Der beruhigte Geliebte Nach dem Lateinischen des Joannes Secundus. Wien im Sommermond 1785. Weil ich, ein Feind von heuchlerischem Zwang, Mein trunknes Herz der Liebe süssem Hang, Den Regungen des Blutes überlasse, Weiht man mich laut dem allgemeinen Hasse: Es feindet mich der düstre Murrkopf an, Weil sich dem Ernst der steifen Urgrossväter Mein freyer Sinn nicht sklavisch fügen kann, Und fliehet mich gleich einem Missethäter. Wie? soll ich wohl, wenn ich mit heissem Arm Den Schwanenhals Amaliens umschlinge, Und so vor Lust halb mit dem Tode ringe, Voll Ängstlichkeit mich kümmern, ob der Schwarm Milzsüchtiger und finstrer Sauertöpfe Nichts arges denkt? Ihr albernen Geschöpfe! Wie könnt' ich das? An meiner Trauten Brust Macht Wonne mich mir selber unbewusst. Mit Lächeln hört' Amalie mich jammern, Und hurtig kam sie auf mich zugerannt Gleich einem Reh, mit ihrer Liljenhand Sich an den Hals des Klagenden zu klammern. Dann folgt' ein Kuss, so süss, so wonnevoll, Als einer je zur feyerlichen Stunde Geheimer Nacht aus Cypris Nektarmunde, O Kriegesgott! auf deine Lippen quoll. Was fürchtest du, sprach sie voll Huld, die strenge Gerichtsbarkeit der unbiegsamen Menge? Sey gutes Muths! mein Tribunal allein Hast du, o Freund, in diesem Fall zu scheun.