Der fünfte Gesang Nunmehr erzähle mir, du grosse Dichterin! Die du dis alles weist, der frommen Dichter Namen, Die ich damals gehört, als ich sie kommen sah: Weil doch nicht wenige fast unbekandt geworden. Ja stimme mir zugleich mit deiner eignen Hand Mein irdisch Säyten-Spiel, so ich mit Lorbern kröne, Daß ich dein hohes Lied mit einem edlen Ton, Der dessen würdig sey, den Menschen wiederhole. Sprich, wer erschien zuerst? Des Amrams grosser Sohn, Er sang von Gottes Macht einst an dem rothen Meere, Als Wagen, Roß und Mann um Schilf und Ufer schwam, Und Mirjam an dem Reihn die Paucken ließ erschallen. Drauf folgte Jessens Sohn, der stets auch in der Noth Die Harfe in der Hand und Gott im Hertzen führte. Er blieb im Klagen auch doch immer ein Poet. Er war der frömste Mann doch auch der gröste Dichter. Sein Assaph, der vor dem am rauchenden Altar Von Gottes Ruhm gespielt, ging bey ihm an der Seiten, Und Salomon, dem Gott im Traum die Weisheit gab, Die auf des Vaters Thron zugleich mit ihm gesessen. Er als der Weiseste hat mit dem Hirtenstab Den Zepter oft vertauscht und sang, o Sulamith! Von dir und deinem Freund im Thale bey den Heerden. Lutherus kam nunmehr der David unsrer Zeit. Die Lieder schallen noch in unsern Tempeln wieder, Die er voll Feuer sang. Die Hure zitterte, Die Hölle bebte selbst; wenn er auf seinen Gott Die feste Burg getrotzt. Mit majestätschen Schritten Trat Milton nun einher. Er hat die Poesie Vom heydnischen Parnaß ins Paradies geführet: Bey ihm ging Vida her, der Jesu blutgen Sieg Durch seine Laut erhob; nach dem betrat die Schwellen Der edle Sannazar, der mit der Flöten sich Zur Wiege hingesetzt, worin der Heyland ruhte, Nachdem er an der See die Hirten stehen ließ, Wo sie sein kühner Mund die neuen Lieder lehrte. Sedulius kam nun nebst dem Prudentius, Der euch, ihr Märtyrer! mit frommen Palmen krönte; Marin trat nun hinein, der uns den Kindermord So kläglich schön beschrieb, und seine geile Zither Im sterben noch betränt, der Glut geopfert hat. Der die Geburt der Welt gesehen und besungen, Sallust erschien nachdem. Und Opitz folgte ihnen, Der bey der Krippen dich, du süsses Kind, gepriesen; Und Flemming, der vor dem in einem öden Ort An einem stillen Bach das Heyl der Welt beklagte. Der matte Hiacynth, die flüchtige Narcisse Ging an der Fluth gebückt. Der hohe Dach erschien Und trägt stat Lorbern nun geweihte Palmenäste. Der Francke, dessen Kiel Susannens Keuschheit prieß, Kam nebst dem Gerhard, Grieph und Risten hergegangen, Es folgten andre noch. Allein die Dichtkunst winckt, Sie stieg auf ihren Thron. Drauf schlossen sie die Dichter In ihre Mitten ein. Sie sang, ein jeder schwieg, Und hörte aufmercksam ihr himmlisch Lied erklingen: Ihr Söhn! in deren Geist mein himmlisch Feuer herscht, Verlaßt die eitle Bahn, verlaßt den Weg der Sünder. Ihr meine Priester! lehrt der Knaben zarten Mund Ein neu und hohes Lied nebst keuschen Töchtern singen. Lehrt das gemeine Volck des ewgen Vaters Ruhm, Daß der geweihte Bau von seinen Thaten schalle. Doch laßt es nicht dabey, daß ihr viel Worte nur Bloß unter das Gesetz des Sylbenmasses zwinget, Und manche Redensart, die etwa biblisch klingt, Noch durch die klappernden und schweren Reime fesselt. Nein es ist nicht genug ein frommer Mann zu seyn, Es muß ein Dichter seyn, der sich ans Dichten waget. Ich tadle nicht, daß ihr dem Höchsten singen wolt. Ich tadle nur, daß ihr wolt andre singen lehren. Wacht nicht in eurer Brust ein himmlisch hoher Geist, Und hört man euren Mund nicht schön und prächtig tönen, Ja ist das Hertz nicht rein, und voll von Gottes Geist; So tragt ihr unverdient der frommen Dichter Namen. Euch ziert er nur mit Recht, euch, denen die Natur Durch diesen seltnen Schatz den edlen Sinn bereichert. Ihr aber folget stets des hohen Davids Spur, Der sich aus tieffer Noth bis in den Himmel schwinget, Des Lied mit heiliger, doch eigner Unordnung Pflegt aus dem Jammerton in Gottes Lob zu fallen. Lernt diese Kunst von ihm; doch betet, eh ihr singt, Und singt, wie er nur bloß von jener Glut entflammet. Wer mit dem Geist, der erst ein Quodlibet gereimt, Auch Lieder dichten will, und, wenn ihn noch zum Himmel Ein Reim am Ende fehlt, den Todt zum Schimmel macht, Der spottet nur damit. Doch der im Himmel donnert Straft frecher Spötter Haupt. Wie! meint ihr denn, daß er Erst eures Lobes braucht, er, dessen Hand die Kreise Der ungemeßnen Welt zu seinen Ruhm gebaut. Und dessen Ehre hier ein jedes Werck erhebet. Die Gräsgen, welche früh der junge Tag benezt, Sind Zeugen seiner Macht. Es rauschen alle Blätter Des Waldes ihm zum Ruhm, wovon das Federheer In ihren grünen Sitz auf tausend Weisen singet. Die goldne Sonne ist sein Herold, wie der Mond. Die Sterne preisen ihn. Es jauchzen alle Himmel. Und ich und wer mir folgt, muß mit der Gottes Furcht Bey seinem Altar stets mit Ruhmgesängen wachen. Eh noch sein Wort die Welt aus Chaos Tyranney Aus finstern Wassern riß, eh noch die Bäume grünten, Eh noch ein Sterblicher bey Quell und Flüssen sang, War meine heilge Kunst in den beflamten Schlössern Den Söhnen jenes Lichts des Himmels schon bekant. Der Vater sahe selbst von seinem hellen Sitze. Als ich sie aufgeführt, da sie mit ihrem Spiel Und tiefen Beugungen bekräntzt vorüber zogen, Da ihr gestreckter Zug, der nicht zu übersehn, Von seiner Herrlichkeit und Macht und Weisheit tönte. Der Himmel lachte selbst, es schallte ihr Gesang Durch alle Gegenden der selgen Felder wieder. Ich zog nach jener Schlacht dem grossen Siegesheld Auf der bepalmten Bahn voll Jauchzen mit entgegen, Da er nach Satans Sturtz die Fahne umgewand, Und rief: Triumph! Triumph! an seinen Siegeswagen. Und o beglückter Geist, den auf der Welt sein Trieb Schon zu den Sternen reißt, wo er den Herrn der Himmel, Der selbst sein singen hört, in hellem Lichte sieht. Allein versuchet erst die Kräfte eurer Flügel, Eh ihr euch alzu kühn aus euren Zirkeln wagt. Sind Berge euch zu hoch, so bleibet in den Thälern. Gott hört auch in der Höh, was ihr in Gründen singt. Doch schliesset allesamt die himmlischen Gedanken In lieblich klingende gemeßne Sätze ein, Und schmücket sie zugleich mit wohlgewählten Blumen, Die Andacht flieht ja selbst so reine Zierde nicht: Der Heilge wohnet auch in ausgeschmückten Tempeln. Ja ich erlaub es euch, entreißt mit kluger Hand Den Dichtern Griechenlands und Latiens ihr Gutes; Doch eh ihr es dem Herrn auf seinem Altar legt; So heiligt erst den Raub; damit kein Götzenopfer Sein Heiligthum entweiht. Vermischt die Engel doch Nicht mit den Furien. Setzt die verdamte Götzen Nicht in des Höchsten Sitz. Ich weiß du wirst dis stets, Mein werther Lange, fliehn. So stimme deine Laute; Jedoch laß allezeit, so oft du singst und spielst Den Vater und den Herrn der Engel und der Menschen Den gantzen Inhalt seyn. Drauf ruft sie ihn zum Thron, Und hier bedeckten ihm die drey vertrauten Schwestern Die Gottesfurcht, Natur und Anmuth alsobald Die Schultern und sein Haupt mit einem weissen Schleyer, Den dieses Kleeblat selbst mit eigner Hand gewebt. Sie stieg herab und bog den Krantz um seine Scheitel, Und sprach: ich weihe dich hiermit zum Priester ein. Darauf bestreuet ihn der gantze Kreiß mit Blumen, Und spielt zugleich mit ihm ein Lied im höhern Chor. So fahre weiter fort, laß deine Laute nicht, Da du die Bibel nimst, verstimmt und staubig liegen; Nein sondern, wenn dein Fuß den Lehrerstuhl verläßt; So steig mit deinem Spiel auf deines Gartens Hügel, Wo deine Doris sich denn zu dir setzen wird, Und, so wie ich manchmal, in deine Seiten singen. O! glücklich! Wer also dem Höchsten spielen kan. Was wünscht ein Dichter mehr? Nichts, als ein wenig Acker, Wobey ein klarer Quell in einem Garten rauscht, Und einen Wald dabey. Hier solte meine Leyer Stets mein Gefehrte seyn. Hier wolte ich vergnügt In grüner Still auch wohl von Mann und Waffen spielen. Hier solte endlich mich des Lebens blasser Feind Mit seinem kalten Arm im singen noch umschliessen.