Jean Baptiste Racine Phädra (Phèdre) Personen Personen. Theseus, König von Athen Phädra, seine Gemahlin, Tochter des Minos und der Pasiphaë Hippolyt, Sohn des Theseus und der Antiope, Königin der Amazonen Aricia, aus dem königlichen Geschlechte der Pallantiden zu Athen Theramen, Erzieher des Hippolyt Oenone, Amme und Vertraute der Phädra Ismene, Vertraute der Aricia Panope, vom Gefolge der Phädra 1. Akt 1. Szene Erster Auftritt. Hippolyt. Theramen. Beschlossen ists, ich gehe, Theramen, Ich scheide von dem lieblichen Trözene; Nicht länger trag ichs, müßig hier zu weilen, In diesen Zweifeln, die mich ängstigen. Sechs Monde weilt mein Vater schon entfernt, Nichts will von seinem teuren Haupt verlauten, Nichts von dem Orte selbst, der ihn verbirgt. Wohin, o Herr, willst du ihn suchen gehn? Dich zu beruhigen, durchkreuzt ich schon Die beiden Meere, die der Isthmus trennt, Nach Theseus fragt ich an den Ufern, wo Der Acheron im Totenreiche schwindet, Elis hab ich durchsucht, den Tänarus Ließ ich im Rücken, ja ans Meer sogar Bin ich gedrungen, welchem Ikarus Den Namen gab – Was hoffst du ferner noch? In welchen glücklicheren Himmelsstrichen Gedenkst du seine Spuren aufzufinden? Ja, wissen wir, ob uns der König nicht Vorsätzlich seinen Aufenthalt verbirgt Und, während daß wir für sein Leben zittern, Sich still vergnügt in neuen Liebesbanden? Halt, Freund, und sprich mit Ehrfurcht von dem König, Unwürdge Ursach hält ihn nicht zurück; Entsagt hat er dem wilden Recht der Jugend, Phädra hat seinen flüchtgen Sinn gefesselt Und fürchtet keine Nebenbuhlerin mehr. Genug, ich such ihn, folge meiner Pflicht Und fliehe diesen Ort, der mich beängstigt. Wie, Herr, seit wann denn fürchtest du Gefahr In diesem stillen Land, das deiner Kindheit So teuer war, wohin du dich so gern Geflüchtet aus dem rauschenden Athen? Was kann dich hier bedrohen oder kränken? Freund, jene selgen Tage sind dahin, Ein ganz verändert Ansehn hat jetzt alles, Seitdem die Götter uns des Minos Tochter Und der Pasiphaë hieher gesandt. Herr, ich versteh, ich fühle, was dich drückt. Dein Kummer ist es, Phädra hier zu sehen – Stiefmütterlich gesinnt, sah sie dich kaum, Gleich übte sie verderblich ihre Macht, Dich zu verbannen war ihr erstes Werk. Doch dieser Haß, den sie dir sonst geschworen, Ist sehr geschwächt, wenn er nicht ganz verschwand. Und welches Unheil kann ein Weib dir bringen, Das stirbt, und das entschlossen ist zu sterben? Die Unglückselige wird einem Schmerz Zum Raub, den sie mit Eigensinn verbirgt, Sie ist der Sonne müd und ihres Lebens, Wie kann sie gegen dich Verderben spinnen? Nicht ihr ohnmächtger Haß ists, was ich fürchte, Ganz eine andre Feindin will ich fliehn; Es ist Aricia, ich wills gestehn, Die letzte jenes unglückselgen Stamms, Der gegen uns feindselig sich verschworen. Auch du verfolgst sie, Herr? Die holde Schwester Der wilden Pallantiden, hat sie je Der Brüder schwarze Meuterei geteilt? Und könntest du die schöne Unschuld hassen? Wenn ich sie haßte, würd ich sie nicht fliehn. Herr, wag ichs, deine Flucht mir zu erklären? Wärst du vielleicht der strenge Hippolyt Nicht mehr, der stolze Feind der schönen Liebe, Der mutige Verächter eines Jochs, Dem Theseus sich so oft, so gern gebeugt? So lang von dir verachtet, hätte Venus Des Vaters Ehre nun an dir gerächet? Sie hätt in eine Reihe dich gestellt Mit andern, dich gezwungen, ihr zu opfern? – Du liebtest, Herr? Freund, welche Rede wagst du? Du, der mein Innres kennt, seitdem ich atme, Verlangst, daß ich den edlen Stolz verleugne, Den dieses freie Herz von je bekannt? Nicht an der Brust der Amazone nur, Die mich geboren, schöpft ich diesen Stolz. Ich selbst, sobald ich meiner nur bewußt, Bestärkte mich in diesem edlen Triebe. Du warst der Freund, der Führer meiner Jugend, Oft sprachst du mir von meines Vaters Taten, Du weißt, wie ich dir lauschte, wie mein Herz Bei seinen edeln Waffentaten schlug – Wenn du den kühnen Helden mir beschriebst, Wie er der Welt den Herkules ersetzte, Mit Ungeheuern kämpfte, Räuber strafte, Wie er den Sinnis, den Prokrustes schlug, Dem Periphetes seine Keul entrang, Den Kerkyon besiegte, mit dem Blut Des Minotaurus Kretas Boden färbte. Doch wenn du auf das minder Rühmliche Zu reden kamst, die leichten Liebesschwüre, Die oft gelobte und gebrochne Treu – Wenn du die spartsche Helena mir nanntest, Den Ihrigen entrissen – Periböa, In ihrem Schmerz zu Salamin verlassen – Und alle die Betrognen ohne Zahl, Die seinen Schwüren allzuleicht geglaubt, Bis auf den Namen selbst von ihm vergessen. Ariadne, die dem tauben Felsenufer Sein Unrecht klagt, und Phädra, ihre Schwester, Wie sie geraubt, doch glücklicher als sie! Du weißt, wie peinlich mir bei der Erzählung Zu Mute war, wie gern ich sie verkürzte! Wie hätt ich nicht gewünscht, so schönem Leben Die minder würdge Hälfte zu ersparen! Und sollte selbst mich jetzt gebunden sehn, So tief herunter ließ ein Gott mich sinken! Mich, den noch kein erlegter Feind verherrlicht, Der sich durch keine Heldentugend noch Das Recht erkaufte, schwach zu sein wie Theseus! Und sollte dieses stolze Herz empfinden, Mußt es Aricia sein, die mich besiegte? Vergaß ich ganz in meinem trunknen Wahn Das Hindernis, das uns auf ewig trennt? Verwirft sie nicht mein Vater? Wehrt mir nicht Ein streng Gesetz, das feindlich denkende Geschlecht der Pallantiden fortzupflanzen? Auf ewig solls mit ihr vernichtet sein, In Aufsicht soll sie bleiben bis zum Grab, Und nie soll ihr die Fackel Hymens lodern! Und böt ich meinem Vater solchen Trotz, Mit ihrer Hand ihr Recht mir anzufreien? Zu solcher Raserei riß mich die Jugend – ihm ins Wort fallend. Ach Herr, wenn deine Stunde kam, so fragt Kein Gott nach unsern Gründen! Theseus selbst Schärft deinen Blick, da er ihn schließen will; Das Herz empört sich gegen Zwang, und selbst Sein Haß gießt neuen Reiz um die Geliebte. Warum auch schreckt dich eine keusche Liebe, Und wenn sie glücklich macht, mißgönnst du dirs? Besiege doch die scheue Furcht! Kann man Sich auf der Bahn des Herkules verirren? Wie stolze Herzen hat nicht Venus schon Bezähmt! Du selbst, der ihre Macht bestreitet, Wo wärst du, hätt Antiope dem Trieb Der Göttin immer siegend widerstanden, Der Liebe keusche Flamme nie gefühlt! Doch Herr, wozu mit großen Worten prunken? Gestehs, du bist der vorige nicht mehr, Schon lang sieht man dich seltener als sonst Stolz und unbändig deinen Wagen lenken Und, in der edeln Kunst Neptuns geübt, Das wilde Jagdroß an den Zaum gewöhnen. Viel seltener erklinget Forst und Wald Von unserm Jagdruf – ein verborgner Gram Senkt deiner Blicke feurge Kraft zur Erde. Ja, ja, du liebst, du glühst von Liebe, dich Verzehrt ein Feuer, Herr, das du verheimlichst. Gestehs, du liebst Aricien! Ich – reise Und suche meinen Vater, Theramen! Herr, siehst du Phädra nicht, bevor du gehst? Das ist mein Vorsatz, bring ihr diese Nachricht; Gehn wir zu ihr, weil es die Pflicht so will. – Doch sieh, was für ein neues Mißgeschick Bekümmert ihre zärtliche Oenone? 2. Szene Zweiter Auftritt. Hippolyt. Theramen. Oenone. Ach welcher Jammer ist dem meinen gleich! Herr, meine Königin ist dem Tode nah! Vergebens laß ich sie so Nacht als Tag Nicht aus den Augen – sie stirbt mir in den Armen An einem Übel, das sie mir verhehlt. In ewiger Zerrüttung ist ihr Geist, Die Unruh treibt sie auf von ihrem Lager, Sie will ins Freie, will die Sonne schauen, Doch keinem Zeugen will ihr Schmerz begegnen. – Sie kommt! Ich geh, ich laß ihr freien Raum Und spar ihr einen Anblick, den sie haßt. Hippolyt und Theramen gehen ab. 3. Szene Dritter Auftritt. Phädra. Oenone. Gehn wir nicht weiter, ruhn wie hier, Oenone, Ich halte mich nicht mehr, die Kräfte schwinden; Mich schmerzt des Tages ungewohnter Glanz, Und meine Kniee zittern unter mir. Ach! Sie setzt sich. Große Götter, schaut auf unsre Tränen! Wie diese schweren Hüllen auf mir lasten, Der eitle Prunk! Welch ungebetne Hand Hat diese Zöpfe künstlich mir geflochten, Mit undankbarer Mühe mir das Haar Um meine Stirn geordnet? Muß sich alles Verschwören, mich zu kränken, mich zu quälen? So ist sie ewig mit sich selbst im Streit! – Du selbst, o Königin, besinn dich doch, Dein trauriges Beginnen widerrufend, Hast unsern Fleiß ermuntert, dich zu schmücken. Du fühltest dir noch Kräfte, dich hervor Zuwagen und der Sonne Licht zu sehn – Du siehst es jetzt und hassest seinen Strahl! Glanzvoller Stifter meines traurigen Geschlechts! Du, dessen Enkeltochter ich mich rühme! Der über meine schmähliche Verwirrung Vielleicht errötet – hoher Sonnengott! Zum letztenmale seh ich deine Strahlen. Weh mir, noch immer nährst du, Königin, Den traurgen Vorsatz und entsagst dem Leben? schwärmerisch. O säß ich draußen in der Wälder Grün! – Wann wird mein Aug auf der bestäubten Bahn Des raschen Wagens flüchtgen Lauf verfolgen? Wie, Königin? Was ist das? Ach, ich bin Von Sinnen – Was hab ich gesagt? – Oenone – Ich weiß nicht, was ich wünsche, was ich sage, Ein Gott hat die Besinnung mir geraubt – Fühl her, wie meine Wange glüht, Oenone, Zu sehr verriet ich meine Schwäche dir, Und wider Willen stürzen mir die Tränen. Mußt du erröten, über dieses Schweigen Erröte, diesen strafbarn Widerstand, Der nur die Stacheln deiner Schmerzen schärft. Willst du, von unserm Flehen ungerührt, Hartnäckig alle Hülfe von dir stoßen Und rettungslos dein Leben schwinden sehn? Was für ein Wahnsinn setzt ihm vor der Zeit Ein frühes Ziel? Was für ein Zauber, welch Ein heimlich Gift macht seine Quellen stocken? Dreimal umzog den Himmel schon die Nacht, Seitdem kein Schlummer auf dein Auge sank, Und dreimal wich die Finsternis dem Tag, Seitdem dein Körper ohne Nahrung schmachtet. Welch gräßlichem Entschlusse gibst du Raum? Darfst du mit Frevelmut dich selbst zerstören? Das heißt den Göttern trotzen, ist Verrat Am Gatten, dem du Treue schwurst, Verrat An deinen Kindern, den unschuldgen Seelen, Die du zu hartem Sklavenjoch verdammst. Der Tag, der ihre Mutter ihnen raubt, Bedenk es, Königin, er gibt dem Sohn Der Amazone seine Hoffnung wieder, Dem stolzen Feinde deines Blutes, ihm, Dem Fremdling, diesem Hippolyt – Ihr Götter! Ergreift die Wahrheit dieses Vorwurfs dich? Unglückliche! Wen hast du jetzt genannt? Mit Recht empört sich dein Gemüt, mich freuts, Daß dieser Unglücksname dich entrüstet! Drum lebe! Laß die Liebe, laß die Pflicht Es dir gebieten! Lebe! Dulde nicht, Daß dieser Scythe das verhaßte Joch Auf deine Kinder lege! der Barbar Dem schönsten Blute Griechenlands gebiete! Jetzt aber eile – jeder Augenblick, Den du versäumst, bringt näher dich dem Tode. Verschiebs nicht länger, die erliegende Natur zu stärken, weil die Lebensflamme Noch brennt und noch aufs neu sich läßt entzünden. Schon allzu lang nährt ich ein schuldvoll Dasein. So klagt dein Herz geheimer Schuld dich an? Ists ein Verbrechen, das dich so beängstigt? Du hast doch nicht unschuldig Blut verspritzt? Die Hand ist rein. Wär es mein Herz wie sie! Und welches Ungeheure sann dein Herz Sich aus, das solchen Schauder dir erregt? Genug sagt ich, verschone mich. Ich sterbe, Um das Unselige nicht zu gestehen! So stirb! Beharr auf deinem trotzgen Schweigen! Doch dir das Aug im Tode zu verschließen, Such eine andre Hand! Obgleich dein Leben Auf deiner Lippe schon entfliehend schwebt, Dräng ich mich doch im Tode dir voran; Es führen tausend Steige dort hinab, Mein Jammer wählt den kürzesten sich aus. Grausame, wann betrog ich deine Treu? Vergaßest du, wer deine Kindheit pflegte? Um deinetwillen Freunde, Vaterland Und Kind verließ? So lohnst du meiner Liebe! Was hoffst du durch dein Flehn mir abzustürmen? Entsetzen wirst du dich, brech ich mein Schweigen. Was kannst du mir Entsetzlicheres nennen, Als dich vor meinen Augen sterben sehn! Weißt du mein Unglück, weißt du meine Schuld, Nicht minder sterb ich drum, nur schuldger sterb ich. vor ihr niederfallend. Bei allen Tränen, die ich um dich weinte, Bei deinem zitternden Knie, das ich umfasse, Mach meinem Zweifel, meiner Angst ein Ende! Du willst es so, steh auf. O sprich, ich höre. Gott! Was will ich ihr sagen! Und wie will ichs? Mit deinen Zweifeln kränkst du mich, vollende! O schwerer Zorn der Venus! Strenge Rache! Zu welchem Wahnsinn triebst du meine Mutter! Sprich nicht davon, ein ewiges Vergessen Bedecke das unselige Vergehn! O Ariadne, Schwester! Welch Geschick Hat Liebe dir am öden Strand bereitet! Was ist dir? Welcher Wahnsinn treibt dich an, In allen Wunden deines Stamms zu wühlen? So will es Venus! Von den Meinen allen Soll ich, die letzte, soll am tiefsten fallen! Du liebst? Der ganze Wahnsinn rast in mir. Wen liebst du? Sei auf Gräßliches gefaßt. Ich liebe – das Herz erzittert mir, mir schaudert, Es herauszusagen – Ich liebe – Wen? – Du kennst ihn, Den Jüngling, ihn, den ich so lang verfolgte, Den Sohn der Amazone – Hippolyt! Gerechte Götter! Du nanntest ihn, nicht ich. Gott! All mein Blut erstarrt in meinen Adern. O Jammer! O verbrechenvolles Haus Des Minos! Unglückseliges Geschlecht! O dreimal unglückselge Fahrt! daß wir An diesem Unglücksufer mußten landen! Schon früher fing mein Unglück an. Kaum war Dem Sohn des Aegeus meine Treu verpfändet, Mein Friede schien so sicher mir gegründet, Mein Glück mir so gewiß, da zeigte mir Zuerst Athenä meinen stolzen Feind. Ich sah ihn, ich errötete, verblaßte Bei seinem Anblick; meinen Geist ergriff Unendliche Verwirrung, finster wards Vor meinen Augen, mir versagte die Stimme, Ich fühlte mich durchschauert und durchflammt, Der Venus furchtbare Gewalt erkannt ich Und alle Qualen, die sie zürnend sendet. Durch fromme Opfer hofft ich sie zu wenden, Ich baut ihr einen Tempel, schmückt ihn reich, Ich ließ der Göttin Hekatomben fallen, Im Blut der Tiere sucht ich die Vernunft, Die mir ein Gott geraubt – Ohnmächtige Schutzwehren gegen Venus' Macht! Umsonst Verbrannt ich köstlich Räuchwerk auf Altären, In meinem Herzen herrschte Hippolyt, Wenn meine Lippe zu der Göttin flehte. Ihn sah ich überall und ihn allein, Am Fuße selbst der rauchenden Altäre War er der Gott, dem ich die Opfer brachte. Was frommte mirs, daß ich ihn überall Vermied – O unglückseliges Verhängnis! In des Vaters Zügen fand ich ihn ja wieder. Mit Ernst bekämpft ich endlich mein Gefühl, Ich tat Gewalt mir an, ihn zu verfolgen. Stiefmütterliche Launen gab ich mir, Den allzuteuern Feind von mir zu bannen. Ich ruhte nicht, bis er verwiesen ward, In den Vater stürmt ich ein mit ewgem Dringen, Bis ich den Sohn aus seinem Arm gerissen – Ich atmete nun wieder frei, Oenone, In Unschuld flossen meine stillen Tage, Verschlossen blieb in tiefer Brust mein Gram, Und unterwürfig meiner Gattinpflicht Pflegt ich die Pfänder unsrer Unglücksehe! Verlorne Müh! O Tücke des Geschicks! Mein Gatte bringt ihn selbst mir nach Trözene, Ich muß ihn wiedersehn, den ich verbannt – Und neu entbrennt die nie erstickte Glut. Kein heimlich schleichend Feuer ist es mehr, Mit voller Wut treibt mich der Venus Zorn. Ich schaudre selbst vor meiner Schuld zurück, Mein Leben haß ich und verdamme mich, Ich wollte schweigend zu den Toten gehn, Im tiefen Grabe meine Schuld verhehlen – Dein Flehn bezwang mich, ich gestand dir alles, Und nicht bereuen will ich, daß ichs tat, Wenn du fortan mit ungerechtem Tadel Die Sterbende verschonst, mit eitler Müh Mich nicht dem Leben wiedergeben willst. 4. Szene Vierter Auftritt. Phädra. Oenone. Panope. Gern, Königin, erspart ich dir den Schmerz, Doch nötig ists, daß du das Ärgste wissest. Den Gatten raubte dir der Tod. Dies Unglück Ist kein Geheimnis mehr als dir allein. Panope, was sagst du? Die Königin Erfleht des Gatten Wiederkehr vergebens. Ein Schiff, das eben einlief, überbringt Dem Hippolyt die Kunde seines Todes. O Himmel! Die neue Königswahl teilt schon Athen: Der eine stimmt für deinen Sohn, ein andrer Wagt es, den Landesordnungen zum Hohn, Sich für den Sohn der Fremden zu erklären. Aricia selbst, der Pallantiden Blut, Hat einen Anhang – dies wollt ich dir melden. Schon rüstet Hippolyt sich, abzureisen, Und alles fürchtet, wenn er plötzlich sich In dieser Gärung zeigt, er möchte leicht Die wankelmütgen Herzen an sich reißen. Genug, Panope! Die Königin hat es Gehört und wird die große Botschaft nutzen. Panope geht ab. 5. Szene Fünfter Auftritt. Phädra. Oenone. Gebieterin, ich drang nicht mehr in dich, Zu leben – selbst entschlossen, dir zu folgen, Bestritt ich deinen tödlichen Entschluß Nicht länger – Dieser neue Schlag des Unglücks Gebietet anders und verändert alles. – Der König ist tot, an seinen Platz trittst du, Dem Sohn, den er dir läßt, bist du dich schuldig. Dein Sohn ist König oder Sklav, wie du Lebst oder stirbst. Verliert er auch noch dich, Wer soll den ganz Verlassenen beschützen? Drum lebe! – Aller Schuld bist du jetzt ledig, Gemeine Schwäche nur ists, was du fühlst. Zerrissen sind mit Theseus' Tod die Bande, Die deine Liebe zum Verbrechen machten. Nicht mehr so furchtbar ist dir Hippolyt, Du kannst fortan ihn ohne Vorwurf sehn. Er glaubt sich jetzt von dir gehaßt und stellt Vielleicht sich an die Spitze der Empörer. Reiß ihn aus seinem Wahn, such ihn zu rühren, Sein Erbteil ist das glückliche Trözen, Hier ist er König; deinem Sohn gehören Die stolzen Mauern der Minervenstadt, Euch beiden droht derselbe Feind Gefahr, Verbindet euch, Aricia zu bekämpfen. Wohlan, ich gebe deinen Gründen nach: Wenn Leben möglich ist, so will ich leben, Wenn Liebe zu dem hülfberaubten Sohn Mir die verlorne Kraft kann wiedergeben. 2. Akt 1. Szene Erster Auftritt. Aricia. Ismene. Er will mich sehen? Hippolyt? Und hier? Er sucht mich und will Abschied von mir nehmen? Ists wahr, Ismene? Täuschest du dich nicht? Das ist die erste Frucht von Theseus' Tod. Bald siehst du alle Herzen, die die Scheu Vor ihm entfernt hielt, dir entgegenfliegen. Aricia hat endlich ihr Geschick In ihrer Hand, und alles wird ihr huldgen. So wär es keine unverbürgte Sage, Ich wäre frei und meines Feinds entledigt? So ists. Dir kämpft das Glück nicht mehr entgegen, Theseus ist deinen Brüdern nachgefolgt. Weiß man, durch welch Geschick er umgekommen? Man spricht Unglaubliches von seinem Tod. Das Meer, sagt man, verschlang den Ungetreuen, Da er aufs neue Weiberraub verübt: Ja, ein Gerücht verbreitet sich durchs Land, Er sei hinabgestiegen zu den Toten Mit seinem Freund Pirithous, er habe Die schwarzen Ufer und den Styx gesehen Und sich den Schatten lebend dargestellt, Doch keine Wiederkehr sei ihm geworden Vom traurgen Strand, den man nur einmal sieht. Ists glaublich, daß ein Mensch, ein Sterblicher, Ins tiefe Haus der Toten lebend dringe? Was für ein Zauber denn zog ihn hinab An dieses allgefürchtete Gestade? Theseus ist tot, Gebieterin! Du bists Allein, die daran zweifelt. Den Verlust Beseufzt Athen. Trözene hat bereits Den Hippolyt als Herrscher schon erkannt. Phädra, voll Angst für ihren Sohn, hält Rat Hier im Palast mit den bestürzten Freunden. Und glaubst du wohl, daß Hippolyt an mir Großmütger werde handeln als sein Vater? Daß er die Knechtschaft mir erleichtern werde, Von meinem Los gerührt? Ich glaub es, Fürstin. Den stolzen Jüngling, kennst du ihn auch wohl? Und schmeichelst dir, er werde mich beklagen Und ein Geschlecht, das er verachtet, ehren In mir allein? Du siehst, wie er mich meidet. Man spricht von seinem Stolze viel, doch hab ich Den Stolzen gegenüber dir gesehn, Sein Ruf, gesteh ich, schärfte meine Neugier. Doch schien er mir, als ich ihn wirklich sah, Dem Ruf nicht zuzusagen. Sichtbar wars, Wie er bei deinem Anblick sich verwirrte, Wie er umsonst die Augen niederschlug, Die zärtlich schmachtend an den deinen hingen. Gesteht sein Stolz nicht ein, daß er dich liebe, Sein Auge sprichts, wenn es sein Mund nicht sagt. O Freundin, wie begierig lauscht mein Herz Der holden Rede, die vielleicht mich täuscht! Dies Herz, du kennst es, stets von Gram genährt Und Tränen, einem grausamen Geschick Zum Raub dahingegeben, sollt es sich Der Liebe eitle Schmerzen noch erträumen? Die Letzte bin ich übrig von dem Blut Des hohen Königs, den die Erde zeugte, Und ich allein entrann der Kriegeswut. Sechs Brüder sah ich in der Blüte fallen, Die Hoffnung meines fürstlichen Geschlechts. Das Schwert vertilgte alle, und die Erde Trank ungern ihrer Enkelsöhne Blut. Du weißt, welch streng Gesetz der Griechen Söhnen Seit jener Zeit verwehrt, um mich zu werben. Man fürchtet, daß der Schwester Rachegeist Der Brüder Asche neu beleben möchte. Doch weißt du auch, wie dieses freie Herz Die feige Vorsicht der Tyrannenfurcht Verachtete. Der Liebe Feindin stets, Wußt ich dem König Dank für eine Strenge, Die meinem eignen Stolz zu Hülfe kam. – Da hatt ich seinen Sohn noch nicht gesehn! Nein, denke nicht, daß seine Wohlgestalt Mein leicht betrognes Aug verführt, der Reiz, Der ihn umgibt, den jeder an ihm preiset, Die Gaben einer gütigen Natur, Die er verschmäht und nicht zu kennen scheint. Ganz andre herrlichere Gaben lieb ich, Schätz ich in ihm! – die hohen Tugenden Des Vaters, aber frei von seinen Schwächen. Den edeln Stolz der großen Seele lieb ich, Der unter Amors Macht sich nie gebeugt. Sei Phädra stolz auf ihres Theseus Liebe, Mir gnügt die leichte Ehre nicht, ein Herz Zu fesseln, welches Tausende gewannen. Den Mut zu brechen, welchen nichts gebeugt, Ein Herz zu rühren, welches nie gefühlt, Den stolzen Mann als Siegerin zu fesseln, Der nicht begreift, wie ihm geschieht, umsonst Sich einem Joch entwindet, das er liebt – Das lockt mich an und reizt mich. Mindern Ruhm Bracht es, den großen Herkules zu rühren Als Hippolyt – Viel öfter war der Held Besiegt und leichtern Kampfes überwunden. Doch ach! wie heg ich solchen eiteln Sinn! Zu sehr nur, fürcht ich, widersteht man mir, Und bald vielleicht siehst du mich, tief gebeugt, Den Stolz beweinen, den ich jetzt bewundre. Er sollte lieben! Hippolyt! Ich hätte Sein Herz zu rühren – – Hör ihn selbst! Er kommt! 2. Szene Zweiter Auftritt. Aricia. Ismene. Hippolyt. Eh ich von dannen gehe, Königin, Künd ich das Los dir an, das dich erwartet. Mein Vater starb. Ach nur zu wahr erklärte sich Mein ahnend Herz sein langes Außenbleiben. Den edeln Kämpfer konnte nur der Tod So lange Zeit dem Aug der Welt verbergen. Die Götter endlich haben über ihn Entschieden, den Gefährten und den Freund, Den Waffenfreund des herrlichen Alcid. Dein Haß, ich darf es hoffen, Königin, Auch gegen Feindes Tugenden gerecht, Gönnt ihm den Nachruhm gern, den er verdient. Eins tröstet mich in meinem tiefen Leid, Ich kann dich einem harten Joch entreißen, Den schweren Bann, der auf dir lag, vernicht ich, Du kannst fortan frei schalten mit dir selbst, Und in Trözen, das mir zum Los gefallen, Auf mich ererbt von Pittheus, meinem Ahn, Das mich bereits als König anerkannt, Laß ich dich frei – und freier noch als mich. Herr, mäßge diesen Edelmut, der mich Beschämt. Mehr, als du denkst, erschwerst du mir Die Fesseln, die du von mir nimmst, wenn du So große Gunst an der Gefangnen übst. Athen ist noch im Streit, wer herrschen soll, Es spricht von dir, nennt mich, und Phädras Sohn. Von mir? Ich weiß und will mirs nicht verbergen, Daß mir ein stolz Gesetz entgegensteht, Die fremde Mutter wird mir vorgeworfen; Doch hätt ich meinen Bruder nur zum Gegner, Nicht wehren sollte mirs ein grillenhaft Gesetz, mein gutes Anrecht zu behaupten. Ein höheres Recht erkenn ich über mir; Dir tret ich ab, vielmehr ich geb dir wieder Den Thron, den deine Väter von Erechteus, Der Erde Sohn, dem Mächtigen, ererbt. Er kam auf Aegeus durch der Kindschaft Recht, Athen, durch meinen Vater groß gemacht, Erkannte freudig diesen Held zum König, Und in Vergessenheit sank dein Geschlecht. Athen ruft dich in seine Mauern wieder, Genug erlitt es von dem langen Streit, Genug hinabgetrunken hat die Erde Des edeln Blutes, das aus ihr entsprang. Mein Anteil ist Trözene, Kreta bietet Dem Sohn der Phädra reichlichen Ersatz, Dir bleibt Athen! Ich geh jetzt, um für dich Die noch geteilten Stimmen zu vereinen. Erstaunt, beschämt von allem, was ich höre, Befürcht ich fast, ich fürchte, daß ich träume. Wach ich, und ist dies alles Wirklichkeit? Herr, welche Gottheit gab dirs in die Seele? Wie wahr rühmt dich der Ruf durch alle Welt! Wie weit noch überflügelt ihn die Wahrheit! Zu meiner Gunst willst du dich selbst berauben? War es nicht schon genug, mich nicht zu hassen? Ich, Königin, dich hassen! Was man auch Von meinem Stolz verbreitet, glaubt man denn, Daß eine Tigermutter mich geboren? Und welche Wildheit wärs, welch eingewurzelt Verstockter Haß, den nicht dein Anblick zähmte! Konnt ich dem holden Zauber widerstehn? unterbricht ihn. Was sagst du, Herr? Ich bin zu weit gegangen. Zu mächtig wird es mir – Und weil ich denn Mein langes Schweigen brach, so will ich enden – So magst du ein Geheimnis denn vernehmen, Das diese Brust nicht mehr verschließen kann. – Ja, Königin, du siehst mich vor dir stehen, Ein warnend Beispiel tief gefallnen Stolzes. Ich, der der Liebe trotzig widerstand, Der ihren Opfern grausam Hohn gesprochen Und, wenn die andern kämpften mit dem Sturm, Stets von dem Ufer hoffte zuzusehn, Durch eine stärkre Macht mir selbst entrissen, Erfahr auch ich nun das gemeine Los. Ein Augenblick bezwang mein kühnes Herz, Die freie stolze Seele, sie empfindet. Sechs Monde trag ich schon, gequält, zerrissen Von Scham und Schmerz, den Pfeil in meinem Herzen. Umsonst bekämpf ich dich, bekämpf ich mich, Dich flieh ich, wo du bist, dich find ich, wo du fehlst, Dein Bild folgt mir ins Innerste der Wälder; Das Licht des Tages und die stille Nacht Muß mir die Reize deines Bildes malen. Ach alles unterwirft mich dir, wie auch Das stolze Herz dir widerstand – Ich suche Mich selbst, und finde mich nicht mehr. Zur Last Ist mir mein Pfeil, mein Wurfspieß und mein Wagen, Vergessen ganz hab ich die Kunst Neptuns; Mit meinen Seufzern nur erfüll ich jetzt Der Wälder Stille; meine müßgen Rosse Vergessen ihres Führers Ruf. Nach einer Pause. Vielleicht Schämst du dich deines Werks, da du mich hörst, Und dich beleidigt meine wilde Liebe? In welcher rauhen Sprache biet ich auch Mein Herz dir an! Wie wenig würdig ist Der rohe Sklave solcher schönen Bande! Doch eben darum nimm ihn gütig auf, Ein neu Gefühl, ein fremdes sprech ich aus, Und sprech ichs übel, denke, Königin, Daß du die erste bist, die michs gelehrt. 3. Szene Dritter Auftritt. Aricia. Ismene. Hippolyt. Theramen. Die Königin naht sich, Herr! Ich eilt ihr vor, Sie sucht dich. Mich? Ich weiß nicht, was sie will. Doch eben jetzt hat sie nach dir gesendet, Phädra will mit dir sprechen, eh du gehst. Phädra! Was soll ich ihr? Was kann sie wollen? Herr, nicht versagen kannst du ihr die Gunst, Wie sehr sie deine Feindin auch, du bist Ein wenig Mitleid ihren Tränen schuldig. Du aber gehst! du gehst – und ich soll gehen! Und ohne daß ich weiß, ob du dies Herz – Ob meine kühne Liebe dich beleidigt? – Geh, deinen edeln Vorsatz auszuführen! Erringe mir den Thron Athens. Ich nehme Aus deinen Händen jegliches Geschenk; Doch dieser Thron, wie herrlich auch, er ist Mir nicht die teuerste von deinen Gaben! Geht ab mit Ismenen. 4. Szene Vierter Auftritt. Hippolyt. Theramen. Freund, ist nun alles – doch die Königin naht! Phädra zeigt sich im Hintergrunde mit Oenonen. Laß alles sich zur Abfahrt fertig halten, Gib die Signale! Eile! komm zurück So schnell als möglich und erlöse mich Von einem widerwärtigen Gespräch. Theramen geht ab. 5. Szene Fünfter Auftritt. Hippolyt. Phädra. Oenone. noch in der Tiefe des Theaters. Er ists, Oenone – All mein Blut tritt mir Ans Herz zurück – Vergessen hab ich alles, Was ich ihm sagen will, da ich ihn sehe. Bedenke deinen Sohn, der auf dich hofft. vortretend, zu Hippolyt. Man sagt, o Herr, du willst uns schnell verlassen. Ich komme, meine Tränen mit den deinen Zu mischen, ich komme, meines Sohnes wegen Dir meine bangen Sorgen zu gestehn. Mein Sohn hat keinen Vater mehr, und nah Rückt schon der Tag, der ihm die Mutter raubt. Von tausend Feinden seh ich ihn bedroht, Herr, du allein kannst seine Kindheit schützen. Doch ein geheimer Vorwurf quält mein Herz. Ich fürchte, daß ich selbst dein Herz verhärtet, Ich zittre, Herr, daß dein gerechter Zorn An ihm die Schuld der Mutter möchte strafen. Ich denke nicht so niedrig, Königin. Wenn du mich haßtest, Herr, ich müßt es dulden. Du sahest mich entbrannt auf dein Verderben, In meinem Herzen konntest du nicht lesen. Geschäftig war ich, deinen Haß zu reizen, Dich konnt ich nirgends dulden, wo ich war, Geheim und offen wirkt ich dir entgegen, Nicht ruht ich, bis uns Meere selbst geschieden. Selbst deinen Namen vor mir auszusprechen, Verbot ich durch ein eigenes Gesetz. Und dennoch – wenn an der Beleidigung Sich Rache mißt, wenn Haß nur Haß erwirbt, War nie ein Weib noch deines Mitleids werter Und keines minder deines Hasses wert. Es eifert jede Mutter für ihr Kind, Dem Sohn der Fremden kann sie schwer vergeben, Ich weiß das alles, Königin. War doch Der Argwohn stets der zweiten Ehe Frucht! Von jeder andern hätt ich gleichen Haß, Vielleicht noch mehr Mißhandlungen erfahren. Ach Herr! Wie sehr nahm mich der Himmel aus Von dieser allgemeinen Sinnesart! Wie ein ganz andres ists, was in mir tobet! Laß, Königin, dich keine Sorge quälen! Noch lebt vielleicht dein Gatte, und der Himmel Schenkt unsern Tränen seine Wiederkehr. Beschützt ihn doch der mächtige Neptun: Zu solchem Helfer fleht man nicht vergebens. Herr, zweimal sieht kein Mensch die Todesufer. Theseus hat sie gesehn, drum hoffe nicht, Daß ihn ein Gott uns wieder schenken werde, Der karge Styx gibt seinen Raub nicht her. – Tot wär er? Nein, er ist nicht tot! Er lebt In dir! Noch immer glaub ich ihn vor Augen Zu sehn! Ich spreche ja mit ihm! Mein Herz – – Ach ich vergesse mich! Herr, wider Willen Reißt mich der Wahnsinn fort – Ich seh erstaunt Die wunderbare Wirkung deiner Liebe. Theseus, obgleich im tiefen Grabe, lebt Vor deinen Augen! Von der Leidenschaft Zu ihm ist deine Seele ganz entzündet. Ja, Herr, ich schmachte, brenne für den Theseus, Ich liebe Theseus, aber jenen nicht, Wie ihn der schwarze Acheron gesehn, Den flatterhaften Buhler aller Weiber, Den Frauenräuber, der hinunterstieg, Des Schattenkönigs Bette zu entehren. Ich seh ihn treu, ich seh ihn stolz, ja selbst Ein wenig scheu – Ich seh ihn jung und schön Und reizend alle Herzen sich gewinnen. Wie man die Götter bildet, so wie ich – Dich sehe! Deinen ganzen Anstand hatt er, Dein Auge, deine Sprache selbst! So färbte Die edle Röte seine Heldenwangen, Als er nach Kreta kam, die Töchter Minos' Mit Lieb entzündete – Wo warst du da? Wie konnt er ohne Hippolyt die besten, Die ersten Helden Griechenlands versammeln? O daß du, damals noch zu zarten Alters, Nicht in dem Schiff mit warst, das ihn gebracht! Den Minotaurus hättest du getötet, Trotz allen Krümmen seines Labyrinths. Dir hätte meine Schwester jenen Faden Gereicht, um aus dem Irrgang dich zu führen. O nein, nein, ich kam ihr darin zuvor! Mir hätts zuerst die Liebe eingegeben, Ich, Herr, und keine andre zeigte dir Den Pfad des Labyrinths. Wie hätt ich nicht Für dieses liebe Haupt gewacht! Ein Faden War der besorgten Liebe nicht genug, Gefahr und Not hätt ich mit dir geteilt, Ich selbst, ich wäre vor dir hergezogen, Ins Labyrinth stieg ich hinab mit dir, Mit dir war ich gerettet oder verloren. Was hör ich, Götter! Wie? Vergissest du, Daß Theseus dein Gemahl, daß er mein Vater – Wie kannst du sagen, daß ich das vergaß? Bewahrt ich meine Ehre denn so wenig? Verzeihung, Königin. Schamrot gesteh ich, Daß ich unschuldge Worte falsch gedeutet. Nicht länger halt ich deinen Anblick aus. Will gehen. Grausamer, du verstandst mich nur zu gut. Genug sagt ich, die Augen dir zu öffnen. So sei es denn! So lerne Phädra kennen Und ihre ganze Raserei. Ich liebe. Und denke ja nicht, daß ich dies Gefühl Vor mir entschuldge und mir selbst vergebe, Daß ich mit feiger Schonung gegen mich Das Gift genährt, das mich wahnsinnig macht: Dem ganzen Zorn der Himmlischen ein Ziel, Haß ich mich selbst noch mehr, als du mich hassest – Zu Zeugen des ruf ich die Götter an, Sie, die das Feuer in meiner Brust entzündet, Das all den Meinen so verderblich war, Die sich ein grausam Spiel damit gemacht, Das schwache Herz der Sterblichen zu verführen. Ruf das Vergangne dir zurück! dich fliehen War mir zu wenig. Ich verbannte dich! Gehässig, grausam wollt ich dir erscheinen; Dir desto mehr zu widerstehn, warb ich Um deinen Haß – Was frommte mirs! du haßtest Mich desto mehr, ich – liebte dich nicht minder, Und neue Reize nur gab dir dein Unglück. In Glut, in Tränen hab ich mich verzehrt, Dies zeigte dir ein einzger Blick auf mich, Wenn du den einzgen Blick nur wolltest wagen. – Was soll ich sagen? Dies Geständnis selbst, Das schimpfliche, denkst du, ich tats mit Willen? Die Sorge trieb mich her für meinen Sohn, Für ihn wollt ich dein Herz erflehn – Umsonst. In meiner Liebe einzigem Gefühl Konnt ich von nichts dir reden als dir selbst. Auf, räche dich und strafe diese Flamme, Die dir ein Greul ist; reinige, befreie, Des Helden wert, der dir das Leben gab, Von einem schwarzen Ungeheuer die Erde. Des Theseus Witwe glüht für Hippolyt! Nein, laß sie deiner Rache nicht entrinnen. Hier treffe deine Hand, hier ist mein Herz! Voll Ungeduld, den Frevel abzubüßen, Schlägt es, ich fühl es, deinem Arm entgegen. Triff, oder bin ich deines Streichs nicht wert, Mißgönnt dein Haß mir diesen süßen Tod, Entehrte deine Hand so schmählich Blut, Leih mir dein Schwert, wenn du den Arm nicht willst. Gib! Entreißt ihm das Schwert. Königin, was machst du? Große Götter! Man kommt. O flieh den Blick verhaßter Zeugen, Komm, folge mir und rette dich vor Schmach. Sie führt Phädra ab. 6. Szene Sechster Auftritt. Hippolyt. Theramen. Flieht dort nicht Phädra oder wird vielmehr Gewaltsam fortgezogen? – Herr, was setzt Dich so in Wallung? – Ich seh dich ohne Schwert, Bleich, voll Entsetzen – Fliehn wir, Theramen! Du siehst mich in dem äußersten Erstaunen. Ich kann mich selbst nicht ohne Grauen sehn. Phädra – Doch große Götter! Nein! Das Gräßliche bedeck ein ewig Schweigen! Willst du von dannen, das Schiff ist segelfertig, Doch Herr, Athen hat sich bereits erklärt. Man hat das Volk nach Zünften stimmen lassen, Dein Bruder hat die Stimmen, Phädra siegt! Hippolyt macht eine Bewegung des Erstaunens. Ein Herold kommt soeben von Athen, Der ihr den Schluß des Volkes überbringt, Ihr Sohn ist König. Phädra! Große Götter! Ihr kennt sie! Ists der Lohn für ihre Tugend? Indes schleicht ein Gerücht umher, der König Sei noch am Leben. Man will ihn in Epirus Gesehen haben – Aber hab ich ihn nicht dort Erfragt, und weiß ich nicht zu gut – Tut nichts. Man muß auf alles hören, nichts versäumen Und forschen nach der Quelle des Gerüchts. Verdient es nicht, daß wir die Fahrt einstellen, So gehen wir, was es auch kosten mag, Der Würdigsten das Szepter zuzuwenden! 3. Akt 1. Szene Erster Auftritt. Phädra und Oenone. Hinweg, hinweg. Zu andern wendet euch Mit diesen Ehren, die man auf mich häuft! Unglückliche, wie kannst du in mich dringen, Daß ich mich zeige? O verbirg mich vielmehr! Ach nur zu offen hab ich mich gezeigt, Mein rasend Wünschen wagt ich kundzugeben, Ich hab gesagt, was man nie hören sollte! – Wie horcht' er auf! Wie lange wußt er nicht Ausweichend meiner Rede zu entschlüpfen! Wie sann er nur auf schnelle Flucht, und wie Vermehrte sein Erröten meine Scham! O warum hieltst du meinen Arm zurück! Als ich sein Schwert auf meinen Busen zückte, Erblaßt' er nur für mich? Entriß er mirs? Genug, daß meine Hand daran gerührt, Ein Greuel wars in seinem Aug, es war Geschändet und entehrte seine Hände! So deinem eiteln Jammer ewig nur Dahingegeben nährst du eine Glut, Die du ersticken solltest. Wärs nicht besser, Nicht würdiger des Bluts, das in dir fließt, Dein Herz in edlern Sorgen zu zerstreun, Den Undankbaren, der dich haßt, zu fliehn, Zu herrschen und das Szepter zu ergreifen! Ich herrschen, ich ein Reich mir unterwerfen, Und bin nicht Meister meiner selbst und bin Nicht mächtig meiner Sinne mehr! Ich herrschen, Die einer schimpflichen Gewalt erliegt, Die stirbt! So flieh! Ich kann ihn nicht verlassen. Ihn nicht verlassen und verbanntest ihn! Es ist zu spät, er weiß nun meine Liebe. Die Grenze keuscher Scham ist überschritten, Das schimpfliche Geständnis ist getan, Hoffnung schlich wider Willen in mein Herz. Und riefst du selbst nicht meine fliehende Seele Mit schmeichelhaftem Trosteswort zurück? Du zeigtest mir verdeckt, ich könnt ihn lieben. Dich zu erhalten, ach! was hätt ich nicht, Unschuldig oder sträflich, mir erlaubt! Doch wenn du je Beleidigung empfandst, Kannst du vergessen, wie der Stolze dich Verachtete! Wie grausam höhnend er Dich nur nicht gar ihm ließ zu Füßen fallen! Wie machte dieser Stolz ihn mir verhaßt! O daß du ihn nicht sahst mit meinen Augen! Oenone, diesen Stolz kann er verlieren, Wild ist er wie der Wald, der ihn erzog, Er hört, ans rauhe Jagdwerk nur gewohnt, Zum erstenmale jetzt von Liebe reden. Er schwieg wohl gar aus Überraschung nur, Und Unrecht tun wir ihm mit unsern Klagen. Bedenk, daß eine Scythin ihn gebar. Obgleich sie Scythin war, sie liebte doch. Er haßt, du weißt es, unser ganz Geschlecht. So werd ich keiner andern aufgeopfert. – Zur Unzeit kommen alle deine Gründe, Hilf meiner Leidenschaft, nicht meiner Tugend. Der Liebe widersteht sein Herz. Laß sehn, Ob wirs bei einer andern Schwäche fassen! Die Herrschaft lockt' ihn, wie mir schien, es zog Ihn nach Athen, er konnt es nicht verbergen. Die Schnäbel seiner Schiffe waren schon Herumgekehrt, und alle Segel flogen. Geh, schmeichle seiner Ehrbegier, Oenone, Mit einer Krone Glanz – Er winde sich Das Diadem um seine Stirne, mein Sei nur der Ruhm, daß ichs ihm umgebunden! Behaupten kann ich meine Macht doch nicht, Nehm er sie hin! Er lehre meinen Sohn Die Herrscherkunst und sei ihm statt des Vaters; Mutter und Sohn geb ich in seine Macht. Geh, laß nichts unversucht, ihn zu bewegen, Dich wird er hören, wenn er mich nicht hört; Dring in ihn, seufze, weine, schildre mich Als eine Sterbende, o schäme dich Auch selbst der Flehensworte nicht! Was du Gut findest, ich bekenne mich zu allem. Auf dir ruht meine letzte Hoffnung. Geh! Bis du zurückgekehrt, beschließ ich nichts. Oenone geht ab. 2. Szene Zweiter Auftritt. Phädra allein. Du siehst, in welche Tiefen ich gefallen, Furchtbare Venus, unversöhnliche! Bin ich genug gesunken? Weiter kann Dein Grimm nicht gehn, vollkommen ist dein Sieg, Getroffen haben alle deine Pfeile. Grausame, willst du deinen Ruhm vermehren, Such einen Feind, der mehr dir widerstrebt. Dich fliehet Hippolyt, er spricht dir Hohn, Und nie hat er ein Knie vor dir gebeugt; Dein Name schon entweiht sein stolzes Ohr. Räche dich, Göttin! Räche mich! Er liebe! – Doch was ist das? Du schon zurück, Oenone? Man verabscheut mich, man will dich gar nicht hören. 3. Szene Dritter Auftritt. Phädra. Oenone. Ersticken mußt du jeglichen Gedanken An deine Liebe jetzt, Gebieterin! Sei wieder ganz du selbst. Ruf deine Tugend Zurück. Der König, den man tot geglaubt, Er wird sogleich vor deinen Augen stehn. Theseus ist angelangt! Theseus ist hier! Entgegen stürzt ihm alles Volk – Ich ging, Wie du befahlst, den Hippolyt zu suchen, Als tausend Stimmen plötzlich himmelan – Mein Gatte lebt, Oenone; mir genug. Ich habe eine Leidenschaft gestanden, Die ihn beschimpft. Er lebt. Es braucht nichts weiter. Wie, Königin? Ich sagte dirs vorher, Du aber hörtest nicht, mit deinen Tränen Besiegtest du mein richtiges Gefühl. Noch heute früh starb ich der Tränen wert – Ich folgte deinem Rat, und ehrlos sterb ich. Du stirbst? Ihr Götter! Was hab ich getan! Mein Gemahl wird kommen und sein Sohn mit ihm. Ich werd ihn sehn, wie er ins Aug mich faßt, Der furchtbare Vertraute meiner Schuld, Wie er drauf Achtung gibt, mit welcher Stirn Ich seinen Vater zu empfangen wage! Das Herz von Seufzern schwer, die er verachtet, Das Aug von Tränen feucht, die er verschmäht! Und glaubst du wohl, er, so voll Zartgefühl, So eifersüchtig auf des Vaters Ehre – Er werde meiner schonen, den Verrat An seinem Vater, seinem König dulden? Wird er auch seinem Abscheu gegen mich Gebieten können? Ja, und schwieg' er auch! Oenone, ich weiß meine Schuld, und nicht Die Kecke bin ich, die, sich im Verbrechen In sanfte Ruh einwiegend, aller Scham Mit eherner Stirne, nie errötend, trotzte. Mein Unrecht kenn ich, es steht ganz vor mir. Schon seh ich diese Mauern, diese Bogen Sprache bekommen und, mich anzuklagen Bereit, des Gatten Ankunft nur erwarten, Furchtbares Zeugnis gegen mich zu geben! – Nein, laß mich sterben! diesen Schrecknissen Entziehe mich der Tod – er schreckt mich nicht! Mich schreckt der Name nur, den ich verlasse, Ein gräßlich Erbteil meinen armen Kindern. Die Abkunft von dem Zeus erhebt ihr Herz, Der Mutter Schuld wird schwer auf ihnen lasten. Oenone, mit Entsetzen denk ich es, Erröten werden sie, wenn man mich nennt, Und wagens nicht, die Augen aufzuschlagen. Das wird gewiß geschehen, zweifle nicht! O wahrlich, nie war eine Furcht gerechter. Doch warum willst du sie der Schmach bloßstellen? Warum dich selbst anklagen? – Ach es ist Um uns geschehen! Phädra, hör ich sagen, Bekennt sich schuldig! Phädra trägt ihn nicht, Den furchtbarn Anblick des verratnen Gatten. Wie glücklich ist dein Feind, daß du ihm selbst Gewonnen gibst auf Kosten deines Lebens! Was werd ich ihm antworten, wenn er nun Als Kläger auftritt? Ach ich muß verstummen! Er aber wird sich seines gräßlichen Triumphs mit Übermut erfreun und jedem, Ders hören will, von deiner Schmach erzählen. Eh dies geschieht, zerschmettre mich der Blitz! – Sag mir die Wahrheit. Ist er dir noch teuer? Mit welchem Auge siehst du jetzt den Stolzen? Ein Ungeheuer ist er in meinen Augen. Warum den leichten Sieg ihm also lassen? Du fürchtest ihn – So wag es, ihn zuerst Der Schuld, die er dir vorwirft, anzuklagen. Wer kann dich Lügen strafen? Alles verdammt ihn. Sein Schwert, zum Glück in deiner Hand gelassen, Dein jetzger Schrecken, dein bisherger Gram, Die vorgefaßte Meinung seines Vaters Und deine frühern Klagen über ihn, Auch dies, daß du schon einmal ihn verbannt – Ich soll die Unschuld unterdrücken, lästern? Mir ist an deinem Schweigen schon genug. Ich zittre so wie du, auch mein Gewissen Regt sich, und tausend Tode stürb ich lieber! Doch ohne dieses Mittel der Verzweiflung Verlier ich dich! Es gilt zu hohen Preis, So weiche jedes andre deinem Leben! – Ich werde reden – Theseus, glaube mir, Wenn mein Bericht ihn aufgereizt, wird sich Mit der Verbannung seines Sohns begnügen, Ein Vater bleibt auch Vater noch im Strafen! Doch müßt auch selbst das Blut der Unschuld fließen, Dein Ruf steht auf dem Spiel, es gilt die Ehre, Der muß man alles opfern, auch die Tugend. Man kommt. Ich sehe Theseus. Wehe mir! Ich sehe Hippolyt. Ich lese schon In seinen stolzen Blicken mein Verderben. – Tu, was du willst, dir überlaß ich mich, In meiner Angst kann ich mir selbst nicht raten. 4. Szene Vierter Auftritt. Phädra. Oenone. Theseus. Hippolyt. Theramen. Das Glück ist mit mir ausgesöhnt, Gemahlin, Es führt in deine Arme – Theseus, halt! Entweihe nicht die zärtlichen Gefühle, Nicht mehr verdien ich diese Liebeszeichen, Du bist beschimpft. Das neidsche Glück verschonte, Seitdem du fern warst, deine Gattin nicht. Ich bin nicht wert, dir fernerhin zu nahn, Und gehe, mich auf ewig zu verbergen. Geht ab mit Oenonen. 5. Szene Fünfter Auftritt. Theseus. Hippolyt. Theramen. Wie? Welch ein seltsamer Empfang? – Mein Sohn? Phädra mag das Geheimnis dir erklären. Doch wenn mein Flehn was über dich vermag, Erlaub, o Herr, daß ich sie nie mehr sehe, Laß den erschrocknen Hippolyt den Ort, Wo deine Gattin lebt, auf ewig meiden. Verlassen willst du mich, mein Sohn? Ich suchte Sie nicht! Du brachtest sie an diese Küste! Du warst es selbst, o Herr, der mir beim Scheiden Aricien und die Königin anvertraut, Ja mich zum Hüter über sie bestellt. Was aber könnte nun mich hier noch halten? Zu lange schon hat meine müßge Jugend Sich an dem scheuen Wilde nur versucht. Wärs nun nicht Zeit, unwürdge Ruhe fliehend, Mit edlerm Blute mein Geschoß zu färben? Noch hattest du mein Alter nicht erreicht, Und manches Ungeheuer fühlte schon Und mancher Räuber deines Armes Schwere. Des Übermutes Rächer, hattest du Das Ufer zweier Meere schon gesichert, Der Wanderer zog seine Straße frei, Und Herkules, als er von dir vernahm, Fing an, von seiner Arbeit auszuruhn. Doch ich, des Helden unberühmter Sohn, Tat es noch nicht einmal der Mutter gleich! O gönne, daß mein Mut sich endlich zeige, Und wenn ein Ungeheuer dir entging, Daß ichs besiegt zu deinen Füßen lege, Wo nicht, durch einen ehrenvollen Tod Mich aller Welt als deinen Sohn bewähre. Was muß ich sehen? Welch ein Schrecknis ists, Das ringsum sich verbreitend all die Meinen Zurück aus meiner Nähe schreckt? Kehr ich So ungewünscht und so gefürchtet wieder, Warum, ihr Götter, erbracht ihr mein Gefängnis? – Ich hatte einen einzgen Freund. Die Gattin Wollt er dem Herrscher von Epirus rauben, Von blinder Liebeswut betört. Ungern Bot ich zum kühnen Frevel meinen Arm, Doch zürnend nahm ein Gott uns die Besinnung. Mich überraschte wehrlos der Tyrann, Den Waffenbruder aber, meinen Freund, Pirithous – o jammervoller Anblick! – Mußt ich den Tigern vorgeworfen sehn, Die der Tyrann mit Menschenblute nährte. Mich selbst schloß er in eine finstre Gruft, Die, schwarz und tief, ans Reich der Schatten grenzte. Sechs Monde hatt ich hülflos hier geschmachtet, Da sahen mich die Götter gnädig an, Das Aug der Hüter wußt ich zu betrügen, Ich reinigte die Welt von einem Feind, Den eignen Tigern gab ich ihn zur Speise. Und jetzo, da ich fröhlich heimgekehrt Und, was die Götter Teures mir gelassen, Mit Herzensfreude zu umfassen denke – Jetzt, da die Seele sich nach langem Durst An dem erwünschten Anblick laben will – Ist mein Empfang Entsetzen, alles flieht mich, Entzieht sich meiner liebenden Umarmung, Ja und ich selbst, von diesem Schrecken an Gesteckt, der von mir ausgeht, wünsche mich Zurück in meinen Kerker zu Epirus. – Sprich! Phädra klagt, daß ich beleidigt sei. Wer verriet mich? Warum bin ich nicht gerächet? Hat Griechenland, dem dieser Arm so oft Gedient, Zuflucht gegeben dem Verbrecher? Du gibst mir nichts zur Antwort. Solltest dus, Mein eigner Sohn, mit meinen Feinden halten? – Ich geh hinein. Zu lang bewahr ich schon Den Zweifel, der mich niederdrückt. Auf einmal Will ich den Frevel und den Frevler kennen. Von diesem Schrecken, den sie blicken läßt, Soll Phädra endlich Rechenschaft mir geben. Geht ab. 6. Szene Sechster Auftritt. Hippolyt und Theramen. Was wollte sie mit diesen Worten sagen, Die mich durchschauerten? Will sie vielleicht, Ein Raub jedwedes äußersten Gefühls, Sich selbst anklagen und sich selbst verderben? Was wird der König sagen, große Götter! Wie schwer verfolgt die Liebe dieses Haus! Ich selbst, ganz einer Leidenschaft zum Raube, Die er verdammt, wie hat mich Theseus einst Gesehen, und wie findet er mich wieder? Mir trüben schwarze Ahnungen den Geist, Doch Unschuld hat ja Böses nicht zu fürchten. – Gehn wir, ein glücklich Mittel auszusinnen, Wie wir des Vaters Liebe wieder wecken, Ihm eine Leidenschaft gestehn, die er Verfolgen kann, doch nimmermehr erschüttern. 4. Akt 1. Szene Erster Auftritt. Theseus. Oenone. Was hör ich! Götter! solchen Angriff wagte Ein Rasender auf seines Vaters Ehre! Wie hart verfolgst du mich, ergrimmtes Schicksal! Ich weiß nicht, was ich soll, nicht, was ich bin! O wird mir solcher Dank für meine Liebe? Fluchwerte Tat! Verdammliches Erkühnen! Und seiner wilden Lust genugzutun, Erlaubte sich der Freche gar Gewalt! Erkannt hab ichs, das Werkzeug seiner Wut, Dies Schwert, zu edlerm Dienst ihm umgehangen, Nicht hielt ihn selbst die heilge Scheu des Bluts! Und Phädra säumte noch, ihn anzuklagen, Und Phädra schwieg und schonte des Verräters. Des unglückselgen Vaters schonte Phädra. Vom Angriff dieses Wütenden beschämt Und dieser frevelhaften Glut, die sie Schuldlos entzündet, wollte Phädra sterben. Schon zuckte sie die mörderische Hand, Das schöne Licht der Augen auszulöschen, Da fiel ich ihr in den erhobnen Arm, Ja, ich allein erhielt sie deiner Liebe. Und jetzt, o Herr, von ihrem großen Leiden, Von deiner Furcht gerührt, entdeckt ich dir, Ich tats nicht gern, die Ursach ihrer Tränen. Wie er vor mir erblaßte, der Verräter! Er konnte mir nicht ohne Zittern nahn! Ich war erstaunt, wie wenig er sich freute! Sein frostiger Empfang erstickte schnell Die frohe Wallung meiner Zärtlichkeit. – Doch dieser Liebe frevelhafte Glut, O sprich, verriet sie sich schon in Athen? Denk an die Klagen meiner Königin, O Herr! Aus einer frevelhaften Liebe Entsprang ihr ganzer Haß. Und diese Liebe Entflammte sich von neuem in Trözene? Herr, alles, was geschehen, sagt ich dir! Zu lang ließ ich die Königin allein In ihrem Schmerz; erlaube, daß ich dich Verlasse, Herr, und meiner Pflicht gehorche. Oenone geht ab. 2. Szene Zweiter Auftritt. Theseus. Hippolyt. Da ist er! Götter! Dieser edle Anstand! Welch Auge würde nicht davon getäuscht! Darf auf der frechen Stirn des Ehebruchs Die heilige Majestät der Tugend leuchten? Wär es nicht billig, daß der Schalk im Herzen Durch äußre Zeichen sich verkündete? Herr, darf ich fragen, welche düstre Wolke Dein königliches Angesicht umschattet! Darfst du es deinem Sohne nicht vertraun? Darfst du, Verräter, mir vors Auge treten? Ungeheuer, das der Blitz zu lang verschont! Unreiner Überrest des Raubgezüchts, Von dem mein tapfrer Arm die Welt befreite! Nachdem sich deine frevelhafte Glut Bis zu des Vaters Bette selbst verwogen, Zeigst du mir frech noch dein verhaßtes Haupt? Hier an dem Ort, der deine Schande sah, Darfst du dich zeigen, und du wendest dich Nicht fremden fernen Himmelsstrichen zu, Wo meines Namens Schall nie hingedrungen? Entflieh, Verräter, reize nicht den Grimm, Den ich mit Müh bezwinge – Schwer genug Büß ich dafür mit ewger Schmach, daß ich So frevelhaftem Sohn das Leben gab, Nicht auch dein Tod soll mein Gedächtnis schänden Und schwärzen meiner Taten Glanz – Entflieh! Und willst du nicht, daß eine schnelle Rache Dich den Frevlern, die ich strafte, beigeselle, Gib acht, daß dich das himmlische Gestirn, Das uns erleuchtet, den verwegnen Fuß Nie mehr in diese Gegend setzen sehe! Entfliehe, sag ich, ohne Wiederkehr, Reiß dich von dannen, fort und reinige Vom Greuel deines Anblicks meine Staaten. – Und du, Neptun, wenn je mein Arm dein Ufer Von Raubgesindel säuberte, gedenk, Wie du mir einst zu meiner Taten Lohn Gelobt, mein erstes Wünschen zu erhören! Nicht in dem Drang der langen Kerkernot Erfleht ich dein unsterbliches Vermögen, Ich geizte mit dem Wort, das du mir gabst, Der dringenderen Not spart ich dich auf. Jetzt fleh ich dich, Erschütterer der Erde! Räch einen Vater, der verraten ist: Hin geb ich diesen Frevler deinem Zorn, Erstick in seinem Blut sein frech Gelüsten, An deinem Grimm laß deine Huld mich kennen! Phädra verklagt mich einer strafbarn Liebe! Dies Übermaß des Greuls schlägt mich zu Boden. So viele Schläge, unvorgesehn, auf einmal, Zerschmettern mich und rauben mir die Sprache! Verräter, dachtest du, es werde Phädra In feiges Schweigen deine Schuld begraben, So mußtest du beim Fliehen nicht das Schwert, Das dich verdammt, in ihren Händen lassen. Du mußtest, deinen Frevel ganz vollendend, Mit einem Streich ihr Stimm und Leben rauben. Mit Recht entrüstet von so schwarzer Lüge, Sollt ich die Wahrheit hier vernehmen lassen, Doch, Herr, ich unterdrücke ein Geheimnis, Das dich betrifft, aus Ehrfurcht unterdrück ichs. Du billige das Gefühl, das mir den Mund Verschließt, und, statt dein Leiden selbst zu mehren, Prüfe mein Leben, denke, wer ich bin. Vor großen Freveln gehen andre stets Vorher; wer einmal aus den Schranken trat, Der kann zuletzt das Heiligste verletzen. Wie die Tugend hat das Laster seine Grade, Nie sah man noch unschuldge Schüchternheit Zu wilder Frechheit plötzlich übergehn. Ein Tag macht keinen Mörder, keinen Schänder Des Bluts aus einem tugendhaften Mann. An einer Heldin keuscher Brust genährt, Hab ich den reinen Ursprung nicht verleugnet; Aus ihrem Arm hat Pittheus mich empfangen, Der fromm vor allen Menschen ward geachtet; Ich möchte mich nicht selbst zu rühmlich schildern, Doch, ist mir einge Tugend zugefallen, So denk ich, Herr, der Abscheu eben wars Vor diesen Greueln, deren man mich zeiht, Was ich von je am lautesten bekannt. Den Ruf hat Hippolyt bei allen Griechen! Selbst bis zur Roheit trieb ich diese Tugend, Man kennt die Härte meines strengen Sinns; Nicht reiner ist das Licht als meine Seele, Und ein strafbares Feuer sollt ich nähren? Ja, eben dieser Stolz, o Schändlicher, Spricht dir das Urteil. Deines Weiberhasses Verhaßte Quelle liegt nunmehr am Tag. Nur Phädra rührte dein verkehrtes Herz, Und fühllos war es für erlaubte Liebe. Nein, nein, mein Vater, dieses Herz – nicht länger Verberg ich dirs – nicht fühllos war dies Herz Für keusche Liebe! Hier zu deinen Füßen Bekenn ich meine wahre Schuld – Ich liebe, Mein Vater, liebe gegen dein Verbot! Aricia hat meinen Schwur – sie ists, Pallantes' Tochter, die mein Herz besiegte. Sie bet ich an, nur sie, wie sehr ich auch, Herr, dein Gebot verletze, kann ich lieben. Du liebst sie! – Nein, der Kunstgriff täuscht mich nicht. Du gibst dich strafbar, um dich reinzuwaschen. Herr, seit sechs Monden meid ich – lieb ich sie! Ich kam mit Zittern, dies Geständnis dir Zu tun – Da Theseus sich mit Unwillen abwendet. Weh mir! Kann nichts dich überzeugen? Durch welche gräßliche Beteurungen Soll ich dein Herz beruhigen – So möge Der Himmel mich, so mögen mich die Götter – Mit Meineid hilft sich jeder Bösewicht. Hör auf, hör auf, mit eitelm Wortgepräng Mir deine Heucheltugend vorzurühmen. Erheuchelt scheint sie dir. Phädra erzeigt mir In ihrem Herzen mehr Gerechtigkeit. Schamloser, deine Frechheit geht zu weit! Wie lang soll ich verbannt sein und wohin? Und gingst du weiter als bis Herkuls Säulen, Noch glaubt ich dem Verräter mich zu nah. Beladen mit so gräßlichem Verdacht, Wo find ich Freunde, die mir Mitleid schenken, Wenn mich ein Vater von sich stößt? Geh hin! Geh, suche dir Freunde, die den Ehbruch ehren, Blutschande loben, schändliche, pflichtlose, Verräter ohne Schamgefühl und Ehre, Wert, einen Schändlichen, wie du, zu schützen! Du sprichst mir immerfort von Ehebruch, Von – doch ich schweige. Aber Phädra stammt Von einer Mutter – Phädra ist erzeugt Aus einem Blut, du weißt es, das vertrauter Mit solchen Greueln ist als meines! Ha! So weit darf deine Frechheit sich vergessen Mir in das Angesicht? Zum letztenmal! Aus meinen Augen! Geh hinaus, Verräter! Erwarte nicht, daß ich in Zorneswut Dich mit Gewalt von hinnen reißen lasse! Hippolyt geht ab. 3. Szene Dritter Auftritt. Theseus allein. Geh, Elender! du gehst in dein Verderben! Denn bei dem Fluß, den selbst die Götter scheuen, Gab mir Neptun sein Wort und hälts. Dir folgt Ein Rachedämon, dem du nicht entrinnst. – Ich liebte dich und fühle zum voraus Mein Herz bewegt, wie schwer du mich auch kränktest. Doch zu gerechte Ursach gabst du mir, Dich zu verdammen – Nein gewiß, nie ward Ein Vater mehr beleidigt – Große Götter, Ihr seht den Schmerz, der mich zu Boden drückt, Konnt ich ein Kind so schlimmer Art erzeugen? 4. Szene Vierter Auftritt. Phädra. Theseus. Ich komm, o Herr, von Schrecken hergetrieben, Die Stimme deines Zorns drang in mein Ohr; Der Drohung, fürcht ich, folgte rasch die Tat. O wenns noch Zeit ist, schone deines Bluts! Ich fleh dich drum – Erspare mir den Greuel, Daß es um Rache schreie wider mich. O gib mich nicht dem ewgen Schmerz zum Raub, Daß ich den Sohn durch Vaters Hand gemordet! Nein, Phädra, meine Hand befleckte sich Mit meinem Blute nicht! Dennoch ist mir Der Frevler nicht entwischt. Mit seiner Rache Wird eine Götterhand beschäftigt sein. Neptun ist mir sie schuldig. Sei gewiß, Du wirst gerächt! Neptun ist sie dir schuldig! Was? hättest du den Gott in deinem Zorn – Wie? Fürchtest du, daß mich der Gott erhöre? O teile vielmehr mein gerechtes Flehn, In aller Schwärze zeig mir seine Schuld, Erhitze meinen allzuträgen Zorn. Du kennest seine Frevel noch nicht alle. Der Wütende, er wagts noch, dich zu schmähn, Dein Mund sei voll Betrugs. Aricia habe Sein Herz und seine Treu. Er liebe sie. Was? Er behauptets mir ins Angesicht! Doch solchen Kunstgriff weiß ich zu verachten. Schaff uns, Neptun, nur schnell Gerechtigkeit! Ich gehe selbst, in seinem Tempel ihn An sein unsterblich Götterwort zu mahnen. Er geht ab. 5. Szene Fünfter Auftritt. Phädra allein. Er geht – Welch eine Rede traf mein Ohr! Welch kaum ersticktes Feuer zündet sich Aufs neu in meinem Herzen an! O Schlag Des Donners, der mich trifft! Unselge Nachricht! Ich flog hieher, ganz Eifer, seinen Sohn Zu retten, mit Gewalt entriß ich mich Den Armen der erschrockenen Oenone, Die Stimme des Gewissens wollte siegen, Wer weiß, wohin die Reue mich geführt! Vielleicht ging ich so weit, mich anzuklagen. Vielleicht, wenn man ins Wort mir nicht gefallen, Entwischte mir die fürchterliche Wahrheit. – Gefühl hat Hippolyt und keins für mich! Aricia hat sein Herz und seine Schwüre! Ihr Götter, da der Undankbare sich Mir gegenüber mit dem stolzen Blick, Mit dieser strengen Stirn bewaffnete, Da glaubt ich ihn der Liebe ganz verschlossen, Gleich unempfindlich für mein ganz Geschlecht, Und eine andre doch wußt ihn zu rühren; Vor seinem Stolz fand eine andre Gnade! Vielleicht hat er ein leicht zu rührend Herz, Nur ich bin seinen Augen unerträglich! Und ich bemühe mich, ihn zu verteidigen! 6. Szene Sechster Auftritt. Phädra. Oenone. O weißt du, was ich jetzt vernahm, Oenone? Nein, aber zitternd komm ich her, ich wills Nicht leugnen. Mich erschreckte der Entschluß, Der dich heraus geführt. Ich fürchtete, Du möchtest dich in blindem Eifer selbst Verraten. Ach, wer hätts geglaubt, Oenone! Man liebte eine andre! Wie? Was sagst du? Hippolyt liebt! Ich kann nicht daran zweifeln. Ja, dieser scheue Wilde, den die Ehrfurcht Beleidigte, der Liebe zärtlich Flehn Verscheuchte, dem ich niemals ohne Furcht Genaht, der wilde Tiger ist gebändigt, Aricia fand den Weg zu seinem Herzen. Aricia! O nie gefühlter Schmerz! Zu welcher neuen Qual spart ich mich auf! Was ich erlitten bis auf diesen Tag, Die Furcht, die Angst, die Rasereien alle Der Leidenschaft, der Wahnsinn meiner Liebe, Des innern Vorwurfs grauenvolle Pein, Die Kränkung selbst, die unerträgliche, Verschmäht zu sein, es war ein Anfang nur Der Folterqualen, die mich jetzt zerreißen. Sie lieben sich! durch welches Zaubers Macht Vermochten sies, mein Auge so zu täuschen? Wie sahn sie sich? Seit wann? An welchem Ort? Du wußtest drum, wie ließest dus geschehn Und gabst mir keinen Wink von ihrer Liebe? Sah man sie oft sich sprechen und sich suchen? Der dunkle Wald verbarg sie? – Wehe mir! Sie konnten sich in voller Freiheit sehn, Der Himmel billigte ihr schuldlos Lieben, Sie folgten ohne Vorwurf, ohne Furcht Dem sanften Zug der Herzen. Hell und heiter Ging jedes Tages Sonne für sie auf! Und ich, der traurge Auswurf der Natur, Verbarg mich vor dem Licht; der einzge Gott, Dem ich zu rufen wagte, war der Tod. Ihn sah ich schon mit schnellen Schritten nahn, Mit Tränen nährt ich mich, mit bitterm Gram, Und selbst in meinen Tränen durft ich nicht Nach Herzenswunsche mich ersättigen! Vom Blick der Neugier allzuscharf bewacht, Genoß ich zitternd diese traurge Lust, Ja oft mußt ich sie gänzlich mir versagen Und unter heitrer Stirn den Gram verbergen. Was hoffen sie für Frucht von ihrer Liebe? Sie werden nie sich wiedersehn! Sie werden Sich ewig lieben! Jetzt, indem ich rede, Verlachen sie, o tötender Gedanke! Den ganzen Wahnsinn meiner Liebeswut! Umsonst verbannt man ihn, sie schwören sichs Mit tausend Schwüren, nie sich zu verlassen. Nein, ich ertrags nicht, dieses Glück zu sehn, Oenone, das mir Hohn spricht – Habe Mitleid Mit meiner eifersüchtgen Wut! Aricia Muß fallen! Man muß den alten Haß des Königs Erregen wider dies verhaßte Blut; Nicht leicht soll ihre Strafe sein, die Schwester Hat schwerer sich vergangen als die Brüder. In meiner Eifersucht, in meiner Wut Erfleh ichs von dem König! Wie sie gehn will, hält sie plötzlich an und besinnt sich. Was will ich tun? Wo reißt die Wut mich hin? Ich eifersüchtig! Und Theseus ists, den ich erflehen will! Mein Gatte lebt, und mich durchrast noch Liebe! Für wen? Um welches Herz wag ich zu buhlen? Es sträubt mir grausend jedes Haar empor, Das Maß des Gräßlichen hab ich vollendet. Blutschande atm' ich und Betrug zugleich; Ins Blut der Unschuld will ich, racheglühend, Die Mörderhände tauchen – Und ich lebe! Ich Elende! und ich ertrag es noch, Zu dieser heilgen Sonne aufzublicken, Von der ich meinen reinen Ursprung zog. Den Vater und den Oberherrn der Götter Hab ich zum Ahnherrn; der Olympus ist, Der ganze Weltkreis voll von meinen Ahnen. Wo mich verbergen? Flieh ich in die Nacht Des Totenreichs hinunter? Wehe mir! Dort hält mein Vater des Geschickes Urne, Das Los gab sie in seine strenge Hand, Der Toten bleiche Scharen richtet Minos. Wie wird sein ernster Schatte sich entsetzen, Wenn seine Tochter vor ihn tritt, gezwungen, Zu Freveln sich, zu Greueln zu bekennen, Davon man selbst im Abgrund nie vernahm! Was wirst du, Vater, zu der gräßlichen Begegnung sagen? Ach, ich sehe schon Die Schreckensurne deiner Hand entfallen, Ich sehe dich, auf neue Qualen sinnend, Ein Henker werden deines eignen Bluts. Vergib mir. Ein erzürnter Gott verderbte Dein ganzes Haus; der Wahnsinn deiner Tochter Ist seiner Rache fürchterliches Werk! Ach von der schweren Schuld, die mich befleckt, Hat dieses traurge Herz nie Frucht geerntet! Ein Raub des Unglücks bis zum letzten Hauch, End ich in Martern ein gequältes Leben. Verbanne endlich doch den leeren Schrecken, Gebieterin! Sieh ein verzeihliches Vergehn mit andern Augen an. Du liebst! Nun ja! Man kann nicht wider sein Geschick. Du warst durch eines Zaubers Macht verführt, Ist dies denn ein so nie erhörtes Wunder? Bist du die erste, die der Liebe Macht Empfindet? Schwache Menschen sind wir alle, Sterblich geboren darfst du sterblich fehlen. Ein altes Joch ists, unter dem du leidest! Die Götter selbst, die Himmlischen dort oben, Die auf die Frevler ihren Donner schleudern, Sie brannten manchmal von verbotner Glut. Was hör ich? Welchen Rat darfst du mir geben? So willst du mich denn ganz im Grund vergiften, Unselge! Sieh, so hast du mich verderbt! Dem Leben, das ich floh, gabst du mich wieder, Dein Flehen ließ mich meine Pflicht vergessen: Ich flohe Hippolyt, du triebst mich, ihn zu sehn. Wer trug dir auf, die Unschuld seines Lebens Mit schändlicher Beschuldigung zu schwärzen? Sie wird vielleicht sein Tod, und in Erfüllung Geht seines Vaters mörderischer Fluch. – Ich will dich nicht mehr hören. Fahre hin, Fluchwürdige Verführerin! Mich selbst Laß sorgen für mein jammervolles Los. Mög dirs der Himmel lohnen nach Verdienst Und deine Strafe ein Entsetzen sein Für alle, die mit schändlicher Geschäftigkeit, Wie du, den Schwächen ihrer Fürsten dienen, Uns noch hinstoßen, wo das Herz schon treibt, Und uns den Weg des Frevels eben machen. Verworfne Schmeichler, die der Himmel uns In seinem Zorn zu Freunden hat gegeben. Sie geht ab. allein. Geopfert hab ich alles, alles hab ich Getan, um ihr zu dienen! Große Götter! Das ist mein Lohn! Mir wird, was ich verdiene. 5. Akt 1. Szene Erster Auftritt. Hippolyt. Aricia. Ismene. Du schweigst in dieser äußersten Gefahr? Du lässest einen Vater, der dich liebt, In seinem Wahn. O wenn dich meine Tränen Nicht rühren, Grausamer! Wenn du so leicht Dich drein ergibst, mich ewig zu verlieren, Geh hin, verlaß mich, trenne dich von mir, Doch sichre wenigstens zuvor dein Leben! Verteidge deine Ehre! Reinige dich Von einem schändlichen Verdacht! Erzwings Von deinem Vater, seinen blutgen Wunsch Zu widerrufen. Noch ists Zeit. Warum Das Feld frei lassen deiner blutgen Feindin? Verständige den Theseus. Hab ichs nicht Getan? Sollt ich die Schande seines Bettes Enthüllen ohne Schonung, und die Stirn Des Vaters mit unwürdger Röte färben? Du allein durchdrangst das gräßliche Geheimnis, Dir und den Göttern nur kann ich mich öffnen. Dir konnt ich nicht verbergen, was ich gern Mir selbst verbarg – urteil, ob ich dich liebe! Jedoch bedenke, unter welchem Siegel Ich dirs vertraut! Vergiß, wenns möglich ist, Was ich gesagt, und deine reine Lippen Beflecke nie die gräßliche Geschichte. Laß uns der Götter Billigkeit vertrauen, Ihr eigner Vorteil ists, mir Recht zu schaffen, Und früher oder später, sei gewiß, Wird Phädra schmachvoll ihr Gebrechen büßen. Hierin allein leg ich dir Schonung auf, Frei folg ich meinem Zorn in allem andern. Verlaß die Knechtschaft, unter der du seufzest, Wags, mir zu folgen, teile meine Flucht, Entreiß dich diesem unglückselgen Ort, Wo die Unschuld eine schwere Giftluft atmet. Jetzt, da mein Unfall allgemeinen Schrecken Verbreitet, kannst du unbemerkt entkommen. Die Mittel geb ich dir zur Flucht, du hast Bis jetzt noch keine Wächter als die meinen. Uns stehen mächtige Beschützer bei, Argos und Sparta reichen uns den Arm; Komm! Bieten wir für unsre gute Sache Die Hülfe deiner, meiner Freunde auf, Ertragen wir es nicht, daß Phädra sich Bereichre mit den Trümmern unsers Glücks, Aus unserm Erb uns treibe, dich und mich, Und ihren Sohn mit unserm Raube schmücke. Komm, eilen wir, der Augenblick ist günstig. – Was fürchtest du? du scheinst dich zu bedenken. Dein Vorteil ja macht einzig mich so kühn, Und lauter Eis bist du, da ich voll Glut? Du fürchtest, dich dem Flüchtling zu gesellen? O schönes Los, mich so verbannt zu sehn! Geknüpft an dein Geschick, wie selig froh Wollt ich von aller Welt vergessen leben! Doch, da so schönes Band uns nicht vereint, Erlaubts die Ehre mir, mit dir zu fliehn? Aus deines Vaters Macht kann ich mich wohl Befrein, der strengsten Ehre unbeschadet: Das heißt sich lieben Freunden nicht entreißen; Flucht ist erlaubt, wenn man Tyrannen flieht. Doch, Herr – du liebst mich – Furcht für meine Ehre – Nein, nein, zu heilig ist mir deine Ehre! Mit edlerem Entschlusse kam ich her, Flieh deinen Feind und folge deinem Gatten. Frei macht uns unser Unglück, wir sind niemands, Frei können wir jetzt Herz und Hand verschenken, Die Fackeln sinds nicht, die den Hymen weihen. Unfern dem Tor Trözens, bei jenen Gräbern, Wo meiner Ahnherrn alte Male sind, Stellt sich ein Tempel dar, furchtbar dem Meineid. Hier wagt man keinen falschen Schwur zu tun, Denn schnell auf das Verbrechen folgt die Rache, Das Graun des unvermeidlichen Geschicks Hält unter fürchterlichem Zaum die Lüge! Dort laß uns hingehn und den heilgen Bund Der ewgen Liebe feierlich geloben. Den Gott, der dort verehrt wird, nehmen wir Zum Zeugen, beide flehen wir ihn an, Daß er an Vaters Statt uns möge sein. Die heiligsten Gottheiten ruf ich an, Die keusche Diane, die erhabne Juno, Sie alle, die mein liebend Herz erkannt, Sie ruf ich an zu meines Schwures Bürgen! Der König kommt. O fliehe eilends, fliehe! Um meine Flucht zu bergen, weil' ich noch. Geh, geh, und laß mir einen treuen Freund, Der meinen bangen Schritt zu dir geleite. Hippolyt geht ab. 2. Szene Zweiter Auftritt. Theseus. Aricia. Ismene. im Eintreten, vor sich. Ihr Götter, schafft mir Licht in meinem Zweifel, Deckt mir die Wahrheit auf, die ich hier suche. zu Ismenen. Halt alles zu der Flucht bereit, Ismene! Ismene geht ab. 3. Szene Dritter Auftritt. Theseus. Aricia. Du entfärbst dich, Königin? Du scheinst erschrocken! Was wollte Hippolyt an diesem Ort? Er sagte mir ein ewig Lebewohl. Du wußtest dieses stolze Herz zu rühren, Und deine Schönheit lehrte ihn die Liebe. Wahr ists, o Herr, den ungerechten Haß Hat er von seinem Vater nicht geerbt, Hat mich nicht als Verbrecherin behandelt. Ja, ja, ich weiß. Er schwur dir ewge Liebe. Doch baue nicht auf dieses falsche Herz, Auch andern schwur er eben das! Er tat es? Du hättest ihn beständger machen sollen! Wie ertrugst du diese gräßliche Gemeinschaft? Und wie erträgst du, daß die gräßliche Beschuldigung das schönste Leben schmäht? Kennst du sein Herz so wenig? Kannst du Schuld Von Unschuld denn so gar nicht unterscheiden? Muß ein verhaßter Nebel deinem Aug Allein die hohe Reinigkeit verbergen, Die hell in aller Augen strahlt? Du hast Zu lang ihn falschen Zungen preisgegeben. Geh in dich, Herr! Bereue, widerrufe Die blutgen Wünsche! Fürchte, daß der Himmel So sehr dich hasse, um sie zu gewähren! Oft nimmt er unser Opfer an im Zorn, Und straft durch seine Gaben unsre Frevel. Nein, nein, umsonst bedeckst du sein Vergehn: Dich blendet Liebe zu dem Undankbaren. Ich halte mich an zuverläßge Zeugen, Ich habe wahre Tränen fließen sehn. Gib acht, o Herr! Unzählge Ungeheuer Vertilgte deine tapfre Hand, doch alles Ist nicht vertilgt, und leben ließest du Noch ein – dein Sohn verwehrt mir fortzufahren. Des Vaters Ehre, weiß ich, ist ihm heilig, Ich würd ihm weh tun, wenn ich endete. Nacheifr' ich seiner edeln Scham und flieh Aus deinen Augen, um nicht mehr zu sagen. Sie geht ab. 4. Szene Vierter Auftritt. Theseus allein. Was kann sie meinen? Was verhüllen mir Die halben Worte, die man nie vollendet? Will man mich hintergehn? Verstehn sich beide Zusammen, mich zu ängstigen? – Doch ich selbst? Trotz meines schweren Zornes, welche Stimme Des Jammers ruft in meiner tiefsten Seele? Ein heimlich Mitleid rührt mich wunderbar. Zum zweitenmal laßt uns Oenonen fragen, Den ganzen Frevel will ich hell durchschauen. Zu der Wache. Oenone komme vor mich und allein! 5. Szene Fünfter Auftritt. Theseus. Panope. Ich weiß nicht, Herr, worauf die Fürstin sinnt, Doch ihre Schwermut läßt mich alles fürchten. In ihren Zügen malt sich die Verzweiflung, Und Todesblässe deckt ihr Angesicht. Schon hat Oenone sich, die sie mit Schmach Verstieß, ins tiefe Meer hinabgestürzt. Man weiß den Grund nicht der Verzweiflungstat, Vor unserm Aug verschlangen sie die Wellen. Was hör ich! Ihr Tod hat Phädra nicht beruhigt, Ja steigend immer mehrt sich ihre Angst. Bald stürzt sie sich im heftigen Gefühl Auf ihre Kinder, badet sie in Tränen, Als brächt es Lindrung ihrem großen Schmerz, Und plötzlich stößt sie sie mit Grauen weit Von sich, das Herz der Mutter ganz verleugnend. Sie schweift umher mit ungewissem Schritt, Ihr irrer Blick scheint uns nicht mehr zu kennen; Dreimal hat sie geschrieben, dreimal wieder Den Brief zerrissen, ihre Meinung ändernd. O eile, sie zu sehen! sie zu retten! Oenone tot und Phädra stirbt! Ihr Götter! – Ruft meinen Sohn zurück! Er komme, spreche, Verteidge sich, ich will ihn hören! Eilt! Panope geht ab. O nicht zu rasch, Neptun, erzeige mir Den blutgen Dienst! Magst du mich lieber nie erhören! Zuviel vielleicht vertraut ich falschen Zeugen, Zu rasch hab ich die Hand zu dir erhoben! Weh mir! Verzweiflung hätt ich mir erfleht! 6. Szene Sechster Auftritt. Theseus. Theramen. Bist du es, Theramen? Wo bleibt mein Sohn? Dir hab ich ihn als zartes Kind vertraut! Doch was bedeuten diese Tränen, sprich, Die ich dich weinen sehe? – Was macht mein Sohn? O allzuspäte überflüßge Sorgfalt! Fruchtlose Vaterliebe! Hippolyt – Ist nicht mehr! Götter! Sterben sah ich ihn, Den holdesten der Sterblichen und auch Den minder schuldigsten, ich darf es sagen! Mein Sohn ist tot! Weh mir! Jetzt, da ich ihm Die Arme öffnen will, beschleunigen Die Götter ungeduldig sein Verderben! Welch Unglück hat ihn, welcher Blitz entrafft? Kaum sahen wir Trözene hinter uns, Er war auf seinem Wagen, um ihn her Still, wie er selbst, die traurenden Begleiter. Tief in sich selbst gekehrt folgt' er der Straße, Die nach Mycenä führt, die schlaffen Zügel Nachlässig seinen Pferden überlassend. Die stolzen Tiere, die man seinem Rufe Mit edler Hitze sonst gehorchen sah, Sie schienen jetzt, starr blickend und das Haupt Gesenkt, in seine Schwermut einzustimmen. Plötzlich zerriß ein schreckenvoller Schrei, Der aus dem Meer aufstieg, der Lüfte Stille, Und schwer aufseufzend aus der Erde Schoß Antwortet eine fürchterliche Stimme Dem grausenvollen Schrei. Es trat uns allen Eiskalt bis an das Herz hinan, aufhorchten Die Rosse, und es sträubt' sich ihre Mähne. Indem erhebt sich aus der flüßgen Ebne Mit großem Wallen hoch ein Wasserberg, Die Woge naht sich, öffnet sich und speit Vor unsern Augen, unter Fluten Schaums, Ein wütend Untier aus. Furchtbare Hörner Bewaffnen seine breite Stirne, ganz Bedeckt mit gelben Schuppen ist sein Leib, Ein grimmger Stier, ein wilder Drache ists, In Schlangenwindungen krümmt sich sein Rücken. Sein hohles Brüllen macht das Ufer zittern, Das Scheusal sieht der Himmel mit Entsetzen, Aufbebt die Erde, weit verpestet ist Von seinem Hauch die Luft, die Woge selbst, Die es herantrug, springt zurück mit Grausen. Alles entflieht und sucht, weil Gegenwehr Umsonst, im nächsten Tempel sich zu retten. Nur Hippolyt, ein würdger Heldensohn, Hält seine Pferde an, faßt sein Geschoß, Zielt auf das Untier, und aus sichrer Hand Den mächtgen Wurfspieß schleudernd, schlägt er ihm Tief in den Weichen eine weite Wunde. Aufspringt das Ungetüm für Wut und Schmerz, Stürzt vor den Pferden brüllend hin, wälzt sich Und gähnt sie an mit weitem flammenden Rachen, Der Rauch und Blut und Feuer auf sie speit. Sie rennen scheu davon, nicht mehr dem Ruf Der Stimme, nicht dem Zügel mehr gehorchend. Umsonst strengt sich der Führer an, sie röten Mit blutgem Geifer das Gebiß, man will Sogar in dieser schrecklichen Verwirrung Einen Gott gesehen haben, der den Stachel In ihre staubbedeckten Lenden schlug. Quer durch die Felsen reißt die Furcht sie hin, Die Achse kracht, sie bricht, dein kühner Sohn Sieht seinen Wagen morsch in Stücken fliegen, Er selbst stürzt und verwirrt sich in den Zügeln. – O Herr, verzeihe meinen Schmerz. Was ich Jetzt sah, wird ewge Tränen mir entlocken. Ich sahe deinen heldenmütgen Sohn, Sah ihn geschleift, o Herr, von diesen Rossen, Die er gefüttert mit der eignen Hand. Er will sie stehen machen, seine Stimme Erschreckt sie nur, sie rennen um so mehr, Bald ist sein ganzer Leib nur eine Wunde. Die Ebne hallt von unserm Klaggeschrei; Ihr wütend Ungestüm läßt endlich nach, Sie halten still, unfern den alten Gräbern, Wo seine königlichen Ahnen ruhn. Ich eile seufzend hin, die andern folgen, Der Spur nachgehend seines edeln Bluts; Die Felsen sind davon gefärbt, es tragen Die Dornen seiner Haare blutgen Raub. Ich lange bei ihm an, ruf ihn mit Namen, Er streckt mir seine Hand entgegen, öffnet Ein sterbend Aug und schließt es alsbald wieder: »Der Himmel«, spricht er, »entreißt mir mit Gewalt Ein schuldlos Leben. O wenn ich dahin, Nimm, teurer Freund, der ganz verlassenen Aricia dich an – Und kommt dereinst Mein Vater zur Erkenntnis, jammert er Um seinen fälschlich angeklagten Sohn, Sag ihm, um meinen Schatten zu versöhnen, Mög er an der Gefangnen gütig handeln, Ihr wiedergeben, was –« Hier hauchte er Die Heldenseele aus; in meinen Armen Blieb ein entstellter Leichnam nur zurück, Ein traurig Denkmal von der Götter Zorn, Unkenntlich selbst für eines Vaters Auge! O süße Hoffnung, die ich selbst mir raubte, Mein Sohn! Mein Sohn! Ihr unerweichten Götter, Mir habt ihr nur zu gut gedient! – Mein Leben Hab ich dem ewgen Jammer aufgespart! Aricia kam jetzt, entschlossen kam sie, Vor deinem Zorn zu fliehn, im Angesicht Der Götter ihn zum Gatten zu empfangen. Sie nähert sich, sie sieht das Gras gerötet Und rauchend noch, sie sieht – sieht Hippolyt – O welch ein Anblick für die Liebende! – Dahingestreckt, gestaltlos, ohne Leben. Sie will noch jetzt an ihrem Unglück zweifeln, Ihr Aug erkennt nicht mehr die teuern Züge, Sie sieht ihn vor sich, und sie sucht ihn noch. Doch als es endlich schrecklich sich erklärt, Da klagt ihr Schmerzensblick die Götter an, Und mit gebrochnem Seufzer, halb entseelt, Entsinkt sie bleich zu des Geliebten Füßen. Ismene ist bei ihr und ruft sie weinend Zum Leben, ach! zum Schmerz vielmehr, zurück. Und ich, das Licht der Sonne hassend, kam, Den letzten Willen dieser Heldenseele Dir kundzutun, o Herr, und mich des Amts, Das er mir sterbend auftrug, zu entladen. – Doch hier erblick ich seine blutge Feindin. 7. Szene Siebenter und letzter Auftritt. Theseus. Phädra. Theramen. Panope. Nun wohl, du hast gesiegt, mein Sohn ist tot. Ach, wie gerechten Grund hab ich, zu fürchten! Welch grausamer Verdacht erhebt sich furchtbar In mir und spricht ihn frei in meinem Herzen! Doch – er ist tot! Unschuldig oder schuldig! Nimm hin dein Opfer! Freu dich seines Falls! Ich willge drein, mich ewig zu betrügen! Du klagst ihn an, so sei er ein Verbrecher! Schon gnug der Tränen kostet mir sein Tod, Nicht brauch ichs, ein verhaßtes Licht zu suchen, Das meinem Schmerz ihn doch nicht wiedergibt, Vielleicht das Maß nur meines Unglücks füllt. Laß mich, weit, weit von dir und diesem Ufer Das Schreckbild fliehen des zerrißnen Sohns. Herausfliehn möcht ich aus der ganzen Welt, Um dieser Qualerinnrung zu entweichen. Was mich umgibt, rückt mir mein Unrecht vor, Zur Strafe wird mir jetzt mein großer Name, Minder bekannt verbärg ich mich so mehr! Die Huld sogar der Götter muß ich hassen, Beweinen will ich ihre blutge Gunst, Mein eitles Flehn soll sie nicht mehr bestürmen. Was sie auch für mich tun, ihr traurger Eifer Ersetzt mir nie mehr, was er mir geraubt! Es sei genug des ungerechten Schweigens, Theseus! Recht widerfahre deinem Sohn. Er war nicht schuldig. O ich unglückselger Vater! Weh mir, und auf dein Wort verdammt ich ihn! Grausame, damit glaubst du dich entschuldigt? Die Zeit ist kostbar. Theseus, höre mich. Ich selbst wars, die ein lasterhaftes Auge Auf deinen keuschen Sohn zu richten wagte. Der Himmel zündete die Unglücksflamme In meinem Busen an – Was nun geschah, Vollführte die verdammliche Oenone. Sie fürchtete, daß Hippolyt, empört Von meiner Schuld, sie dir entdecken möchte, Und eilte, die Verräterin! weil ich Nur schwach ihr widerstand, ihn anzuklagen. Sie hat sich selbst gerichtet und, verbannt Aus meinem Angesicht, im Schoß des Meers Allzu gelinden Untergang gefunden. Mein Schicksal würde längst ein schneller Stahl Geendigt haben, doch dann schmachtete Noch unter schimpflichem Verdacht die Tugend. Um meine Schuld dir reuend zu gestehn, Wählt ich den langsameren Weg zum Grabe. Ein Gift flößt ich in meine glühenden Adern, Das einst Medea nach Athen gebracht, Schon fühl ich es zu meinem Herzen steigen, Mich faßt ein fremder, nie gefühlter Frost, Schon seh ich nur durch einer Wolke Flor Den Himmel und das Angesicht des Gatten, Den meine Gegenwart entehrt. Der Tod Raubt meinem Aug das Licht und gibt dem Tag, Den ich befleckte, seinen Glanz zurück. Ach Herr, sie stirbt! O stürbe doch mit ihr Auch die Erinnerung so schwarzer Tat! Kommt, laßt uns nunmehr, da wir unser Unrecht Ach nur zu hell! erkennen, mit dem Blut Des lieben Sohnes unsre Tränen mischen! Kommt, seine teuren Reste zu umfassen Und unsers Wunsches Wahnsinn abzubüßen. Wie ers verdiente soll ihm Ehre werden, Und kann es seine aufgebrachten Manen Besänftigen – sie, die er liebte, nehm ich Zur Tochter an, was auch ihr Stamm verschuldet.