Der Eremit, Daphnis und Chloe In einem stillen Veilchenthal Hielt Daphnis in der Myrthenlaube Mit seiner Chloe Mittagsmahl Und sang beym goldnen Saft der Traube Mit ihr der Liebe Seligkeit. Da kam der alte Bruder Veit, Ein Eremit, den Steg herüber Und bat das Paar um einen Stüber. Sie luden ihn zum Nachtisch ein. Der Siedler sprach: ich faste heute. Sie boten ihm ein Glas mit Wein; Er schob es ernsthaft auf die Seite; Sie preisen küssend ihm ihr Glück. Der Alte senket seinen Blick Und statt der Freude Ruf zu hören, Verscheucht er sie durch Sittenlehren. Das Leben, Kinder, ist ein Traum, Der unsern sichern Geist betrüget, Es gleicht dem bunten Seifenschaum, Der plözlich in sein Nichts verflieget. Was ist die Welt? ... Ein Jammerthal, Voll falscher Lust und wahrer Quaal, Wo wir in schwarzen Finsternissen Mit Ungeheuern kämpfen müssen. Ganz recht, das Leben ist ein Traum, Jedoch ein Traum, den man geniesset: Es gleichet dem Champagnerschaum, Der kitzelt, ob er gleich zerfliesset, Und mir versüßt im Jammerthal Die falsche Lust die wahre Quaal. Ich habe zwar schon kämpfen müssen, Allein mit Chloen bey dem Küssen. Ich wende nichts dawider ein: Der Mensch tappt stets in Finsternissen, Darum blieb ich nicht gern allein, Mein Daphnis hat mich leiten müssen; Der kleine holde Cypripor Geht uns mit seiner Fackel vor Und dieser wird nicht von uns weichen, Bis wir des Traumes Ziel erreichen. O Kinder, Kinder, glaubet mir, Ihr lieget in der Thorheit Stricken; Sie zeiget euch ein Lustrevier, Wo Weise nur ein Grab erblicken. Belehret euch, es ist noch Zeit, Verlaßt das Meer der Sinnlichkeit Mit seinen ungestümmen Wellen Und flieht in heilsamstrenge Zellen. Mein Freund, wer nur bey Thieren lebt, Am Fuß des Weinbergs Wasser trinket Und als ein Maulwurf sich begräbt, Ist nicht so weis' al er sich dünket. Wir leben um vergnügt zu seyn; Komm, Alter, koste meinen Wein; Sein froher Geist soll dich bekehren Und dich ein neues Leben lehren. Wir beyde folgen der Natur; Sieh dort in jenen dichten Schatten, O, lieber Alter, sieh doch nur Wie sich die frommen Vögel gatten. Wir lieben auch die Einsamkeit, Nur ihr ist dieses Dach geweiht, Wo wir dem Lärm der Stadt entrissen Des Jahres schönsten Theil verküssen. Wohlan, so schmeckt das falsche Glück, Das euern blöden Sinn bethöret! Doch wißt, es kömmt ein Augenblick, Der eure Lust in Graus verkehret. Schon gräbt der Tod an eurer Gruft, Schon rauscht sein Mordschwerdt durch die Luft, Um mit dem Staub euch zu vereinen, Wie gräßlich wird sein Bild euch scheinen! Ha, guter Alter, sage nur, Ob dir der Tod noch schön geschienen? Er ist ein Scheusal der Natur Und das bejahen deine Mienen. Doch wenn man mich noch heut begräbt, Wohlan, so hab ich doch gelebt. Und du, wenn gleich der Tod dich schrecket, Hast nur des Lebens Pein geschmecket. Ich denke selten an den Tod, Weil ich mein Leben nicht bereue Und wenn er unsrer Freude droht, So droht er doch nicht unsrer Treue. Einst krönt mein Daphnis meine Gruft Mit Rosen, deren Balsamduft Der West ihm weit entgegen hauchet ... Doch, Alter, sieh! dein Glas verrauchet. Wie? sollten sie wohl weise seyn? Ich staune! Doch ich muß mich fassen. So gieb mir deinen Kelch mit Wein, Ich darf ihn nicht verderben lassen. O, Kinder, dieser Göttersaft Beseelet mich mit neuer Kraft. Doch um mein Unrecht ganz zu büßen, So komm, mein Kind, ich muß dich küssen.