Warnung Wien im März 1776. Ihr Herren, die ihr euch, verführt von eitler Ehre, Den Namen starke Geister gebt, Und bloss nach dem Gesetz, das die Natur gab, lebt, Die ihr der frommen Vorwelt Lehre Zum Ziel profanen Witzes macht, Der Blindheit unsrer Ahnen lacht, Euch lieblos des Verfalls der Bonzenherrschaft freuet, Und Klausnerheiligkeit als Gleissnerey verschreyet, Die ihr auf Bann und Interdikt Mit stolzem Lächeln niederblickt, Und sie als Gaukelspiel verachtet, Ja selbst die Hölle wenig achtet, Verwägne! spitzt die Ohren nur, Und höret, was mir jüngst (noch klappern mir die Zähne Bey der Erinnerung an diese Schreckenscene) Zur Mitternachtzeit wiederfuhr! Ich stand auf einmal an der Pforte Zu jenem unterird'schen Orte, Von dem manch Buch mit Recht so böse Ding' erzählt, Und wo, von gleicher Pein gequält, Der Erde stolze Potentaten Mit armem Bettlervolk auf einem Roste braten. Rings um die Mündung wallte hoch Ein dicker Dampf empor, der schwefelähnlich roch: Es herrschte weit und breit ein schaudervolles Schweigen, Und da ich weder Mensch, noch Their Entdeckte, wagt' ich es, gereitzt von Neubegier, Den finstern Schacht hinabzusteigen. Doch stellt euch mein Entsetzen vor! Kaum war ich innerhalb der Schwelle, So schloss mit wildem Knall sich hinter mir das Thor, Und ach! ich armer Tropf befand mich in der Hölle. Dem Wandrer, neben dem ein Blitz herabfährt, gleich, Stand ich, bis in das Mark erschüttert, stumm und bleich, Und streckte zitternd beyde Hände Verzweiflungsvoll empor: doch eh' ich mir's versah, War schon ein scheusslich Unthier da, Das einem Teufel der Legende, So wie ein Ey dem andern, glich. Wen sucht er, brüllte fürchterlich Der Unhold, hier bey uns? was führt ihn von der Erde Zur Unterwelt herab? will er an Satans Herde Sich wärmen? Nur herbey! ... Ein kalter Schauer lief Bey diesem Antrag mir vom Kopf bis zu den Füssen Durch jedes Glied. Nein, nein, ich bitte, rief Ich zitternd, nur das Thor mir wieder aufzuschliessen. Gemach! erwiedert' er, so ist es nicht gemeint: Wer einmal hier ist, guter Freund! Muss nolens volens sich bequemen, In Ewigkeit bey uns fürlieb zu nehmen. Drum denk' er ja an keine Wiederkehr! Das Privilegium, von hier einst loszukommen, Das Abbadona sich, so wie ich jüngst vernommen, Erschlichen haben soll, erhält wohl keiner mehr. Auf! folg' er mir, wohin ich ihn geleite! Nur da hinaus zur linken Seite! Mein Sträuben half hier nichts; drum gieng ich willig mit, Wir wanderten ganz sachte, Schritt für Schritt, (Denn wo kein Scheiterhaufen glühet, Bey dem man Sünder brät und brühet, Ist's, wie sich leicht erachten lässt, Nicht wenig finster in der Hölle) Und kamen endlich an die Stelle, Wo Seelen ohne Zahl, in Pfannen eingepresst, Gebraten auf dem Rost, und aufgehenkt an Spiessen, Für eines Stündchens Lüsternheit, Die keinem Beichtiger zur österlichen Zeit In's Ohr geflüstert ward, nun ewig schmachten müssen. O Himmel, hilf! welch ungeheure Schaar Verworfener von mancherley Gelichter Bot rings umher sich meinen Blicken dar! Hier schnitt ein Potentat erbärmliche Gesichter, Und rief: ich Thor! warum gab ich des Volkes Schweiss, Den öffentlichen Schatz nicht meinen Bonzen preis? Ich wäre dann wohl fern von Satans Bratenwender, Ja stünd' als Heiliger im römischen Kalender. Dort riss ein Philosoph das Haar sich aus dem Kopf, Und heulte laut: weh mir! ach! hätt' ich armer Tropf Doch alles blind geglaubt, und meine dreiste Nase In kein profanes Buch gesteckt, So läg' ich nun nicht hier auf Kohlen hingestreckt, Und wär' im Himmelreich bey meiner alten Base. Dienstfertig und galant, wie jeder Franzmann ist, Kam Meister Rabelais, mich freundlich zu empfangen, Und als er mich wohl zwanzigmal geküsst, Begann er mich auf mein Verlangen Mit der verwägnen Frevlerzunft, Die, was von Bändigung der menschlichen Vernunft Die schwarzen Herrn von ihrem Dreyfuss sprachen, Nicht achtete, bekannt zu machen. Hier, sprach er, sehen Sie den Spötter Lucian, Den Erbfeind frommer Scharlatane, Der lächelnd dem verjährten Wahne Die Spitze bot. O Freund! das ist ein Wundermann, Der durch des Witzes Talisman Nicht selten selbst dem bösen Feinde Ein Lächeln abgewinnen kann. Die ganze höllische Gemeinde Ist ihm von Herzen zugethan. Dort sitzt Professor Bayl', und sinnt auf neue Zweifel, Wodurch er dann und wann die Existenz der Teufel Auch hier trotz allem, was er sieht Und höret, ungewiss zu machen sich bemüht, Bis Lucifers Gefolg zu neuer Wuth erwachet, Und ihn ein schwarzer Polyphem Unwiderlegbar fühlen machet, Des Teufels Wirklichkeit sey mehr als ein Problem. In einer heissen Tonne sitzend, Und, einem Braten gleich, am ganzen Leibe schwitzend, Seufzt in dem Winkel dort der arme Dechant Swift, Der einst des Spottes ätzend Gift Hohnlächelnd auf Kalvin und auf den Papst zu triefen Sich unterstand, und drum itzt in den Tiefen Des Höllenschlunds, vermaledeit Von zweyer Kirchen Theologen, Die er durch seinen Kiel sich auf den Hals gezogen, Sich hinterm Ohre kratzt, und, was er schrieb, bereut. In jener Ecke harrt schon vorlängst auf Voltären Nicht fern von Lucian ein unbesetzter Stuhl, Falls Frankreichs Bonzen nicht, eh' ihn der Feuerpfuhl Mit Haut und Haar verschlingt, den alten Gauch bekehren. Noch zeigte Meister Rabelais Im traulichen Gespräch mir manchen, dessen Schriften Beym blinden Layenvolk so vieles Unheil stiften, Und der dafür nun ewig Ach und Weh Im Höllenabgrund ruft. So ist denn wirklich, dachte Ich endlich bey mir selbst, so ist denn alles das, Was ich von Satans Reich in Kochems Werken las, Kein blosses Märchen? und erwachte. O möchte doch diess grässliche Gesicht, Ihr losen Spötter, euch zur ernsten Lehre dienen! Möcht' euer frecher Mund der Hölle Strafgericht Kein Pfaffenmärchen mehr zu schelten sich erkühnen! Doch leider! hör' ich schon die Herren eures Schlags Auch über diese Warnung spassen: »Mit Lucian und seinen Schülern mag's »Sich selbst im Höllenpfuhl nicht übel leben lassen.« Ja, Freunde, dürfte man dort unten sich die Zeit Durch munteres Gespräch und frohen Witz vertreiben, So stünd' auch meine Hand bereit, Durch Ketzereyn sich wund zu schreiben. Allein beym mindsten Scherz, der euch entschlüpfet, giesst Ein Teufel, der schon alt und wetterlaunisch ist, Euch siedend Pech auf's Haupt: dann lasst ihr's gerne bleiben. Drum, meine Herren, überdenkt Die Sache reiflich, und beschränkt Die leidige Vernunft um eures Heiles willen! Bereuet, widerruft, wirkt Buss', und schreibt Postillen! Denn wahrlich, wahrlich sag' ich euch: Die Ewigkeit ist lang, zumal im Höllenreich.