Die Nelke Vom Schwarm der Weste Verbuhlt, umweht, Begoß Alceste Ihr Blumenbeet. Sie sah schon lange Ein Nelkchen blühn, Gleich ihrer Wange, Weiß und karmin. Sie wollt es pflücken, Um ihre Brust Damit zu schmücken, Den Thron der Lust. Laß, rief es bange, Mich heut noch stehn, Bis morgen prange Ich noch so schön. »Gut, ich kann borgen, Du hast noch Frist, Bis daß den Morgen Bardale grüßt.« Er kam. Es flehet, Es klagt und ruft: Am Abend wehet Mein reinster Duft. Sie gab, voll Milde, Es wieder los, Bis aufs Gefilde Der Spätthau floß. Da fand sie – Götter! Nichts – ein Gewühl Verdorrter Blätter Am lahmen Stiel. Sie starrt und drücket Die Augen zu: »Ach, ungepflücket Verwelkest du!« Ja, seufzt es, gestern Noch frisch, heut kahl! Merkt, spröde Schwestern, Euch die Moral.