Stille Gewalten Es giebt zwei selige Gefühle, Die unser Herz erst dann erfaßt, Wenn in des Lebensmittags Schwüle Des Morgens duft'ger Reiz verblaßt. Dann kommen jene Engel beide, Die Gott zu unserm Trost bestellt: An der Natur die heil'ge Freude, Die Liebe zu der Kinderwelt. So lang auf sturmdurchfurchter Welle Der Leidenschaft die Seele schwankt, Der Erde Lust, die Qual der Hölle Um unser Inn'res wild sich zankt, In brennenden Verlangens Grimme Die Jugend ihre Schlachten ficht, So lang dringt ihre sanfte Stimme Durch des Orkanes Toben nicht. Erst, wenn der Wünsche wilde Horden Entmuthigt flieh'n, besiegt und bleich, Erst, wenn es still in uns geworden, Beginnet jener Engel Reich: Wie Christus einst den Armen, dienen Sie mild des Glücks verstoss'nem Sohn, Und bau'n auf rauchenden Ruinen Ihm einen neuen Freudenthron. Tief selige Mysterien künden Im Rauschen sie des Abendwinds, Des Trostes lichten Strahl entzünden Sie in dem großen Aug' des Kinds, Das Herz, das sich in banger Scheue Verschloß, von Bitterkeit geschwellt, Sie knüpfen liebend es aufs neue An Gott und seine schöne Welt. Und wer sich ihnen hingegeben, Wer sich zu ihren Treuen schwur, Der lebt ein tausendfaches Leben Im Keimen aller Creatur! Der Winter, der mit starren Banden Den schwerbedrängten Sinn umeis't, Er hat ihn siegreich überstanden Und Frühlingsdüfte trinkt sein Geist!