark in kräft'ger Blüthe steht. Doch ist dieß einst gescheh'n, und schwillt er reich an Segen: Dann will mein wundes Haupt zur Ruh ich niederlegen. So wie der Schnitter nach dem Tage heiß und schwül, Erschöpft, entschlummernd sinkt auf seiner Garben Pfühl. Doch wie er schlafend liegt in Abendsonnenstrahlen, Weckt ihn der Ernte Herr, ihm seine Müh zu zahlen. 20. Weil doch mein blanker Schild muß einen Wahlspruch haben, Sei weltverachtend nun ihm dieser eingegraben: Der Tadel dieser Welt, ihr Lob dient mir zum Spott; Nur Gott blickt in mein Herz – mein Richter ist nur Gott! 21. Gefährte mir zu sein auf sel'gem Liebeszug, War dein Gemüth nicht schwach und war nicht stark genug. Nicht schwach, um willenlos sich mir zu überlassen; Nicht stark genug, mein Selbst gebieterisch zu fassen. Du wußtest weder Herr noch Sclave mir zu sein, Und so blieb einsam ich und so bliebst du allein. 22. Du Born, d'raus Reiz und Tod in gleichem Schwalle quillt, Womit vergleich ich dich? was gibt von dir ein Bild? Dein wahrstes Bild seh ich in einem Dolch sich malen, An dessen Griff Demant und Perlen leuchtend strahlen. 23. Ob längst begraben sei, sie die mich hat geboren, Entrückt nur ist sie mir, doch ewig unverloren; Denn ewig lebet ja in mir der Liebe Geist, Der segnend ihrer denkt und fromm gerührt sie preis't. Und nimmer, nimmer ist ganz aus dem Sein geschieden, Für den ein einzig Herz noch bebend schlägt hienieden. Darum beirrt mich nicht des Erdentodes Schein: Gestorben ist sie nicht, so lang noch Leben mein. 24. Ich hör' in jedem Wort, an mich gerichtet lind, Die Stimmen Derer nur, o Gott! die nicht mehr sind. 25. Das tiefe, dunkle Meer, von Menschen »Tod« genannt, Es spühlt die Leichen all' an Gottes heil'gen Strand. 26. Mir zwang die Welt nichts ab. Was mangelt meinem Leben, Ich habe es dem Grab, ich hab' es Gott gegeben. 27. Wie hoch auch mancher Berg ragt in der Wolken Reich, An Höh' ist keiner doch dem Grabeshügel gleich. Denn stehest sinnend du auf seinen ernsten Höhen, Wirst du das ganze Sein in dunkler Tiefe sehen. Und überschau'n wirst du mit einem Blick die Welt, Und Alles, was sie faßt und was ihr Kern enthält. 28. Verklingen wird mein Sein als einzlner Laut, verwehen; – Als Ton von Gottes Lied wird's ewig fortbestehen. 29. Selbst auf geknicktem Ast mag froh der Vogel singen; Ob auch das Zweiglein bricht, er hat ja seine Schwingen. So lass' auch in Gefahr ertönen froh sein Lied, Das Herz, das leichtbeschwingt zur Wolkenheimath zieht. 30. Schlag auf das goldne Buch, in das dein Herz einst schrieb Die Namen Jener ein, die dir vor Allen lieb. Und preise glücklich dich in allen Schmerzensnöthen, Wenn von den Namen all dich keiner macht erröthen. 31. Der stillen Andacht Strahl im sanften Angesicht, »Gott wend' es!« betest du mit frommer Zuversicht. Gewendet hat er's schon, wenn er die Hoffnung spendet, Es werde, was dir droht, durch ihn von dir gewendet. 32. Was trauerst du darob, daß keine Seele dein, Der du erzählen kannst von deiner Qual und Pein. Merkt auch kein menschlich Ohr auf deiner Wehmuth Klagen, Kannst du sie nicht dem Strom, dem blauen Himmel sagen? 33. O blumenreicher Schmerz, der still zu nächt'ger Frist Sein Haupt gen Himmel hebt und seinen Kelch erschließt! 34. Ein himmlisch Saitenspiel dünkt mir das Herz des Frommen, Von Gott allein berührt, von Engeln nur vernommen. 35. In Gott ist unser Ziel; späh nicht nach andern Wegen; Denn alle führen dich dem gleichen Ziel entgegen. Und wandle, wie du willst, auf fernstem Pfad und Steg, Du kommst stets nur zu Gott auf weiterm, rauherm Weg. 36. Erhaben rühmst du dich, hoch über uns zu stehen, Bis in die fernste Fern' mit Adlerblick zu sehen? Du stehst auf nacktem Fels und starrest in die Wüste Des todten Meers hinaus! Wer trägt danach Gelüste?! 37. Das Auge, das dem Ruhm in's Antlitz durfte schauen, Das schaut hinfort den Tod ohn' Angst und ohne Grauen. Das Auge, das den Tod in nächster Näh' geseh'n, Nach Ruhmes Traumgesicht wird's nicht mehr streifend geh'n. Und wer sie beide sah, wie blieb ihm unverstanden, Daß beid' ein Schattenbild in zweierlei Gewanden? 38. Der Eule träger Flug umschwirret mich so schaurig; Es braus't der dunkle Wald, die Wolken blicken traurig. Es scheint, als ob Natur tief in das Menschenherz Die Ahnung bringen wollt' von nahem, heißem Schmerz. Als wollte ernst und streng sie Strafe aller Sünden, Und allen Glücklichen des Glückes Tod verkünden. Allein was kümmert mich dieß warnende Gesicht? Ich weiß von keiner Schuld und glücklich bin ich nicht. 39. Die letzte Stütze bricht, kein Herz ist für mich offen, Die Welt verließ mich ganz; drum darf auf Gott ich hoffen ! 40. Mir tönt kein Mitleidswort, mir fließet keine Zähre – Wie elend wär' ich, wenn ich, wie ich bin, nicht wäre! 41. Wär' Menschenhuld und Lieb' nicht längst von mir geschwunden, Hätt' ich den Freund in mir, den treu'sten, je gefunden? 42. Glückselig, wem erblüht ein edler Schmerz im Leben Es wird ihm süße Frucht und stillen Schatten geben. 43. Ich bin ein Sonnenstrahl voll Licht und Liebesduft, Der sehnend heim verlangt aus ird'scher Körpergruft! 44. Ich hab genug gelebt, das Leben nicht zu scheuen; Gelitten auch genug, mich auf den Tod zu freuen. 45. Gern sprech' ich von dem Weh, das mich einst tief gebeugt, So wie ein Sieger stolz die Ehrennarben zeigt. 46. O lauter Jubelruf, o wilder Schmerzenschrei, Wie seid ihr beid' in mir verklungen und vorbei! 47. Die Blüthen welkten längst, es dorrten die Cypressen, Und ruhig bin ich nun, vergessend und vergessen. 48. Was grollend du benennst als tolle Schicksalslaunen, Das scheint mir Gottes Witz, verblutend zu bestaunen. 49. Du schreitest rüstig fort, um bald am Ziel zu sein; Doch, was du dafür nimmst, ist nur ein Meilenstein. 50. Hoffst du auf das Geschick, wie oft wirst du verzagen! Hoffst du auf dich, wirst du das Aergste muthig tragen. 51. Dieß Wort erwähle dir zum kräftigen Begleiter: Und käm' das Schlimmste selbst, wohlan! was wär' es weiter? 52. Der Hoffnung Flügelkleid ziemt nur den Jugendtagen; Im Lebenskampfe laß dein Herz den Panzer tragen. 53. Zu sichern deine Ruh, zu kräftigen dein Wesen, Betracht', was nicht mehr ist, als wär' es nie gewesen. 54. » Ich kann nicht !« rufst du aus? das heißt bequem verzagt! Sprich! hast du denn auch schon einmal » ich will !« gesagt? 55. Strebst du dem Höchsten nach, wird Höchstes dir gelingen; Denn was du denken kannst, das kannst du auch vollbringen. 56. Gefährlich heißt dieß Buch, weil leicht es zu mißdeuten – Wohl! so verwahrt es denn vor unberufnen Leuten. Allein den Dichter selbst verschont mit Bann und Acht! Er hat an Kluge nur, an Thoren nicht gedacht. 57. Unweibliche Idee? wie Ihr doch thöricht sprecht! Was hat der Geist denn wohl gemein mit dem Geschlecht? 58. Hat Einer so viel Geist, daß, selbst von Neid zernagt, Die schlechte Welt ihn doch nicht dumm zu nennen wagt: An seinem Herzen wird sie ihre Rache nehmen Und sagen: dieß sei schlecht! Wer wird darob sich grämen?! 59. Gelassen dulde ich der Albernheiten viel, Nur eine einz'ge setzt selbst meiner Huld ein Ziel: Wenn sich ein eitler Thor, von Eigenlieb' umnachtet, Als Kern und Mittelpunkt des weiten Alls betrachtet. 60. Es werden, wie vor Gott der Götter bunt Geschlecht, Die Rechte schwinden einst vor dem gottein'gen Recht. 61. Durch fremden Schaden wirst du Klugheit nie erringen; Durch eignen aber kannst du's bis zur Weisheit bringen. 62. Fühlst du dein Herz durch Haß von Menschen weggetrieben – Thu ihnen Gutes! schnell wirst du sie wieder lieben. 63. Ich denke, dichten heißt: aus dem, was niemals war, Zu schaffen eine Welt, selbstschöpfrisch, wunderbar. Du bist, wenn nicht im Wort, doch durch die That ein Dichter, Wenn du als Schöpfer wirkst und nimmer als Vernichter. 64. Was man von Macht der Zeit sagt, dünkt mir falsch und schlecht; Verjährtes Unrecht wird's durch Jahre denn zum Recht? 65. »Am Glauben halte fest, in dem du warst geboren!« – Ich halt' an dem, was ich als Bestes selbst erkoren. Und hätten so wie du, die Väter auch gedacht; Wir lebten Alle noch in Heidenthumes Nacht. 66. Was du als wahr erkennst, verkünd' es ohne Zagen; Nur trachte, Wahrheit stets mit mildstem Wort zu sagen. 67. Verschütten läßt sich nicht der Freiheit heil'ger Quell; Durch alle Dämme bricht er doppelt stark und hell. Weil dieß Euch nicht gelang, habt Aerg'res ihr gestiftet: Den himmelklaren Born mit Blut und Mord vergiftet. 68. Wir müssen Gottes sein, als Sclaven oder Kinder! So wähle denn das Loos, das deinem Geist gelinder. 69. Der du mich strenge nennst, merk', was mein Mund jetzt spricht: Kränkungen nehm' ich hin, nur Unrecht duld' ich nicht. 70. Ich brauch, um Gott zu schau'n, nicht erst den Flug zu lenken Zum Himmel; nein, nur tief in mich den Blick zu senken. 71. Sei du der feste Punkt, um den die Welt sich dreht, Mein strahlenreiches Herz! sei Sonne, nicht Planet! 72. »Ich folge jenem Stern in lichter Himmelshöhe.« »Mein Aug' gewahrt ihn nicht!« »Genug, daß ich ihn sehe. 73. Es ist der Fackel Tod die Helle, die sie beut: Der hohe Mensch verglimmt an Strahlen, die er streut. 74. Mit manchem Zweifel lag mein Glaube sonst im Streit – Seit ich dich sterben sah, glaub' ich Unsterblichkeit. 75. Sei nicht der Wasserfall, der tosend abwärts strebet, Sei wie das Meer, das still sich himmelan erhebet. 76. Was ist des Menschen Lust, was ist des Menschen Scherz? Ein leis'rer Nachhall nur von halbverklungnem Schmerz! 77. Was echte Tugend sei? – O glaub' es innig fest, Ein Kampf, der hinter sich glorreiche Spuren läßt. 78. Ihr denkt wohl, wenn Ihr mich verletzet ungelind: »Was thut die eine mehr, wo so viel Wunden sind?« 79. Der wilde Eber stürzt wild schnaubend auf den Jäger, Zu rächen, wenn er's kann, sein Weh an dem Erleger? Das wunde Reh flieht hin zum dunkeln Waldessee, Still zu verbluten dort; – mein Herz, sei du das Reh! 80. Wie willst du, daß ich soll an Menschenwerth verzagen? Fühl' ich den eignen nicht? – mein Herz nicht edel schlagen? 81. Ich habe mich, wie auch mein Loos sich angelassen, Nie einem Feind gebeugt, nie einen Freund verlassen. 82. Das Kreuz auf frommer Brust, das Schwert in starker Hand – Wer so gerüstet zieht, erkämpft das heil'ge Land. 83. Ertrage ernst und still des Lebens Grambeschwerde! Des Himmels Kinder sind nur Waisen auf der Erde. 84. So weichst auch du von mir? So mußt auch du erkalten? Fahr' hin, auf ewig hin! ich werde dich nicht halten. Allein beim Abschied jetzt fühl' ich noch mehr als Gram, In meiner tiefsten Brust bewältigende Scham. Scham, daß mich ein Gemüth, daß ich so hoch geehret, Nun über meinen Wahn so schmählich hat belehret. 85. Der Krieger wünscht den Tod von Jenem zu empfangen, An welchem lebend er am innigsten gehangen. Und sieh! auch mir, die sich in manchem Kampf bewähret, Ward diese letzte Gunst als Kampfespreis bescheeret. Auf Lebens Schlachtfeld lag ich wund und schmerzentbrannt, Da sandte Gott den Tod mir von der liebsten Hand. 86. Des glüh'nd'sten Hasses hab' ich mich gen dich beflissen; Doch nur, um also heiß nicht lieben dich zu müssen. 87. Erpreßt dir Thränen nicht ein Unglück, gleich dem meinen, O sprich, worüber pflegst du denn wohl sonst zu weinen? 88. Doch nein! mein bestes Glück in meinen Erdentagen, Es war der heil'ge Schmerz, den ich um dich getragen! 89. Der neuen Liebe Lust zum fröhlichen Geleit Bedarfst du meiner nicht, ach, und entschwebst mir weit! Kommt einst der Schmerz, wirst du mich schnell zu finden wissen; Der Freundin treue Brust war stets dein Krankenkissen! 90. Es war mein tiefster Wunsch, im innigen Verein Mit dir, ein Theil von dir, von dir geliebt zu sein! Doch weil mir dieß versagt, zähl' ich's den Himmelsgaben, Den allerhöchsten bei, dich einst geliebt zu haben. 91. Wie marternd war mein Traum voll Angst und Qual und Sorgen! Jetzt wird er leichter schon – das macht der nahe Morgen. 92. Die Gottheit hüllet sich in grauer Wolken Schein, In kalten Blick und Ton hüllt sich mein Lieben ein. 93. Du staunst, daß sanft ich blieb, als du mir feindlich grolltest! Hab ich dich denn geliebt, daß du mich lieben solltest? Ich habe dich geliebt, weil's so geheischt mein Ich, Und blieb dir standhaft treu aus Treue gegen mich. 94. Es gab die Welt mir nicht die Kraft zum Lieben, Glauben; Drum soll, was sie nicht gab, sie mir denn auch nicht rauben. 95. Die Welt gehorchet Gott, unwollend, unbewußt, Ich aber folge ihm aus eigner Seelenlust. 96. Was weigerst du mir kalt den letzten Abschiedsgruß? Ist dir's denn unbewußt, daß ich einst sterben muß? O mög' dir's dann zu bang nicht kommen in's Gedächtniß, Daß frevelnd du verschmäht der Liebe letzt Vermächtniß! 97. Entziehst du mir mein Glück mit stolzem Uebermuth, So ist's, weil du nicht weißt, wie sehr es Noth mir thut! 98. Noch sind wir ungetrennt, ob du mir auch entrannst, Da du in Ewigkeit mich nicht vergessen kannst! 99. Als meiner Leiden Preis fleh ich zu Gott bewegt: Erlassen mög' er dir, was er mir auferlegt. 100. Als Höchstes wünsch' ich dir, will scheidend ich dich segnen: Daß dir ein zweites Herz wie meines mög' begegnen. Und nun nimm hin dieß Lied, wie einfach schlicht es tönt! Mich hats mit Gott und Welt und dir und mir versöhnt.