Usge und Zacchi Eine japanische Geschichte. In Japan, wo viel edle Seelen Und holde Mädchen sind, War, wie die Schiffer uns erzehlen, Ein armes Hirtenkind. Verborgen, wie die Mayenrose Im dunkeln Busche glüht, War Zacchis Jugend in dem Schooße Der Unschuld aufgeblüht. So lebte sie bey ihrer Mutter, Von Harm und Liebe frey, Für nichts besorgt, als für das Futter Der kleinen Schäferey. Einst band sie auf beblümter Erde Sich einen Veilchenstraus; Da kam ein junger Mann zu Pferde Den nahen Wald heraus. Der Cubo wars. Mit Speer und Keule Bekriegt er auf der Jagd Im armen Wild die lange Weile, Die seine Seele plagt. Er sieht das Mädchen: ihre Blicke Entzünden seine Lust, Und füllen plötzlich jede Lücke In seiner öden Brust. Schön war der Cubo, groß und bieder War Usges rauher Muth, Er setzt zu ihr ins Gras sich nieder Und malt ihr seine Glut. Sie staunt, die Rosen ihrer Wangen Entflammen zu Karmin. Er küßt sie, reicht ihr seine Spangen Vom Helm. Sie will entfliehn. Itzt nennt er sich; sie zagt, sie bebet Und stürzt auf seinen Schooß. Entzückt umschlingt er sie und hebet Sie kosend auf sein Roß. Sie folgt ihm – (eines Cubo Blicken Gehorcht selbst die Natur) Verstummt, wie auf des Würgers Rücken Das Lamm, durch Hayn und Flur. Schon deckt ihn mit der schönen Beute Der Hofburg stolzes Dach, Und Amor giebt ihm das Geleite Ins goldne Brautgemach. Der Tag erwacht. Die holde Dirne Umwallt ein Fürstenkleid, Und Usge schmückt ihr Arm und Stirne Mit blitzendem Geschmeid. Doch ungetäuscht von Pracht und Fülle Bleibt sie noch Schäferin, Und oft schwingt sich in ernster Stille Ihr Geist zur Mutter hin. Sie wählt von ihrem Brautgeschmeide Das schönste Kleinod aus, Und schickt mit eines Engels Freude Es insgeheim nach Haus. Doch kaum ist unter Kuß und Spielen Der zehnte Tag vorbey, So fängt ihr Herz schon an zu fühlen, Daß sie nur Sclavin sey. Einst sah sie traurig nach dem Berge, Der ihre Flur versteckt, Und ward von ihrem stummen Zwerge Aus ihrem Traum erweckt. Sie schauert auf; er giebt der Schönen Ein Briefchen, ihr allein. Sie liest, sie netzet es mit Thränen, Und Usge tritt herein. Mißgünstig, wie die hohen Seelen, Ist sie mit ihrem Schmerz. Des Briefchens Inhalt zu verhehlen, Versteckt sie's auf ihr Herz. Er siehts. Wie Gottes Donnerkeile Den Sünder, der ihm flucht, So treffen plötzlich ihn die Pfeile Der blassen Eifersucht. Er will, sie soll das Blatt ihm weisen; Sie schweigt. Er dringt darauf; Sie fleht. Er will es ihr entreissen; Sie hält die Hand ihm auf. Er ringt mit ihr; sie weint. Er fasset Den Brief; sie haschet ihn, Verschlingt ihn, schluchst und sinkt erblasset Zu seinen Füßen hin. Man ruft den Arzt. Er lockt die Seele Umsonst ins schöne Haus; Er öfnet ihr die weisse Kehle Und zieht den Brief heraus. Da lies: »Von Krankheit abgezehret Dankt deine Mutter dir Für dein Geschenk. Tien, der mich höret, Belohne dich dafür.« Schnell hascht die knirschende Harpye, Verzweiflung, Usges Herz, Er küßt der Heldin starre Knie Und heult vor Wuth und Schmerz. Wie? kann er noch auf Erden weilen? Ja, mehr als Orosman Thut er; läßt Zacchis Mutter heilen, Und nimmt als Sohn sie an. In eine marmorne Kapelle Schließt er den Leichnam ein. Amida 1 hütet auf der Schwelle Das heilige Gebein. Fußnoten 1 Amida, der Schutzgott der guten Seelen.